A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: SED

Verschroben bis verlogen

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Samstag 15. April 2023: Bellarmin an Mephisto

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Was waren das für Zeiten im schönen Kalten Krieg! Als noch das „Lager des Friedens“ existierte, wie die östliche Propaganda die „Volksdemokratien“, die Volksvolksherrschaften eigenlobte, und das kommunistische Herrschaftsgebiet von der Elbe bis Kamtschatka und vom Nordpolarmeer bis zum Südchinesischen Meer meinte. Was konnte man da im Westen herumwühlen mittels der Fünften Kolonnen Moskaus samt ihrer nützlichen IdiotenInnen und außen.

Auch Margot Käßmann soll dieses Jahr auf einem Ostermarsch gesprochen haben.

Jene Art von Friedensliebe der Nützlichen hat ja Tradition.

In Westdeutschland und in anderen Ländern Westeuropas wurden Ostermärsche und am Jahrestag des Ausbruchs des zweiten Weltkrieges Antikriegsdemonstrationen durchgeführt. Die Volksbewegung gegen die Atomrüstung verstärkt sich, denn die Menschen verstehen, welche große Gefahr ihnen droht. Eine Ausnahme bilden die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie. Sie sprechen zwar über Frieden, aber in der Praxis unterstützen sie die Forderungen der westdeutschen Militaristen auf Beteiligung an einer multilateralen Atomrüstung der NATO. Sie sprechen von weltweiter internationaler Abrüstung, sind aber gegen den Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland, gegen einen Rüstungsstopp und gegen die Abrüstung in beiden deutschen Staaten“, tönte am Dienstag, dem 6. Oktober 1964, am Vorabend des „Republikgeburtstags“ der Deutschen Demokratischen Republik ihr Staatsratsvorsitzender, der SED-Genosse Walter Ulbricht.

Und am Montag, dem 4. April 1983, schrieb die Tageszeitung „Neues Deutschland“, das „Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (das Blatt erklärt unter geringfügiger Namensänderung noch heute den unbeirrbar Ohnehin-Bescheidwissern die Welt):

Unüberhörbar brachten sie [die Ostermarschierer] die Besorgnis der Völker über die akute Bedrohung des Friedens zum Ausdruck, die der von den USA betriebene Kurs der Hochrüstung, der Konfrontation, der Verschärfung der internationalen Spannungen und der harschen Verweigerung gegenüber jedem konstruktiven und realistischen Vorschlag der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder verursacht.“

Aus irgend einem Grund waren nämlich die Länder mit volksvolksherrschaftlicher Führung unter der Führung Sowjetrußlands schon immer für die Ostermärsche.

Für Ostermärsche in den nicht volksvolksherrschaftlich und nicht russisch regierten Ländern.

Was merkwürdig seltsam den unbeirrbaren Bescheidwissern aber bisher noch nie auffiel…

Da marschieren sie heutzutage denn also hinter Transparenten her wie

Frieden mit Russland und China!

Stoppt den Wirtschaftskrieg

Nord Stream 2 und

Druschba-Trasse in Betrieb!

DKP

Statt zu rufen: RUSSEN RAUS !

und:

RUSSEN RAUS AUS DER UKRAINE !

Am Mittwoch, dem 16. März 2022, erklärte der langjährige Organisator der Ostermärsche Willi van Ooyen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG jenseits historischer Erfahrung tatsächlich „Mehr Waffen beenden keinen Krieg“! Statt zu schießen sollten die Ukrainer die Russen mit zivilem Widerstand vertreiben!

Ach, ist das wieder klug, na, sagen wir milde: gesprochen!

Wenn die Ukrainer doch bloß endlich mal hören wollten, was ihnen ein klugsprechender Bescheidwisser aus Deutschland so alles rät.

Schau her, schau her,

so wär‘ die Welt, wenn Frieden wär‚“,

gab es einmal im Rahmen der staatlich organisierten „Singebewegung“ Ende der sechziger Jahre ein Lied in der Deutschen Demokratischen Republik, geträllert von Reiner Schöne und musiziert vom Klaus Lenz-Sextett.

Damals herrschte exakt russischer Friede.

Abgesichert gegen die imperialistischen Kriegstreiber in der Beärrdee und der Nato durch einen antifaschistischen Schutzwall.

Das war die Zeit, über deren damalige bescheidwissende Durchblicker im DER SPIEGEL 15/23 S. 22 zu lesen stand:

Offiziere des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit hatten im Februar 1968 ein Herz für Rudi Dutschke und den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Als die linksradikalen Rebellen in West-Berlin eine große „Vietnamkonferenz“ organisierten, sorgten Stasileute dafür, dass aus Westdeutschland anreisende Gäste in den Genuss einer Vorzugsbehandlung kamen. Dies geht aus Stasiakten im Bundesarchiv hervor. Die linken Studenten hatten das Treffen als internationale Solidaritätsdemonstration für die Vietnamesen organisiert, die gegen die Invasion von US-Truppen kämpften. Über 2000 Linksradikale trafen am 17. Februar 1968 in einem Konvoi am Grenzkontrollpunkt Marienborn ein, um über die Transitautobahn von der Bundesrepublik nach West-Berlin weiterzufahren. Die üblichen Autobahn- und Visagebühren entfielen, eine Zollkontrolle brauchte es auch nicht. Nur ihre Pässe mussten sie vorzeigen. Nach einem Bericht eines Majors der „Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung“ der Stasi wurden insgesamt 179 Pkw und 49 Busse mit 2667 Personen gezählt, die zum Protest in die Mauerstadt fuhren. In einem Report an den stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Generalleutnant Bruno Beater, heißt es auch: „Die Teilnehmer der Konferenz waren aufgeschlossen, sprachen unsere Mitarbeiter mit Genossen an.“

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Aus der pazifistisch-religiösen Bewegung, die 1960 antrat, um Strom und Bäche des Kalten Krieges vom Eis zu befreien, ist eine KP-gesteuerte Medienschau geworden…

Montag, 4. April 1983, Die Welt

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Die SPD als zuverlässigstes Sprachrohr der Partei Der Spalter

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Freitag, 3. Februar 2023: Bellarmin an Mephisto

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Der 2019 verstorbene Sigmund Jähn, seines Zeichens Generalmajor der „Nationalen“ „Volks“-Armee Restpreußens und Sachsens und deutscher demokratischer Weltraumpilot, war sicher ein integrer Charakter und insbesondere wohl auch ein erfreulich bescheidener. Indessen, daß er, wie nicht nur die ARD-Tagesschau anläßlich seines Todes sich beflissen zu melden beeilte, in der „DDR“ als Volksheld gegolten haben soll, ist unwahr. Wer, aber das war natürlich nicht das Deutsche-Demokratische-Republik-Volk, wer nicht gerade als SED-Funktionär, Abschnittsbevollmächtigter, Offizier, Zöllner, fanatisierte Pionierleiterin, freiwilliger Grenzhelfer nebst dessen unmündigen Ablegern herumlief oder zu den über 90.000 Geheimpolizisten plus 170.000 „Informellen Mitarbeitern“ jenes totalitären Zwergstaates zählte, durchschaute ohne besondere intellektuelle Anstrengung die Mitnahme eines Bürgers aus dem leibeigenschaftlich eingegrenzten „Volk“ in einer Rakete der ruhmredigen Sowjetunion als Propagandazirkusnummer für Den Doofen Rest, wie die deutsche demokratische vox populi in einem jahrzehntelang kolportierten Witz die Abkürzung des verlogenen Staatsnamens interpretierte.

Trotz jener 1989 über Nacht urplötzlich und restlos verschwundenen Selbstbezichtigung erkannten die Menschen unschwer die mittlerweile üblichen Erdumrundungen einer Sojus-29- oder einer Sojus-31-Rakete durchaus als Agitprop-Inszenierung für die wahrhaft Doofen und Naiven und für die im sozialistischen Bildungswesen zwangsweise indoktrinierten Schulkinder der Klassen 1 bis 4, egal ob da ein „Sowjetmensch“, – die Bezeichnung „Russe“ für „Russen“ war tabu in den von Russen besetzten Staaten des Ostblocks – egal ob da also ein „Sowjetmensch“ einen Tschechen oder einen Mongolen in seine Kapsel gehievt hatte, oder ob er mit einem nun abrupt wieder als Gesamtdeutschen gesehenen „Kosmonauten“ um die Erde schwirrte.

Es war belanglos.

Es war für denkende Menschen unerheblich.

Nie vernahm ich zu „DDR“-Zeiten auch nur irgendein Gespräch, in dem sein Name fiel.

Wie auch, man stelle es sich einmal vor, so ein Gespräch über „DDR“-Kosmonautik unter den Eingeborenen, die nicht zu einer der oben genannten Gruppe gehörten. Die also, zur normalen Bevölkerung zählend, am Fernsehapparat den Kanalwähler nicht ausschließlich auf demselben Kanal zu stehen hatten.

Woher also diese Scheinsensibilität für die konstruierte Befindlichkeit eines gewissermaßen postum postulierten „DDR-Volkes“?

Woher kommt dieses postume „Volks“-„Held“-Geschwafel bundesdeutscher Journalistik 30 Jahre nach dem Zusammenbruch jenes Staates, der seine als Zwangsarbeiter lebenslänglich zwangsrekrutierten Leibeigenen 1961 nicht mehr ohne Mauer und 1989 nicht mehr mit Mauer am Überrennen der unmenschlichen Staatsgrenze mit ihren Selbstschußanlagen und Hundestreifen und Schüssen in den Rücken Unbewaffneter hindern konnte? Einer mörderischen Grenze, über die in der während der glücklicherweise historisch kurzen Zeit des Bestehens dieses historischen Zufalls namens „Deutsche Demokratische Republik“ mehr als ein Sechstel ihrer Einwohnerschaft und oft unter Gefahr für Leib und Leben und unter Zurücklassung von allem Hab und Gut geflohen war aus irgend einem Grund. An Zahl übertreffend alles, was während der letzten Völkerwanderung an Völkerschaften in Europa und Nordafrika die Lande durchzogen hatte!

Von welchem Volk soll hier also sein der bundesdeutschen Journalisten blödsinniges Gerede?

Und in welchem Interesse?

Wer 2019 indessen erwartet hatte, daß endlich das Erinnerungsvermögen zurückkehre anläßlich des immerhin dreißigsten Jahrestages der historisch unglaublich glücklichen Wiedervereinigung Deutschlands nach über 56 Jahren totalitärer Diktatur durch Nazi-Barbarei mit anschließender russischer Fremdherrschaft unter einem Marionettenregime deutscher Kommunisten, der hatte unter anderem vergessen, daß demnächst wieder Bundestagswahlen stattfinden sollten. Mit einem widerlichen Wettrennen der Parteien um den besten Platz im After ostdeutscher Wähler. Ohne auch nur, wie geruchsnervenverletzt, im entferntesten das geringste zu riechen von dem Mief, den die seit dreißig Jahren unterschwellig dort fleißig herumrührende Partei Der Spalter aufwühlte, mit dem jahrzehntelangen Erfahrungsschatz ihrer ehemaligen Abteilung für Zersetzung. Beispielsweise im Gerüchtestreuen, beispielsweise in der vom ahnungslosen Westen kritiklos übernommenen Vorgabe von Begriffen, beispielsweise mit dem Trick der Gleichsetzung von Ungleichem, beispielsweise dem Verbreiten verlogener Mythen etc. pp.

