A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Wie sage ich es in unserer Muttersprache?

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Pfingstsonntag, 19. Mai 2024: Serapion an Mephisto

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Kleine Sprachhilfe für „Journalistende“:

Wir schalten jetzt leif nach Brüssel“!

Aus Berlin jetzt leif zugeschaltet“!

Um nur zwei Beispiele zu nennen unter Tausenden.

Dazu kann man schlicht und deutlich sagen, vor allem, weil man doch ein Mindestmaß an Sprachgefühl aufweisen sollte beim Geldverdienen in einem studierten Beruf, in dem es noch dazu ankommt auf Verständigung durch Sprache:

Wir schalten nach Brüssel

und

Aus Berlin zugeschaltet“.

Oder, bei perfektionistischer Veranlagung unserer sich ansonsten oft so eifrig des Neusprechs befleißigenden „Journalistenden“, eventuell auch redundant:

Wir schalten jetzt nach Brüssel

und

Aus Berlin jetzt zugeschaltet“.

Die idiotische Verwendung des „leif“ ist zu 99,999999 Prozent vollkommen überflüssig. Sie verweist vielmehr, und dabei handelt es sich um keine Lappalie, auf Berufsunfähigkeit.

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Die Sprachverderber

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Ihr böse Teutschen,

Man sollt euch peutschen,

Daß ihr die Muttersprach

So wenig acht.

Ihr liebe Herren,

Das heißt nicht mehren,

Die Sprach verkehren

Und zerstören.

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Ihr tut alles mischen

Mit faulen Fischen,

Und macht ein Misch-Gemäsch,

Ein wüste Wäsch,

Ich muß es sagen,

Mit Unmut klagen,

Ein faulen Haufen Käs,

Ein seltsams Gfräß.

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Wir hans verstanden

Mit Spott und Schanden,

Wie man die Sprach verkehrt

Und ganz zerstört.

Ihr böse Teutschen,

Man sollt euch peutschen.

In unserm Vatterland;

Pfui dich der Schand!

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Johann Michael Moscherosch (1601 – 1669)

gekürzt, Hervorhebung von Serapion

Woran erkennt man die populistischste Partei Deutschlands?

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Sonnabend, 18. Mai 2024: Bellarmin an Mephisto

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Mittwoch, 15. Mai 2024, NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

Er tut’s schon wieder. Bundeskanzler Olaf Scholz fordert die schrittweise Anhebung des Mindestlohns von derzeit 12,42 Euro auf 15 Euro. Vor vier Jahren war er mit der Forderung nach einem Mindestlohn von 12 Euro als SPD-Kanzlerkandidat in den Wahlkampf gezogen.

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Mittwoch, 15. Mai 2024, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Den Einzug ins Kanzleramt 2021 verdankt er auch der ungenierten politischen Instrumentalisierung des Mindestlohns.

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Mittwoch, 15. Mai 2024, KÖLNER STADT-ANZEIGER:

Inzwischen ist klar: Die Sozialdemokraten wollen den Mindestlohn grundsätzlich politisch und nicht nach volkswirtschaftlichen Kriterien bestimmen. Ein riskantes Manöver.

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Mittwoch, 15. Mai 2024, BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN:

Ein Sündenfall kommt selten allein. Wieder mischt sich die Politik in die Debatte um den Mindestlohn ein, wieder wollen die Regierenden der unabhängigen Kommission zur Festlegung der Lohnuntergrenze vorschreiben, wie sie zu entscheiden hat.

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Mittwoch, 15. Mai 2024, STUTTGARTER ZEITUNG:

Ab sofort würde der Mindestlohn regelmäßig zum Wahlkampfthema. Das wäre schlecht für den sozialen Frieden und dürfte kaum zu ökonomisch vernünftigen Löhnen beitragen.

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Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und dann populär zu machen.

Walter Scheel (1919-2016), Bundespräsident 1974-1979

Wahre ? Auseinandersetzung ?? Weiterhin ???

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Freitag, 17. Mai 2024: Bellarmin an Mephisto

Dienstag, 14. Mai 2024, AUGSBURGER ALLGEMEINE:

Der AfD ist es gelungen, im Westen Deutschlands stabil Fuß zu fassen und im Osten sogar zu so etwas wie einer Volkspartei aufzusteigen. Es ist ein Irrglaube, dass die Wähler nicht wissen, wem sie ihre Stimme geben. Die Mär von den Protestwählern stimmt schon lange nicht mehr.

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Dienstag, 14. Mai 2024, STANDARD:

Die wahre Auseinandersetzung muss weiterhin inhaltlich erfolgen …

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Dienstag, 14. Mai 2024, ALLGEMEINE ZEITUNG:

Eine andere Frage ist, ob es politisch klug wäre, die Auseinandersetzung mit der AfD zum jetzigen Zeitpunkt an das Bundesverfassungsgericht zu delegieren. Es gibt nach wie vor gute Argumente dafür, das scharfe Schwert des Parteiverbots nicht zu ziehen und die AfD stattdessen in der politischen Arena zu stellen.

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Dienstag, 14. Mai 2024, MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

Auch wenn Innenministerin Faeser von der SPD gerne die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes betont: Sie hat die Dienstaufsicht über die Behörde und ist zugleich Spitzenpolitikerin einer Partei, die in Konkurrenz zur AfD steht. Das ist ein schwieriges Spannungsverhältnis.

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Dienstag, 14. Mai 2024, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

Die anderen Parteien leiten arg leicht aus dem noch nicht rechtskräftigen Urteil den Aufruf ab, man solle sich nun gewissermaßen auf dem kleinen Dienstweg eines Mitbewerbers entledigen. Politiker irren, wenn sie den Beweis erbracht sehen, dass es sich bei der AfD um eine ‚unsere Demokratie verachtende Partei‘ handele. So formuliert es der grüne Parlamentarier Konstantin von Notz. Aus der SPD-Fraktion heißt es, das Gericht habe bekräftigt, dass sich die AfD ‚als Ganzes zu einer völkischen Partei radikalisiert‘ habe. Diese Äußerung verkennt, dass nur von Anhaltspunkten, nicht von Beweisen die Rede ist. Zudem wird das Etikett von einer Behörde verliehen, die dem sozialdemokratisch geführten Innenministerium unterstellt ist.

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Montag, 13. Mai 2024, Tagesschau:

Am wichtigsten und überzeugendsten bleibt es, wenn es uns als Demokraten gelingt, rechtspopulistische Parteien politisch zu bekämpfen und mit Argumenten zu entlarven.

Marco Buschmann, FDP, Bundesjustizminister

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Eine Partei zu verbieten, die im Osten wahrscheinlich die stärkste Partei wird, heißt im Grunde, dass der Staat dem Wähler sein Wahlrecht wegnimmt.

Werner J. Patzelt

Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden

Die Demaskierung der allbekannten Toleranten

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Montag, 13. Mai 2024: Bellarmin an Mephisto

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Montag, 13. Mai 2024, Bild:

Draußen vor der Gesangs-Arena tobte ein antisemitischer Mob – Klima-Greta mittendrin. Und Israels junge Teilnehmerin musste von der Polizei beschützt werden, konnte ihr Hotel nur für den Auftritt verlassen, wurde von anderen Künstlern tagelang gemobbt. Dabei gibt sich die ESC-Gemeinschaft gerne bunt, tolerant und vielfältig. Jetzt stellten sich viele gegen das einzige Land im Nahen Osten, in dem diese Vielfalt nicht lebensgefährlich ist. Verharmlosten die islamistische Hamas, die mit den meisten hier kurzen Prozess machen würde.

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Montag, 13. Mai 2024, KÖLNER STADT-ANZEIGER:

Es ist unfassbar, dass eine jüdische Sängerin wie Eden Golan sich mitten in Europa Pfiffe und Buhrufe in der ESC-Arena anhören muss, bloß weil sie Israelin ist.

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Montag, 13. Mai 2024, LAUSITZER RUNDSCHAU:

In diesem Jahr erhielt kein anderes Land vom Fernsehpublikum häufiger die Höchstpunktzahl als Israel.

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Montag, 13. Mai 2024, DAGBLADET:

Die israelische Künstlerin Eden Golan war die ganze Zeit in ihrem Hotelzimmer eingesperrt und konnte nur unter wahnwitzigem Sicherheitsaufgebot zur Arena gebracht werden. Ihr Song ‚Hurricane‘ war stark und hätte normalerweise den Sprung an die Spitze geschafft. Aber es ist ein unmögliches Dilemma, wenn die Jury entscheiden muss, ob sie für den besten Song oder taktisch und politisch stimmt, um einen totalen Kollaps zu verhindern.

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Montag, 13. Mai 2024, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

Der ESC-Slogan ‚United By Music‘ – vereint durch Musik – fand bereits 2023 in Liverpool Verwendung und ist nach einem Jahr genauso nichtssagend als wie zuvor.

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Montag, 13. Mai 2024, STANDARD:

Es geht um das beim Song Contest längst pflichtschuldige Eintreten für die LGBTIQA+-Community, für Toleranz und Gemeinschaft – und natürlich geht es um den Weltfrieden. Darüber ist in der Popmusik immer schon gesungen worden. Dass man es heute als vordringliches Verkaufsargument verwendet, ist ein wenig gar berechnend gedacht.

