Nun ist es nicht so, daß der als Freund klarer Worte apostrohierte Justizminister seinen Scharfsinn nicht auch noch zum Lösen eines weiteren Problems unseres Gemeinwohls beizusteuern wußte in seinem Interview am 12. Januar:
Heuer: Sie sind gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen ihre Wiedereinführung. Ist das nicht fahrlässig nach dem Terror in Frankreich?
Maas: Nein. Fahrlässigkeit ist allenfalls, den Leuten weißzumachen, dass die Vorratsdatenspeicherung geeignet wäre, solche Anschläge zu verhindern. In Frankreich gibt es eine Vorratsdatenspeicherung, sie hat die Anschläge nicht verhindert. Der Europäische Gerichtshof hat im April des letzten Jahres dagegen entschieden, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nichtig ist, weil sie gegen die Grundrechte verstößt. Und im Übrigen: Alle nehmen für sich in Anspruch: Je suis Charlie. Wir verteidigen unsere Freiheit und auch die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit. Die Vorratsdatenspeicherung wird auch zu mehr Überwachung von Presse und Journalisten führen. Das heißt, wir würden genau das machen, was die Terroristen eigentlich wollen, nämlich unsere Freiheit und unseren Rechtsstaat einschränken, und deshalb finde ich das auch aus diesem Grund völlig kontraproduktiv.
Heuer: Herr Maas, finde ich auch alles nicht schön, aber es könnte ja ein effektives Instrument sein, jedenfalls sagen das viele, weil selbst wenn Anschläge nicht vorher verhindert werden können, man doch hinterher die Hintergründe und Hinterleute finden kann. Können Sie wirklich auf ein solches Instrument im Kampf gegen den Islamismus verzichten in den Zeiten, die wir gerade erleben?
Maas: Wissen Sie, wenn der Europäische Gerichtshof Entscheidungen trifft, dann werden sich alle daran halten müssen, unabhängig davon, ob ihnen das gefällt oder nicht.
Heuer: Das ist aber eine Frage der politischen Gespräche und der Art und Weise, wie man solche Gesetze dann anfasst.
Maas: Wenn der Europäische Gerichtshof entscheidet, dass etwas nichtig ist, weil es gegen die Grundrechte verstößt, dann kann die Politik nicht hingehen und sagen, interessiert uns nicht.
Heuer: Und die Innenminister der SPD, die dafür sind, die liegen falsch?
Maas: Der Europäische Gerichtshof hat gesagt, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechte verstößt.
Was dem Minister eben fehlt an rhetorischer Begabung und vermutlich auch an dialektischem Denkvermögen, glaubt er wettmachen zu können durch Monotonie. Man fühlt sich erinnert an den finalen Auftritt des Rumpelstilzchen in der Kammer der Königstochter, wie es sich, mit dem rechten Fuß aufstampfend, selbst als Pflock in den Boden rammt: „Das hat dir der Teufel gesagt! Das hat dir der Teufel gesagt!“
„Niemals noch hängte sich die Wahrheit an den Arm eines Unbedingten“, meint hingegen Nietzsches Zarathustra.
Indessen sollte man, neben der als vermeintliche Argumentverstärkung dargebrachten monotonen Wiederholung, immerhin die Beherrschung eines zweiten rhetorischen Tricks, dessen sich unser Justizminister bedient, anerkennen. Wenn er auch mies ist, der Trick. Nämlich des Tricks, ein nicht existentes Gegenargument zu widerlegen. Denn davon abgesehen, daß es die Vorratsdatenspeicherung nicht nur in Frankreich gibt, sondern, soweit ich es weiß, auch in unseren Nachbarländern, ist mir kein Mensch bekannt, der behauptet hätte, vermittels Vorratsdatenspeicherung wäre der Anschlag in Frankreich noch irgendein anderer verhindert worden. Und als Interviewer hätte ich den Heiko Maas schon gefragt, ob er denn da dem interessierten Publikum jemanden nennen könne.
Sein Trick ist freilich abgedroschen in seiner Intention, anhand der beispielhaft vorgeführten Widerlegung einer behaupteten gegnerischen Behauptung die gegensätzliche Argumentation damit in ihrer Gesamtheit als unglaubwürdig zu diskreditieren. So daß hier im Speziellen möglichst auch nicht weiter auffalle, wie Maas ein politisches Argument gegen ein, wenn auch nicht gegebenes, sachliches setzt, um eben jener von ihm wohl eher gefürchteten sachlichen Diskussion auszuweichen. Welche seine ideologischen Scheuklappen offenbarte.
Man nennt das Vermeidungsstrategie.
Noch mieser wird die Trickserei des Justizministers, wenn er gegnerische Argumente dadurch abzuwehren versucht, indem er sie auf das Niveau terroristischer Absichten drückt.
Die Terroristen würden „genau das“ bezwecken!
Einmal glaube ich, Terroristen wollen ganz etwas anderes. Weiterhin zöge ich als Justizminister durchaus in mein Kalkül, daß Terroristen eher nicht wollen, daß man nun die Vorratsdatenspeicherung einführte.
Und unverdrossen einmal angenommen, es wäre dennoch so, daß die Terroristen „genau das“ erreichen wollten mit ihren Mordtaten, nämlich die Einführung der Vorratsdatenspeicherung, wieso sollten wir uns darob vorschreiben lassen, worüber wir sachlich nachdenken, reden und eventuell, völlig unabhängig vom Willen und Wollen terroristischer Gewalttäter, letztendlich entscheiden? Ich würde das Handeln der zivilisierten Welt nicht hängen an Hirne von Massenmördern.
