A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Monatsarchive: März 2021

In memoriam Uta Ranke-Heinemann

.

26. März 2021: Serapion an Mephisto

.

.

Verkündigung

.

Und der Engel kam zu mir herein, und er sprach: „Der

Herr ist mit dir! Gegrüßt seist du Begnadete!“ Ich war

Über die Rede erschrocken! Welch ein Gruß ist das? Der Engel

Sprach zu mir: „Fürchte dich nicht, Maria, denn Gnade bei Gott hast

Du gefunden. Siehe, schwanger sollst du nun werden,

Einen Sohn sollst du gebären, groß wird der sein und

Sohn des Höchsten genannt wird er werden, sein Reich wird kein Ende

Haben.“ Ich sprach zu dem Engel: Wie soll das zugehn, da ich von

Keinem Manne weiß? Mir antwortend sprach da der Engel:

„Über dich wird kommen der heilige Geist, und die Kraft des

Höchsten wird dich überschatten, denn unmöglich war bei

Gott noch keinerlei Ding.“ Ich bin die Magd meines Herrn, so

Antwortete ich, es geschehe, wie du gesagt hast!

.

Und der Engel schied von mir. Ich sprach: Meine Seele erhebt den

Herrn, mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er

Hat die Niedrigkeit seiner Magd gesehen. Und sieh, von

Nun an werden mich selig preisen all meine Kinder

Samt den Kindeskindern. Denn an mir hat er große

Dinge getan, der da waltet und dessen Name ist heilig.

Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei all denen,

Die ihn fürchten. Mit seinem Arm, da übt er Gewalt, die

Hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn, die zerstreut er.

Die Gewaltigen stößt er vom Thron hinab und erhebt die

Niedrigen. Hungrige füllt er mit Gütern, die Reichen jedoch, die

Läßt er leer ausgehn. Er gedenkt der Barmherzigkeit, und er

Hilft seinem Diener. Und selig bist du, wenn du geglaubt hast,

Josef, denn alles, was dir gesagt ist von unserem Herrn, mein

Lieber, lieber Josef, all das wird auch vollendet!

.

.

Also Papst Benedikt hat ja jetzt sein neuestes Buch geschrieben, „Über die Kindheit Jesu“. Er schreibt in diesem Buch, Maria habe ihren Sohn durch ihr Ohr empfangen, durch ihre Worte zu dem Engel: „Mir geschehe nach deinem Worte.“ Durch ihren Gehorsam sei Maria Mutter geworden. Ich sage, die Gynäkologen können jetzt ihre Praxis schließen, und werden durch Hals-Nasen-Ohrenärzte ersetzt. Der Ohrsex als Durchbruch in der Sexualforschung, in der neuen Vatikanstudie des Buches von Joseph Ratzinger „Jesus von Nazareth“, Auflage eine Million.

.

Also die ganzen Missbrauchsfälle können gar nicht, dürfen gar nicht aufgedeckt werden … Denn Ratzinger hat – damals noch Kardinal, 2001 – ein lateinisches Schreiben, was da bei allen Bischöfen im Tresor liegt, „De delictis gravioribus“, „Über schwererwiegende Verbrechen“, geschrieben. Und da ist ausdrücklich gesagt, unter Strafe der Exkommunikation sind die Bischöfe verpflichtet, alle Fälle ausschließlich an den Vatikan zu melden. … es ist nicht möglich, da irgendwie ein Licht rein zu bringen, solange der Papst sein Schreiben „De delictis gravioribus“ nicht zurücknimmt, aber das habe ich noch nicht gehört.

Uta Ranke-Heinemann (2013)

.

Das ist die Frage aller Fragen und die Antwort aller Antworten

 

20. März 2021: Bellarmin an Mephisto

 

Stell Dir vor, was diese Woche geschehen ist:

Da wurde in Washington ein Bericht der amerikanischen Geheimdienste veröffentlicht, demzufolge auch bei den letzten Wahlen von russischer Seite versucht worden sei, den Wahlkampf zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen mittels des Streuens von Unwahrheiten und Irreführungen sowie erneuten Angriffen auf „wichtige Sektoren der Wahl-Infrastruktur“.

Davon nicht das geringste Sterbenswörtchen in der sich als das seriöseste Nachricht-Medium Deutschlands verstehenden 20-Uhr-Tagesschau!

Einen Tag später, da sagt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ins Angesicht unseres Planeten, daß er den ruhmredigen Präsidenten des größten ruhmredigen Staates der Erde für einen Mörder hält – und die gebührenfinanzierte 20-Uhr-Tagesschau bringt davon kein Wort!

Infolge jenes in der Weltgeschichte einmaligen Vorgangs ruft der Auftraggeber seinen Botschafter aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurück ins ruhmredige Rußland – und die laut bundesdeutschem Pressekodex zur wahrheitsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit verpflichtete 20-Uhr-Tagesschau meldet darüber nicht ein einziges Wort!

