A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Monatsarchive: September 2016

30.9.16 Serapion an Mephisto

 

Was aber die beiden Kriege anbelangt, nach denen Du mich fragtest, so liegen sie durchaus im Bereich meiner Wahrnehmung. Obwohl der Krieg des Islamischen Staates der grausamere zu sein scheint und der allgemeingefährlichere, glaube ich, den russischen für den bedenkenswerteren halten zu müssen. Den Krieg des Islamischen Staates empfinde ich nicht nur wegen seiner entsetzlichen Massaker als einen archaischen. Sondern vor allem, weil er tatsächlich derselbe ist seit Jahrtausenden. Die Menschen bleiben immer die gleichen, nur die Namen ihrer Götter wechseln. Was früher Aschschur war, heißt heute Allah. Die gottesdienstliche Abschlachtung der Ungläubigen aber ist unter Tiglatpileser und Sargon dieselbe wie unter Abu Bakr al-Baghdadi. Dieselbe Gegend, die gleichen kreisläufigen Geschichten. Im Nahen Osten leider nichts Neues. Ein Déjàvu bis auf die Tatsache, daß die Gefahr eines sich ausbreitenden Flächenbrandes selten derart groß war wie in heutigen Tagen. Und die Einschläge kommen immer näher.

Es ist ein großer Irrtum zu glauben, Geschichte wiederhole sich nicht. Im Gegenteil! Alles Vergängliche ist nur ein GLEICHES, möchte man sagen, vielleicht auf verschiedenem Niveau. Geschichte spiegelt, und Du wirst das bestimmt nicht für Vulgärmarxismus halten, Geschichte spiegelt, mehr als es uns bewußt ist, in Variationen beständig den Kampf der Antagonismen, bemäntelt von nahezu beliebig wandelbaren, ja sogar vom Austausch selbst gegensätzlicher Ideologien.

Zwar ist wahr, daß man nie im selben Flusse bade, aber wahr ist auch, daß seine Wasser mich heute so nässen wie morgen. Und wie es von Weisheit zeugen mag, im Strom der Zeit ein Verschiedenes zu suchen, so fördert wahrscheinlich noch mehr es unsere Erkenntnis, Analogien zu bemerken und anzuerkennen. Dieses mag der rettenden Voraussicht besser dienen als der Glaube, Geschichte wiederhole sich nicht.

Eine etwas andere Qualität in der Variation des ewig Gleichen fällt allerdings auf beim aktuellen Konflikt im Osten Europas. Trotz der ja ebenfalls nicht neuen, wenn auch mittlerweile semifaschistisch gesteigerten Russentümelei. Die „Russische-Erde“-Rückgewinnungspolitik scheint im Grunde ja eine nationalsozialistische zu sein: Da ist sie wieder, die „Blut und Boden“-Ideologie. Doch schon vor den Zeiten Iwan des Schrecklichen vermerkten die fleißigen Chronisten, daß die Moskauer Großfürsten „die russische Erde sammelten“…

Die „Russische-Erde“-Rückgewinnungspolitik paßt ebenso fugenfrei in die Reihe jenes jahrhundertlangen Kampfes des Altrussentums gegen das Westlertum. Wobei den Moskauern der Westen in seiner Verderbtheit einst unmittelbar südlich anfing. Denke nur an die erbitterten Abwehrkämpfe gegen jegliche Reformversuche des Patriarchen Nikon. Beispielsweise gegen die Wiederherstellung der ursprünglichen griechisch-orthodoxen Liturgie inklusive der Ausmerzung von offensichtlichen Rechtschreibfehlern in den liturgischen Texten. Da sei Gott vor! Man kämpfte, daß Jesu weiter Jssus statt Jissus geschrieben werde. Am Weißen Meer verteidigte ein Kloster sein „Njet!“ gegen diese westlichen Neuerungen acht Jahre lang mit Kanonen!

Die Ideen des Westens waren den russischen Altgläubigen, dem „Raskol“, abartig.