Denn das Interesse der Partei Der Schamlosen nach ihrer Entmachtung als schicksalbestimmende Herrschaft über die infolge einer zufälligen ostdeutschen Geburt in freiheitsberaubender Leibeigenschaft gehaltenen Untertanen war ja nach deren Befreiung wohl nicht ganz deckungsgleich mit den „Wir sind das Volk!“- und „Wir sind EIN Volk!“-Rufenden.

Um es milde auszudrücken.

Ich halte es übrigens für ein äußerst charakteristisches Zeichen des Niedergangs kognitiver Kompetenz unserer gegenwärtigen Journalisten- und Politikerriege und Politikwissenschaftler und Historiker, daß ich nicht eine einzige Stimme fragen hörte in dem stetigen allgemeinen Gejammer über vermeintliche Defizite und unterstellte Fehlleistungen im „Prozeß der Wiedervereinigung“ und ähnlicher Selbstbezichtigungen, welche handlungsbestimmenden Interessen die umbenannte Partei nach ihrer totalitären Diktatur wohl leitete und welchen Anteil sie haben könnte am Erzeugen der Wagenburgmentalität ostdeutscher Nichtdenker. Beispielsweise in der Form unterschwelliger Stimmungsmache gegen „Besserwessis“, gegen „Westimporte“ für die eigentlich schlichte Normalität des in seinem wiedervereinigten Lande von A nach B ziehenden Staatsbürgers.

Das begann zum Beispiel mit dem verlogenen und völlig kritiklos übernommenen Begriff der „Wende“, kreiert ausgerechnet von Egon Krenz, dem Verteidiger des Massakers auf dem „Platz des himmlischen Friedens“ im ebenfalls kommunistisch, demnach totalitär regierten China.

„Wende“ für das wahrhaftige Ende der so genannten Deutschen Demokratischen Republik, die, wie das vorherige Naziregime, in nahezu idealer Anlehnung an das Totalitarismus-Modell von Friedrich/Brzeziński alle Merkmale einer totalitären Diktatur in Reinform erfüllte:

Die utopische Ideologie mit Wahrheitsanspruch.

Die von einem Diktator geführte nicht abwählbare Massenpartei.

Die Geheimpolizei unter dem bis heute kritiklos übernommenen Tarnnamen „Staatssicherheit“ (Kosename „Stasi“) zur permanenten Überwachung und Drangsalierung der Einwohnerschaft.

Die totale Gleichschaltung aller Medien und ihre ausnahmslose Nutzung zur ideologischen Unterwanderung und Propaganda.

Die zentrale Steuerung und Überwachung jeglichen Wirtschaftslebens und die Reduzierung jeglichen individuellen Strebens auf die staatliche Ausnutzung der Arbeitskraft der „Werktätigen“.

Man stelle sich vor, jemand hätte den gegen die SED-Herrschaft Demonstrierenden und den glücklichen Menschen in den Tagen des 9. November 1989 prophezeit, die SED mit ihrem verschwundenen Vermögen würde umbenannt statt aufgelöst und werde sich dann vollkommen unkritisiert anmaßen, als Interessenvertreterin der Ostdeutschen aufzutreten!

Und ausgerechnet Typen wie Gregor Gysi, der als Sohn eines „DDR“-Ministers das deutsche demokratische Leben kennenlernte und als Anwalt in diesem Regime ohne Gewaltenteilung nach dem Ende dieses Staates des Mandantenverrats und der informellen Zuträgerschaft für die Geheimpolizei bezichtigt wurde aus irgendwelchen Gründen, und die unvermeidliche Sahra Wagenknecht, eine der linkesten der Linken in der SED-Nachfolgepartei DIE LINKE, würden von westdeutschen Journalisten Jahr um Jahr Woche um Woche in Zeitungen, Zeitschriften und Televisionsgesprächsrunden als Kronzeugen für das normale Leben in der „Deutschen Demokratischen Republik“ befragt werden!

Des Staates, der unter der verlogenen Bezeichnung „antifaschistischer Schutzwall“ eine Mauer errichtete mit ihrer gegen Ausbruchsversuche gewinkelten Stacheldrahtkrone.

Dabei war ja nicht alles schlecht in der „DDR“! Das Bildungssystem! Mit der vormilitärischen Ausbildung! Und dem Unterrichtsfach „Wehrkunde“! Und die Kinderkrippen! Und jede Frau war gleichberechtigt! Und hatte monatlich einen bezahlten Hausarbeitstag! Für die Erledigung „ihrer Hausarbeiten“! Und der Führer hat ja auch die ganzen Autobahnen gebaut! Und die Leute in Lohn und Brot gebracht! Es war nicht alles schlecht in der „DDR“!

Und das Ampelmännchen!

Und man wühlt ja noch heute akribisch, was alles gut gewesen wäre in der „Deutschen Demokratischen Republik“!

„Ein Kessel Buntes“!

Doch dann kam plötzlich und buchstäblich über Nacht das Ende der deutschen demokratischen Diktatur…

Eine Wende wäre es gewesen, wenn die realitätsfernen Träume Bärbel Bohleys und ihrer Mitstreiter sich unglücklicherweise erfüllt hätten vom Fortbestand des deutschen Separatstaates mit seinem verlogenen Namen.

Zum Zwecke seiner sozialistischen Verbesserung! Mit Sinn für alles Gute und Schöne! Etwa auf dem Niveau:

Verfassungsmäßig garantierte Westlöhne und Ostmieten!

Nebst freier Marktwirtschaft mit Arbeitsplatzgarantie!

Im Westen gehörte beispielsweise der Oskar Lafontaine, SPD, zu den vehementen Mitträumern. Das war derjenige, welcher drauf und dran war zu Honeckers Zeiten, eine „DDR“-Staatsbürgerschaft anzuerkennen.

Mit all den fatalen Folgen für künftige „DDR“-Flüchtlinge…

Das entlarvende Kennzeichen war aber das bemerkenswerte Erschrecken jener Leute beim Fall des „antifaschistischen Schutzwalls“: Das Fortbestehen des „antifaschistischen Schutzwalls“ hätten sie schon noch gebraucht für eine Verbesserung der „Deutschen Demokratischen Republik“…

Sie hatten nicht begriffen, und manche begreifen es bis heute nicht, und die Partei Der Spalter bestärkt sie in ihrer Begriffsstutzigkeit:

Die „DDR“ war 1961 nicht mehr ohne und 1989 nicht mehr mit Mauer zu retten!

Doch die Mehrheit der deutschen demokratischen Leibeigenen hatte es 1989 glücklicherweise verstanden und übrigens 1990 auf demokratischem Wege ausdrückliche gewählt: Es sollte keine Wende sein!

Sondern ein Ende!

Seitdem das idiotische Gejammer, gewissermaßen eine Apotheose an Popanzen, getreu den verlogenen Einflüsterungen der Partei Der Spalter.

Da ist die Rede von der Behandlung Ostdeutscher als Menschen zweiter Klasse.

Und von ihrem Fühlen als Menschen zweiter Klasse, wegen, tatsächlich, wegen „verpaßter Lebenschancen“!

Die unvermeidliche Katrin Göring-Eckardt, einstige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda: Sie verstehe, daß sich viele (Ostdeutsche) immer noch als Menschen zweiter Klasse fühlen.

Ich nicht.

Ihre Lebensleistung würde nicht gewürdigt.

Ist konkret nie auch nur ein einziger Fall bekannt gemacht worden.

Und natürlich Matthias Platzeck, SPD, der banale „gelernte DDR-Bürger“. Jemand, der das deutsche demokratische Denken verinnerlichte und also die „Deutsche Demokratische Republik“ wahrhaft nie begriffen hat.

Und, nebenbei bemerkt, auch nie Russland und den jahrhundertalten russischen Chauvinismus.

Er gehörte ebenfalls zu denjenigen, die 1989 am liebsten die „DDR“ verbessert hätten und der nun verärgert war über den Fall des „antifaschistischen Schutzwalls“. Der „Wende“ sagt statt „Ende“. Der demzufolge tatsächlich die Wiedervereinigung als „Anschluß“ bezeichnete!

Analog Österreichs so genanntem Anschluß an Hitlerdeutschland.

Wie ein Wort manchmal die komplette Denkweise eines Menschen enthüllt!

Platzeck ist einer, der in seiner Welt- und Geschichtskenntnis offensichtlich von der Geschichte überrannt wurde. Matthias Platzeck also, der die „Deutsche Demokratische Republik“ bis heute nicht verstanden hat, mit dem Lied: Es gäbe zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen.

Ich kenne keinen einzigen Fall, daß ein Ostdeutscher aufgrund seiner ostdeutschen Herkunft von einer Führungsposition ausgeschlossen wurde.

Was gäbe das wohl auch für ein Geschrei!

Apropos, unsere immerhin als Ostdeutsche geltende Ex-Kanzlerin:

Sie habe aber auch Verständnis dafür, daß sich manche Menschen in Ostdeutschland als Bürger zweiter Klasse fühlten. Dafür gebe es Auslöser wie etwa verpasste Lebenschancen. Zugleich würdigte die Kanzlerin die Lebensleistung der Menschen aus der ehemaligen DDR…“

(Deutschlandfunk nachrichtlich)

Im Gegensatz zur ehemaligen Reagierungschefin habe ich kein Verständnis. Und kenne auch keinen einzigen Fall, daß Menschen aus Ostdeutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Im übrigen müßte selbst d* letzte* DeppIn inzwischen doch klar geworden sein, daß die „DDR“ ehemalig war.

Und es ist nicht zu fassen nach dem Fall der Mauer: Die verpaßten Lebenschancen!

Welch geradezu perverse Geschichtsklitterung!

Wegen der diktatorischen Beschränkung ihrer Lebenschancen hatten die Menschen die Mauer gestürmt!

Und die „Deutsche Demokratische Republik“ endlich beendet.

Allerdings, wenn man etwa davon träumte, freiwilliger Grenzhelfer zu werden oder einer aus dem stehenden Heer der über 90.000 hauptamtlichen Mitarbeiter der Geheimpolizei, hatten jene Leute tatsächlich etwas verpaßt.

Statt gewonnen.

Der Bundespräsident: Die Ostdeutschen fühlten sich benachteiligt.

Sie sind es doch aber nachweislich nicht, würde ich hinzufügen.