Also Zufälle gibt es ODER Es täte gut, ein Gedächtnis zu haben

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Freitag, 3. Mai 2024: Bellarmin an Mephisto

Am 20. Februar 1954 stellte sich ein Bürger der Sowjetunion den Behörden der USA in Frankfurt am Main, einer Stadt, die sich in der Zone Deutschlands unter amerikanischer Jurisdiktion befindet, und ersuchte um Schutz und Asyl als politischer Flüchtling. Der Gesuchsteller identifizierte sich als Nikolai Evgenjowitsch Koklow, Offizier, zugeteilt der 9. Abteilung der II. Hauptsektion des Ministeriums des Innern (MWD) der Sowjetregierung und gab bekannt, daß er in die Bundesrepublik im Auftrag der Sowjetregierung gekommen sei, um die Ermordung des Georgij Sergejewitsch Okolowitsch, eines Einwohners der Bundesrepublik Deutschland, staatenlos und russischer Abkunft, durchzuführen. Im Hinblick auf diesen Ermordungsauftrag gab der Bewerber folgende Einzelheiten bekannt:

Im Herbst 1953 war er durch die Sowjetregierung auserwählt worden, die Ermordung von Okolowitsch durchzuführen. Er flog deshalb in den Ostsektor Berlins, wo er Hans Kukowitsch und Kurt Weber, beide Einwohner von Berlin, traf, die er sodann im November nach Moskau führte. Kukowitsch und Weber wurden in Moskau im Gebrauch von Mordwaffen ausgebildet und kehrten am 18. Dezember 1953 nach Berlin zurück. Am 14. Januar 1954 wurde Koklow unter dem Namen Josef Hofbauer mit einem sowjetischen Militärflugzeug nach Wien gebracht und meldete sich dort bei dem Stabsoffizier Saul Lwowitsch Okun, Oberstleutnant des MWD. Koklow traf sich mit Kukowitsch und Weber in Zürich am 13. und 14. Februar, die drei Leute begaben sich darauf auf getrennten Wegen nach Frankfurt am Main. Am 18. Februar 1954, kurz nach 7 Uhr Abends, erschien Koklow im Hause von Okolowitsch, identifizierte sich und erklärte, daß ihm die Sowjetregierung den Auftrag gegeben habe, Okolowitsch zu einer geeigneten Zeit, jedoch vor dem 20. März 1954, zu ermorden, daß er aber nicht die Absicht habe, den Auftrag auszuführen, der mit seinem Gewissen nicht zu vereinbaren sei und den humanitären Grundsätzen widerspreche. Am 25. Februar 1954 wurden Kukowitsch und Weber durch amerikanische Beamte in Frankfurt am Main in Gewahrsam genommen und gestanden ihre Mittäterschaft bei dem vorerwähnten Mordversuch. Im Besitze von Kukowitsch und Weber befanden sich Mordwaffen, bestehend aus zwei automatischen geräuschlosen 7-mm-Pistolen und 2 Waffen, die als Zigarettendosen getarnt waren und einen elektrisch betriebenen Mechanismus für die Abfeuerung vergifteter Geschosse enthielten. Herr Koklow hat nicht nur Asyl und Schutz von unserer Regierung verlangt, sondern darüber hinaus auch deren gute Dienste erbeten, um die Regierung der Sowjetunion dazu zu veranlassen, die Ausreise seiner Frau Jelena Adamowna Koklowa zu erlauben und zu veranlassen, die derzeit in Moskau wohnhaft ist, damit sie ihn in der Bundesrepublik Deutschland treffen könne. Die vorstehend geschilderten Ereignisse, denen am 15. April 1954 die brutale Entführung von Alexander Rudolf Fowitsch Truschnowitsch in Berlin folgte, der eine prominente staatenlose Persönlichkeit russischer Abkunft und ein Gehilfe von Georgij Sergejewitsch Okolowitsch ist, sind Zeugnisse eines absichtlichen, schändlichen und unzivilisierten Verhaltens seitens der Sowjetunion, gegen das ich als geschäftsführender amerikanischer Hochkommissar in den schärfsten Ausdrücken Protest erhebe.

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Aus einer Protestnote der amerikanischen Hochkommission vom 23. April 1954 an den sowjetischen Hochkommissar Wladimir Semjonow

 

Zeitvergleich

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Sonnabend, 27. April 2024: Bellarmin an Mephisto

Nachrichten am 27. März 2016 im ersten Programm des Hessischen Rundfunks HR1:

Papst Franziskus erinnert an Leid durch Krieg und Verfolgung.

Polizei sucht nach Brüsseler Anschlägen acht Terrorhelfer.

Niederlage für Hillary Clinton bei US-Vorwahlen.

Das Wetter: Viele Wolken, zeitweise Regen, acht bis dreizehn Grad.

Die Nachrichten:

Papst Franziskus hat mit zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom die Ostermesse gefeiert. Zum Abschluß spendete er den traditionellen Segen urbi et orbi der Stadt und dem Erdkreis.

In seiner Osterbotschaft erinnert Franziskus an die Opfer der Kriege und nennt an erster Stelle Syrien. Von den laufenden Friedensgesprächen erwartet das Kirchenoberhaupt den Aufbau einer geschwisterlichen Gesellschaft, einer Gesellschaft, die die Würde und Rechte aller Bürger respektiere. An die Weltgemeinschaft appellierte der Papst, eine Politik zu entwerfen, die den Opfern von Konflikten und anderen Notlagen helfe und sie schützen kann, vor allem die Schwächsten, die aus ethnischen und religiösen Gründen Verfolgten.

Auch die evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat an die Opfer der vielen Konflikte und Krisen in der Welt erinnert. Kirchenpräsident Jung sagte in der Frankfurter Katharinenkirche: Angesichts von Terror, Krieg und Flucht hätten viele Menschen Angst. Es gebe keine einfachen Lösungen. Ein erster Schritt könne aber sein, Gewalt nicht einfach mit neuer Gewalt zu beantworten.

Fünf Tage nach den Terroranschlägen in Brüssel fahnden die Sicherheitsbehörden nach weiteren Terrorhelfern. Die WELT AM SONNTAG berichtet, es gebe mindestens acht Verdächtige. Die Zeitung beruft sich auf Sicherheitskreise und schreibt, die gesuchten Islamisten stammten mehrheitlich aus Frankreich und Belgien. Sie hielten sich in Syrien auf oder seien in Europa auf der Flucht. An der Fahndung nach ihnen sei auch das deutsche Bundeskriminalamt beteiligt. Die italienische Polizei hat über Twitter mitgeteilt, daß sie gestern einen vierzig Jahre alten Algerier gefaßt hat. Der Mann gehört laut Medienberichten zu einer Bande von Paßfälschern, die auch Papiere für die Selbstmordattentäter von Paris und Brüssel hergestellt haben soll.

Erfolge für Bernie Sanders: Der Bewerber der demokratischen Partei um die US-Präsidentschaftskandidatur hat sich bei drei weiteren Vorwahlen gegen Ex-Außenministerin Clinton durchgesetzt. Sanders holte nach dem Bundesstaat Washington und Alaska auch in Hawaii die meisten Stimmen. Der Senator aus Vermont gewinnt vor allem in Staaten mit hohem weißen Bevölkerungsanteil. Dort wo aktive, eher liberal ausgerichtete demokratische Parteimitglieder leben. Der Vierundsiebzigjährige versteht, junge Menschen für sich zu begeistern. Seine Veranstaltungen sind bunt und fröhlich. Doch man darf eher skeptisch bleiben, ob er es tatsächliche schaffen und der ehemaligen Außenministerin gefährlich werden kann. Clinton hat fast 700 Delegiertenstimmen Vorsprung.

Seit dem Tod des früheren FDP-Chef Westerwelle haben sich deutlich mehr Menschen als mögliche Knochenmarkspender registrieren lassen. Das meldet die BILD AM SONNTAG und sie beruft sich auf die deutsche Knochenmarkspender-Datei. So hätten sich seit Westerwelles Tod am 18. März rund 17.000 Menschen bei der Organisation gemeldet. Das seien rund 5.000 mehr gewesen als in der Woche davor. Westerwelle war vor neun Tagen an Leukämie gestorben.

Das waren die Nachrichten, es ist dreizehn Uhr drei.

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In die Stille nach dem Aufschrei

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Sonnabend, 20. April 2024: Der Ritter vom heiligen Geist an Mephisto

Das Schöne im Kalten Krieg war, der Journalismus im Westen Deutschlands brachte völlig nüchtern und unängstlich sogar schier unangenehmste Tatsachendarstellungen, die selbst der östlichen Propaganda hätten nützen können und nützten, wie beispielsweise von Studentenunruhen und Polizeieinsätzen und NPD und mißlungenen US-Raketenstarts, und wie die Beate Klarsfeld 1968 den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ohrfeigte.

Den Kiesinger, den ehemaligen NSDAP-Parteigenossen, mit dem „der Kriegsbrandstifter Brandt“, ehemals Bürgermeister in der „Frontstadt“ (Stereotype östlicher Nachrichtenberichterstattung Anfang der sechziger Jahre) koalierte!

Man stelle sich vor: Brandt und die SPD mit einem alten Nazi!

Und die westliche Nachrichtenberichterstattung darüber ohne zu werten!

Und man hatte den Eindruck: a u s g e w o g e n, faktenreich und ohne Weglassungen!

Das war bestechend stark: man hielt das Publikum für mündig!

Und, wie es sich zeigte: zu Recht!

Sehr zu empfehlen ist das Studium westlicher und, im Gegensatz, östlicher Nachrichtenberichterstattung vor allem der sechziger Jahre.

Und heute?

Inzwischen ist der deutsche Journalismus herabgesunken auf ein Niveau, das jede gutgeartete kritischere, also ideologisch unverknotete Seele geradezu ängstigen muß.

Die Linsenschleifer der Nation, die öffentlich-rechtlichen Nachrichten- und Berichterstattungsmedien Deutschlands, die sich vermutlich etwas einbilden auf gediegene Objektivität und Seriosität und Unabhängigkeit, auf Ausgewogenheit und Parteienproporz und, natürlich, auf politische Korrektheit, machen Angst. Sie vermitteln ein gefährlich falsches Bild von der Welt, mindestens durch Unterlassung und äußerst fragwürdige Gewichtung. Sie degradieren die Deutschen zu einem Volk, bei dem es tatsächlich als eine von den Medien (!) gefeierte Heldentat galt, daß einer der ehemaligen Verteidigungsminister es „gewagt“ habe, die bereits langjährige „Mission“ der Bundeswehr in Afghanistan als Kampfeinsatz zu bezeichnen…

Humorfrei hätte man jenes Beispiel ja auch als das werten können, was es in Wahrheit ist, nämlich als ungewolltes (und unbemerktes!) Eingeständnis von Unfähigkeit und einer tendenziösen Nachrichtenberichterstattung mit den Merkmalen: Weglassung, Ausblendung des Wesentlichen, euphemistische Lexik, Nivellierung von Unterschieden oder gar Insuffizienz in ihrem Erkennen, demnach analytisches Unvermögen nebst mangelhafter Durchdringung des Weltgeschehens.

Und schließlich und immer wieder: Falschbewertung und -gewichtung mit dem generellen Hang zur teilweise grotesk anmutenden Überbewertung von Nullnachrichten und Nebensächlichkeiten, von Eintagsgeschwätz und von Eintagsfliegen: Der hat dies gesagt und der hat das gesagt.

Anstelle von Fakten.

Tellerrand statt Horizont und Verdrängung der Realität.

Heute ist der deutsche Journalismus herabgesunken auf ein Niveau, auf dem in all den Jahren der Eurorettung in Griechenland sage und schreibe ein einziges Mal, in einem Nebensatz, im Deutschlandfunk erwähnt wurde, von 300 Sparauflagen seien 211 nicht erfüllt worden.

Ohne jegliche weitere Erörterung!