Und da haben wir noch nicht einmal über den polnischen Katholizismus geredet, die römische Westkirche mit ihrem verdammten polnischen Papst, der sich nicht beseitigen ließ. Der Westen mit seinen protestantischen Ideen hat uns letztendlich das sowjetische Imperium zertrümmert.

Apropos Protestantismus und französische Revolution: Je westlicher desto entsetzlicher.

Der Hauptfeind Moskaus war und ist bis heute der eigenmächtig denkende Mensch.

Oder erinnere Dich nur an den Aufstand der Strelitzen und seine grausame, also russische Niederschlagung. Und und und. Sehr sehr vieles gäbe es zu sagen.

Doch allein schon die jüngste Chronik zeigt wieder, keine noch so durchsichtig verlogene Idiotologie scheint zu plump, um Menschen zu verhetzen. Es hieß, 61 Prozent der Russen fänden es toll, daß in der Ostukraine Söldner aus Rußland kämpfen. Und es wäre gefährlich, sich darin zu täuschen: Unsere Zeit steht keinesfalls auf einer höheren zivilisatorischen Stufe, nur weil wir in einem neuen Jahrtausend leben und vom Juli 1914 hundert Jahre entfernt zu sein scheinen.

In der Welt waltete und waltet immer noch eine andere Kraft als die Vernunft, und damit meine ich nicht nur ihr Gegenteil.

Jene neue Qualität aber ist wohl vielen bis jetzt noch nicht zur Gänze und mit all ihrer Konsequenz ins Bewußtsein vorgedrungen. Und daß es kein Zurück mehr geben wird. Der durch Rußland ausgelöste Krieg in der Ostukraine ist nur die unterste Ebene des Konflikts. Gleichzeitig handelt es sich, obwohl die Ukraine nicht dazugehört, um den Beginn der offenen Aggression Rußlands gegen die Europäische Union. Rußland kämpft gegen eine im mühsamen Aufbau befindliche überstaatliche Ordnung, kämpft gegen einen Staatenbund. Um ihn zu zerstören. Wladimir Wladimirowitsch, der neue Zar im Kreml, will die Europäische Union, die beispielsweise, entgegen aller Wunschvorstellungen (oder Befürchtungen), eben noch nicht einmal über eine gemeinsame Außenpolitik verfügt, aus niederen Beweggründen zerstören.

Und, auf der obersten Ebene, und damit ist gemeint jene faschistische Dimension des Konflikts, bekriegt Rußland seit nunmehr zwei Jahren expansiv die westliche Zivilisation als solche. Weil man sie für dekadent, schädlich und bedrohlich und demgegenüber das Russentum für gesund und überlegen hält.

Wie gesagt, an und für sich ist die Furcht vor ihr und der Kampf gegen die Lebensart der Westler, der Kampf gegen die Europäisierung Rußlands, durch die Jahrhunderte kein neuer Zug. Doch handelte es sich bisher um einen Kampf für die Reinhaltung des Inneren. Das ist jetzt anders geworden in der Weltgeschichte.

Und der dahinterstehende wesentliche Antagonismus ist letztendlich der zwischen Individuum und Staat: Rußland kämpft gegen das Individuum.

 

21.9.16 Bellarmin an Mephisto

 

Es tut weh. Die SPD hat auch bei den Wahlen in Berlin erneut von allen Parteien die höchsten prozentualen Verluste erlitten. Und feiert sich wieder als Sieger.

Montag, 19. September, BADISCHE ZEITUNG:

Ein Wahlsieger, der nicht einmal jede vierte Stimme bekam, sechs Parteien im Parlament und eine AfD mit erneut mehr als zehn Prozent. Dazu verheerende Noten für die Stadtpolitik. Wer da, wie Michael Müller, der Regierende Bürgermeister, erklärt, seine SPD habe ihr Ziel erreicht, weil sie wieder den Regierungsauftrag erhalten habe, sollte zu einem Kurs in politischer Demut verpflichtet werden. Regieren ist kein Selbstzweck.

