A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Monatsarchive: September 2014

Serapion an Mephisto

Adolf Hitler hatte sich als Nummer sieben in die Mitgliederliste der künftigen NSDAP eintragen lassen, allerdings war da wohl nicht mehr viel zu verfälschen an der Gesinnung der übrigen sechs und zu entern in dem braunen Häufchen, das dann zu einem derartigen Haufen schwoll. Die Drängelei hineinzutreten wurde derart mächtig, daß man zeitweise Aufnahmestops zu verhängen, befleißigt fühlen zu müssen sich veranlaßt sah. Allerdings erst nach der „Machtergreifung“… Aber nicht nur die Diederich Heßlinge gierten, sich durch möglichst niedrige Nummern in ihren Mitgliederausweisen als „Alte Kämpfer“ zu brüsten auf den Stufen ihrer Leiter zum vermeintlichen Hinauf, sondern auch namhafte Karrieristen versuchten ein goldenes Parteiabzeichen zu ergattern. Herbert von Karajan, Arrangeur der Hymne unserer Europäischen Union und mein Lieblingsdirigent bis heute, trat im April 1933 ein, als Österreicher, und dirigierte bei „Führergeburtstagsfeiern“, KdF-Opernabenden und beispielsweise anläßlich eines Kreisparteitages der NSDAP Werke wie „Die Feier der neuen Front“ und „Flamme empor“ nach Texten von Baldur von Schirach. An Hitlers fünfzigstem Geburtstag verlieh jener seinem Landsmann den Titel „Staatskapellmeister“. Helmut Schmidt, einer meiner beiden Lieblingsbundeskanzler, meinte später zur Parteimitgliedschaft seines Lieblingsdirigenten, Kunst gehe eben nach Brot, und Karajan habe nun mal unbedingt die Berliner Philharmoniker leiten wollen.

Was nun die AfD und die Medien anbelangt, so sehe ich das ähnlich wie Du. Ich habe das Gefühl, man lauere regelrecht auf den grandiosen Skandal, damit man endlich endgültig draufhauen kann: „Siehste woll, wir haben’s schon immer gesagt!“ Und: „Was liefern wir in Deutschland doch für eine aufmerksame Berichterstattung!“

Und man hat die lästigen Sachdiskussionen endgültig vom Tisch.

Da fällt mir gerade ein anderer Karrierist in den Sinn, einer, der sich allerdings erst später in seinem Berufsleben hat kaufen lassen und eher weniger aus künstlerischer Absicht als aus Gründen seiner widerlichen Egomanie im Verbunde mit einer gewissen, nicht zu vernachlässigenden Primitivität durch Geldgier. Über den gab es übrigens einmal einen bis heute ungeklärten Satz in unseren aufmerksamen Tagesnachrichten, man kam nicht umhin, und ich hatte mir seinerzeit ein paar Fragen notiert zu dem nie geklärten Satz:

Warum nur, warum? Warum solches Spektakulum? Verhieß es ihm ein Gaudium? Stand er im Delirium? Plagt ihn sein Klimakterium? Plante er das Szenarium? Ist er vielleicht ein Unikum? War’s ihm ein Exerzitium? Suchte er ein Publikum? Schert er sich den Teufel drum? Was war sein Kriterium? Ist er gar dumm? Kurzum: „Warum der zweiundfünfzigjährige Arbeitslose auf den Kanzler einschlug, weiß man nicht…“

Ich hoffe, Du hast verstanden, daß nicht der Arbeitslose der Käufliche war. Der Koofmich war der andere, der russische Lobbyist. Dem es das Wichtigste war, sich zum Amtsantritt als erstes mit dicker Zigarre im teuren Anzug ablichten zu lassen, der nach seiner Abwahl seiner Nachfolgerin im Amt jegliche Befähigung zur Amtsführung absprach, darauf schnurstracks nach Petersburg eilte, um sich, aufgrund seiner eigenen Befähigung, von seinem gepriesenen Freund Putin zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Nord Stream, welches Unternehmen sich im Mehrheitsbesitz des halbstaatlichen Gazprom befindet, befördern zu lassen. Also vom verdeckten russischen Lobbyisten als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und Putin-Verklärer zum offenen russischen Lobbyisten als Gasverkäufer und Putin-Verklärer.

Noch Fragen?

Nein, natürlich nicht! Das ist gewiß nicht mein anderer Lieblingskanzler.