Ein Niveau, auf dem keinem einzigen Journalisten die Dimension der Tatsache auffällt, daß der deutsche Außenminister sich seinerzeit hinstellte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zusammen mit dem Botschafter einer fremden Macht, nämlich der chinesischen, um die Regierungschefin Merkel öffentlich zu tadeln.

Weil sie den Dalai-Lama empfangen hatte!

Man stelle sich eine derartige Szene vor beispielsweise in Frankreich!

Selbiger Außenminister avancierte später zum Bundespräsidenten und leitete 2017, am Tag der Deutschen Einheit, den zentralen Teil seines Diskurses ein mit der bemerkenswerten Floskel „Wir müssen uns ehrlich machen…“!

Er handelte im weiteren von der so genannten Flüchtlingspolitik…

Der höchste Mann im Staate gesteht im Schreck infolge der allgemein als desaströs empfundenen Bundestagswahl nach der „Flüchtlingskrise“, man sei bisher unehrlich gewesen gegenüber irgendwem aus irgendeinem Grund!

Und nicht ein einziger bundesrepublikanischer Journalist stürzt sich darauf mit einer untertänigen Frage!

Wie und warum und wodurch und weswegen?

Was verdammt erinnert an das Brechtgedicht über die nichtfeststellbaren Fehler der sich selbst bezichtigenden Kunstkommission…

Keine Erörterung, keinerlei Diskussion – und es hätte nur so rauschen müssen im Blätterwald!

Unehrlich?

Warum haben wir denn davon nichts gemerkt?

Immerhin wurde nach der Wahl zwei oder sogar drei ganze Tage lang plötzlich unterschieden zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern…

Aber nicht von Journalisten!

Sondern von erschrockenen Politikern!

Doch man erholte sich rasch, und wie während des Wahlkampfes wurden auch nach dem Wahlkampf die doch essentiellen Fragen, welche die Deutschen am meisten bewegen, in den Medien nie angemessen diskutiert geschweige denn den für tumb erklärten Stammtischen beantwortet:

Wie kommt es, daß die Menschen zu Zehn- und Hunderttausenden und über zig Ländergrenzen hinweg statt nach Saudi-Arabien oder Katar ausgerechnet nach Deutschland streben?

Warum dauerte es vom Beginn der so genannten Flüchtlingskrise bis in das Jahr 2018, dass zum ersten Mal die interessante Wortbildung „Identitätsverweigerer“ auftauchte, und zwar wiederum nicht in den Medien bzw. dort nur unerörtert wiedergegeben, aus dem Mund des Innenministers?

Warum wurde und wird in deutschen Medien nicht ausführlich informiert und diskutiert, wieviel Prozent der Asylantragsteller in Europa nicht anerkannt werden? Und aus den und den Gründen?

Das sind die Fragen, die die Menschen bewegten und bewegen!

Die heutige Berichterstattung erinnert fatal an die der „Deutschen Demokratischen Republik“, ja sie ist mittlerweile angekommen auf dem Niveau des „DDR“-Fernseh-Chefkommentators Karl-Eduard von Schnitzler.

Im Volksmund genannt „Sudel-Ede“.

Kennzeichen: „Parteilichkeit“ (offen gefordert im ostdeutschen Journalismus!).

Sie drückt sich heute aus z. B. in Etikettierungen:

Die AfD hieß von Beginn an unisono (nachrichtlich!) „die eurofeindliche AfD“, dann „die europafeindliche AfD“, rückte kurzzeitig, nach ihrem vorhersehbaren Einzug in die ersten Landesparlamente, plötzlich respektvoll auf zur „eurokritischen“ und „europakritischen“ Partei, um schließlich wieder herabzusinken zur „populistischen AfD“ und „rechtspopulistischen AfD“ bis hin zur „antisemitischen AfD“.

Solche Etikette einzig für die AfD. Niemals hieß es „die populistische Linkspartei“.

Oder gar „die populistische SPD“.

Wer darf eigentliche entscheiden, ob und welche Partei in der Nachrichtenberichterstattung (!) wie etikettiert wird?

Schnitzler hatte eine Sendung im Ostfernsehen, die hieß „Der schwarze Kanal“. Gemeint war das Westfernsehen. Hier klitterte der Mann Sequenzen aus jenem zusammen, das war Hetze pur, um die absurdesten Behauptungen gegen die „revanchistische Beärrdee“ zu belegen.

Die originale Machart fand ihre Auferstehung in der Berichterstattung über Pegida: Ungünstigste Kameraeinstellungen, blitzschnelle Schnitte, nie ein Gesamtüberblick oder gar einen zusammenhängenden argumentativen Redeausschnitt zur eigenen Urteilsbildung, ausschließlich Dumpfbackendarstellung, Beschränkung auf vordergründigste Etikettierung, Abstempelung statt Gegenargumentation: Also es gibt da keinen einzigen intelligenten Menschen, geschweige denn einen sympathischen, da laufen nur Idioten, und man staunt, wenn man, nach Jahr und Tag (!), in einem Nebensatz und ohne weitere Erörterung aus einer Studie zitiert erfährt, ach, das ist ja die dortige Mittelschicht…

Die übrigens eine derartige Berichterstattung aus dem Ostfernsehen kannte.

Und deshalb Journalisten verflucht.

Über Pegida sind sich alle Anständigen einig…

Man stelle sich vor, Nachrichtenredakteure unserer öffentlich-rechtlichen Medien wären samt ihrer korrigierenden Anständigkeit unvermittelt versetzt ins Paris des Jahres 1789 und kennten aber genauso wenig wie damalige Zeitgenossen der Welt Zukunft. Und an einem linden Juninachmittag, flanierend örtlich auf dem heutigen Boulevard Raspail vielleicht, wären sie plötzlich konfrontiert mit einem ungeordneten Haufen „Ça ira, ça ira!” grölender, teils betrunken anmutender Gestalten. Unsere wackeren Journalisten vernähmen auch entsetzliche „Les aristocrates à la lanterne!”-Rufe!

Und sollten darüber selbstverantwortlich einordnend nun in der abendlichen Tagesschau berichten…

Nein diese tumben, von Haß und Vorurteilen und Abstiegsängsten geplagten und von Kriminellen mit Stammtischparolen aufgehetzten Irregeleiteten aber auch! Also wirklich! Und hielten das für des Themas A und O der Berichterstattung. Und käuten es wieder Tag um Tag.

Und verwunderten sich über der Menschen unverbesserlichen Unverstand.

Man merkt die Absicht und man ist verstimmt…

Allein schon wegen der permanenten Unterschätzung des Intelligenzniveaus der Rezipienten.

Die Saat des in „Political Correctness” umbenannten Opportunismus ist aufgegangen, sogar bei Journalisten. Bloß keine störenden Fakten! Und schon gar nicht in Eigenverantwortung!

Das Unwort par excellence, das Hüllwort für Hüllwörter, das Metahüllwort, definierte einst völlig unbekümmert das DEUTSCHE UNIVERSALWÖRTERBUCH aus dem Verlagshaus DUDEN als: „Political Correctness, die; – – (engl. political correctness, eigtl. = politische Korrektheit): von einer bestimmten (linken, liberalen) Öffentlichkeit als richtig eingestufte Gesinnung, die dazu führt, dass bestimmte Wörter, Handlungen o. Ä. vermieden werden, die als diskriminierend od. pejorativ empfunden werden könnten“.

Da sollten alle Alarmglocken schrillen! Von einer bestimmten (!) Öffentlichkeit (!!)… als richtig (!!!) eingestuft (!!!!)… Gesinnung (!!!!!)… vermieden werden (!!!!!!)… hätte, könnte, würde (!!!!!!!)…

Was ja heißt, die Gesinnung einer elitären Gruppe gerechter Linksgläubiger (in jedem Krieg steht Gott ja auf Seiten der Gerechten… folglich auf unserer Seite!), also die infolge Linksgläubigkeit gerechte Gesinnung einer sich Kompetenz anmaßenden „Öffentlichkeit” „führt” dazu, daß „vermieden” werde…

Also man zensuriert, schreibt vor, diktiert dem dummen, Pardon, dem bildungsfernen Volk zwangsläufig Ersetzungen des aus konjunktionalen Erwägungen Vermiedenen. Euphemismus statt Pejorativ. Jobcenter statt Arbeitslosenzentrum.

Schöne neue Welt.

Vermeintliche Probleme der Kommunen” statt „Probleme”.

Gefühlte Bedrohung” durch Kriminalität statt „Bedrohung”.

Möglicher Sozialmißbrauch” durch Zuwanderer aus EU-Staaten statt „Sozialmißbrauch”.

Und Unpassendes lasse man in den Nachrichten am besten gleich ganz weg!

Jahrelang zum Beispiel über Ausländerkriminalität. Oder über Bewilligungszahlen von Asylanträgen von Antragsstellern bestimmter Herkunftsländer. Oder sogar Zahlen rechtsextremer Gewalttaten, nämlich differenziert nach Bundesländern.

Damit die Leute nicht auf unrichtige Gedanken kommen.

Früher, in Zeiten, in welchen unsere Journalisten noch über Geschichtskenntnisse verfügten und ein wenig deutsch sprechen und mitunter sogar muttersprachlich schreiben konnten, hieß Political Correctness, um nur einige Stationen zu nennen, in kontinuierlicher Praxis Pharisäertum, Bigotterie, doppelplusgutes Neusprech oder Parteilinie. Osten erglüht, China ist jung, rote Sonne grüßt Mao Tse Tung. In der „Deutschen Demokratischen Republik“, was ja auch ein schönes Wort war für „Sowjetische Besatzungszone”, hieß die politische Korrektur „sozialistisches Bewußtsein”. Wenn man also „Russe” sagte statt „Sowjetmensch”, wurde man tadelnd zurechtgewiesen, tatsächlich, mit: „Mensch, was haben Sie denn für ein sozialistisches Bewußtsein!?”

Günstigstenfalls…

Seltsamerweise jedoch hat es sich in der Ukraine beispielsweise mindestens seit 2014 wieder herausgestellt, dass es besser ist, auch skrupellos das wahrzunehmen, was die Augen zeigen.

Und Russen immer Russen zu nennen.

Und die Mauer hieß politisch korrekt „antifaschistischer Schutzwall“.

Sonst kein Abitur!

In der bundesdeutschen Medienlandschaft ist auch kaum ein eigenständig kritischer Geist mehr in Sicht. Kein Sebastian Haffner, kein Friedrich Luft, kein Kurt Tucholsky, kein Karl Kraus, nicht zu reden von Lessing, Börne oder Heine.