Dienstag, 20 September, Leserzuschriften in der Bild:

In Berlin läuft seit Jahren nichts. Drogen, Anarchisten, Arbeitslosigkeit, Kriminalität. Und dennoch wird wieder mehrheitlich die Partei gewählt, die es seit 2001 nicht schafft, das Chaos zu beseitigen. Unverständlich!

Patrick Bocanegra, Facebook

Rot-Rot-Grün. Glückwunsch, Berlin. Den Offenbarungseid könnt ihr als Bundesland schon jetzt leisten. Eine Truppe, die es schneller schafft, ein Land in die Pleite zu wirtschaften, gibt’s nicht.

Christian Kempf, Facebook

Es ist eine Tragödie für das Land, wie besonders seit den Männerfreunden Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine diese Partei mit den einst intelligentesten Köpfen von mit Blindheit geschlagenen Karrieristen süffisant grinsend bis zur unglaubwürdigsten Unglaubwürdigkeit heruntergewirtschaftet wird aus Machtgeilheit und Narzißmus und Egomanie.

 

17.9.16 Mephisto an Bellarmin

 

Ja mach nur einen Plan

Sei nur ein großes Licht!

Und mach dann noch ’nen zweiten Plan

Gehn tun sie beide nicht.

 

Bertolt Brecht (1898 – 1956)

 

Heile heile Gänschen! Die Regierungschefs der sogenannten Europäischen Union, da saßen sie denn zusammen in Bratislava mit den Funktionären der organisierten Verantwortungslosigkeit, um die Union zu retten. Ja, man signalisierte durchaus Bewußtsein für den Ernst der Lage. Was hingegen zu unterscheiden ist und prompt verwechselnd gleichgesetzt wurde mit Einsicht in die Lage. Welche hingegen fehlte. Zur Rettung der sogenannten Europäischen Union, „um Vertrauen zurückzugewinnen“, verfiel man nämlich der Idee, Einmütigkeit „zu zeigen“ und, nach dem originalen Geschwätz der deutschen Kanzlerin, Beschlußfähigkeit „zu demonstrieren“…

Aha, könnte hier der gutmenschliche Betrachter folgern, das Heil der Gemeinschaft krankte an Beschlußunfähigkeit!

Verursacht wohl durch die zu diesem Bratislaver Gipfel ungeladenen, weil beschlußbremsenden Briten. Die aber, angekündigtermaßen von unseren europäischen Durchblickern, nun untergehen werden infolge ihres aus Blödsinn beschlossenen „Brexits“.

Denn die EU ist gerettet! Endlich wieder neue Beschlüsse aus Brüssel! Pardon, aus Bratislava.

Als hervorragendes Exempel stach mir gleich der Beschluß zur Schaffung gemeinsamer militärischer Einheiten und einer europäischen „Kommandozentrale“ in mein ungeschütztes Auge, zur, wie der französische Hollande es ausdrückte, zur Verteidigung der Europäischen Union…

Das ist es ja, wonach wir dürsteten.

Wie nützlich! Neben der Nato eine eigene militärische EU-Formation! Und tatsächlich, diese blöden Briten haben das immer abgelehnt. Fanden diese mittlerweile sehr angejahrte französische Idee konkurrierender Militärverbände zur Nato überflüssig wie einen Kropf…

Ein französisches Prestigeprojekt zu Aufwertung des Stellenwertes der Grande Nation in einem Nicht-Nato-Verband, also ohne die USA! Finanziert, na? Dreimal darfst Du raten… Finanziert durch Eurobonds natürlich…

Also kostet ja niemanden nichts.