Mephisto an Serapion

Ich weiß nicht, inwiefern Du sie mitbekamst in Deiner mönchischen Abgeschiedenheit unter dem kynischen Diktum, Zivilisation mache krank, die neuesten tendenziösen Ausblendungen unserer tag- und abendfüllenden öffentlich-rechtlichen Medien. Von den etlichen Auffälligkeiten ist jede für sich beängstigend. So ist man, um nur ein Beispiel zu nennen, tatsächlich überrascht über die immensen Wahlerfolge der ausnahmslos verunglimpften und verteufelten AfD, obgleich sie unschwer vorhersagbar waren. Neulich vernahm ich sogar, diese Partei werde rasch wieder verschwinden, denn die Eurokrise sei ja nun überwunden… Jetzt ist man fassungslos auf allen Ebenen. Die niedrigen Wahlbeteiligungen seien schuld. Beruhigend zu wissen, daß wenigstens die Nichtwähler richtig gewählt hätten…

Man weiß natürlich nicht, wer letztendlich diese Partei entert, oder ob sie sich mit ihren seriösen, bis heute von den öffentlich-rechtlichen Medien und von den Parteien mehr oder minder totgeschwiegenen Sachthemen behauptet. (Nicht zu reden von einer objektiven inhaltlichen Darstellung oder gar Erörterung jener Themen in den Medien. Immerhin war es schon ein monatelanger Weg, ehe man sich, nach der Europawahl schließlich, durchringen konnte, statt unisono von einer „europafeindlichen“ Partei von einer „eurokritischen“ Partei zu reden, und manche Anstalten und Berichterstatter haben das bis heute nicht begriffen. Oder, und der Verdacht liegt näher, wollen es nicht wahrhaben. Obwohl die AfD, entgegen einhelliger verleumderischer Prognosen unserer Medien, im Europaparlament, wie auch von ihr angekündigt, eben nicht mit Marine Le Pen und Konsorten „fraktionierte“.) Die Gefahr einer Verfälschung oder gar Verkehrung ursprünglicher Intentionen besteht ja bei jeder Parteigründung, erinnere Dich nur an die seinerzeitige unsägliche Glorifizierung der Pädophilie durch die Grünen. So manche Unberufene fühlen sich regelmäßig berufen und magnetisch angezogen, auf einen anfahrenden Zug zu springen und ihre Fahnen zu schwenken. Da muß man leider abwarten, wer sich durchsetzt. Was ich indessen weiß, ist, daß die AfD in Sachsen und Brandenburg als anfänglich einzige demokratische Partei von den tatsächlichen Problemen wie beispielsweise  der gestiegenen Grenzkriminalität sprach, von Einbrüchen und geklauten Traktoren und so, bei gleichzeitigem Abbau von Polizeidienststellen, und der Deutschlandfunk, soweit ich das vernahm, nur einmalig von, tatsächlich, von „gefühlter Bedrohung durch Kriminalität“. Und überhaupt nicht von eingesparten Polizeidienststellen. Und ich lese täglich den vollständigen Nachrichtenticker. Aber na bitte, da ist es ja auch wieder beruhigend zu wissen, daß wohl Zahlen im Kölner Keller existieren und Fakten gebunkert werden, die belegen könnten, falls man sie zu senden sich herabließe, daß es sich lediglich um paranoide Gefühlslagen wahrscheinlich rechtsradikal veranlagter Idioten handelt. Diese ewig Gestrigen aber auch! Die immer nach mehr Polizei rufen!

Oder verschweigt man Zahlen, wenn sie zwar mathematisch korrekt sind, aber „politisch inkorrekt“ nicht ins Wunschbild passen? Dann muß man natürlich Parteien wie die AfD fürchten. Kurz, es entsteht der Verdacht, als fürchte man die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Diese Angst wäre bei Parteien aus einer gewissen ideologischen Beschränktheit vielleicht erklärbar, bei sich als überparteilich und unabhängig und kritisch gebärdenden Medien ist Angst vor Realitäten unverzeihlich.