Ich empfehle in den Journalistenschulen das Studium von Berichterstattungen aus der Zeit des Kalten Krieges, insbesondere die Rundschau-Magazine des RIAS!

Des „Rundfunks im amerikanischen Sektor“ Berlins.

Man sollte dieses Senders gedenken!

Oder, im modernen Journalistendeutsch: Man sollte dem Sender gedenken…

Der moderne bundesdeutsche Journalismus hat versagt!

Und ich wage hier die These, Pegida und AfD und ihre Zuläufe waren in hohem Maße Produkt auch eines journalistischen Versagens.

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Donnerstag, 4. April 2024, Deutschlandfunk:

Redaktionsausschüsse widersprechen „Manifest“ der Kritiker

Die Redakteursausschüsse der öffentlich-rechtlichen Sender stellen sich gegen einen im Internet verbreiteten Aufruf zur Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Die Arbeitsgemeinschaft der Ausschüsse erklärte, es stimme nicht, dass in den Sendern nur vorgegebene Meinungen und „Mainstream“-Berichterstattung verbreitet würden. Vielmehr gebe es überall eine lebhafte Streitkultur und Berichterstattung nach journalistischen Prinzipien.

100, teils anonyme Unterzeichner

Eine Gruppe von Kritikern hatte in einem im Netz veröffentlichten „Manifest“ unter anderem fehlende Meinungsvielfalt beklagt. Zugleich wurde gefordert, dass die Beitragszahler künftig die Mehrheit in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender stellen sollen. Erstunterzeichner dieses Aufrufs sind gut einhundert, häufig freiberufliche, ehemalige oder nicht-redaktionelle Beschäftigte von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Unterschrieben haben auch externe Persönlichkeiten. Die Redakteursausschüsse werden in den jeweiligen Sendern von den redaktionell Beschäftigten gewählt.

Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte mit Verständnis, aber auch mit Kritik auf das sogenannte „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster meinte, Zeit- und Produktionsdruck oder schwierige wirtschaftliche Verhältnisse von freiberuflich Beschäftigten seien zurecht als Probleme benannt. Zugleich kritisierte Beuster, dass ein Teil der Unterzeichnenden anonym bleiben wollte. Dies sei ein Verstoß gegen ein urjournalistisches Prinzip, erklärte der DJV-Vorsitzende.

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April 2024“: „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“

Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur. Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr. Wir haben dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden.

Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir überwiegend das generische Maskulinum, wir sprechen explizit alle an.

UNSERE GRUNDSÄTZE

Meinungs- und Informationsvielfalt

Ausgewogenheit und Fairness

Transparenz und Unabhängigkeit

Förderung von Kultur und Bildung

Bürgerbeteiligung

beitragsfinanziert

WO SEHEN WIR GEGENWÄRTIG PROBLEME?

Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener „Kampfbegriffe“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-Leugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungspazifist“ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.

Das sorgfältige Überprüfen zweifelhafter Meldungen ist wichtig. Allerdings suggerieren sogenannte Faktenchecks oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert. Der freie gesellschaftliche Diskurs wird dadurch schmerzhaft beschnitten.

Innere und äußere Bedingungen führen dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können. Dazu zählen innerbetriebliche Praktiken wie die schon vor Dreh- bzw. Reportage-Beginn feststehende Kernaussage von Beiträgen, die Zentralisierung der Berichterstattung über sogenannte Newsrooms oder Newsdesks, zu großer Zeitdruck bei der Recherche, eine überwiegend an Einschaltquoten orientierte Programmgestaltung, Sparmaßnahmen der Sender am Programm und nicht zuletzt die Tatsache, dass zwei Drittel des redaktionellen Personals nur Zeitverträge haben oder gar komplett ohne Angestelltenverhältnis als sogenannte Freie arbeiten müssen. Letzteres führt zu Existenzängsten, die wiederum entsprechend „angepassten“ Journalismus begünstigen. Aufgrund der hohen personellen Fluktuation bleibt zudem oft keine Zeit für fachlichen Wissenstransfer.

Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht in den Redaktionen. Die Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Medien sind zwar formal unabhängig, meist gibt es auch Redaktionsausschüsse, die über die journalistische Unabhängigkeit wachen sollten. In der Praxis aber orientieren sich die öffentlich-rechtlichen Medien am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. Anderslautende Stimmen aus der Zivilgesellschaft schaffen es nur selten in den Debattenraum.

Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Interessensverflechtungen von Politik und Wirtschaft werden zu selten in tagesaktuellen Beiträgen aufgezeigt und erörtert. Alltägliche Recherchen bleiben im Kern oft oberflächlich.

Bei der Programmgestaltung dürfen Faktoren wie Einschaltquoten, die derzeit als allgegenwärtiges Argument für die dramatische Ausdünnung und populistische Ausrichtung der Kultur- und Bildungsangebote sorgen, keine Rolle spielen. Der öffentlich- rechtliche Rundfunk muss auch vermeintliche „Nischenbereiche“ abbilden und zu vermitteln versuchen – was seinem Bildungsauftrag entspräche, jedoch immer weniger stattfindet. Zudem darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht die strikt und gleichförmig durchformatierten Programme privater Sender zum (schlechten) Vorbild nehmen, wie dies aktuell weitestgehend der Fall ist. Dies gilt auch und vor allem in musikalischer Hinsicht für die ARD-Radioprogramme.

An der Auswahl der Mitglieder der Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte, der höchsten Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, sind die Beitragszahler nicht direkt beteiligt. Die Verwaltungsräte kontrollieren die Geschäftsführung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, doch wer kontrolliert die Verwaltungsräte?

Das heißt: es gibt keine Partizipation der Beitragszahler bei medienpolitischen, finanziellen und personellen Entscheidungen.

Auch die Programme werden größtenteils ohne Publikumsbeteiligung erstellt. Die meisten Programmbeschwerden von Beitragszahlern finden kaum Gehör und haben entsprechend wenig Einfluss auf die Berichterstattung und generelle Programmgestaltung. Sowohl das Publikum als auch die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden in der Regel nicht über die Reaktionen und Beschwerden zum Programm informiert.

Nur ein Teil der Inhalte der öffentlich-rechtlichen Medien ist im Internet abrufbar und meist nur für eine begrenzte Dauer. Diese Praxis widerspricht der Idee eines öffentlich- rechtlichen Rundfunks und dem Gedanken eines universellen Wissenszuwachses im Internet.

DER NEUE ÖFFENTLICH-RECHTLICHE RUNDFUNK VON MORGEN

Das Prinzip der Rundfunkbeitragszahlung wird beibehalten. Es sichert die Unabhängigkeit des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das heißt: öffentlich-rechtliche Anstalten werden von der Bevölkerung finanziert, aber auch kontrolliert.

Finanzflüsse sind transparent und öffentlich einsehbar. Dies gilt insbesondere für die Budgetverteilung zwischen einzelnen Ressorts, Redaktionen und der Verwaltung. Die Bezahlung aller Mitarbeiter, einschließlich Führungsposten bis hin zur Intendanz, ist transparent und einheitlich nach einem für alle geltenden Tarifvertrag geregelt. Die Berichte der Landesrechnungshöfe sind auf den Plattformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leicht auffindbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verzichtet auf Werbeeinnahmen aller Art, sodass Werbeverträge nicht zu Befangenheit in der Berichterstattung führen können.

Den Beitragszahlern gehört der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ihre mehrheitliche Einbindung in den Kontrollgremien ist daher selbstverständlich. Diese Arbeit wird angemessen honoriert. Sie schließt die Wahrnehmung eines weiteren Amts, welches Interessenkonflikte birgt, aus. Die repräsentative Zusammensetzung der Kontrollgremien könnte beispielsweise nach dem Vorbild der Besetzung von Bürgerräten erfolgen. Direkte Wahl, Rotationsprinzip oder Losverfahren sind Möglichkeiten, um die Gesellschaft repräsentativ abzubilden.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk fungiert als Vierte Säule der Demokratie. Im Auftrag der Bevölkerung übernimmt er wichtige Kontrollaufgaben gegenüber den Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative. Damit er diesen Auftrag erfüllen kann, ist seine Unabhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Lobbygruppen garantiert.

Drehtür-Effekte zwischen Politik und dem neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind dank mehrjähriger Sperrfristen ausgeschlossen; professionelle Distanz ist jederzeit gewährleistet. Jegliche Art von Interessenskonflikt wird angegeben, wie es auch in wissenschaftlichen Arbeiten üblich ist. Das Führungspersonal ist verpflichtet, jährlich einen öffentlichen Transparenzbericht vorzulegen. Führungspositionen müssen öffentlich ausgeschrieben sowie nach einem transparenten Auswahlverfahren besetzt werden und sind zeitlich limitiert. Eine Vertragsverlängerung ist nur nach Abstimmung durch die direkt unterstellten Mitarbeiter möglich.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt. Die Politik hat keinen Einfluss auf Inhalte. Es wird neutral, multiperspektivisch und zensurfrei im Rahmen des Grundgesetzes berichtet.

Dazu gehört die Verpflichtung, vermeintliche Wahrheiten immer wieder zu überprüfen. Für die Berichterstattung bedeutet dies ergebnisoffene und unvoreingenommene Recherche sowie die Präsentation unterschiedlicher Sichtweisen und möglicher Interpretationen.

Das Publikum hat einen Anspruch darauf, sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzen und selbstständig eine Meinung bilden zu können, anstatt eine „eingeordnete“ Sicht präsentiert zu bekommen.

Meldungen von Nachrichtenagenturen werden soweit möglich nicht ungeprüft übernommen. Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt seine Verantwortung wahr, Ereignisse jenseits von Agenturmeldungen zu recherchieren und darüber zu berichten.

Fairness und respektvoller Umgang im Miteinander stehen im Fokus unseres Handelns, sowohl innerhalb der Funkhäuser als auch mit unserem Publikum. Die Journalisten des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks benutzen kein Framing und verwenden keine abwertenden Formulierungen.

Petitionen und Programmbeschwerden seitens der Gebührenzahler werden vom neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst genommen. Eine Ombudsstelle entscheidet über deren Einordung, Umsetzung und Veröffentlichung. Inhaltliche Korrekturen der Berichterstattung werden an derselben Stelle kommuniziert wie die fehlerhafte Nachricht im Programm.