Lassen wir das. Daß aus den hehren, allerdings durchschaubar schwachsinnigen Ankündigungen europäischer Politiker nach dem Austrittsbegehren der eindeutigen britischen Volksmehrheit nichts werden würde, war eigentlich nicht schwer zu erahnen, sofern man einigermaßen aufmerksam das Geschehen verfolgte und über ein minimales Gedächtnis verfügt. Zudem ist es für den, der eine funktionierende Europäische Union will, durchaus ein gutes Zeichen. Daß es jedoch zu einer derartig primitiven Publikumsverarschung käme, hat mich denn doch entsetzt.

Und so halte ich es beängstigenderweise für wahrscheinlicher, daß ehe Großbritannien unterginge am „Brexit“ und den Folgen, die sogenannte Europäische Union untergeht.

Und das alles zur Gaudi von Petry, Le Pen und Putin!

 

Mittwoch, 14. September 2016, Deutschlandfunk:

Christiane Kaess: Glauben Sie denn, dass dieses Mehr an Solidarität, das Juncker fordert in der Flüchtlingskrise, dass sich das noch realisieren lässt?

Lüder Gerken: Es zeichnet sich derzeit leider nicht ab.

Diese Egoismen spielen eine sehr starke Rolle und Deutschland ist im Grunde genommen, die Bevölkerung in Deutschland ist im Grunde genommen eine der wenigen in der Europäischen Union, die sagt, die europäische Integration hat einen Eigenwert. Wenn Sie in Frankreich oder in Großbritannien oder in Spanien oder auch in Polen sich umhören, da wird die europäische Integration immer als Mittel zum Zweck der Durchsetzung nationaler Interessen gesehen. Das ist eine ganz andere Bewusstseinslage.

Kaess: Aber man kann ja, Herr Gerken, nationale Interessen haben und dennoch gemeinsame Werte teilen. Deshalb noch mal meine Frage: Teilt man überhaupt gemeinsame Werte noch, wenn wir uns die Flüchtlingspolitik und auf der einen Seite jetzt mal die zwei Extreme Deutschland und auf der anderen Seite Ungarn ansehen?

Gerken: Wie gesagt: auf einem sehr abstrakten Niveau schon. Aber wenn es dann darum geht, das herunterzubrechen auf die konkreten politischen Vorgänge und Ziele und Aufgaben und Tätigkeiten, dann hören diese gemeinsamen Dinge sehr schnell auf und zergliedern sich in verschiedene Präferenzen und Strömungen. Das ist das Problem!

Kaess: Dass nationale Regierungen vor allem an nationale Interessen denken, das entspricht aber durchaus der Stimmung im Volk, oder?

Gerken: Ja, natürlich! Natürlich wollen auch die nationalen Regierungen und Parlamente wiedergewählt werden. Sie müssen natürlich auf das Volk hören. Das ist ja auch einer der Gründe, warum die Franzosen und die Polen und auch die Briten sich in einer ganz bestimmten Weise verhalten.

Wir Deutschen haben eine ganz andere Vorstellung von der weiteren Integration wie etwa die Polen oder auch die Briten, und darüber hat man sich in der Vergangenheit auf europäischer Ebene nicht verständigen können. Nehmen wir den europäischen Verteidigungsfonds, den Herr Juncker heute vorgeschlagen hat. Das geht zurück auf ein Grundsatzpapier von Thierry Breton, dem ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister unter Chirac. … Wenn man das Papier von Breton sich genauer anschaut, steht dahinter die Finanzierung dieses Fonds über Eurobonds.

Kaess: Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Aspekt herausgreifen, auch einen wirtschaftlichen. Es geht um die Arbeitslosigkeit. Juncker will diesem schon milliardenschweren Plan für Investitionen verdoppeln. Er will ihn auf 630 Milliarden Euro aufstocken. Was bringt dieser Investitionsplan?

Gerken: Das ist eine große Frage. Man muss bei staatlich geförderten Investitionen immer sehr vorsichtig sein, weil man nicht genau weiß, ob diese Investitionen wirklich marktfähig und damit nachhaltig sind. Der Investitionsfonds mit den 315 Milliarden, der bisher, wie Juncker sagt, zu etwa einem Drittel jetzt wirksam geworden ist, ist so jung, dass man heute entsprechende Effekte noch gar nicht abschätzen kann. Deswegen erscheint es mir relativ früh zu sagen, wir wollen diesen Fonds, weil er erfolgreich sei, verdoppeln.

