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Sonntag, 6. November 2022: Mephisto an Bellarmin
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Das ehemalige Land der Dichter und Denker ist ja nach seiner Wiedervereinigung zu einem Land herabgesunken, in dem Gesinnung mehr gilt als Geist, und da haben wir also die von den öffentlich-rechtlichen Medien hofierte omnipräsente omnikompetente und vehement zweifelsfreie Bescheidwisserin Katrin Göring-Eckardt mit dem Abzeichen für „Gutes Wissen“.
Das ist so.
Man war in der Deutschen Demokratischen Republik selbst als Pastorentochter nicht gezwungen, Sekretärin für Agitation und Propaganda zu sein und marxistische Vorträge zu halten und Andersdenkende atheistisch zu agitieren. Zumal wenn man glauben machen will, das System durchschaut zu haben. Zu dem Posten gehörte schon entweder eine beträchtliche Portion Überzeugung für das im übrigen ja ausgemacht kirchenfeindlich zu Propagierende und das die zu Überzeugenden Agitierende oder aber ein ausgemachtes Maß an verlogener Opportunität und orwellschen Zwiedenkens.
Daran muß ich auch immer denken, wenn mir jene Pastorentochter dezidiertest die Welt erklärt als ehemalige Sekretärin für Agitation und Propaganda. Und, Du könntest mich schlagen, ich kann nichts dagegen tun, ich sehe die Katrin Göring-Eckart dann stets in blauer Bluse mit dem aufgenähten „Abzeichen für gutes Wissen“, und geradezu zwanghaft drängt das Bild sich mir auf, die Gutste, sie spräche gerade wieder vor einer FDJ-Versammlung.
Ja, so ist das.
Übersetzer braucht das Land!
Die eifrig bescheidwissende omnipräsente Omnikompetente hat sich letzten Donnerstag nun wiederum unvermeidlich befleißigt, dem Deutschlandfunk ein Interview beizusteuern.
Diesmal von einer Reise zu unseren polnischen Nachbarn.
Welche sich, wie ihre Nachbarn im Baltikum, gegen illegale Grenzübertritte aus Weißrußland mit der Errichtung eines Grenzzaunes gewehrt haben, und die nun in ihrer Not befürchten, einen solchen auch entlang der Grenze zur russischen Exklave des heutigen Kaliningrad ziehen zu müssen.
Donnerstag, 3. November 2022, Deutschlandfunk:
Silvia Engels: Ende vergangenen Jahres dominierte die Entwicklung an der polnisch-belarussischen Grenze über Wochen die Schlagzeilen. Die autoritäre Führung in Minsk ließ offenbar gezielt bewusst Asylsuchende aus aller Welt ins Land, um sie dann an die Grenze zu Polen zu bringen und so, weil sie Richtung Westen gingen, den Migrationsdruck in die EU zu erhöhen. Polen wehrte sich mit Grenzzäunen und Sperrgebieten. Die Leidtragenden waren die schutzsuchenden Menschen, die bei kalten und nassen Witterungsbedingungen oft genug im Niemandsland verharren mussten.
Mittlerweile ist das Thema aus den Schlagzeilen weitgehend verschwunden, doch nach wie vor besteht es. Nach wie vor versuchen nach Angaben von polnischen Behörden bis zu 1000 Menschen im Monat die Grenze zu überwinden.
Derzeit ist Katrin Göring-Eckardt, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von den Grünen, in der polnischen Grenzregion zu Belarus unterwegs und befasst sich genau mit diesem Thema. Sie ist nun am Telefon. – Guten Morgen, Frau Göring-Eckardt.
Katrin Göring-Eckardt: Frau Engels, schönen guten Morgen.
Engels: Sie waren an der Grenze, Sie haben mit Gruppen, auch mit Grenzbeamten gesprochen. Wie waren Ihre Eindrücke bisher?