Zur Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Vielfalt gehört Lokaljournalismus als wesentliches Fundament des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch Themen aus dünn besiedelten Regionen, die vermeintlich nur von lokaler Relevanz sind oder Minderheiten betreffen, müssen sich im Programm spiegeln. Die Entscheidung, auch aus Gegenden fernab von Ballungsgebieten oder Metropolen zu berichten, muss von journalistischem Anspruch geleitet sein und darf sich nicht dem Kostendruck beugen.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt seinem Auftrag in gleichem Maße auch in Sachen Bildung und Kultur nach. Bildung und Kultur haben substanziellen Anteil am Programmangebot und werden angemessen budgetiert und personell ausgestattet.

Kultur in ihrer breiten Vielfalt ist ein wichtiger Baustein und Ausdruck der demokratischen Gesellschaft. Diese Vielfalt gilt es umfangreich zu präsentieren und dokumentieren. Das betrifft alle Disziplinen wie Musik, Literatur, Theater, Bildende Künste und andere. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den aktiven Förderaspekt gelegt, beispielsweise durch eigene Produktionen sowie die Unterstützung von regionalen Künstlern.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk setzt mit eigenen Klangkörpern wie Orchestern, Big Bands und Chören Akzente im kulturellen Leben und engagiert sich im Bereich der Radiokunst Hörspiel.

Die Archive des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind frei zugänglich. Sie sind wesentliche Wissens- und Identitätsspeicher unserer Gesellschaft und somit von großer kultureller und historischer Bedeutung mit immenser Strahlkraft. Aus den Archiven, die er kontinuierlich in breitem Umfange erweitern sollte, kann der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk anhaltend schöpfen und sich und die Gesellschaft damit der Relevanz von Kultur und Bildung versichern.

Die Inhalte der Archive und Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind dauerhaft abrufbar. Die bereits gesendeten Beiträge und Produktionen stehen zeitlich unbegrenzt zur Verfügung. So kann jederzeit auf das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft zurückgegriffen werden. Dies ist für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt über eine von Rundfunkbeiträgen finanzierte, nicht kommerzielle Internetplattform für Kommunikation und Austausch. Diese verwendet offene Algorithmen und handelt nicht mit Nutzerdaten. Er setzt in diesem Raum ein Gegengewicht zu den kommerziellen Anbietern, weil ein zensurfreier, gewaltfreier Austausch zu den Kernaufgaben des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört.

Qualitätsjournalismus braucht eine solide Basis. Im neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten überwiegend fest angestellte Journalisten, damit sie weitestgehend frei von ökonomischen und strukturellen Zwängen sind. Dadurch sind sie unabhängig und ausschließlich dem Pressekodex verpflichtet. Für Recherche steht ausreichend Zeit zur Verfügung. Die individuelle Verantwortung des Redakteurs bzw. Reporters muss gewährleistet sein und nicht zentralistisch von einem Newsroom oder Newsdesk übernommen werden.

Journalistische Autonomie ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung journalistischer Qualität und Meinungsvielfalt. Deshalb wird die Weisungs-Ungebundenheit redaktioneller Tätigkeit im Hinblick auf Themenauswahl, Themengestaltung und Mitteleinsatz nicht nur in Redaktionsstatuten, sondern auch in den Landespressegesetzen und Rundfunk-Staatsverträgen festgeschrieben.

Outsourcing ist kontraproduktiv. Es verhindert öffentliche Kontrolle und fördert Lohndumping. Die Produktion von Programminhalten, die Bereitstellung von Produktionstechnik und -personal sowie die Bearbeitung von Publikumsrückmeldungen erfolgen deshalb durch die Sender.

Der neue (wie auch der jetzige!) öffentlich-rechtliche Rundfunk steht nicht in Konkurrenz zu den privaten Medien. Daher wird die vorrangige Bewertung nach Einschaltquoten bzw. Zugriffszahlen abgeschafft.

Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum. Zu dessen Eckpfeilern gehört die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die Abbildung von Meinungsvielfalt sowie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

ERSTUNTERZEICHNER DES MANIFESTS

  • Christoph Abée | Designer, Dozent, Komponist, Musiker

  • Dr. Michael Andrick | Philosoph und Autor

  • Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes | Mathematiker und Methodenwissenschaftler

  • Patrik Baab | Publizist, ehem. Redakteur beim NDR

  • Isabelle Barth | Schauspielerin, Sprecherin und Künstlerin

  • Bastian Barucker | Autor & Wildnispädagoge

  • Prof. Kerstin Behnke | Dirigentin

  • Frederic Belli | Soloposaunist SWR Symphonieorchester

  • Volker Birk | Software-Architekt und Aktivist für Bürgerrechte

  • Georg Blank | Kameramann, WDR

  • Tom Bohn | Autor, Regisseur, Veranstalter

  • Julia Braun | ehemalige feste Freie – ARD-Redakteurin / Kinderfernsehen

  • Volker Bräutigam | Journalist und langjähriger Mitarbeiter des NDR (ARD-Tagesschau und NDR-Hauptabteilung Kultur)

  • Philine Conrad | Schauspielerin

  • Michael Denhoff | Komponist & Cellist

  • Dorian Dragoi | Bildgestalter, BR

  • Sabine Erbler | Cutterin beim WDR

  • Franz Esser | München, Musik-Kabarettist

  • Dr. Petra Fischer | bis 2022 rbb

  • Silvia Fischer | Szenenbildnerin und ehemalige Radiomoderatorin

  • Jens Fischer Rodrian | Musiker, Lyriker, freier Publizist

  • Lisa Fitz | Kabarettistin, Schauspielerin

  • Jürgen Fliege | ARD Talkshow Moderator i.R.

  • Anja Franke | Schauspielerin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

  • Romanus Fuhrmann | Schauspieler und Sprecher

  • Prof. Dr. Ulrike Guérot | Politikwissenschaftlerin und Publizistin

  • Gabriele Gysi | Schauspielerin und Regisseurin

  • Andreas Halbach | Freier Mitarbeiter ZDF

  • Reinhart Hammerschmidt | Freischaffender Musiker im Bereich Neue Musik und Improvisation

  • Anny Hartmann | Diplom-Vokswirtin und politische Kabarettistin

  • Silke Hasselmann | Deutschlandradio, Landeskorrespondentin für MV

  • Andrea Haubold | Orchestermusikerin Berlin

  • Carlo Himmel | Schauspieler

  • Beate Himmelstoß | ehem. Sprecherin beim BR

  • Bianca Höltje | Pädagogin, Beraterin von Schulgründungsinitiativen

  • Henry Hübchen | Schauspieler

  • Claudia Jakobshagen | Schauspielerin, Sprecherin, RBB

  • Luc Jochimsen | ehemalige Chefredakteurin hr-Fernsehen

  • Käthe Jowanowitsch | freie Journalistin, Deutschlandfunk und WDR

  • Kristof Kannegießer | Kameramann und Autor, RBB

  • Corinna Kirchhoff | Schauspielerin

  • Carlo Kitzlinger | Schauspieler, Lufthansa Captain AD

  • Friedhelm Klinkhammer | ehem. GPR-Vorsitzender im NDR

  • Astrid Kohrs | Schauspielerin

  • Dieter Korbely | Beirat „Wir sind Medien“ und Medienkritiker

  • PD Dr. Axel Bernd Kunze | Erziehungswissenschaftler

  • Dr. Norbert Lamm | Virologe & Molekulargenetiker

  • Barbara Leitner | über 25 Jahre freie Hörfunkautorin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, jetzt Coach und Kommunikationstrainiern (GFK in KiTa und Schule)

  • Ulrich Lipka | Radiosprecher DLF Kultur

  • Thorolf Lipp | Vorstand Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.

  • Prof. Dr. Johannes Ludwig | Professor u.a. für Investigativen Journalismus

  • Prof. Dr. Christoph Lütge | TU München, ehem. Mitglied des Bayerischen Ethikrats

  • Doreen Luther | Technikerin im Hörfunkbetrieb, rbb

  • Henrike Madest | ehemalige freie Mitarbeiterin WDR

  • Almut Masuth | Musikerin und Agentin

  • Uli Masuth | Kabarettist, Komponist, Klavierist

  • Prof. Dr. rer. nat. Jörg Matysik | Chemiker, Universität Leipzig

  • Prof. Dr. Michael Meyen | Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der LMU

  • Bettina Minutillo | ehemalige Redakteurin bei Printmedien

  • Prof. Dr. Klaus Morawetz | Dresden

  • Renée Morloc | Opernsängerin

  • Annekatrin Mücke | Freie Journalistin beim rbb

  • Jürgen Müller | Rechtsanwalt, Kinderrechte Jetzt e. V., Wir-Gemeinsam-Bündnis

  • Maren Müller | Vorsitzende Ständige Publikumskonferenz

  • Alessandro Nania Pacino | Schauspieler

  • Dr. Cornelia Nenz | ehemalige Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates

  • Franz Neumeyer | Coach, Initiative Bildungswandel

  • Jeana Paraschiva | Schauspielerin und Regisseurin

  • Harring Petersen | ehemaliger Produktions-Ingenieur im LFH SH, NDR

  • Richard Petersen | Ingenieur im LFH SH, NDR, seit 2022 Rentner

  • Christoph Poppen | Dirigent, ehem. Chefdirigent Deutsche Radiophilharmonie, ehem. Leiter ARD-Musikwettbewerb

  • Christine Prayon | Kabarettistin (lange Zeit heute-show, ZDF)

  • Manuel Rabbe | Creative Director

  • Michy Reincke | Musiker

  • Martina Reitmann | stellv. Solo-Hornistin der Deutschen Radio Philharmonie, SR

  • Alexa Rodrian | Lyrikerin, Musikerin und freie Autorin

  • Martin Ruthenberg | ehemaliger Sprecher und Moderator des SWR

  • Michael Sailer | Blogger

  • Arnd Schimkat | Schauspieler

  • Bettina Schmidt | ehemalige Redakteurin DLF-Kultur

  • Eva Schmidt | Radio München

  • Kathrin Schmidt | Schriftstellerin, Deutscher Buchpreis 2009

  • Michael Schmidt | ehem. Redakteur des NDR MV, Mitglied des NDR-Rundfunkrates

  • Andrea Schömmel | Aufnahmeleiterin, SWR Baden-Baden

  • Prof. DDr. Christian Schubert | Psychoneuroimmunologe, Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Innsbruck

  • Christina Schütz | Musikerin

  • Dr. Harald Schwaetzer | Philosophisches Seminar, Stuttgart

  • Dr. Thomas A. Seidel | Vorstandsvorsitzender des Bonhoeffer-Haus e.V.