Anderes Beispiel. Da begann man vor einiger Zeit zu reden von imaginären, pardon, „vermeintlichen Problemen“ der Kommunen durch Zuwanderer aus EU-Staaten und „möglichem Sozialmissbrauch“. Nicht etwa von Problemen und Sozialmißbrauch, sondern in den öffentlich-rechtlichen Medien normiert von vermeintlich und möglich. Vermeintlichkeiten haben Konjunktur in deutschen Medien, und Kommentatoren wandten sich demzufolge ausnahmslos tapfer und mutig, das muß man anerkennen, gegen unsachliche Argumente. Statt gegen sachliche gegen Stammtischgerede! Hier plötzlich nicht gegen „vermeintliches“ Stammtischgerede. Ich weiß ja nun nicht, an wievielen Stammtischen sich jene Kommentatoren so herumlümmeln den lieben langen Tag, und was sie bei derlei Gerede erwidern mit ihrer gern angemahnten Zivilcourage. Gibt es eigentlich einen Preis für die korrekteste politische Korrektheit? Das wird aber Zeit. Jedenfalls, Du entsinnst Dich, integrierte Roma wurden vorgeführt. Ende August war es dann Schluß mit der möglichen Vermeintlichkeit und vermeintlichen Möglichkeit, und man beschloß aus heiterstem Himmel ein Gesetzespaket gegen den „Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus anderen EU-Staaten“ und stellte noch für dieses Jahr „Soforthilfen“ für ehemals vermeintlich „betroffene Städte und Gemeinden“ in beträchtlicher Millionenhöhe aus dem auf Nullschulden sparenden Haushalt bereit… Wahrscheinlich aus Bosheit und Ausländerhaß.

Noch ein Gedicht: Letzte Woche passierte ein neues Asylgesetz den Bundesrat. Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien gelten als sogenannte sichere Herkunftsländer. Staaten, die man durch EU-Aufnahme bei der Behandlung von Minderheiten zu bessern hofft. Die vorhersehbaren Besserungsergebnisse der unverwüstlichen EU-Aufnahmebefürworter bewundern wir schon seit längerem in Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Wahr ist aber, daß Zuwanderer aus obigen Staaten, deren Asylanträge nach bisherigem Verfahren und im vollen Einklang mit der Genfer Konvention behandelt wurden (und weiterhin werden), nur mit einer Zahl im Promillebereich bewilligt werden konnten. Und eine der Ungeheuerlichkeiten ist, daß die Medien diese Zahl so gut wie nie transportierten. Daß nämlich im Umkehrschluß 99,7 Prozent dieser Anträge nach geltendem Recht abgewiesen werden mußten.

Warum das Verschweigen jener vielleicht nicht ganz unwesentlichen Zahl? Warum wird ihre Nennung von deutschen Medien als Wagnis betrachtet? Hält man das blöde Volk nicht für reif genug? Hat man Angst vor etwaigen Differenzen zwischen Medienberichterstattung mit Sinn für alles Gute und Schöne versus Erfahrungen der Menschen?

Will man die Demokratie ein bißchen lenken?

Nach den neuen Bestimmungen, die keine automatische, sondern eine schnellere Zurückschickung der von dort kommenden abgewiesenen Antragssteller erleichtert, wird im Gegenzug aber die sogenannte Residenzpflicht für alle Asylbewerber nach vier Monaten aufgehoben, die Vorrangprüfung auf 15 Monate begrenzt (das heißt, die Arbeitsaufnahme, und damit die Integrationsmöglichkeit von Asylbewerbern, wird wesentlich befördert) und das Sachleistungsprinzip wird zu ihren Gunsten auf die Erstaufnahmeeinrichtung beschränkt. Das alles haben die Grünen in den Verhandlungen für ihre Zustimmung in der Länderkammer erreicht. Und nun wird Winfried Kretschmann von ihnen beschimpft für seine Zustimmung. Die für ihre seltene Nachdenklichkeit bekannte und sich wie immer omnikompetent zu Wort meldende Claudia Roth, die nach der bemerkenswerten Abwahl durch die Basis ihrer Partei zum Trost von dieser auf den Bundestag als stellvertretende Vizepräsidentin losgelassen wurde, lamentiert, getreu der unsterblichen Legende vom Dolchstoß, von „einer Katastrophe für die Flüchtlinge und einer Katastrophe für die Grünen“.

Danke Winfried Kretschmann!

 

Serapion an Mephisto

 

Glückliche Zeiten

 

Welch Glück, es gibt keine Traurigkeit mehr!

Im betonierten Kreuz und Quer,

Da findest du nirgendwo Traurigkeit mehr,

Ist jede Traurigkeit verschwunden!

Nur selten noch wird Wut empfunden,

Doch kaum gerät ein Fall akuter.

Die andern sind häppi und spielen Kompjuter!