Kaess: Sagt Lüder Gerken. Er ist Vorsitzender des Centrums für europäische Politik.

 

Freitag, 16. September 2016, Deutschlandfunk:

Dirk Müller: Die EU will besser werden, sie will gut tun – unser Thema jetzt mit dem Europaparlamentarier Richard Sulik, Parteichef der Rechtsliberalen in der Slowakei, die dort die stärkste Oppositionskraft bilden. Richard Sulik ist ein scharfer Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel wie auch ein scharfer Kritiker der finanziellen Rettungspolitik der EU gegenüber Griechenland. Guten Morgen!

Richard Sulik: Guten Morgen.

Müller: Herr Sulik, machen Sie jetzt mit bei einem besseren Europa?

Sulik: Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie das genau meinen. Das Europa wäre besser, wenn die Herren endlich die Verträge einhalten würden. Das wäre doch schon mal was. Aber das machen die eben nicht.

Müller: Wer bricht welche Verträge?

Sulik: Ja, zum Beispiel der Schengener Vertrag wird nicht eingehalten. Es hat doch die Europäische Kommission schon vor sechs Jahren gegen Griechenland ein Vertragsverletzungsverfahren gestartet und es ist eigentlich nichts passiert, und heute wundern sich alle, dass wir so viele Migranten in Europa haben.

Auch zum Beispiel Frau Merkel hat Verträge gebrochen, als sie so viele Migranten eingeladen hat. Da gibt es doch das Dubliner Abkommen und so weiter. Das hat sie alles nicht eingehalten. Ganz zu schweigen von Herrn Juncker, der Griechenland rettet, immer wieder, und so weiter. Da müssen sich dann die Herren nicht wundern, dass die Leute, dass die Menschen Europa eben nicht so toll finden.

Müller: Sie, Herr Sulik, werfen Juncker wie auch eben Angela Merkel eindeutig Rechtsbruch vor?

Sulik: Ja! Machen die ja auch. Wenn sie damit aufhören, …

Müller: Und Rechtsbruch führt zu Vertrauensbruch?

Sulik: Ja, sicherlich! Die Verträge machen doch Freunde und das eben machen die nicht. Und dann wundern sie sich, dass die Leute, dass die Menschen kein Vertrauen da haben. Ich habe zum Beispiel nicht das geringste Vertrauen in Herrn Juncker. Da heißt es doch, alle Länder müssen ein Drei-Prozent-Defizit einhalten, oder eben weniger, aber Frankreich muss eben doch nicht, weil Herr Juncker so entschieden hat. So geht es doch nicht!

Müller: Herr Sulik, Sie sagen, Rechtsbruch Angela Merkel, Flüchtlingspolitik, Schengener Abkommen, Grenzen. Die Bundeskanzlerin sagt, wir mussten humanitär handeln, ist zur Not wichtiger als das, was wir vorher beschlossen haben. Für Sie nachvollziehbar?

Sulik: Nein!

Müller: Bis zu einem gewissen Punkt?

Sulik: Nein, nein, nein! Die deutsche Verfassung sollte und muss für die Frau Merkel das Allerhöchste sein, und im Rahmen der deutschen Verfassung soll sie humanitär handeln. Aber sie kann doch nicht eine Million Menschen ins Land einladen. Da sieht sie, dass sie das übertrieben hat. Und anstatt, dass sie diesen Fehler zugibt, will sie von allen anderen Ländern, dass wir die Flüchtlinge ihr abnehmen. Aber sie hat vergessen, dass die Politiker in den anderen Ländern sich nicht der Frau Merkel verantworten, sondern den eigenen Wählern.