Göring-Eckardt: Nach wie vor ist dieser Grenzzaun, der sehr, sehr hoch ist und mit Stacheldraht versehen und so weiter, die europäische Außengrenze, ein Zaun, den versuchen, Menschen zu überwinden. Und ja, es ist so, dass offensichtlich die belarussische Seite dabei hilft, die belarussischen Grenzbeamten dabei helfen, Menschen dort hinzubringen, den Migrationsdruck zu erhöhen. Aber klar ist auch: Die Menschen, die da kommen, kommen aus Ländern, von denen wir wissen, dass dort große Krisen herrschen, aus Afghanistan beispielsweise, aus Syrien, niemand, der einfach so sein Land verlässt. Das eine ist, dass dieser Grenzzaun teils überwunden wird, dass die polnische Seite Menschen zum Teil zurückschickt, zum Teil beantragen sie Asyl. Der größere Teil wird aber zurückgeschickt in Pushbacks auf die belarussische Seite. Die meisten Menschen wissen nicht, was sie dann wieder erwartet. Manche versuchen es mehrfach, aber es gibt auch welche, die auf der polnischen Seite bei diesen Temperaturen versuchen, in den Wäldern irgendwie zurechtzukommen und weiterzuziehen nach Deutschland…
…
Die polnische Seite sagt auch immer wieder, das sind Menschen, die keinen Asylantrag stellen, die wollen in Polen keinen stellen, die wollen weiter nach Deutschland. Wir haben das Dublin-Verfahren. Da sieht man auch wieder, dass dieses Verfahren überhaupt nicht hilft, um in Europa mit Migration zurechtzukommen. Wir haben gestern ja wieder auch darüber Berichte gehört, dass Politikerinnen und Politiker aus unserem Land sagen, wir brauchen die Zurückweisungen in die Länder, wo die Menschen ankommen. – Nein, wir brauchen europäische Solidarität. Wir brauchen die legalen Wege. Und ja, da muss Druck ausgeübt werden. Aber es muss auch klar sein, die Leute bleiben dann nicht in Polen, sondern es gibt eine gemeinsame europäische Verteilung der Geflüchteten.
…
Ja, so ist das, daß das nicht so ist.
Es gibt keine gemeinsame europäische Verteilung von Zuwanderern.
Aus irgendeinem nicht hinterfragten Grund.
Schon während der Hochzeit der sogenannten „Flüchtlings“-Krise im ehemaligen Lande der Dichter und Denker, am 12. September 2015, hattest Du mir hier geschrieben:
12. September 2015, Bellarmin an Mephisto:
Wir leben in äußerst lehrreicher Zeit!
Wie immer…
Als Du gerade den für die deutsche Debattenkultur lächerlichen Anspruch „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ erwähntest, fiel mir aus irgend einem Grund sofort die sogenannte Europäische Union ein, und wie sie gerade an allen Ecken und Enden so hart aus den wirklichkeitsfremden Blütenträumen ihrer wohlbestallten Funktionäre gerissen wird. Wobei ich die Ecken und Enden natürlich nicht allein auf ihre geographischen reduziert wissen möchte. Dennoch will ich heute nicht anfangen zu reden über Maastricht, den Euro-Stabilitätspakt, imaginäre Verschuldungsobergrenzen oder über das unsägliche Griechenland oder das Euro-Unding allgemein oder über den speziell galoppierenden Wahnsinn, die Türkei als Beitrittskandidat zu hofieren oder Serbien, Montenegro, das Kosovo, Albanien und und und. Oder über das Dublin-Verfahren oder die gemeinsame europäische Außenpolitik. Schwachsinn und Wirklichkeit. Das Wetter ist heute zu schön dafür, und ich komme bei Regen vielleicht darauf zurück mit einer mehr als oberflächlichen Analyse. Angesichts der Völkerwanderung aber weise ich Dich studienempfehlend nur schnell hin auf den Umstand des typischen nicht Wahrhabenwollens unserer Politiker, wobei man zwar entrüstet mit dem gemeinhin für den Sitz eines Hirns gehaltenen Organ schüttelt über die sich der Aufnahme von Flüchtlingen selbst in quantenhafter Quotenform verweigernden Staaten, aber über ein „die müssen doch!“ und „aber unsere Werte!“ nicht weiter hinauskommt als mit „So geht das doch nicht!“. Was man tatsächlich für Strategie hält.
Anstatt einmal zielführende Fragen zu stellen oder gar zu diskutieren.
Die oberste jener vermiedenen Fragen aller Fragen, die Zauberfrage, beginnt meist mit einem schlichten „Warum?“.
Warum mögen denn fast alle Staaten der Union mit den angeblich gemeinsamen Werten Flüchtlinge noch nicht eimal in homöopathischen Dosierungen ins Land lassen?
Nun, und bei der Antwort sehen wir auch gleich den Grund für das Augenverschließen vor der Gretchenfrage unserer Tage:
Weil die jeweiligen Regierungen Angst haben.
Wovor haben sie denn Angst, die jeweiligen Regierungen?