Mindestens!

Der seinerzeitige Fraktionsvorsitzende der CDU und normalerweise rational denkende Brinkhaus: Ostdeutsche litten unter dem „Verlust der eigenen Biografie“!!!

Was ebenfalls seit Jahren eine Arie ist der Partei Der Spalter. Im übrigen haben Biographien erstens die Eigenschaft eigen und zweitens unverlierbar zu sein.

Ebenso ist die Rede vom „Verlust der Legitimation der eigenen Identitäten“!!!

Verlust der „Legitimation der eigenen Identitäten“…

Usw. usf.

Man sieht, „vom Osten kann man viel lernen“:

OST

Respekt. Würde.

Anerkennung.

DIE LINKE

Das sollte, als Wahlplakat im Landtagswahlkampf (!) dreißig Jahre nach dem Überrennen des antifaschistischen Schutzwalls für DIE LINKE (!) in Brandenburg (!) und Sachsen (!), höchstwahrscheinlich bedeuten und dieser Partei Stimmen bringen: Irgend jemand, nämlich ein Feind, versage OST die Anerkennung von Respekt und Würde…

Unausgesprochen.

Und unausgesprochen: wer.

Ich kenne keinen.

Jemanden, der Frau oder Herrn oder Diversem OST Respekt und Würde versage.

Aber, nach nunmehr jahrzehntelanger Kampagne, kann es sich hier unausgesprochen nur um einen handeln:

Den Wessi!

Dieser Wessi, der hat die ganzen „DDR“-Biographien „entwertet“!

Die ganzen deutschen demokratischen Biographien!

Der Wessi erkennt die Lebensleistung von OST nicht an!

Der Wessi hat keine Ahnung von der „DDR“!

Und ihren gelernten Bürgern!

Der Wessi interessiert sich nicht für die „DDR“!

Der Wessi war noch nie im Osten!

Der Wessi besetzt im Osten alle Führungspositionen!

Als „Westimport“!

Nehmt den Wessis das Kommando!“

Das stand tatsächlich auf einem Wahlplakat der Partei Der Spalter im letzten Wahlkampf in Sachsen-Anhalt!

Deutschlandfunk:

Weiter erklärte Ramelow, wenn man den Osten wie eine Kolonie betrachte, baue sich ein risikoreiches Spannungsfeld auf.“

Wie eine Kolonie!

Man!

WENN MAN einmal unterstellte, ein Ministerpräsident sage solchen Satz nicht nur aus Jux und Tollerei, sondern, wenn er „WENN MAN betrachte“ sage, in Wahrheit meint „MAN betrachtet“, dann muß MAN allerdings zugestehen, daß Ministerpräsident Ramelow (DIE LINKE), selbst ein „Westimport“, höflich ist und ebenfalls keinen Namen nennt für jemanden, der den Osten als Kolonie betrachtet!

Obwohl eine derart kolonialistische Haltung gewiß namentlich an den öffentlichen Pranger gehörte!

Aber laßt uns raten:

Der Wessi!

Ja, isses möglich?

Und das Schwein hat noch nie Thüringen besucht!

Denn der Wessi interessiert sich nicht für die ostdeutschen Länder!

Dietmar Bartsch (DIE LINKE):

Die Treuhand hat aus dem Osten einen Ein-Euro-Laden gemacht.“

Björn Höcke (Alternative für Deutschland):

Die Verelendung und Heimatzerstörung hier bei uns hat einen Namen. Dieser Name lautet Treuhand.“

Ein Euro!

Verelendung!

Zerstörung!

Die Wessis, die haben die ostdeutsche Heimat zerstört!

Samt den beliebten Kultautos, diesen heimatlich riechenden Zweitaktern!

Man stelle es sich vor, wenigstens bundesdeutsche Journalisten fragten sich endlich einmal, vielleicht „investigativ im Rechercheverbund“: Welche wahren Interessen werden neben dem plötzlich arbeitslosen Großstadtheer an Geheimpolizisten mit ihren Spezialisten für Desinformation und Zersetzung die Mitglieder jener Partei Der Schamlosen wohl verfolgt haben und verfolgen nach dem Zusammenbruch ihrer totalitären Macht?

Tja, laßt uns mal überlegen…

Okay, hier inzwischen eine kleine Auswahl an Gegengiften zur Beseitigung künstlicher Probleme:

Wir, insbesondere Journalisten und Politiker, hören auf, uns die haßerfüllten Popanzbegriffe aufdrängen zu lassen wie „Besserwessi“, „Wessi“, „Ossi“.

Wir lassen uns in keine der zum Zwecke der Verhetzung konstruierten Gegnerschaften treiben wie beispielsweise: Sämtliche Führungspositionen werden von „Wessis“ besetzt.

Wir sind E I N Volk!“ lautete 1989 die Parole!

Warum soll im vereinigten Deutschland ein Buxtehuder nicht Chef sein in Pritz- oder Pasewalk?

Wird beispielsweise die doch eigentlich ungeheuerliche Behauptung in die Welt gesetzt, Ostdeutsche fühlten sich oder würden gar behandelt als Bürger zweiter Klasse, dann übernehmen Politiker und Journalisten, zumal in Zeiten extremer journalistischer Mutmaßlichkeiten, nicht unbekümmert jenes haß-schürende Feindbild, um das es sich in Wahrheit handelt, sondern recherchieren und fragen nach, woher der Wind wehe, und versuchen die- oder wenigstens denjenigen konkret zu benennen, der Ostdeutsche als Bürger zweiter Klasse kujoniere.

Oder entlarven die vordergründige Inszenierung eines Phantoms.

Und apropos zerstörte Biographien…

Man sollte tatsächlich die Biographien der vielgescholtenen „Ausreiser“ (zu „DDR“-Zeiten von der deutschen demokratischen Geheimpolizei kreierter haß-schürender Begriff!) und der aus diesem diktatorischen Regime Geflüchteten mehr berücksichtigen!

Übrigens, um es einmal ins Bewußtsein zu rücken, jede Flucht war ein Abschied und voraussichtlich für immer, von der Mama, von den Geschwistern, von den Freunden!

Und eben jene „Ausreiser“ waren es nämlich in Wahrheit, die den Staat zum Einsturz brachten und die Staatsmacht hinderte, auf die Demonstranten zu schießen bei der Leipziger Montagsdemonstration. Angesichts Zehntausender, die gleichzeitig schon auf dem Wege waren via tschechischer Grenze in den Westen!

Wegen verpaßter Lebenschancen!

Zumindest weil sie sich eben nicht danach sehnten, ihre Biographien in der durch „Wessis“ noch unzerstörten „DDR-Heimat“ fortzusetzen

Mit deren „Volkshelden“ der „sozialistischen Arbeit“ à la Adolf Hennecke.

Die Friedlichkeit der „friedlichen Revolution“: Sie war primär Millionen Fliehender zu verdanken und ihrer Jahrzehnte währenden Abstimmung mit den Füßen!

Und nicht humanitären Erwägungen eines Mannes mit den Zähnen eines Egon Krenz!

Sondern der Furcht dieser Kanaillen, durch ein Niederkartätschen der Demonstranten endgültig eine unaufhaltsame Lawine auszulösen Richtung Westen.

Und schließlich: Nicht nur, aber insbesondere ostdeutsche Politiker und Ministerpräsidenten versagen sich hinfort ihre nachplappernden Äußerungen und somit jedweder ideologischen Unterstützung der seit den neunziger Jahren von der Partei Der Spalter in Ostdeutschland geschürten dümmlichen Wagenburgmentalität. Die übrigens eine wesentliche Ursache ist von Fremdenhaß und für die überproportionale Ansammlung an militanten Nazis in ostdeutschen Gefilden.

Richtig, mittlerweile und spätestens seit dem Erstarken der AfD befindet sich die Partei Der Spalter insofern selbstverschuldet in der tragischen Position des goetheschen Zauberlehrlings.

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Mittwoch, 25. Januar 2023, Deutschlandfunk über den jüngsten Schwachsinn des sogenannten Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider, SPD:

Ostbeauftragter der Bundesregierung: Ostdeutsche in Führungspositionen von Bundesbehörden unterrepräsentiert

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Schneider, macht darauf aufmerksam, dass gebürtige Ostdeutsche in den Führungspositionen von Bundesbehörden und Bundesgerichten unterrepräsentiert seien.

Obwohl ihr Anteil bei etwa 20 Prozent der Bevölkerung liege, stellten sie nur 13,9 Prozent der Führungskräfte, heißt es in einem Bericht, mit dem sich heute das Bundeskabinett befasst. Schneider sagte der Deutschen Presse-Agentur, nicht nur in Politik und Verwaltung, auch in Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Medien müssten mehr Ostdeutsche in Führungspositionen kommen. Um dies zu erreichen, schlägt Schneider verschiedene Maßnahmen vor. Unter anderem sollen Bundesbehörden Selbstverpflichtungen eingehen und Auswahlgremien sollen vielfältiger besetzt werden.

Für die erstmals erhobene Statistik wurden mehrere tausend Positionen in 93 Bundesbehörden untersucht.

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Donnerstag, 26. Januar 2023, BADISCHE ZEITUNG:

Schon die Grundlage des Ganzen ist hanebüchen. Als Ostdeutscher gilt demnach, wer in den neuen Ländern auf die Welt kam. Angela Merkel wäre somit nicht ‚ostdeutsch‘, weil sie zwar schon als Baby nach Brandenburg kam, allerdings in Hamburg geboren wurde. Das Problem des Geburtsorts würde auch jemand wie Bodo Ramelow nicht los – auch wenn sich der gebürtige Niedersachse seit Jahren als Ministerpräsident von Thüringen für ein ostdeutsches Bundesland engagiert. Der Begriff des Ostdeutschen ist im Konzept also eine künstlich konstruierte Fiktion, die außer Acht lässt, wie vielfältig die Lebenswege der Menschen sind.

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Die Ungeübten sind nicht fähig, frei zu sein … Man wird frei im Gebrauch der Freiheit.