Müller: Den eigenen Wählern, sagen Sie. Es geht ja auch um die osteuropäischen, um die mitteleuropäischen Länder, die ganz stark kritisiert werden, nicht nur von Frau Merkel, sondern von den meisten Politikern in Deutschland. Dass diese Länder – dazu gehört auch Ihr Land, die Slowakei – nicht bereit sind mitzumachen, die Lasten zu teilen, sondern immer nur nehmen und dafür nichts geben. Warum bewegen Sie sich da nicht ein bisschen? Warum zeigen Sie nicht Solidarität mit Europa?

Sulik: Schauen Sie mal: Die Europäische Union ist eine Vertragsgemeinschaft und wenn sich alle an die Verträge halten, dann wird es funktionieren. Aber es kann doch nicht sein, dass die Frau Merkel oder Herr Schulz sagen, ich möchte heute, dass ihr so viele Flüchtlinge abnehmt. Das war nie vereinbart.

Und wenn Sie von immer nehmen sprechen, dann meinen Sie diese Geldumverteilung und diese Agrarsubventionen. Ich bin der Erste, der sagt, schafft es ab! Schafft das ab! Konkret diese Agrarsubventionen vernichten die Wirtschaft in der Slowakei. Schaffen Sie diese Dinge ab!

Müller: Die 3,3 Milliarden, die die Slowakei empfängt aus Brüssel, wollen Sie die auch abschaffen?

Sulik: Behalten Sie das Geld. Ja, behalten Sie es.

Müller: Brüssel soll es behalten, weil Sie haben Geld genug?

Sulik: Moment! Nein, wir haben nicht Geld genug. Aber lieber werde ich ohne dieses Geld sein, als jetzt Zig-Tausende von Migranten aufzunehmen, nur weil die Frau Merkel schön sein wollte. Das ist das Erste.

Das Zweite: Die Griechenland-Rettung, davon war nie die Rede. Das ist im Gegensatz der Verträge und da hat die Slowakei bereits zwei Milliarden für Griechenland bezahlt.

Müller: Lieber Herr Sulik, wir bekommen jetzt leider Anrufe und auch Hinweise aus der Regie, dass wir kaum zu verstehen sind, dass die Leitung – wir haben mehrfach probiert jetzt im Vorfeld, Sie anzuwählen; Sie haben uns auch angewählt – zu schlecht ist, dass wir Schwierigkeiten haben beziehungsweise die Hörer massive Schwierigkeiten haben, Sie zu verstehen.

Wir haben jetzt fünf Minuten miteinander geredet. Ich schlage jetzt vor, dass wir an diesem Punkt nicht aus inhaltlichen, sondern aus leitungsqualitativen Gründen Schluss machen und uns wieder hören…

Sulik: … Das tut mir sehr leid.

Müller: Uns tut das auch leid. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Wir hören uns wieder in den nächsten Tagen und Wochen hier im Deutschlandfunk. Alles Gute Ihnen! Danke schön!

Sulik: Schönen Tag!

 

Die Leitung war tatsächlich grottenschlecht. Aber eines, wenn es in Brüssel so weitergeht wie in Bratislava, ist indessen völlig klar:

 

„Plus ça change, plus c’est la même chose.“

Alphonse Karr (1808-1890)

 

10.9.16 Mephisto an Bellarmin

 

Wenn man denkt, spdämlicher ginge es nimmer, kommt ein Gabriel daher und feiert das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern als Sieg.

Wenn man denkt, spdämlicher ginge es nimmer, kommt ein Gabriel daher, beschimpft die AfD als populistische Partei und verlangt eine Obergrenze für Flüchtlinge.

Wenn man denkt, populistischer ginge es nimmer, kommt ein Gabriel daher und verlangt ein Sozialpaket für die deutsche Bevölkerung, damit die nicht schlechter gestellt würde als Migranten.

Populismus nenne ich beispielsweise eine opportunistisch geprägte Politik im Hinblick auf ansonsten verschriene Stammtische.