Sie haben Angst vor ihrem Volk!
Ach? Und warum haben sie Angst vor ihrem Volk?
Weil sie wissen, wie ihr Volk denkt.
Wie denkt denn ihr Volk?
Nun, beispielsweise in der tschechischen Republik denkt das Volk zu etwa 92 Prozent, es will keine Flüchtlinge bei sich aufnehmen im Land. Und in Polen denkt die Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, daß ihr Volk ähnlich denkt, und sie denkt simultan, daß am 25. Oktober Wahlen sind in ihrem Volk…
Ach?
Ja, all diese Völker denken populistisch!
Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft… Problemlösungen beginnen damit, die Augen nicht zu verschließen vor der Wirklichkeit, oder besser, da wir seit Sokrates wohl zu unterscheiden wissen zwischen Wirklichkeit und Realität, daß wir versuchen sollten, unsere Wirklichkeiten der Realität weitmöglichst anzupassen.
Das wäre zumindest ein erster Schritt.
Es wird wohl zu keiner Quotenregelung kommen.
Das ist so.
Reichlich sieben Jahre später hat man vorige Woche gewählt in Dänemark. Und da ist anschließend unversehens ein Bericht durchgerutscht im seriösesten Sender Deutschlands. Das passiert bisweilen selbst heutzutage noch im ehemaligen Lande der Dichter und Denker, bleibt generell dann aber stets ohne jegliche Diskussion. Nämlich einen Tag vor dem nicht erst seit sieben Jahren vorhersehbar üblichen Geschwätz (s. o.) unserer derzeitigen Bundestags-Vizepräsidentin mit dem sie der Welt die Welt erklärt mittels stets vorhersehbarem Urteil und dezidierter Verurteilung. Also:
Mittwoch, 2. November 2022, Deutschlandfunk über die Ergebnisse der jüngsten Wahlen bei unseren Nachbarn in Dänemark:
Martin Polansky: …und was interessant ist, ist vielleicht noch, wenn man auf die letzten Jahre und die letzten Wahlen schaut, das Thema Migration spielte jetzt eigentlich gar keine große Rolle. Denn es herrscht weitgehend Einigkeit zwischen allen Parteien in Dänemark, dass man eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgt. Und deshalb ist das rechtspopulistische Lager jetzt auch nicht besonders stark aus diesen Wahlen hervorgegangen. Leicht gestärkt zwar, vom großen Wahlsieg 2015 für die Dänische Volkspartei, wo sie zweitstärkste Kraft geworden ist. Und speziell die Dänische Volkspartei liegt jetzt bei 2,5 Prozent ungefähr.
DLF: Warum ist das so, Martin Polansky, dieses Phänomen, was Sie gerade beschrieben haben? Weil die bürgerlichen Parteien diese Kritik von Rechtsaußen politisch in irgendeiner Form aufgenommen haben und umgesetzt haben?
Polansky: Nicht nur die bürgerlichen Parteien, sondern eben auch die Sozialdemokraten! Na es gab eben die Wahl von 2015, wo die Dänische Volkspartei auf 21 Prozent gekommen ist! Das war auch für die Sozialdemokraten so’n bisschen so’n Schock! Und die haben dann auch ’ne Kehrtwende hingelegt in der Migrationspolitik, haben dann eher so’n Kurs eingeschlagen nicht nur beim Thema Migration, sondern insgesamt. Dass man sich versucht, mehr hin sich zu orientieren zu den Leuten, die, halt sagen wir mal, in den Handwerksberufen arbeiten. Also der berühmte Arbeiter, den die Sozialdemokratie ja ursprünglich ansprechen wollte. Weg ’n bisschen von den akademischen Milieus. Und da war aus Sicht der Sozialdemokraten eben auch ein Teil, dass man sagt, wir müssen dafür sorgen, dass wir kontrollieren, wie viele Leute nach Dänemark kommen. Und dass man eben auch Leute, denen man Asyl bietet, sie im Zweifelsfall dann auch wieder wegschickt aus dem Land, wenn sich die Lage in ihren Heimatländern dann verbessert hat. Und da herrscht ’n weitgehender Konsens sowohl zwischen Sozialdemokraten als auch bürgerlichen Parteien als auch dann eben den rechtspopulistischen Parteien.
DLF: Danke nach Skandinavien, Martin Polansky!
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„Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf.“
Katrin Göring-Eckardt auf dem Höhepunkt der sogenannten „Flüchtlings“krise 2015
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