Ludwig Marcuse (1894 – 1971)

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Heute vor 70 Jahren

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Donnerstag, 19. Januar 2023: Bellarmin an Mephisto

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Zum Zelebrieren ihrer jährlichen Propaganda-Veranstaltung der nach mehreren Umbenennungen aktuell unter dem Namen DIE LINKE firmierenden Vier-Komma-Neun-Prozent-Partei hier eine kleine Erinnerung an die gleiche Darbietung der seinerzeit angeblich Neunundneunzig-Zweidrittel-Prozent-Partei unter dem ursprünglichen Namen SOZIALISTISCHE EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS heute vor 70 Jahren:

Staatspräsident Wilhelm Pieck warnte laut Täglicher Rundschau in einer Rede zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Westberliner Bevölkerung vor Maßnahmen, die im Falle der Ratifizierung der Bonner Verträge getroffen würden. Er sagte:

„lch kann deshalb nur meine Mahnung wiederholen, die ich schon in meiner Neujahrsansprache an die Westberliner Bevölkerung richtete. Wenn die Ratifizierung der Kriegspakte und der Anschluß Westberlins an diesen Kriegsblock der Westmächte nicht verhindert wird, so ergibt sich für die DDR und den demokratischen Sektor Berlins die zwingende Notwendigkeit, entsprechende Schutzmaßnahmen gegen feindliche Anschläge und Provokationen sowie gegen das Einsickern verbrecherischer Elemente zu treffen. Das sind wir unserer friedliebenden und arbeitsamen Bevölkerung schuldig. Die Provokateure in Westberlin, die Reuter und Konsorten, sollen nicht glauben, daß es ihnen erlaubt sein wird, unsere Stalinallee, unsere volkseigene Industrie jemals wieder den profitgierigen Aktionären der AEG, der Siemens und ihren amerikanischen Geschäftspartnern auszuliefern. Die Reuter-Clique soll wissen, daß es niemals gelingen wird, noch einmal mit dem Mittel des faschistischen Terrors unsere Gedenkstätte der Sozialisten zu schänden.“

Archiv der Gegenwart, Band 1, Seite 880ff.

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Mein abfälliger Blick

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5. Juni 2021: Bellarmin an Mephisto

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Morgen also die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt…

Und wie die langjährig regierungsbeteiligte SPD mit regelmäßiger Plötzlichkeit stets neue „Gerechtigkeitslücken“ entdeckt vor Wahlen im Bund, werden im Osten vor Landtagswahlen in vehementer Empörung angebliche Defizite der Wiedervereinigung angeprangert. Gewissermaßen als einzuklagende Bringeschuld eines den Osten okkupierenden Westens. Wie vor wenigen Tagen unter anderem zum x-tenmal zu beobachten war anläßlich der Konferenz der Regierenden ostdeutscher Länder. Und im Westen, mit einer nach dem Ende des Kalten Krieges im Lauf der Zeit inzwischen bar jeder auch nur leisesten Kritikfähigkeit handzahm degenerierten Presse, rauft man sich dann ebenso regelmäßig das wirre Haar und schlägt sich schuldbewußt die Brust, wie blöde folgend diesem ursprünglichen Narrativ der Partei Der Spalter.

Die ja wohl ein gänzlich anderes Interesse trieb und treibt, als der historisch objektiv einmaligen Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung Deutschlands ihre Reverenz zu erweisen nach der vierzigjährigen Zwangs- und Mißwirtschaft der SED auf dem Territorium der heute auf höchstem Niveau jammernden Ministerpräsidenten.

Einer Erfolgsgeschichte, bei der übrigens innerhalb von weniger als drei Jahren der gesamte zweitaktige Fuhrpark eines Staates ausgetauscht worden war.

Gegenüber deutschen demokratischen Wartezeiten von neun Jahren auf ein nach dem Mauerfall zum „Kultauto“ stilisiertes Vehikel mit Lenkradgangschaltung.

Nach dem nicht nur ganz Ostberlin gestunken hatte.

Denn daß die Wirtschaft Ostdeutschlands im Wesentlichen „abgewickelt“ werden mußte, lag wohl eher weniger an einer böswilligen Treuhand, der man die Schuld gibt, sondern an der vorherigen vierzig lange Jahre währenden Planwirtschaft mit rollender Schicht samt Schulen der sozialistischen Arbeit.

Der man nicht die Schuld gibt.

Aber bei der, man stelle es sich vor, die Betriebe untereinander sogenannte Risikovereinbarungen abschlossen für den Fall, daß der im Rahmen der staatlich forcierten „Importablösung“ heimliche, weil natürlich widerrechtliche Nachbau westlicher Patente entdeckt werden würde im „NSW“.

Also im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“.

Risikovereinbarungen des Inhalts, welche der beteiligten parasitären Firmen dann welchen Devisenanteil der anfallenden Strafzahlungen zu entrichten hätte ins „NSW“. Nach dem eventuell aufgedeckten betrügerischen Patentschwindel.

Und welche geheimen Verhandlungen sich dann gewöhnlich länger hinzogen als die Eigenentwicklung „heimischer Produkte“.

Um nur ansatzweise ein Detail „volkseigenen“ Wirtschaftens zu beschreiben.

Doch zurück zu den vor Stupidität strotzenden Vorwürfen gegen den Westen.

Also der „Wessi“, diese Haßfigur, der erkennt die Lebensleistung der Ostdeutschen nicht an.

Hast Du jemals einen Namen genannt gehört von einem nativen „Wessi“, der die Lebensleistung der Ostdeutschen nicht anerkennte?

Der Deutschlandfunk kommentierte letzten Mittwoch unter der Überschrift, tatsächlich, „Der westdeutsche abfällige Blick muß sich ändern“:

Lediglich 62 Prozent der Westdeutschen ist laut Deutschland-Monitor die Anerkennung der Lebensleistungen der Ostdeutschen wichtig.“

Ja und?

Hat man in Ostdeutschland jemals gezählt, wievielen Ostdeutschen die Lebensleistung, abgesehen mal von Erich Honecker und Oskar Lafontaine, wievielen Ostdeutschen also die Anerkennung der Lebensleistung von Saarländern wichtig ist?

Oder von Sauerländern?

Und:

Was es jetzt braucht: eine breite – und ehrliche – Anerkennung der Lebensleistung der Ostdeutschen von Westdeutschen.“

Was soll dieser unglaubliche linksparteiliche Propagandaschwachsinn?

Mein Blick wird immer abfälliger.

Dann, unglaublich aber wahr und ohne jede Kritik und inzwischen dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung (!): Der „Wessi“ nehme den Ostdeutschen die Führungspositionen weg!

Hast Du jemals von einem Fall gehört, daß einem Ostdeutschen eine Führungsposition verweigert worden wäre auf Grund seiner Geburt?

Die in „Die Linke“ umbenannte Partei Der Spalter, die in bundesdeutschen Medien tatsächlich nachrichtlich und nichtnachrichtlich weder als populistisch noch als extremistisch etikettiert wurde und wird, und deren Wähler nicht als Abgehängte, läßt im Wahlkampf Leute mit Ganzkörperplakaten herumlaufen, auf denen zu lesen steht: „Nehmt den Wessis das Kommando“.

Tatsächlich!

Apropos Wahlkampf in Sachsen-Anhalt…

Obwohl der Deutschlandfunk gestern den Intendanten des Neuen Theaters in Halle zitierte mit der Äußerung zur morgigen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: „Die Frage für Sonntag sei: Demokratie oder Diktatur?“, Du hast richtig gelesen, gibt es eine Neuerung in der Berichterstattung.

Bisher war es üblich bei Landtagswahlen, daß der Deutschlandfunk in dem jeweiligen Bundesland während seiner mittäglichen Informationssendung im Lauf der Vorwoche täglich mit einer Kurzreportage eine der beteiligten Parteien begleitet und vorstellt.

Für die morgige Wahl in Sachsen-Anhalt galt das nicht…

Stattdessen brachte man kurze Reportagen über kommunale Probleme vor Ort. Die in das eine Ohr eines Außenstehenden mit seinem abfälligen Blick hineingingen und aus dem anderen Ohr eines Nichtbetroffenen mit seinem abfälligen Blick wieder hinaus.

Man stellte die für die morgigen Wahlen in Sachsen-Anhalt maßgeblichen Parteien in ihrem Wollen und Wirken diesmal also nicht in der üblichen Weise begleitend vor.

Aus irgend einem Grund.

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In China werden schlechte Nachrichten unterdrückt.“

Deutschlandfunk am 23. März 2020

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Die runde Hundemarke

 

3. Februar 2019: Bellarmin an Mephisto

 

Es existieren Bücher, da wünscht man sehnlichst, sie mögen endlich wieder verlegt werden!

Da gab es zum Beispiel von Horst Lommer den Gedichtband „Das Tausendjährige Reich“. Der war erschienen noch 1945 sofort nach der tausend Jahre Ende. Der Autor, übrigens ein Schulfreund Sebastian Haffners, hatte als Zeitgenosse Zeitgedichte verfaßt, chronologisch zu markanten Ereignissen während der Nazizeit, und sie dann jeweils sofort auswendig gelernt. Das Buch befand sich bis zum Kriegsende also nur in seinem Kopfe.

Aus Sicherheitsgründen.

Ab 1944 lebte Lommer illegal, versteckt von seinem Freund Peter Huchel, der ihm so das Leben rettete.

Über den 30. Januar 1933 beispielsweise, den „Tag der Machtergreifung“, hatte Lommer in sein Gedächtnis graviert:

Er hat’s geschafft, des Reiches erster Spießer,

der braune Siegfried mit dem Chaplinbart.

O holder Anblick, gnadenreicher, süßer,

wenn sich ein Volk um seinen Führer schart.

 

Der Kanzler spricht ein reines Böhmisch-Mährisch

und falsches Deutsch und kennt kein Kompromiß,

die Menge jubelt national-hysterisch

teils aus Begeisterung und teils aus Schiß.

Über den 27. Februar 1933, den Reichstagsbrand:

Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen,

komm alter Kämpfer, geh an deine Plicht!

Hier heißt es handeln und dann untertauchen:

was man hier tut, Kamrad, sieht keiner nicht.

Über die allgegenwärtige Propaganda:

Deutsche Frauen, deutsche Maiden,

deutsche Pimpfe, deutscher Mief,

deutsche Säbel, deutsche Scheiden,

strömt herbei, der Führer rief.

 

Durch des Rundfunks Schallkanäle

wird des Führers Wort bekannt,

neunzigtausend volle Säle

zählt das deutsche Vaterland.

 

Und in neunzigtausend Sälen

brüllt die Stimme seines Herrn,

deutsche Fäuste, deutsche Kehlen,

deutsche Schädel – habt mich gern.

Unter der Überschrift „Wir schalten gleich“:

Der Mensch hat nichts so eigen,

so wohl steht ihm nichts an,

als wenn er Orden zeigen

und Bänder tragen kann.

 

Drum trägt der wahrhaft Starke,

als Träger der Idee,

die runde Hundemarke

der NSDAP.

 

 

Wir tragen sie auf Reisen,

im Amt und auf dem Clo,

an ihr wird sich erweisen,

wer anti und wer pro.

Über Hitler und Hindenburg am 23. März 1933 („Tag von Potsdam“):

Junger Führer, greiser Recke,

neuer Käpten, alter Kahn,

beides unter einer Decke,

Altersschwachsinn, Größenwahn.

 

Potsdam, Tannenberg und Leuthen,

und ein Stück Braunau dazu,

soll ich dir die Zukunft deuten,

liebes, altes Deutschland du?

Über den 10. Mai 1933 (Bücherverbrennung):

Seht den hellen Feuerbrand,

seht den Scheiterhaufen.