In den Folgetagen in Deutschland außer eines wie immer erfreulich klartextlichen Kommentars von Marcus Pindur und eines Interviews der wie immer erfreulich kompetenten, klugen und kenntnisreichen Marieluise Beck von den Grünen, beide im Deutschlandfunk, keinerlei Behandlung oder gar eine den Tatsachen entsprechend angemessene Gewichtung, weder von politischer Seite noch in den öffentlich-rechtlichen Medien, dieser im wahrsten Sinne ungeheuerlichen Phänomene nach dem Zweiten Weltkrieg!

Auf die freilich unmöglich von einem bundesdeutschen Journalisten gestellte Frage, ob er Putin für einen Mörder halte, antwortet der US-amerikanische Präsident also offenherzig, daß er das tue. Hätte er hingegen auf die freilich nie einem deutschen Journalisten in seinen politisch korrigierten Sinn gekommene Frage des journalistischen Vertreters einer freien Presse mit einem Nein geantwortet, hätte sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika doch aber entweder als fahrlässig dumm oder als fahrlässig verlogen offenbart (geautet im ordinären Dummdeutsch deutscher Journalisten).

Gottseibeiuns!

Was sollte man denn nun machen in der Redaktionsstube der ARD? Na klar: Dasselbe wie der Leiter des Deutsch-Russischen Forums Matthias Platzeck (SPD) im Einklang mit den Genossen der Linkspartei: Schweigen. Denn der Biden in den USA, der hat ja keine Beweise vorgelegt, daß Wladimir Wladimirowitsch etwas gewußt habe über das Ableben Litwinenkos oder der Politkowskaja oder Nemzows oder die plötzlichen Erkrankungen der Skripals oder Nawalnys, dessen Namen der Wladimir, als kennte er (als Staatschef!) ihn nicht im Gegensatz zum Rest der Welt, dessen Namen bis vor kurzem er überhaupt nur einmal in seinen Mund zu nehmen sich hütete aus irgend einem Grund. Und aus der Linkspartei und von Matthias Platzeck hieß es ja auch prompt, also wenn da Geheimdienste im Spiel wären bei Nawalnys seinerzeitigem Zusammenbruch im Flugzeug, dann könnte man gar nichts mehr dazu sagen.

Denn dann wäre ja alles möglich.

Was nahe legen soll: Dann wäre es wohl die CIA, die ihre Hände im Spiel hatte.

Mit dem Ziel der Verbreitung antisowjetischer Propaganda.

Und was will man denn? Der Verbrecher Nawalny befindet sich inzwischen rechtmäßig russisch verurteilt im russischen Gewahrsam des russischen Straflagers IK-2 in Pokrow, Franz-Stollwerck-Straße Nr. 6. Weil er hat ja seine Meldepflicht verletzt! Und da wird er, damit ihm solches nicht wieder passiert, selbst jede Nacht von einem neben ihm sitzenden Wärter überwacht und jede Stunde geweckt und fotografiert und der Anwesenheitsnachweis meldepflichtig nach draußen gemeldet. Also sicherer geht es kaum, da soll er sich noch mal beschweren!

 

Donnerstag, 18. März 2021, Deutschlandfunk:

Beck: Wir haben es ja in Deutschland selber erlebt. Mein Büro übrigens war im Februar 2014 das erste, das gehackt worden ist – wie wir jetzt wissen von genau derselben Gruppe des russischen Auslandsgeheimdienstes, die auch die Clinton-Kampagne gehackt hatten. Das ist vollkommen klar belegt.


Heckmann: Frau Beck, bisher ist ja unklar, ob diese Hacker-Angriffe und Desinformationskampagnen von irgendwelchen russischen Hackern kommen, die irgendwo sitzen, oder von Aktivisten, oder ob der Auftrag aus dem Kreml kommt. Den US-Diensten stellt sich diese Frage offenbar nicht mehr. Sie sagen, entweder hat der Kreml diese Aktivitäten selbst durchgeführt, oder andere damit beauftragt. Wie sicher sind Sie, dass die russische Regierung hinter diesen Aktivitäten steckt?

Beck: Ich kann das für Deutschland ganz klar sagen. Es handelt sich um zwei Gruppen des russischen Auslandsgeheimdienstes. Die heißen APT28 und APT29, Cozy Baer und Fancy Baer. Diese Hacker-Angriffe sowohl in den USA als auch bei mir im Büro, sind ganz eindeutig diesen beiden Gruppen zugeordnet worden. Das ist auch vom deutschen Geheimdienst und vom Innenministerium und vom Bundesamt für die Sicherheit von Informationstechnik in keinster Weise bestritten worden, sondern im Gegenteil. Das ist die Auskunft dieser Stellen.

Heckmann: Und das heißt?

Beck: Das heißt, es gibt massive Versuche, tatsächlich auch in einen Nerv von modernen Gesellschaften einzudringen. Aber wie gesagt, ich halte für eigentlich noch gefährlicher die systematische Politik der Beeinflussung mit Botschaften, mit Propaganda, durch Verwirrung, so dass zum Schluss Bürgerinnen und Bürger sagen, nichts Genaues weiß man nicht, und diese Netzwerke, die aufgebaut werden.