  • Ole Skambraks | ehemaliger freier Mitarbeiter und Redakteur des MDR, WDR und SWR

  • Markus Stockhausen | Musiker, Seminarleiter

  • Tim Strecker | Kameramann & Oberbeleuchter

  • Dr.-Ing. Beate Strehlitz | Beirat Wir sind Medien und Medienkritiker

  • Alina Teodorescu | freischaffende Filmemacherin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

  • Walter van Rossum | ehemaliger WDR-Autor, Medienkritiker und Investigativjournalist

  • Harald von Herget | Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

  • Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach | CHS-Institute

  • Raphaël Walter | Cellist

  • Andrea Walz | Tontechnikerin, SWR Stuttgart

  • Peter Welchering | Wissenschaftsjournalist

  • Hans-Eckardt Wenzel | Sänger, Musiker, Autor, Komponist

  • Tina Zimmermann | Bildende Künstlerin

sowie 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deren Unterschriften bei Rechtsanwalt Dr. Harald von Herget ( (vonherget.ch) ) hinterlegt sind.

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Der Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden Werner J. Patzelt am 21. Januar 2015 unter dem Titel „Edel sei der Volkswille“ im Mittwochfeuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEn ZEITUNG:

„…

Wirklich gute Gründe haben uns in Deutschland dazu veranlasst, solchen Denk-, Rede- und Handlungsweisen möglichst keinen Raum zu überlassen, die mit altem oder neuem Nazitum zusammenhängen könnten. Das macht alles Sprechen und Tun verdächtig, das nicht links oder mittig ist, sondern von rechts daherkommt. Und die Macht zu deuten, was rechts wäre, haben wir denen überlassen, die sich links oder mittig geben. Was einmal als ‚rechts von der Mitte‘ gilt, sehen wir schon in Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Faschismus abrutschen. Der aber war und bleibt schlecht. Zweifellos verdient er nichts als Ausgrenzung und Bekämpfung. Gut ist hingegen, wer – und was – den Faschismus bekämpft. So entstand ein gefühlt klarer Kanon dessen, was an Betrachtungsweisen, Begriffen, Sprachformeln und Argumenten in Deutschland ‚geht‘ oder eben ’nicht geht‘. Wer sich daran hält, darf am öffentlichen Diskurs teilnehmen. Wer sich gegen diesen Kanon vergeht, ist auszugrenzen – und sei es als ein ‚Latenznazi‘, der einfach nicht weiß, was er wirklich ist.

Besonders einflussreiche Schiedsrichter öffentlicher Diskurse sind Journalisten. Tatsächlich haben, ausweislich einschlägiger Studien, Journalisten eine im Durchschnitt linkere Einstellung als die Bevölkerung. Politiker wiederum tun gut daran, sich im Konfliktfall der Schiedsrichterrolle von Journalisten zu unterwerfen. Und an der ist unter den wünschenswerten Bedingungen von Pressefreiheit auch gar nicht zu rütteln. Die Folge: Seit die Achtundsechziger ihren ‚Marsch durch die Institutionen‘ vollendet haben, sind sowohl der öffentliche Diskurs als auch das von ihm geprägte Parteiensystem im Vergleich zu dem nach links gerückt, was sich demoskopisch als reale Meinungsverteilung der Bevölkerung ermitteln lässt. Tatsächlich sind die Wortführer öffentlicher Meinung immer wieder entsetzt darüber, wie große Anteile rechten Denkens die Demoskopen regelmäßig im Volk entdecken. Für normal hält man derlei natürlich nicht, sondern ist enttäuscht, dass im realen Meinen eben doch nicht verschwindet, was man so umsichtig aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt hat. Anscheinend bleibt selbst strikte Diskurshygiene ohne umfassende Erziehungswirkung. Und was ursprünglich an zivilisierenden Geboten politischer Korrektheit durchaus nicht repressiv gemeint war, nimmt dann eben doch diese Rolle an, sobald sich diskursivem Erzogenwerden verweigert, wer in die Öffentlichkeit geht.

Solcher Rückzug tatsächlichen Meinens oder Sprechens ins Nichtöffentliche löst aber keinerlei Spannungen. Vielmehr unterbleibt dann gerade das, was doch ein entscheidender Vorteil repräsentativer Demokratie ist. Der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel, in den Gründungsjahren unseres Landes sehr einflussreich, nannte ihn einst die ‚Veredelung des empirisch vorfindbaren Volkswillens‘. Sie besteht darin, dass im öffentlichen Diskurs Publizisten und Politiker in rationale, unanstößige, diskursiv anschlussfähige Sprache überführen, was sich an Denkweisen oder Interessensbekundungen an den Stammtischen und auf den Internetseiten der Nation ausdrückt, und zwar mit oft ganz unzulänglichen, ja primitiven Mitteln, die ihrerseits manch hetzerische Dynamik entfalten. Unterbleibt dann eine ‚Veredelung‘ des so Vorgebrachten, wie sie gerade Publizisten und Intellektuelle leisten könnten, so wird den von ihren Eliten alleingelassenen einfachen Leuten bald eine akzeptable Sprache fehlen, in der sie ihre Sicht und ihre Anliegen unanstößig ausdrücken könnten. Auf diese Weise entsteht im rechten Bereich des politischen Meinungsspektrums eine Repräsentationslücke. …

Tatsächlich haben wir es so weit gebracht, dass es für Leute, die sich rechts der Mitte artikulieren wollen, in unseren Talkshows nur noch die Rolle des Krokodils im Kasperltheater gibt: Man akzeptiert sie dafür, zum Gaudium der Wohlmeinenden verprügelt zu werden – teils mit der Klatsche ethischer Empörung, teils mit dem Rohrstock der Satire. Solche Krokodile müssen weg. Solche Feinde zu bekämpfen ist aber nicht nur wichtig, sondern auch gut und schön. Wie weiland edle Ritter auf âventiure bekämpfen die Anständigen nun mit hohem Mut Mischpoke, Mob und Ratten. In Dresden reinigt man nach deren Auftritt sogar die von ihnen ‚beschmutzten‘ Straßen und Plätze. So folgt der Kommunikationshygiene zwar nicht Klassen- oder Rassenhygiene, sehr wohl aber die Massenhygiene.

Und kann derlei Ausgrenzung überhaupt gut ausgehen? Lässt sich wohl dauerhaft jene Repräsentationslücke verriegeln, die gewiss in guter Absicht herbeigeführt wurde, unter der nun aber vielerlei unterdrücktes Empfinden, Wollen und Denken nach Ausdruck drängt? Anscheinend drängt das Magma unrepräsentierten Volksempfindens und unveredelten Volkswillens allenthalben in Deutschland nach oben. Freilich lagert sich darüber im Westen jene feste Kruste, welche erfahrungsbewährtes Systemvertrauen, jahrzehntelang problemlose Sozialstaatlichkeit und der institutionenbesetzende Aufstieg der Achtundsechziger geschaffen haben. Also dringt nur mittelbar und in kleinen Geysiren nach oben, was unterschwellig auch da brodelt. Doch anders verhält es sich im Osten, wo seit der Wiedervereinigung demoskopische Umfragen zeigen, um wie viel dünner dort das Deckgebirge repräsentativer Demokratie ist. In Dresden kamen bloß einige besondere Umstände zusammen – und ließen einen Vulkan ausbrechen.

Falls diese Diagnose stimmt, wird im Umgang mit Pegida der traditionelle Therapieversuch nicht viel fruchten. Er besteht darin, die Unanständigen einfach zu verscheuchen, idealerweise durch einen ‚Aufstand der Anständigen‘. Das Deckgebirge unserer politischen Deutungskultur wird im Generationswechsel weg von den Achtundsechzigern porös, während jene tektonischen Geschiebekräfte zunehmen, die der Wandel unseres Landes zu einer multikulturellen Einwanderergesellschaft aufbaut. Unterdrücken wird sich solcher Vulkanismus auf Dauer nicht lassen.

Richtiger wäre es deshalb, auf die Bauprinzipien unserer pluralistischen, repräsentativen Demokratie zu vertrauen. Ihnen folgend, würde man jene Schwierigkeiten und Interessen ernst nehmen, die Pegida zu thematisieren versucht: die Repräsentationslücke, die Sorge um den Fortbestand vertrauter Kultur, die Zukunftsangst vieler Bürger einer Einwanderungsgesellschaft ohne klare Einwanderungs- und Integrationspolitik. Die Einrichtungen unserer Zivilgesellschaft müssten Foren organisieren, auf denen Pegidisten und No-Pegidianer sich darüber streiten können, was in unserem Land zu tun oder zu lassen wäre. Und die Bundestagsparteien hätten Positionspapiere für oder gegen ein ‚Bundeseinwanderungs- und Integrationsgesetz‘ vorzulegen, damit eine öffentliche Debatte über den ganzen Fächer der Gestaltungsaufgaben unseres Einwanderungslandes zustande käme.

Der gemeinsame Nenner all dessen ist Kommunikation. Die entsteht zwischen Freund und Feind aber nicht von selbst. Man kann sie aber organisieren. Und man muss sie auch herbeiführen, wenn man das Wohl unseres Landes im Sinn hat.

Legitimität entsteht nämlich nur durch Kommunikation und erhält sich anders auch nicht. Auszugrenzen hat nur dann Sinn, wenn es um Extremisten geht, also um die Gegner einer freiheitlichen demokratischen Ordnung. Mit Andersdenkenden sollte man hingegen ins Gespräch kommen – voll guten Willens, höflich und ohne Arroganz. Die steht jenen sogar besonders schlecht, die dem einfachen Volk tatsächlich an Bildung oder Reichtum überlegen sind.“

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Hans Sarkowicz u. a.: „Jahrhundertstimmen“:

Der Rundfunk in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR stand unter strenger Aufsicht. Gesendet wurde nur das, was politische Funktionäre wünschten oder erlaubten. An eine objektive Berichterstattung war nicht zu denken, schon gar nicht an eine kritische Bewertung der Bodenreform. Denn die Versorgungslage hatte sich durch sie nicht wesentlich verbessert.

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Mittwoch, 7. April 1954

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Freitag, 12. April 2024: Bellarmin an Mephisto

Mittwoch, 7.April 1954:

Regierungserklärung Adenauers zur Übertragung der Souveränität an die DDR durch die Sowjetunion

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer gab laut dpa zu der von der Sowjetunion vorgenommenen Übertragung der Souveränität an die Regierung der DDR vor dem Bundestag folgende Regierungserklärung ab:

»Die Regierung der Sowjetunion hat am 25. März erklärt, daß sie mit der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik die gleichen Beziehungen aufnehme wie mit anderen souveränen Staaten. Die DDR werde die Freiheit besitzen, nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten einschließlich der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden. Mit dieser Erklärung sucht die Sowjetregierung den Anschein zu erwecken, daß der von ihr besetzte Teil Deutschlands ein selbständiges, souveränen Staaten gleichgestelltes Staatswesen geworden sei. Die sowjetische Erklärung vermag jedoch nichts gegen die Tatsache, daß es nur einen deutschen Staat gibt, gegeben hat und geben wird- und daß es einzig und allein die Organe der Bundesrepublik Deutschland sind, die heute diesen niemals untergegangenen deutschen Staat vertreten. Daran ändert auch die schmerzliche Wirklichkeit nichts, daß die deutsche Staatsgewalt heute nicht einheitlich in allen Teilen Deutschlands ausgeübt werden kann.