Goebbels hebt die rechte Hand,

rings ergriffnes Schnaufen.

 

„Treu“, so spricht der braune Zwerg,

„dem Parteiprogramme,

werf ich Heines Lebenswerk

in die braune Flamme.

 

Alle diese Schriften – sie

mögen hier verrauchen,

um im deutschen Volke nie

wieder aufzutauchen.“

 

Deutsche Weiber, stumm und dumm,

klatschen in die Hände,

Hakenkreuzdelirium,

Sommersonnenwende.

 

Liebe kleine Loreley,

ich bleib dir ergeben.

Dritte Reiche gehn vorbei,

Du bleibst ewig leben.

Oder unter dem Gedichttitel „Warnung vor Köpfchen“

Der Intellektuelle liest

nur Zeitung um zu lachen,

und ist ein Schädling, wie du siehst,

für den Gesinnungsschwachen.

 

Der Intellektuelle – horch!

Da flüstert er, der Krittler,

er glaubt nicht an den Klapperstorch,

geschweige denn an Hitler.

 

Der Intellektuelle lernt

nie, wie man Helden ehret.

Drum wird er ins KZ entfernt,

und dort wird er belehret.

Der Intellektuelle Lommer floh 1951 entsetzt aus der Deutschen Demokratischen Republik nach Westberlin aus irgend einem Grund, der SPIEGEL jedenfalls notierte damals in der Ausgabe vom 11. April:

Horst Lommer, 46, der nach Westberlin geflüchtete Satiriker („Das tausendjährige Reich“) und bisherige Hauptpropagandist der stalinistischen Friedenspolitik, erklärte in einem Schreiben an den „Kongreß für Kulturelle Freiheit“ die Gründe für seine plötzliche Einsicht. Das Todesurteil der Ostjustiz gegen den Schüler Joseph Flade „brachte mit einem Schlage alle Illusionen zum Einsturz, die ich mir künstlich aufgebaut hatte“. Heute nun wisse er, „daß die Volkspolizei von ehemaligen Nazis gedrillt wird und daß die amusischen Funktionäre der SED gewillt sind, die deutsche Kultur restlos zu vernichten“. Es gebe viele intellektuelle Parteimitglieder, die genau wie er dächten und nur aus Existenzangst den Absprung von dem innerlich ausgehöhlten Parteigebäude nicht wagten. Ohne jede Spekulation auf irgendwelche Hilfsbereitschaft habe er das Bedürfnis, alle Menschen der freien Welt, die er verhöhnt habe, um Verzeihung zu bitten und ihnen für die Verteidigung der Freiheit zu danken, deren Schutz ihm jetzt unverdientermaßen zuteil werde.

Horst Lommer verstarb 1969 in der Inselstadt.

Auch die runde Hundemarke der SED hatte ihm also zu schaffen gemacht…

Neben vielen anderen gibt es für mich aber noch extra eine sehr merkwürdige Parallele gerade auch zu unseren Tagen. Über den Rudolf Heß, anläßlich seines Fluges nach England im Mai 1941, hatte Horst Lommer geschrieben:

Fern am Nil stand seine Wiege,

doch sein Herz, das schlug am Rhein,

und dann fand er sich im Kriege

an der alten Themse ein.

 

Kleiner Tausch zur guten Stunde,

London gegen Groß-Berlin,

und die letzte Weltkriegsrunde

boxte Hitler ohne ihn.

 

Ohne seinen Sekundanten,

den er immer hochgeschätzt,

der ihn fast – mit Varianten –

eine Ehefrau ersetzt.

 

Rudolf Heß, der fraulich leise,

stets ins Horn des Führers blies

und im engen Freundeskreise

nur „die schwarze Agnes“ hieß.

Hierzu schalten meine Synapsen mir seit einigem eine völlig abwegige Assoziation, und zwar genau immer dann, wenn ich den Björn Höcke, den umtriebigen Funktionär der AFD, im Fernsehen erblicke oder wenn von ihm und seinen Einlassungen und Sermonen schon bloß die Rede ist: dann sehe ich immer sofort den markanten Schädel des Rudolf Heß vor mir.

Ist das nicht idiotisch?

Denn was sollen Björn Höcke und Rudolf Heß miteinander gemein haben?

Was verbindet sie, außer daß vielleicht der Höcke zu den Typen zählt mit dem seltsam manischen Verlangen, seiner Mitwelt die Sicht ausgerechnet auf die Welt und die Zeit des Rudolf Heß zurechtrücken und richtigstellen zu müssen. Zu denen, du kannst darauf warten, die sich berufen fühlen zur Aufklärung über unsere Sicht auf das Tausendjährige Reich.

Diese Sorge ist schon immer ein beachtenswertes Merkmal jener Leute, es zieht sie zu dem Thema wie den Süchtigen zur Flasche, an jenem zwanghaften Hang kannst du sie unschwer erkennen, meilenweit gegen den Wind.

Und brauchst eigentlich nichts weiter.

Doch wenn mir bei Björn Höcke stets der Schädel von Rudolf Heß vor Augen auftaucht, kommen mir gleichzeitig von Horst Lommer auch sofort seine Verse über die Braunhemden in den Sinn:

Beine krumm, doch deutsch von Rasse,

ungebildet, aber stolz,

sahn wir, wie vor unsrer Masse

jede Geistigkeit zerschmolz.

Aber, wirst du sagen, der Höcke und der Heß, der Heß ist doch nicht ungebildet gewesen und der Höcke ist immerhin Gymnasiallehrer! Und verbeamtet!

Und geplagt von Krummbeinigkeit waren und sind sie vielleicht auch nicht.

Von gleicher Rasse aber schon.

 

Stets wird geschieden sein der Menschheit Heer

In zwei Partei’n: Barbaren und Hellenen.

Heinrich Heine (1797 – 1856)

 

Angela Merkels Gang nach Chemnitz

 

17. November 2018: Bellarmin an Mephisto

 

Die Freie Presse, so heißt in Chemnitz eine Zeitung und hieß auch schon so zu deutschen demokratischen Zeiten als „Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ für den Bezirk Karl-Marx-Stadt, die Freie Presse also liefert Nachrichten aus Chemnitz, dem Vogtland und Sachsen und auch Traueranzeigen in 218.998 Exemplaren und hatte lobenswerterweise gestern Bürger eingeladen zu einem Gespräch mit unserer Kanzlerin. 82 Tage nach dem Umgebrachtwordensein des Daniel H. und den schweren Verletzungen zweier Opfer außerdem, von deren weiteren Schicksalen aber, soweit ich blickte und hörte, seither nie wieder etwas nachgefragt oder verlautbart worden war.

Vergleichend mit dem penetranten Tamtam, das unsere öffentlich-rechtlichen Medien nun schon tagelang um die Abgabe des Parteivorsitzes Seehofers veranstalten, oder vielmehr um die Nichtabgabe seines Innenministerpostens, wiederholt meist erstrangig mit ausführlich wiederkäuender Wiedergabe der Empörungen möglichst aller Parteischattierungen, drängt sich der Eindruck auf, der Chemnitzer Kanzlerintermin sei der wichtigere wohl nicht in den Augen unserer Medien. Wahrscheinlich deshalb auch interessierte es wohl keinen Journalisten, ob sich die Öffentlichkeit nicht vielleicht dafür interessiere, wie man aus einer Stadt, in der es nach einhellig veröffentlichter Meinung unruhig gäre und in der es gewisse Probleme gebe nach den „Vorkommnissen“ mit Todesfolge, wie man da bei einer nach welchen Kriterien auch immer begrenzten Sitzzahl einen repräsentativen Schnitt der Bevölkerung zusammenbrächte. Am demokratischsten wäre es wohl gewesen, aus der angefragten Menge aller Interessierter das Los entscheiden zu lassen.

Und dann hätte es losgehen können.

Was wäre das doch einst ein journalistisches Eldorado gewesen für die ausführliche Berichterstattung einer freien Presse! Diskussionsverläufe, Argumentationen, Interviews – wo doch vorher so viel geredet wurde über diese Stadt und ihre Menschen.

Geredet statt berichtet.

Nicht mal das geringste kleinste Stündchen Sendezeit nirgendwo!

B I Z A R R !

Aus welchem Grund genau sind die Menschen denn offensichtlich empört gegen Angela Merkel?

Was brachten sie vor im Detail?

Leiden sie etwa an einem Massenwahn der „gefühlten Bedrohung durch Kriminalität“, wie es 2014 einst hieß beispielsweise von den Bewohnern im Grenzgebiet zu Polen? Als es dort vermehrt Klagen gab über geklaute Traktoren und Landmaschinen?

Allerdings:

Es ist ein schrecklicher Mord passiert“, soll die Kanzlerin gestern gesagt haben.

Ohne jedes Mutmaßlich!

ABER! Das rechtfertige keine Straftat wie das „Verwenden nationalsozialistischer Symbole“.

Wer immer auch behauptet haben mag, daß ein schrecklicher Mord das Verwenden nationalsozialistischer Symbole rechtfertige – danke für die Ermahnung und halten zu Gnaden für den gefühlt tausendsten Generalverdacht gegen Chemnitzer Bürger.

ABER wem von den Anwesenden hatte sie das unterstellen wollen?

ABER seltsam, das Wort „Hetzjagd“ soll die Kanzlerin merkwürdigerweise kein einziges Mal verwendet haben im Gegensatz zu früher.

Obwohl doch tagelang darüber berichtet worden war!

Mit diversen Folgen!

Der Chefredakteur der Freien Presse, Torsten Kleditzsch, der allerdings hatte seinerzeit im unmittelbaren Anschluß an das Geschehen gemeint, „‚Hetzjagden‘ hätten seine Reporter nicht beobachtet, mehre Kollegen seien vor Ort gewesen und könnten nichts dergleichen berichten.“ (Nordkurier vom 30.8.)

Und:

Ob er denn der Meinung sei, dass die überregionalen Medien das Geschehen in seiner Stadt adäquat abbilden würden, wurde er darauf gefragt. Antwort: ‚Das kann ich nur mit Abstrichen bejahen.’”

Und:

‚Ich will da nichts beschönigen. Aber wenn Begriffe übernommen werden, die ein Internet-Blog hochgepustet hat und dann auch die Bundesregierung das in einem Statement verwendet, die Leute vor Ort das aber anders wahrgenommen haben, dann trägt das nicht dazu bei, die Lage zu deeskalieren.‘

Kann sein, daß unsere Kanzlerin das gestern sich zu Herzen genommen hatte vis à vis den Bürgern der Stadt. Wer weiß auch, wie die reagiert hätten, wenn auch sie nichts dergleichen beobachtet hätten, wo sie doch vielleicht gleichfalls vor Ort gewesen waren. Im Gegensatz zu der von „Hetzjagden“ sprechenden Kanzlerin.