Aber wie gesagt, den Trick, erfundene Gegenargumente zu widerlegen, den Trick beherrscht Heiko Maas.
Am selben Tage meinte der bereits angeführte Politikwissenschaftler Werner Patzelt in seinem Interview auf die Fragen des Moderators Mario Dobovisek:
Dobovisek: Schärfere Gesetze – wir haben die Debatte gerade mitverfolgen dürfen. Ist das der richtige Weg, Herr Patzelt?
Patzelt: Ich halte nichts davon, dass man oder wenn man nach Anschlägen zunächst einmal nach einer Verschärfung von Gesetzen ruft. Das erfüllt oft genug den Tatbestand rein symbolischer Politik oder rein symbolischer Forderungen. Was man freilich tun muss ist, auf Praktiker hören, auf jene Praktiker, die wir dafür bezahlen, dass sie uns im Rahmen des Möglichen vor Terrorangriffen schützen, und wo immer Praktiker meinen, dass bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen verändert werden müssten, um ihnen ihre Aufgabe zu erleichtern, da soll man sie ernst nehmen. Und man sollte zwar darauf achten, dass die Bürgerrechte nicht eingeschränkt werden, aber man sollte sich auch vor Hysterie dem eigenen Staat gegenüber bewahren, denn unser Staat ist nun einfach keiner, der es darauf anlegt, sich in eine Diktatur zu verwandeln, sondern einer, dem man durchaus vertrauen kann.
Dobovisek: Welche Schritte sehen Sie dennn als angemessen an, ohne dem Aktionismus zu verfallen?
Patzelt: Mir scheint, man kann schon intensiv über Vorratsdatenspeicherung nachdenken. Sie hilft zwar nicht bei der Prävention, sehr wohl aber bei der anschließenden Aufklärung, und aus der Aufklärung wiederum können präventiv wirksame Kenntnisse gezogen werden. Bei der Kriminalisierung oder Bestrafung der Finanzierung von Terror wird man ansetzen können und wir haben natürlich in Europa das Problem der offenen Grenzen, wobei man dafür vermutlich so schnell keine tragfähige Lösung finden wird.
Vier Tage später, am Freitag der Vorwoche, ein Interview zum selben Thema, ebenfalls im Deutschlandfunk:
Zagatta: Aus Ihrer Sicht, haben denn die Vertreter der Polizei oder Vertreter der Kriminalpolizei, die bei uns im Programm oder überall in den Medien im Moment die Befürchtung äußern, sie würden von der Politik nahezu im Stich gelassen, haben die recht aus Ihrer Sicht?
Krause: Ja, das kann man, kann ich nachvollziehen, weil in der Politik wird ja meistens über ganz andere Dinge geredet. In der Politik wird geredet darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Das ist philosophisch gesehen sehr interessant, aber es geht hier um eine ganz, ganz spezifische radikale Auslegung des Islam, und da sollte man nicht immer alle Muslime gleich mit in die Verantwortung ziehen. Oder es wird darüber geredet, wie schlimm die Vorratsdatenspeicherung sei, obwohl das Bundesverfassungsgericht eigentlich sehr genau gezeigt hat, was man da machen kann und was man nicht machen darf. Die politischen Diskussionen bewegen sich meines Erachtens zum Teil in einer Sphäre, die ich nicht mehr nachvollziehen kann.
Zagatta: Was wäre aus Ihrer Sicht nötig? Ich höre bei Ihnen jetzt heraus, Sie wären dafür, die Vorratsdatenspeicherung so schnell wie möglich einzuführen, verfassungsgemäß.
Krause: Ja! In einer Art und Weise, wie sie vom Grundgesetz für verfassungswidrig gehalten wird. Und was tut die Bundesregierung? Sie versteckt sich jetzt hinter der Europäischen Kommission und sagt, wir warten erst, bis die Kommission einen Vorschlag macht, und dann tun wir was. Das ist wieder eine unendliche Hinausschiebung einer Problematik, die wir uns eigentlich nicht leisten können, denn die Vorratsdatenspeicherung, wenn sie verfassungsgemäß gemacht wird, kann dazu führen, daß Netzwerke aufgeklärt werden, und das ist ganz wesentlich, weil es hier immer Netzwerke gibt bei diesen Terroristen oder bei diesen Terrorverdächtigen. Was wir auch noch brauchen ist natürlich eine Verstärkung der Bundesbehörden und der Landesbehörden, die sich mit der Terrorbekämpfung befassen. Und was wir noch viel wichtiger brauchen ist, dass wir endlich diese salafistischen Milieus, die es bei uns gibt, in, ich sage mal, irgendwelchen Nebenmoschees oder um bestimmte Hassprediger herum oder in bestimmten Orten – Verviers‘ gibt es in Deutschland nämlich auch sehr viele -, dass wir diese Dinge angehen und dass wir dahinter stehenden Probleme, die hauptsächlich Probleme von Migranten sind, die hier nicht richtig integriert werden können oder nicht richtig integriert werden wollen, dass wir diese Probleme stärker angehen. Aber das ist auch so ein Bereich, wo die Politik immer nur darüber redet, wie schön es eigentlich ist, dass wir Ausländer haben, aber nicht über die Probleme redet. Die Probleme, die es bei der Integration von Ausländern gibt, werden von uns eigentlich eher tabuisiert.
Zagatta: Professor Joachim Krause, der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Herr Krause, danke schön für das Gespräch.
Krause: Ja, gern geschehen.
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