In jenen Teilen Deutschlands, in denen heute das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt, konnten die Organe des deutschen Staates nach 1945 auf rechtmäßigem Wege – das heißt durch freie Wahlen, die den unverfälschten Willen des deutschen Volkes zum Ausdruck brachten – wiedergeschaffen werden. In allen Ländern der heutigen Bundesrepublik haben nach 1945 freie Wahlen stattgefunden, aus denen Volksvertretungen und verfassungsmäßig geordnete, verantwortliche Regierungen hervorgegangen sind. Vertreter der frei gewählten Landtage haben sich zu einer verfassunggebenden Versammlung zusammengefunden und haben im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eine freiheitlich-demokratische Verfassung geschaffen, die von den Volksvertretungen der Länder geprüft und angenommen worden ist.

In den Bundestagswahlen von 1949 und 1953 hat sich das deutsche Volk unmittelbar zu dieser neuen verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands bekannt. Schon 1949 bei einer Wahlbeteiligung von 78,5 Prozent erhielten die Kommunisten nur 1,5 von 25 Millionen Stimmen, also sechs Prozent. 1953 erhielten sie bei der sehr starken Wahlbeteiligung von 86,2 Prozent nur noch etwas über sechshunderttausend von 28 Millionen Stimmen, das heißt nur noch 2,2 Prozent.

Diese Zahlen beweisen, wie das deutsche Volk über ein kommunistisches Regime denkt, das nicht wagen kann, in der von ihm beherrschten Zone freie Wahlen abzuhalten, das die Länder mit ihren Volksvertretungen unter Bruch der eigenen Verfassung beseitigt hat und dessen »Volkskammer« die willenlose Unterwürfigkeit des Hitlerschen Reichstages noch überbietet – ein Regime, dessen einzig entscheidende Partei eine verhaßte Minderheit bildet und das sich am 17. Juni 1953 nur mit brutaler Anwendung von Waffengewalt gegen die Empörung und Verzweiflung der gesamten Bevölkerung am Ruder halten konnte.

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Archiv der Gegenwart. Bd. 2, S. 1126 ff.

Ostern

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Ostersonntag, 31. März 2024: Serapion an Mephisto

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Ostern

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Vom Münster Trauerglocken klingen,

Vom Tal ein Jauchzen schallt herauf.

Zur Ruh sie dort dem Toten singen,

Die Lerchen jubeln: wache auf!

Mit Erde sie ihn still bedecken,

Das Grün aus allen Gräbern bricht,

Die Ströme hell durchs Land sich strecken,

Der Wald ernst wie in Träumen spricht,

Und bei den Klängen, Jauchzen, Trauern,

So weit ins Land man schauen mag,

Es ist ein tiefes Frühlingsschauern

Als wie ein Auferstehungstag.

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Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

 

Lenins „nützliche Idioten“

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Sonntag, 24. März 2024: Mephisto an Bellarmin

Vor einer Woche, das war noch vor der jüngsten Einlassung Mützenichs im Bundestag, schriebst Du mir „von den sich vor allem hinsichtlich Rußlands durch permanente Fehleinschätzungen ausgezeichneten üblichen üblen SPD-Strategen à la Ralf Stegner, Rolf Mützenich und dem unsäglichen Gernot Erler aus der Mottenkiste“. Die Reihe ließe sich natürlich fortsetzen mit einem gewissen Gerhard Schröder, dem Freund des „lupenreinen“ Auftraggebers von Auftragsmorden. Oder der Manuela Schwesig, der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, oder …, nein, nein, ich schluck das jetzt runter, ich will mich jetzt lieber beschränken auf ein beispielhaftes Exemplar. Vielleicht erinnerst Du Dich: Heute vor 3400 Tagen, also vor fast zehn Jahren, nämlich am 2. Dezember 2014 schrieb ich Dir:

Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, hat wieder einige seiner von mir gefürchteten Interviews gegeben. Über das Verhältnis des Westens zu Rußland. Obwohl natürlich der unverständige dumme schuldige Westen das unbeirrte Ziel seiner Ermahnungen bleibt, klangen seine Einlassungen diesmal bisweilen sogar vergleichsweise unblauäugig. Was ich als Zeichen werte, Wladimir Wladimirowitsch Putin muß es derart schlimm treiben, daß er es sogar notorischsten Gesundbetern russischer Monstrositäten schwer macht. Was aber natürlich nichts an ihrer mich immer wieder verwundernden Grundhaltung ändert.

Ich beobachte das Phänomen seit meiner Kindheit und Jugend in der Deutschen Demokratischen Republik. In deren Demokratie man Russen nicht beim Namen nennen durfte. Es hieß „Sowjetmenschen“. Es gäbe ungeheuer viel dazu zu erzählen, interessante, aufschluß- und eigentlich lehrreiche Geschichten für denkende Menschen. Doch will ich jetzt nur sagen: Ich glaube, Matthias Platzeck gehörte zu den „Sowjetmensch“-Sagern. Das verbaute auch nicht unbedingt die Karriere. Ich vermute ebenfalls stark, daß er genauso Mitglied der russischen Propaganda-Organisation „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ war, wie er heute vorsitzendes Mitglied der russischen Propaganda-Organisation Deutsch-Russisches Forum ist, und mir und jedem sofort erklären würde, daß Völkerfreundschaft doch eine wunderbare und friedensfördernde Angelegenheit sei. Gern wäre ich seinerzeit einer deutsch-französischen Freundschaftsgesellschaft beigetreten, fand jedoch nie die Telefonnummer… Ich stelle mir ein typisches Gespräch mit ihm oder seinesgleichen zur damaligen Zeit vor, was ihn betrifft fiktiv also, aber auf jahrelanger Erfahrung gründend, und höre förmlich die Rechtfertigung für das Fehlen anderer Freundschaftsgesellschaften in dem friedliebenden Mauerstaat: Schließlich habe das „Sowjetvolk“ ja besonders im Zweiten Weltkrieg, pardon, während des „Großen Vaterländischen Krieges“ gelitten und habe die meisten Opfer gebracht. Und Frankreich, die USA und Großbritannien und Italien, das seien doch alles NATO-Länder usw. usf. Ich glaube, zu DDR-Zeiten hätte Matthias Platzeck nicht zu meinem Freundeskreis gezählt, wenngleich er vermutlich wohl noch zu den vernünftigeren Strebern gehörte. Zu denen, die sich nicht ohne Erfolg anstrengten, nie etwas Falsches oder sogar Widriges zu verlautbaren und demzufolge ihre Weltsicht mit der staatlich vorgegebenen harmonisierend rationalisierten und verinnerlichten. Die dialektische Denkschule des deutschen demokratischen Sozialismus kann bei intelligenten Menschen, die sich aus diesem Blickwinkel jahrzehntelang die Chronik der laufenden Ereignisse zurechtlegten und erklärten und verklärten, kaum ohne Ablagerungen geblieben sein im Rückenmark. In jenem Sinn scheint er mir tatsächlich ein „gelernter DDR-Bürger“ zu sein, und in seinen Augen wäre dies wohl etwas Gutes. Und nicht etwas Geschädigtes, nicht etwas Blickwinkel- und Denkschablonenzementierendes. So wie ich es aus seinen Interviews immer wieder heraushöre oder lese.

Jedes Mal wenn ich den Mann also über Rußland reden höre, muß ich an die Menschen denken, die mir nach einem Auslandsstudium in der Sowjetunion über den Weg liefen. Zu sowjetischen Zeiten war man in Rußland sehr interessiert, Studenten aus bestimmten Ländern zu holen, vor allem aus den ehemaligen Kolonien Afrikas und aus den russisch besetzten Ländern Osteuropas. In der DDR konnten Schüler eine Prüfung absolvieren, und nach deren Bestehen und natürlich der Erfüllung gewisser nichtfachlicher Voraussetzungen ging es ab. In der ostdeutschen Arbeitswelt erlebte ich nach ihren Studienerfolgen dann die Rückkehrer. Ich erlebte nur männliche Exemplare, allerdings nicht selten mit russischem Ehegespons. Dieses meist mit phantastischen, russisch-bombastischen Berufsbezeichnungen. Für die sich keine Entsprechung fand im Rest der Welt. Aber wenigstens klangen sie ehrfurchteinflößend in den Ohren schlichterer Gemüter. Wie als würde Putin gerade durch fünfzehn Meter hohe Türen schreiten. Bis sich nach etlichem Geziere mit beleidigt hochgeschobener Unterlippe herausstellte, daß es sich bei den studierten Berufen um eigentlich eher irdische Arbeiten und Tätigkeitsfelder handelte, im Bereich einer Chemielaborantin etwa. Die ehemaligen Auslandsstudenten aber waren, soweit ich sie kennenlernen mußte, inzwischen zu unbedingten Sowjetunion-Fanatikern mutiert. Man konnte nur staunen. Am besten schweigend, denn jedes, selbst das kleinste kritische Wort über „unsere sowjetischen Freunde“ und das „ruhmreiche Sowjetland“ war sinnlos. Ganz zu schweigen von einer kritischen Durchleuchtung russischer Kultur, Geschichte oder Politik. Die abseitigsten Abseitigkeiten fanden ihre Versteher und vor allem ihre vehementen Verteidiger. Alles Sowjetische war gut und richtig, also heilig wie Gott Wladimir Iljitsch Lenin. Diese Leute wurden dann bevorzugt bei Gehaltssteigerungen und Karrieresprüngen und fanden sich bald womöglich in gewissen strategisch nicht unwichtigen Funktionen und Schaltstellen ihrer jeweiligen Branchen wieder. Und das sicher nicht nur in der DDR. Daß der Aufbau Fünfter Kolonnen zur Einflußnahme und zur Beherrschung anderer Länder das A und O russischer Auslandspolitik, also Unterwerfungsstrategie ist, gilt gewiß nicht erst seit Lenin und der KOMINTERN und der KOMINFORM.