Zum Schluß ein kleines Anekdötchen. Genau heute vor hundert Jahren war es Sonntag, und da, im Berliner Dom am 17. November 1918, antwortet doch völlig unverhofft auf die rein rhetorisch gemeinte Frage des Predigers „Was ist uns Jesus Christus?“ in die darauffolgende kleine Pause hinein lauthals aber trocken der Dadaist Johannes Baader:

Christus ist euch wurscht!“

Dann hat man ihn hinausgeschmissen, den Baader.

 

23.6.17 Bellarmin an Mephisto

 

Helmut Kohl ist gestorben.

Ich habe ihn nicht gemocht. Sicher, mein Unwille läßt sich zu einem großen Teil zurückführen auch auf die Art und Weise wie Kohl mit Genschers Hilfe den sozialdemokratischen Kanzler Helmut Schmidt aus dem Amt hebelte. Zwar fürchtete ich damals nicht, wie der freilich allergrößte Teil der Ostdeutschen unter Einschluß selbst der kritischeren Geister, daß mit dem Regierungsantritt Kohls nun die Bahr/Brandtsche Entspannungspolitik zu ihrem Ende käme. Gewiß eine insofern berechtigte Sorge: Wir befanden uns in Zeiten der Raketennachrüstung gegenüber des wieder einmal blanker zutage getretenen, aber nichtsdestoweniger ordinären russischen Imperialgehabes. Und alle gutmenschlichen Friedensaktivisten sammelten sich und protestierten … gegen den Westen.

Und gegen die Nato.

Dank dessen und derer sie protestieren durften….

Nein, diese im übrigen von der östlichen Propaganda genährten Befürchtungen teilte ich nicht. Sondern mir war einfach Kohls schnöde Art zuwider. Dieses: Ich habe die Macht, folglich drücke ich Schmidt an die Wand.

Also statt eines: Die Macht für mein Ziel – jenes Stumpfe: Die Macht ist mein Ziel.

Diese Macht erhielt er nur mit Hilfe des Überläufers Hans-Dietrich Genscher.

Später avancierte der dem Helmut Schmidt in den Rücken Gefallene, der Übergelaufene, dann zum Vielgeliebten. Und doch waren einst Leute durch die Straßen gezogen mit den hartnäckigen Sprechchören auf den Lippen:

 

Gen-scher heißt er,

uns be-scheißt er!“

 

Das war aber noch vor Genschers Verrat.

Allein die Reden Schmidts gegenüber den Reden Kohls! Hör sie Dir an! Hör Dir eine beliebige Rede an von dem einen und eine von dem anderen. Wenn Du nichts weiter wüßtest über diese beiden Männer – danach weißt Du alles.

Und Du würdest wahrscheinlich noch mehr Reden hören wollen von dem einen.

Und meinen Groll gegen Kohl verstehen.

Aber dann!

Dann fiel die Mauer. Der antifaschistische Schutzwall wurde überrannt von den Antifaschisten.

Und nun zeigte sich, was in dem Kerl steckte. Damit meine ich nicht so sehr sein zehn Punkte Programm zur Wiedervereinigung. Denn die Idee lag auf der Straße, und er wäre endgültig dumm gewesen, wenn er sich nicht nach ihr gebückt hätte. Obwohl sehr sehr viele, wenn nicht die meisten renommierten Intellektuellen des Westens in bemerkenswerter Weise nicht auf diese an sich naheliegenste Idee einer Wiedervereinigung kamen. Häufig wegen gutmenschlicher und demnach hirnverkleisternder Erwägungen. Beispielsweise und in Übereinstimmung mit großen Teilen der über den Mauerfall tatsächlich erschrockenen DDR-Opposition. Derart, daß man ja nun endlich darangehen könne, in der DDR den wahren, wirklichen und guten Sozialismus aufzubauen… Oder daß man politisch nicht korrekt wäre, das Wort „Wiedervereinigung“ in den Mund zu nehmen angesichts der deutschen Vergangenheit…

Und und und.

Besonders hervor taten sich der übliche Skandalisierer Günter Grass und der üble Oskar Lafontaine. Beide zugehörig zur ohnehin nicht unter einem Mangel an Narzissen leidenden sozialdemokratischen Partei Westdeutschlands. Doch der erstgenannte hat zumindest ein sehr gutes Buch geschrieben. Also ein in etwa während der ersten zwei Drittel sehr gutes Buch hat er geschrieben und danach durch jahrelange Ausdauer in Sachen quartalsperiodischer Eklatverursachungen erfolgreich seine Nobelpreisverleihung betrieben. Während der zweite sich zwar ebenfalls durch eine gewisse Ausdauer auszeichnete, aber weniger im Verfassen nobelpreisverdächtiger Bücher als vielmehr kollaborierend seinem Landsmann Erich Honecker immer aufs neue in den Hintern kriechend. Zuletzt in der Bundesrepublik als Lobbyist des deutschen demokratischen Staatsratsvorsitzenden dessen Streben nach Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft befördernd. In der Absicht damit den aus sozialistischer Leibeigenschaft Fliehenden die diplomatische Unterstützung zu versagen. So, wie es das Regime des Unrechtsstaates plante als Vorstufe zur Auslieferung ins Ausland geflüchteter DDR-Bürger.

Da hat der Helmut Kohl sich also gebückt und seiner Macht endlich ein Ziel gezeigt. Er hätte es nicht zu tun brauchen, hätte es aussitzen und auf die hinter Lafontaine singenden Chöre hören können, und heutzutage, unter sehr unwahrscheinlichen erneuten glücklichen Umständen, hätten wir eventuell mit Wladimir Wladimirowitsch Putin über den Abzug russischer Truppen aus Ostdeutschland verhandeln dürfen.

Wenn Kohl sich nicht gebückt hätte.

Das Momentum zu erkennen und zu nutzen war die eine Leistung.

Dann hat er mit Gorbatschow, diesem einzigartigen Glücksfall russischer Geschichte und der Welt, dann hat er mit Gorbatschow, den der im Fach Geschichte promovierte Kohl erst unlängst zuvor mit Goebbels verglichen hatte, nicht nur verhandelt, sondern er hat Gorbatschow sich zum Freund und zum Freund Deutschlands und der Deutschen gewonnen!

Das war seine Leistung!

Und er hat den steifnackigen Mitterrand umgestimmt! Wenn auch nur durch die Zustimmung zur Schnapsidee einer europäischen Einheitswährung, einer Europa heute spaltenden rein politischen Währung.

Doch anders ging das nicht.

Das war seine Leistung!

Dann hat er all die anderen Bedenkenträger für sich gewonnen und die Kläffer beiseite gedrückt.

Das war seine Leistung!

Dann ist er sofort durch die ostdeutschen Lande gereist und war überhaupt von Anfang an in Ostdeutschland präsent. Das war damals schon allein aufgrund von Statusfragen nicht im mindesten eine Selbstverständlichkeit.

Sondern seine Leistung!

Und er mußte sich ausgerechnet von der Nachfolgepartei der SED, der chamäleonhaften Vorgängerpartei der heutigen Linken, unsäglich verleumden lassen: Kohl habe „uns“ blühende Landschaften versprochen. Und jahrelang und noch bis heute und tatsächlich noch über seinen Tod hinaus immer wieder unkritisch von den bundesdeutschen Medien wiederholt! Kohl habe versprochen! Das vorwurfsvolle Geplärre der Blinden wurde bis heute niemals unter den aktuell grassierenden politisch korrigierenden Vorbehalt eines einzigen „mutmaßlich“ gestellt.

In Wahrheit hatte Kohl, übrigens leicht nachprüfbar für die Journaille und erst recht für Leute, die sich doch immer wieder so lautstark dem deutschen Pressekodex verpflichtet fühlen, in Wahrheit hatte Kohl gesagt:

Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln.“

Zwei Tage nach dem Mauerfall!

Zwei Jahre nach dem Mauerfall war so gut wie der gesamte zweitaktig knatternde Fuhrpark des Ostens, der gesamte Fuhrpark eines Landes, bis vielleicht auf den der üblichen Verdächtigen und Verbissenen wie beispielsweise vom Schlage ehemaliger „Freiwilliger Grenzhelfer“, der merkmalig stinkende Fuhrpark war ausgetauscht und die Dreckschleudern endlich verschrottet.

Sofern man auch bei Pappe von Verschrottung sprechen kann.

Und ich hörte staunend zum ersten Mal, daß der TRABANT mit seiner Lenkradgangschaltung zu DDR-Zeiten ein Kultauto gewesen wäre…

Man drehte Filme, bei denen sich Erinnerungsbegabten der Magen umdreht.

Helmut Kohl ist immer wieder vorgeworfen worden, daß er Probleme aussäße. Die Wahrheit ist eher: Helmut Kohl hatte mehr Verstand in seinem Gesäß als viele seiner Kritiker im Kopf.

 

14.10.16 Mephisto an Bellarmin

 

Als unleugbarer Kontrast zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern fällt unvoreingenommenen, also politisch unkorrigierten Beobachtern ebenso markant wie erschreckend ins Auge: Wenn der braune Mob eine unbewohnte oder sogar bewohnte Fremdenunterkunft niederbrennen will, gesellt sich in Ostdeutschland, wie schon seinerzeit vor nunmehr über zwanzig Jahren in Rostock-Lichtenhagen, schnell mal ein johlendes, mordlüsternes Gesindel hinzu, um die Feuerwehr am Löschen zu hindern.

Oder, wie 2007 im sächsischen Mügeln geschehen, um selbst die Polizei anzugreifen, um sie zu hindern am lebensrettenden Eingreifen. Als eine grölende Neonazihorde junger, uniform dunkelgewandeter kurzgeschorener Kerle, bewehrt unter anderem mit abgebrochenen Flaschenhälsen, Inder schlug und verwundete, durch den Ort hetzte und schließlich ihre rettende Zuflucht belagerte mit amtlich registrierten Krakelereien wie „Ausländer raus!“, „Hier regiert der nationale Widerstand!“ und „National befreite Zone!“

Unterstützt von hunderten Einwohnern, die sogar die Beamten angriffen.

Der sächsische Bürgermeister kommentierte das später mit: Ausländer-raus-Rufe könnten doch jedem einmal über die Lippen kommen! Und der damalige sächsische Ministerpräsident Milbradt, eine ebensolche Frohnatur, äußerte, man solle doch nicht jede Auseinandersetzung zwischen Ausländern und Deutschen unter dem Stichwort Ausländerfeindlichkeit verbuchen.

Zwischen Ausländern und Deutschen…

Und legte später noch nach, und wir erkennen das typische ostdeutsche Muster: Es wäre unerträglich, wenn ein ganzer Landstrich stigmatisiert werde.

Im Deutschland des 21. Jahrhunderts wieder rassistische Menschenjagden auf deutschen Straßen!

Und die zuständigen Politiker bar jeglicher Scham!