Populismus ist, wenn SPD-Nahles als Arbeits- und Sozialministerin vier Wochen vor einer wichtigen östlichen Landtagswahl eine Pressekonferenz veranstaltet, um freudestrahlend, wie wir sie kennen, in verdächtiger Plötzlichkeit einen Plan zur Angleichung von Ostrenten an das Niveau der Westrenten in die Welt zu gackern.

Anstatt den Plan, wie in seriöser Regierungsweise üblich, vor seiner Veröffentlichung kollegial im Kabinett mit den Kollegen zu besprechen. Und abzustimmen. Zumal wenn Einzelheiten der sehr erheblichen Finanzierungsanforderungen noch ungeklärt sind und insbesondere von anderen Ressorts erfüllt werden sollen.

Populismus ist, wenn Gabriel unverfroren den Seehofer mimt.

Und spdämlicher Populismus ist besonders aufreizend, weil er beständig die Wähler in wahrlich beleidigender Weise intellektuell unterschätzt und unterstellt, die wären gedächtnislos.

Und genau das hat der SPD bei den jüngsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern von allen Parteien die größten Stimmenverluste beschert.

 

2.9.16 Mephisto an Bellarmin

 

Ballade vom kleinen Finger

 

Da war mal mein Kollege Klaus,

Der lachte Miesepeter aus,

In Winterkälte, Sommerhitze,

Der scherzte gern und riß auch Witze.

Bis eines Tags zur Frühstückspause

Er mit sich schleppte, von zu Hause,

Und tat mir sie sogleich empfehlen,

Die handelsüblichen Makrelen

In dünnwandiger Blechkonserve.

Die öffnete er voller Verve

Gefolgt von einem spitzen Schrei.

Ich dachte mir zunächst dabei,

Er hätte sich mit was bespritzt,

In Wahrheit, da war angeritzt

Sein kleinster Finger der linken Hand.

Der Klaus kam außer Rand und Band!

Dies wunderte uns alle sehr,

Denn jene Wunde wog nicht schwer,

Daß er, der lustvoll spaßte immer,

Mit leidiger Miene und leisem Gewimmer

Und derart erstaunlich sensitiv

In das Gesundheitswesen lief.

 

Was soll ich noch sagen, Klaus lachte nicht weiter,

Die Binde wurde täglich breiter,

Zu allem Übel kam das Pech.

Erst redeten die Ärzte Blech

Und mochten beim besten Willen nichts finden,

Doch sahn sie seine Kräfte schwinden

Und haben diagnostiziert,

An Fachärzte ihn delegiert,

Ihn endlich dann wohl falsch behandelt

Und besagten Kollegen merklich verschandelt:

Klaus mußte zum Schluß in die Klinik marschieren,

Den kleinen Finger zu amputieren!

 

Das war zwar schade. aber ohne den Finger,

Da kann man noch immer genießen die Dinger,

Und schließlich geht das Leben ja weiter!

Doch unser Kollege ward nicht wieder heiter,

Malheurgeplagt, gewissermaßen,

Durchirrte er farblos die staubigen Straßen,

Gesenkten Hauptes, sein Hut hing schief,

Er hörte wenig, wenn man ihn rief,

In Schuhen lief er mit offenen Senkeln,

Er schickte sich an, beständig zu kränkeln

Und mußte mit Drüsen und Membranen

Nebst manchen inneren Organen

Mitunter wieder ins Krankenhaus.

Wir brachten ihm ständig einen Strauß

Und fragten ihn lächelnd, als wenn nichts wär,

Ob’s besser nun ginge sanitär.

 

Zuletzt, auf einem Korridor,

Stand Klaus mit krankem Mittelohr,

Als zufällig wir uns nochmals trafen,

Er wirkte irgendwie verschlafen,

Sprach kaum einen Satz und befremdete mich –

Drauf ist er verstorben, ganz jämmerlich…

 

 

Nur zur Erinnerung…