Ich weiß, daß Matthias Platzeck nicht in der ruhmredigen Sowjetunion studiert hat, ebensowenig wie Gerhard Schröder. Ich weiß nur, daß er in der DDR eine Erweiterte Spezial-Oberschule besuchte und daß mir regelmäßig jene verzückten Auslandsabsolventen in den Sinn kommen, wenn ich ein Interview mit ihm höre oder sehe oder lese. Ansonsten war und ist Matthias Platzeck in meinen Augen ein banaler „gelernter DDR-Bürger“. Jemand, der das deutsche demokratische Denken verinnerlichte und also die Deutsche Demokratische Republik wahrhaft nie begriffen hat. Er gehörte wohl zu denjenigen, die 1989 am liebsten die DDR verbessert hätten und der nun verärgert war über den Fall der Mauer. Der „Wende“ sagt statt „Ende“. Der demzufolge tatsächlich die Wiedervereinigung als „Anschluß“ bezeichnete, analog Österreichs sogenanntem Anschluß an Hitlerdeutschland. Wie ein Wort manchmal die komplette Denkweise eines Menschen offenbart! Platzeck ist einer, der in seiner Welt- und Geschichtskenntnis offensichtlich von der Geschichte überrannt wurde. Ebensowenig versteht er den typisch russischen Chauvinismus des typisch russischen Imperialisten Wladimir Wladimirowitsch Putin. Nach allem was ich weiß, würde Lenin ihn zu seinen „nützlichen Idioten“ zählen, die im Westen tatsachenunbeirrt auch noch die abstrusesten russischen Sichtweisen „verstehen“, verteidigen und eben befördern. Im Hinblick auf gewisse Intellektuelle hat Einstein einmal den Begriff „großhirnamputiert“ geprägt.

Nein, ich würde nicht auf Matthias Platzeck hören. Das wäre mindestens der Ukraine Ende, wenn man auf solche Leute hörte.“

Worauf Du mir prompt mit Datum vom 12. Dezember 2014 antwortetest:

Zu Deiner Replik auf die Interviews und Vorschläge zur Lösung der Ukraine-, insbesondere auch der Krim-Krise des ehemaligen Ministerpräsidenten und aktuellen Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums Matthias Platzeck:

Unter der Überschrift „Die Hybris des Westens“ und mit dem Untertitel „Warum Matthias Platzeck recht hat“ liefert der preisgekrönte Autor Eugen Ruge im SPIEGEL 50/2014 eine Apologie der Ansichten Platzecks. Den er einleitend mit einer Schmähung gegen die Kanzlerin von dieser positiv abzusetzen sich befleißigt. Platzeck wäre schon zu DDR-Zeiten unangepaßt gewesen. Was man von Merkel nicht behaupten könne. Merkel habe sich erst einen Monat nach „der Wende“ überlegt, daß sie eigentlich schon immer gegen die DDR gewesen wäre. Und die nun, noch immer DDR-methodisch, Platzeck aus dem Petersburger Dialog verdränge. Und zwar, weil er nicht die Auffassung der Kanzlerin vertrete. Dann gipfelt Ruges Debattenbeitrag in der These: „Matthias Platzeck wäre als ehemaliger Gegner und Kenner des DDR-Regimes und des Sowjetsystems vermutlich ein guter Berater in der Ukraine-Krise.“

Kurz zur Weltsicht des Apologeten. Welche eigentlich hinreichend qualifiziert wird durch einen einzigen Satz, der direkt dem Werkzeugkasten der Kreml-Propaganda entnommen sein könnte: „Die EU erweitert ihre Außengrenzen: eine schleichende, postkoloniale Form der Expansion.“ Dagegen etwas zu sagen, wäre Zeitverschwendung. In seiner Logik gelangt Ruge dann jedenfalls zu dem Schluß: Da die Krim 1954 von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow willkürlich an die Ukraine verschenkt worden sei, wäre die Wiederangliederung an Rußland eigentlich Restitution eines geraubten Kulturgutes. Auch diese Sprechblase über die chruschtschowsche Schenkung hatten wir schon gehört aus Richtung des Moskauer Kremls. Ebenso bedient Ruge sich ohne weiteres des von Putin mit durchsichtigem Zweck angestrengten Begriffs der „Wiedervereinigung“. Auffälligerweise fällt Ruge bei der Krim-Annexion, im Gegensatz hinsichtlich seiner Bemerkung zur EU-Erweiterung, das Wort „Expansion“ oder gar „Aggression“ nicht ein. Hier sieht er keinerlei Zusammenhänge, die doch einem um Geschichtsverständnis Bemühten nach Transnistrien, Südossetien, Abchasien, der „Volksrepublik“ Donezk und der „Volksrepublik“ Luhansk in den Sinn kommen sollten wie eins und eins ist zwei. Immerhin fiel Putin bei „Wiedervereinigung“ gleich noch „Neurußland“ ein, und wenn Ruge und Platzeck den Kreml-Chef berieten nach ihrer Logik der chruschtschowschen Schenkung, fordert der sicher auch das 1867 von den USA für 7,2 Millionen Dollar den Russen abgekaufte Alaska zurück.

Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, qualifizierte am 19. November im Deutschlandfunk den Krim-Vorschlag Platzecks mit: „Das ist der schlechteste Rat, den ich seit Wochen gehört habe.“

Das ist die schärfste Kritik, die ich von diesem hochgeschätzten Unterhändler in der Sache und zurückhaltenden Diplomaten je vernahm.“

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Mittwoch, 20. März 2024, Deutschlandfunk:

Christoph Heinemann: Frage: Was haben Björn Höcke, Sahra Wagenknecht und Gerhard Schröder gemeinsam? – Antwort: Sie haben Rolf Mützenich gelobt, genauer seine Anregung über ein Einfrieren des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges nachzudenken mit seinen mutmaßlich zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. … Höcke und Wagenknecht steuern seit Kriegsbeginn einen lupenreinen Putin-Kurs und vielen in der SPD ist Gas-Gerd, wie die Boulevard-Presse den ehemaligen Kanzler nennt, einfach nur noch peinlich.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist auch Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl und jetzt am Telefon. Guten Morgen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Guten Morgen, Herr Heinemann.

Strack-Zimmermann: … Der Wutausbruch des Herrn Mützenich – ich gehe mal davon aus, ich lebe ja auch schon 66 Jahre auf dieser Erde, dass er abgelenkt hat von dem Thema, was uns eigentlich und wirklich beschäftigen sollte, nämlich dass Herr Mützenich tatsächlich vorgeschlagen hat, den Krieg in der Ukraine einzufrieren.

Heinemann: Was ging Ihnen durch den Kopf, als er das vorgeschlagen hat?

Strack-Zimmermann: … Das ist wirklich skandalös, weil Herr Mützenich sich abkehrt von der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Er rammt sozusagen die Ukraine von westlicher Seite ein, dahingehend, dass er einen Krieg einfrieren will, der ausgelöst wurde vom Verbrecher Putin – die Ukraine wehrt sich seit zwei Jahren; da wird vergewaltigt, gestorben, verschleppt, gefoltert – und bekommt nun von Herrn Mützenich gesagt, wir frieren das jetzt mal ein und dann schauen wir weiter.

Ich darf höflich daran erinnern, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Russland kann heute – und damit ist die Zielfigur nicht die Ukraine, sondern Wladimir Putin – diesen Krieg beenden, sofort, wenn er seine Truppen zurückzieht. Die Ukraine wehrt sich und wenn sie das nicht macht – das ist übrigens völkerrechtlich ihr Recht -, wird nicht nur die Ostukraine, die so groß ist wie Portugal, sondern die ganze Ukraine von der Landkarte verschwunden sein. Die Ukrainer kämpfen um Freiheit, etwas was wir vielleicht gar nicht mehr registrieren, weil wir in einer Selbstverständlichkeit in Freiheit leben. Sie kämpfen um Freiheit. Und Unterdrückung, Herr Heinemann, ist kein Frieden. Die Lage ist: Wenn man sie einfrieren will, ändert sich nichts, denn wenn Sie heute Mist einfrieren, bleibt es auch in 20 Jahren Mist, um mal im Bild zu bleiben.

Das heißt, Herr Mützenich greift, Sie sagten es gerade, nach Konflikt- und Friedensforschung. Ich übersetze Ihnen das in sozialdemokratische Appeasement-Politik, die uns nie weitergebracht hat.

Noch mal: Die Ukraine übrigens wird entscheiden, nicht wir, nicht Rolf Mützenich, nicht die Appeasement-Politik der Sozialdemokratie. Nur die Ukraine wird entscheiden, ob sie gewillt ist, sich gegen diesen mörderischen Angriff zu wehren. … Da ist, in der Tat, die Diskussion um ein Waffensystem Taurus wirklich nur noch eine Petitesse, gemessen an dem. Jetzt geht es ums Grundsätzliche, und Sie sagten es gerade: Dass Herr Höcke, Frau Wagenknecht und der ehemalige Bundeskanzler das goutieren und klatschen, sagt alles.

Heinemann: Sehen Sie keinen Unterschied zwischen Herrn Höcke, Frau Wagenknecht und Herrn Schröder und Herrn Mützenich?

Strack-Zimmermann: Nein! – Entschuldigung! – Es geht doch darum, noch mal, ich wiederhole mich ungern: Russland hat die Ukraine überfallen. Das begrüßen offensichtlich Frau Wagenknecht und Herr Höcke. Frau Wagenknecht hat übrigens live und in Farbe in Talkshows auch vor dem Angriff immer wieder betont, Russland würde das nicht machen, warum soll es das auch machen. Das Ende kennen wir.

Der ehemalige Bundeskanzler, welche Nähe er hat zu Gazprom und Putin brauchen wir hier auch nicht weiter zu vertiefen.

Wenn Herr Mützenich von Einfrieren spricht und von diesen Persönlichkeiten, wenn das beklatscht wird, geht er in die Richtung, nämlich den Russen die Arbeit abzunehmen. Wenn wir im Westen diesen Konflikt einfrieren, was wir übrigens gar nicht können, sondern die Ukraine, dann ist das die Arbeit des Wladimir Putin, und wir werden als Freie Demokraten dagegen deutlich Stellung beziehen.

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Mittwoch, 20. März 2024, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Ohne die Unterstützung des gelernten Friedenswissenschaftlers an der Spitze der SPD-Fraktion wären Scholz’ Tage als Kanzler gezählt. Und Mützenich will, die Meinungsumfragen im Blick, lieber über Verhandlungen mit Putin reden als darüber, ‚wo die Schrauben beim Taurus sitzen‘.