Heute, nach einer unsäglichen Kette unsäglicher Geschehnisse, haben wir das Ergebnis.

Da können sie noch so sehr im Chor blöken die ostdeutschen Ministerpräsidenten und Gysis und Schorlemmers. Das ist ein qualifizierender Unterschied zum Rest der zivilisierten Welt.

Den man, will man sich nicht zum Dulder und Förderer machen, wahrnehmen muß!

Den man, will man das Wesentliche der Sache analysieren und endlich zu ihrem Kern vordringen, anerkennen und aussprechen muß!

Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist natürlich die pure Quantität der Barbareien.

Wie ich mich erinnere, für 2013 konntest Du trotz der von unseren unkritischen, selektiv nicht nachfragenden öffentlich-rechtlichen Medien ausgeblendeten Zahlen über die mit rechtem Hintergrund verübten Gewalttaten aus dem Bereich politisch motivierter Kriminalität wenigstens aus dem SPIEGEL herauspolken (=> Honi soit qui mal y pense!): Mit der Ausnahme Hamburgs verteilten sich alle Höchstwerte auf die ostdeutschen Länder. Die Spitzen lagen in Sachsen-Anhalt mit 26, Berlin mit 24 und Thüringen mit 20 rechtsmotivierten Gewaltverbrechen pro einer Millionen Einwohner. Die drei niedrigsten Raten gab es in Bayern mit 5, Baden-Württemberg und Bremen mit jeweils 3 und Hessen und Saarland mit jeweils 2.

Und keiner stellte die auf der Hand liegenden Fragen.

Du rechnetest aus, was damals ebenfalls unterblieb in unseren, von den „Lügenpresse“-Vorwürfen pikierten öffentlich-rechtlichen Medien, daß 2012 der Unterschied Ostdeutschlands das knappe Zweieinhalbfache zum westdeutschen Resultat ausmachte, und daß sich jene offenkundige Diskrepanz von 2012 zu 2013 noch auf das Dreifache vergrößerte.

Was nicht als berichtenswert eingestuft worden war von unseren „politisch korrekten“ öffentlich-rechtlichen Medien.

So sehr hat man sich einschüchtern lassen durch die von der Linkspartei geschürte ostdeutsche Wagenburgmentalität!

Fast alle Politiker aller Parteien unterwerfen sich bis heute diesem Klima des Augenverschließens, in dem Tatsachen kritisch nicht mehr reflektiert, geschweige denn diskutiert werden dürfen. Oft aus niederen, aus wahltaktischen Beweggründen.

Und die öffentlich-rechtlichen Medien beteiligten sich an jener Tabuisierung.

Aus den idiotischen Gründen politischer Korrektur. Aus Angst vor dem Aufschrei der üblichen Verdächtigen: Generalverdacht!

Wenn ein einäugiger Kindermörder im Alter von 20 bis 30 Jahren mit rotem Haar gesucht wird, rate ich allen Eltern zum Generalverdacht gegen einäugige rothaarige Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren.

So ist das.

Zurück zum vorherigen Augenverschließen. Ich rate, endlich folgenden Gedanken zu fassen: Es muß etwas zu tun haben mit der ostdeutschen Gesellschaft.

Nach 12 Jahren VÖLKISCHER BEOBACHTER plus 45 Jahren NEUES DEUTSCHLAND plus SED alias PDS alias Linkspartei.

Jüngstes Beispiel:

Als Iris Gleicke, die „Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer“, also für Ostdeutschland, in diesem unserem Jahre 2016 aufhörte glattzubügeln und zum ersten Mal Klartext zu reden versuchte in ihrem Jahresbericht und endlich feststellte: „Der Rechtsextremismus stellt eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar“, stellten sich sofort sämtliche ostdeutschen Ministerpräsidenten dagegen.

Anstatt sich bei dieser Frau zu bedanken.

Die mit dem Anspruch daherkommt: „Ich will die Dinge benennen, wie sie sind.“

 

Und in Sachsen begreift man noch nicht einmal, daß man es nicht begreift!

 

Yes, ’n‘ how many times can a man turn his head,

Pretending he just doesn’t see?

Bob Dylan

 

Mephisto an Bellarmin

Die besitzende Klasse der Deutschen Demokratischen Republik, die Machtbesitzer benutzten Diskussionen nie zu einer Klärung. Eine Diskussion diente lediglich dem Aushorchen oder verzögernden Hinhalten des naiven Diskussionspartners, im Falle man sich, ihn unmittelbar aus dem Verkehr zu ziehen, noch nicht genügend zugerüstet wähnte. Oder es gerade zuviel Aufsehen erregt hätte, das Mundtotmachen. Innerhalb dieser ganzen deutschen demokratischen Diktatur kann ich mich nicht erinnern, daß während der politischen Diskussion ein den Machthabern zuwiderlaufendes Argument dem Argumentierenden oder im mindesten seiner Angelegenheit etwas genutzt hätte. Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Und die ungeheuer heimtückische Heuchelei verdeutlicht sich allein schon darin, indem die Machtbesitzer von uns, den zwangsrekrutierten Untertanen, immer eine „offene und ehrliche Diskussion“ forderten!

Andererseits, wenn diese Funktionäre und Propagandisten und Agitatoren nicht weiter wußten, also meistens, drehten sie jegliches und auch das Harmloseste ins Politische, und da zählte nichts und schon gar kein Argument!

Wenn sie dann immer ins Politische schweiften, benutzten sie garantiert, und daran erkennt man die Gysibiskys und Konsorten noch heute, ihren obszönen Standardtrick, den die Sozialistische Einheitspartei Ostdeutschlands mit bedenkenloser Schamlosigkeit anwendete: Die Gleichsetzung. Die Schweiz erhöbe auch ein Einreisezwangsgeld, westliche Geheimdienste arbeiteten auch nicht anders. Und die USA hätten auch eine bewachte Grenze!

Soll heißen, die für Ausländer geltenden pekuniären Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen der Schweiz wären dem Wesen nach gleich dem eindirektionalen Zwangsumtausch Ostdeutschlands für einreisende Westdeutsche und Westberliner. Soll heißen, der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz wären ihrem Wesen nach gleich dem „Ministerium für Staatssicherheit“. Und soll endlich heißen, die Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko wäre dem Wesen nach gleich der Grenze Ostdeutschlands zu Westdeutschland oder der Grenze Ostberlins zu Westberlin. Und und und!  Man zeigte seine Vorliebe darin, jedes, aber auch jedes Argument über die verblüffendsten Gleichsetzungen zu verbiegen und damit die ganze Diskussion. Die aber auch! Die machen das genauso!

So, als wäre, wenn es denn stimmte, nun alles in bester Ordnung!

Aber schon diskutierte man nicht mehr über innere Probleme, sondern über interstellare Welten, nämlich über die unmenschliche Ausbeutung in den Ländern des Stamokap, des „staatsmonopolistischen Kapitalismus“, und die Verelendung breiter Massen. Du solltest nichts wissen und durftest keinen Feindsender hören, aber solche „Argumente“ mußtest du dir bieten lassen! O ja, selbst wenn er nie etwas anderes gelernt hatte und vor Blödheit gegen den Himmel stank, aber den Gleichsetzungstrick, Pferdekacke gleich Apfel, den beherrschte auch der kleinste und rhetorisch dämlichste Bonze gründlich.

Während seiner Haftzeit hat der empörte Egon Krenz Notizen aufgeschrieben, die gesammelte Empörung über das ihm angetane Recht. Sie tragen die Kapitelüberschriften „Herr Krenz, Sie sind hiermit verhaftet!“, „Das Wochenende vor der Haft“, „Stunden vor dem Urteil“, „Das Urteil“, „Moabiter Tage“, „Diktator Nummer Zwei“, „Das Intermezzo in Hakenfelde“, „Verlegung nach Plötzensee“, „Von Plötzensee nach „Strasbourg“, „Gespräch zwischen einem Star und einem Häftling“, „Das Haftende“, „Nach der Haft: Fragen an den Bundespräsidenten“.

Unter dem 29. August 1997 notiert Krenz (Egon Krenz Gefängnisnotizen edition ost im Verlag Das Neue Berlin 2009).

Gelegentlich werden im Fernsehen Gefängnisse der DDR gezeigt. Die Kameras fangen dann das Erdrückende solcher Stätten ein. Glaubt man wirklich, man hätte andere Bilder, wenn man beispielsweise die überfüllten Strafanstalten Moabit oder Tegel besuchen würde? Inzwischen gibt es selbst in bürgerlichen Medien Berichte darüber, dass nicht jeder, der sich als solcher ausgibt, auch tatsächlich ein politischer Häftling war, sondern ein ganz gewöhnlicher Gesetzesbrecher.

Entgegen unserer, zugegeben naiven Annahme, dass im Sozialismus die Kriminalität aussterben würde, gab es auch in der DDR Mörder, Totschläger, Diebe, Bankräuber, Erpresser und Betrüger. Allerdings weniger als in anderen Staaten. Mit 690 Straftätern auf 100 000 Einwohner hatten wir im Verhältnis zu anderen Staaten eine niedrige Kriminalitätsrate. Die zu Haftstrafen Verurteilten befanden sich in 46 Strafvollzugsanstalten, so viele zählten wir jedenfalls 1987 in der DDR.

Im Jahr zuvor erhielt ich den „Menschenrechtsbericht“ des US-State Departments über die DDR. Darin war die Rede von „grausamen Behandlungen durch Strafvollzugsbeamte“.

Ich bat daraufhin Fritz Dickel, den Innenminister, zu mir. Dickel war ein integrer Charakter, Kommunist seit seiner Jugend. Er saß in der Weimarer Republik, bei Hitler und auch bei Stalin. Wenn mir jemand die Wahrheit sagen würde. dann er, davon war ich überzeugt. Trotz unseres Altersunterschiedes waren wir Freunde.

„Fritz“, sagte ich, als wir uns in meinem Arbeitszimmer unter vier Augen gegenüber saßen. „Warum werden bei uns Gefangene misshandelt?“

„Traust du mir zu, dass ich das dulden würde?“, fragte er zurück.

„Es geht nicht darum, was ich dir zutraue“, antwortete ich. „Im Westen wird behauptet, in unseren Gefängnissen werde geschlagen. Wenn es wahr ist, müssen wir die Verantwortlichen bestrafen. Wenn es gelogen ist, müssen wir die Lügen öffentlich entlarven.“

Fritz Dickel, erregt und dennoch überlegt, relativierte: „Ich kann nicht garantieren, dass einem Wachtmeister nicht einmal die Hand ausrutscht. Der Dienst im Strafvollzug ist hart. Und nicht immer haben wir das beste Personal. Wo wir aber von Misshandlungen erfahren, wird das hart bestraft. Im Übrigen stammen unsere Gefängnisse aus kapitalistischer Zeit. Wir gestalten die Bedingungen so aus, wie es unsere finanziellen Möglichkeiten erlauben. Eins kann ich dir aber garantieren: Solange ich Innenminister bin, werde ich nicht zulassen, dass Gefangene misshandelt werden.“

Ich glaubte ihm. Dennoch dachte ich an die berühmte Regel, die immer auch Ausnahmen hat. Er muss meine Zweifel bemerkt haben und schlug vor: Schicke deine Leute in Gefängnisse deiner Wahl. Sie sollen, ohne dass wir dies vorher wissen, mit Gefangenen sprechen, die sie selbst auswählen. Danach können wir unser Gespräch fortführen.“

Ich ließ mir die Genehmigung dafür vom Staatsratsvorsitzenden geben. Laut Verfassung übte der Staatsrat im Auftrage der Volkskammer die Aufsicht über die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft aus. Honecker war mit meinem Vorschlag einverstanden. Dann schickte ich Arbeitsgruppen zur Inspektion in verschiedene Haftanstalten, darunter auch in das Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen. Die Arbeitsgruppen bestanden aus Juristen, Volkskammerabgeordneten, einem Staatsratsmitglied sowie aus Mitarbeitern der Abteilungen für Staat und Recht und für Sicherheitsfragen des ZK der SED. Gleichzeitig bekamen die West-Journalisten Pragal vom Stern und Gorskia von der Bunten am 16. Januar 1987 die Möglichkeit, die Strafvollzugseinrichtung Brandenburg zu besuchen. Sie hatten, vermutlich in Kenntnis der entsprechenden Meldung aus den USA, entsprechende Anträge gestellt. Beide berichteten nach ihrem Besuch sachlich über die Praxis des Strafvollzuges.

Die Berichte unserer Inspektoren stellten viele Unzulänglichkeiten fest: Die Obst- und Gemüseversorgung funktionierte schlecht; einige Hygieneartikel, besonders im Frauengefängnis, fehlten, ebenso Dinge, die es auch draußen leider nicht immer gab. Der Umgangston einiger Aufseher wurde als „rüde“ bezeichnet. Alles zusammen also keineswegs Dinge, deren wir uns rühmen konnten. Dennoch: Niemand berichtete von Menschenrechtsverletzungen oder unmenschlichen Haftbedingungen.“

Doch der Mensch fragt stets warum, wenn er sieht, daß etwas dumm. Und so könnte er hier fragen: Warum wurden die Lügen des Westens nun denn nicht öffentlich entlarvt? Warum las man nichts in den sozialistischen Gazetten über die erfolgreichen Inspektionen? Warum gab es keine öffentliche Debatte über den verlogenen Bericht des US-State Departments? Oder über die menschlichen Haftbedingungen in den sozialistischen Strafvollzugsanstalten? Warum wurden Ost-Journalisten dieses demokratischen Staates mit Wahlergebnissen von neunundneunzig zwei Drittel Prozent Ja-Stimmen bei den Inspektionen ausgeschlossen?

Zeigten die an dem Thema kein Interesse?

Warum also hat Krenz das alles nicht 1987 veröffentlicht? Warum, wenn alles bis auf leicht behebbare Unzulänglichkeiten in schönster Ordnung war, veröffentlicht Krenz das in einem Buch erst 2009, und zwar als Erinnerung aus dem Jahr 1997 über das Jahr 1987? Da wird die Frage nach dem Grund gestattet sein.

Die angebliche Haftzeit „bei Stalin“, mit welcher er einen berechneten Eindruck vom famosen Dickel, diesem integren Diener diverser Diktatoren, zu erwecken hofft, ist eine Behauptung von Krenz, die ich nirgendwo belegt fand. Krenz hingegen war, worauf es ja ankommt, zur Zeit des von ihm wiedergegebenen Gesprächs mit Dickel stellvertretender Staatsratsvorsitzender und ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen und offenbart sich hiermit wohl eher unbeabsichtigt als noch über dem Innenminister verantwortlich für die Haftbedingungen in der DDR.

Welch einzigartiger Moment in der Weltgeschichte!

Über die in Aussicht gestellte Fortsetzung seines Gesprächs mit Dickel im Anschluß an die Inspektionen schweigt er sich allerdings aus. Der von Krenz stattdessen in die Entlastungszeugenschaft gehievte Journalist des Stern, Pragal, schildert in seinem Buch „Der geduldete Klassenfeind“ (Osburg Verlag 2008) den von Krenz erwähnten 16. Januar 1987 rückblickend:

Der 16. Januar 1987 war für die Strafvollzugseinrichtung Brandenburg und ihren Leiter, Oberst Harry P., eine Premiere. Noch nie zuvor hatten „Klassenfeinde“ als angemeldete Gäste eine DDR-Haftanstalt besichtigen dürfen. Doch an diesem Tag sah sich der Genosse Zuchthauschef genötigt, mich, einen Stern-Fotografen sowie zwei Vertreter der Illustrierten Bunte zu empfangen. Und dies auch noch auf Weisung höchster Parteistellen. Harry P. war sich der Brisanz seiner Aufgabe bewusst. Zwar hatten das MfS und sein oberster Dienstherr, der DDR-Innenminister, bis ins Detail festgelegt, wie der Besuch ablaufen solle, wer mit uns reden dürfe und welche Zellen wir zu Gesicht bekommen sollten. Aber ganz sicher, ob wir uns an die Vorgaben halten würden, war er nicht. Für Harry P. war es ein harter Tag. Er hatte die Aufgabe, den West-Journalisten nachzuweisen, dass es in seinem berüchtigten Knast, in dem während der Nazi-Herrschaft auch Erich Honecker gesessen hatte, korrekt und human zuging. Jedenfalls sah man dem Oberst die Anspannung an, als er – wie ihm später in einem Stasi-Protokoll bescheinigt wurde – die „bestätigte Gesprächskonzeption in freier Rede“ vortrug. Mit so aufschlussreichen Sätzen wie: „Es ist das erstrangige Anliegen einer Strafvollzugseinrichtung, dass die Insassen die Einrichtung nicht ohne Erlaubnis verlassen.“ Oder: „Im Mittelpunkt des Vollzugs der Strafen steht die Erziehung zu gesellschaftlicher Arbeit.“

Als ich beim Außenministerium den Antrag stellte, hatte ich dem Vorhaben wenig Chancen gegeben. Als Aufhänger diente mir eine Äußerung von Bundeskanzler Helmut Kohl, der DDR-Gefängnisse mit Konzentrationslagern verglichen hatte. Diese Begründung muss jemanden in der obersten SED-Etage auf die Idee gebracht haben, West-Journalisten für eine propagandistische Aktion einzuspannen. Mir war bei der Sache nicht ganz wohl. Natürlich habe ich mitbekommen, dass uns in Brandenburg etwas vorgespielt wurde. Dass uns die bedrückenden Verhältnisse, die das Zuchthaus in Verruf gebracht hatten, verheimlicht wurden. „Die Straf-Arrestzellen, die von ehemaligen Häftlingen als Tigerkäfige beschrieben werden, dürfen wir nicht sehen“, schrieb ich in meiner Reportage. Und vergaß auch nicht zu erwähnen, dass mir der Oberst auf die Frage, wie viele Aufseher eingesetzt seien, lapidar antwortete: „Genügend“.

Das ganze Ausmaß der Inszenierung ist mir erst Jahre später bekannt geworden. Während über hundert Häftlinge eines Arbeitskommandos im Speisesaal eingeschlossen wurden, hat man ausgewählte Gefangene in neue Kleider gesteckt und vor den Journalisten wie Komparsen agieren lassen. Ein Brigadier, der wegen Untreue verurteilte frühere Leiter des Intershops im Ost-Berliner Palast-Hotel, war für würdig befunden worden, Fragen der Besucher zu beantworten. Brav und linientreu gab er Auskunft. „Ich empfinde diese Äußerung gelinde gesagt als eine Beleidigung der DDR“, erklärte er zur Kritik des Bundeskanzlers. „Wir haben darüber diskutiert, auch meine Mitgefangenen beziehen die gleiche Position.“ Das klang wie einstudiert. Doch dann wurde er unvorsichtig und meinte, das Warenangebot in der gefägnisinternen Verkaufsstelle könnte besser sein. Zum Beispiel fehle es an Äpfeln. „Die hatte es seit Dezember nicht mehr gegeben.“ Das hätte er besser nicht sagen sollen. Wie ein Mithäftling später berichtete, wurde der Mann nach Erscheinen meines Berichts seiner Funktion enthoben und in Einzelhaft verlegt.“

Nun, was die Westjournalisten neben vielem nicht wissen konnten, ist der Umstand, daß es Gefangene gab, die trotz Bedrohung mit schwerstem Arrest die Zwangsarbeit verweigerten oder sogar in den Hungerstreik traten im Zuchthaus Brandenburg, allein mit dem Grund, dadurch in Einzelhaft gelangen zu können, sie wurden isoliert. Um endlich einmal allein zu sein. Um endlich einmal beim Frühstück in der Zelle nicht in die lauernden Visagen von sieben Triebtätern, Mördern oder geisteskranken Triebtätern oder geisteskranken Mördern schauen zu müssen und sich nicht, und hier handelt es sich ja noch um den günstigsten Fall, ihr sinnloses Geschwafel anhören zu müssen von morgens bis abends – Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Hungerstreikende kamen übrigens gleich in eine Einzelzelle, damit man ihnen sofort das Wasser abstellen konnte. Hungerstreik war vielleicht die Vorstufe zum Suizidversuch. Ich traf einen Gefangenen, der es mit dem Verschlucken einer Glühbirne versucht hatte. (Es war nicht leicht bei der permanenten Überwachung eine geeignete Gelegenheit zu finden.) Frischoperierte Suizidkandidaten verlegte man in Einzelzellen, wo man sie mit Handschellen  ankettete, zu ihrer Sicherheit…

Also jener angediente Intershop-Privilegierte draußen gehörte sicher auch drinnen (im Zuchthaus) zu den im Gefangenen-Rotwelsch als „Ratte“ Bezeichneten, dem gewöhnlichen Gefangenen gekennzeichnet als „Uhrenträger“, er durfte eine Armbanduhr tragen. Als sogenannter „Bridja“, als „Brigadier“. Nicht jeder in diesem Lande der begrenzten paar Unzulänglichkeiten durfte Intershop-Leiter werden, und nicht jeder Gefangene konnte Uhrenträger werden… Jeder war seines Glückes Schmied.

Was den anderen Geschichtenerzähler anbelangt, den auf den göttlichen Befreiungsdemos als mit den großen Zähnen plakatierten („Großmutter, warum hast du so große Zähne?“), so ist er bekannt auch für die verlogene Wortschöpfung „Wende“ für „Ende“. „Wende“ als Hüllwort für das endliche Ende der verlogenen Deutschen Demokratischen Republik. Die 1961 nicht mehr ohne und 1989 nicht mehr mit Mauer zu halten gewesen war.