Heckmann: Wie könnte man sich dagegen schützen als Land oder auch der einzelne? Was ist da Ihr Rat?

Beck: Ich glaube, dass wir sehr viel genauer hinschauen sollten zu Finanzströmen, auch wenn es selber weh tut. Ich glaube, dass wir einfach eine wirklich aufmerksame Medienlandschaft brauchen. Wir brauchen auch eine Politik mit geradem Rücken. Wer, wie jetzt in Mecklenburg-Vorpommern, Gazprom die Möglichkeit gibt, eine Fake Umweltstiftung zu gründen, die nichts anderes ist als ein Gazprom-Geschäftsinteresse, der handelt nicht im Sinne von Demokratie und Aufklärung, die wir in der Demokratie brauchen – Wahrheit und Aufklärung.

 

 

Das Unbehagen, das viele in Deutschland bei solch klaren Worten verspüren, ist fehl am Platz. Denn dem liegt die falsche Vorstellung zu Grunde, man könne den Kreml-Herrscher durch freundlichen Ton zur Kooperation bewegen. Alle Erfahrungen der letzten zehn Jahre sprechen dagegen. Die Bundesregierung könnte dazu beitragen, Putin die Grenzen aufzuzeigen, indem sie die unselige Nord-Stream-2-Pipeline endlich ad acta legt. Putin ist, wer er ist. Biden hat dies lediglich offen ausgesprochen.

Marcus Pindur, Donnerstag, 18. März 2021, Deutschlandfunk

 

Endlich!

Alternative für nützliche Idioten

 

13. März 2021: Bellarmin an Mephisto

 

Am Donnerstag, dem 28. Januar 2021, meldete der Deutschlandfunk:

Russland hat Lieferprobleme beim Corona-Impfstoff Sputnik-V eingeräumt.“

Am Freitag, dem 29. Januar 2021, meldete der Deutschlandfunk:

Im Streit um die Lieferschwierigkeiten des Herstellers AstraZeneca hat Russland angeboten, der EU mit seinem Corona-Impfstoff Sputnik V auszuhelfen.

Am Sonntag, dem 7. März 2021, stand in der kroatischen Zeitung JUTARNJI LIST zu lesen:

Immer mehr Länder versuchen nun, mit Russland zusammenzuarbeiten und dabei eine größere Menge des russischen Sputnik-V-Impfstoffes zu beschaffen. Doch auch dies wird nicht die Lösung der Probleme sein. Russland kann nämlich nicht einmal genug Vakzin produzieren, um den eigenen Bedarf zu decken.

Am Dienstag, dem 9. März 2021, meldete der Deutschlandfunk mündlich in den Nachrichten:

Deutschland steht einer Untersuchung der Europäischen Union zufolge wie kein anderes EU-Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen.

Es gebe systematische Vorgänge sowohl durch politische Ebenen als auch durch Medien, die dem Kreml nahe stehen, heißt es in einem Bericht, den der Auswärtige Dienst in Brüssel veröffentlichte. Bei diesen Desinformations-Kampagnen werde ein Bild von Deutschland gezeichnet, wonach hierzulande eine irrationale Russophobie verbreitet werde. Seit Ende 2015 seien mehr als 700 Fälle in einer Datenbank gesammelt worden. Frankreich wurde demnach nur gut 300 Mal, Italien 170 Mal und Spanien 40 Mal attackiert.

Daraus wurde dann typischerweise anstelle der mündlichen in den verschriftlichten Nachrichten des nämlichen Tages als verbleibende Meldung zurechtgestutzt:

EU-Bericht: Russland weist Vorwürfe gezielter Desinformation zurück

Russland hat Vorwürfe wegen gezielter Desinformationskampagnen gegen Deutschland als „lächerlich“ zurückgewiesen.

Der Westen solle lieber eigene politische Kampagnen gegen Russland untersuchen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau der Deutschen Presse-Agentur. Sie reagierte damit auf eine Untersuchung der Europäischen Union. Danach steht Deutschland wie kein anderes EU-Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen. Es gebe systematische Vorgänge sowohl durch politische Ebenen als auch durch Medien, die dem Kreml nahe stünden, heißt es in einem Bericht, den der Auswärtige Dienst in Brüssel veröffentlichte. Danach werde ein Bild gezeichnet, wonach in Deutschland eine irrationale Russophobie verbreitet werde.

Typischerweise herrschte über den Bericht des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union in den folgenden Tagen ein wie gleichgeschaltetes einhelliges Stillschweigen der bundesdeutschen Journalisten, der bundesdeutschen Politiker und der bundesdeutschen Politologen. Ist nicht weiter wichtig. Auch die doch eigentlich hochinteressante Frage, warum ausgerechnet Deutschland „wie kein anderes Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen“ steht, scheint keinem Medienvertreter eingefallen zu sein. Und mit welchen Absichten, und wer wohl der Auftraggeber gewesen sein könnte für dieses völlig neue Phänomen russischer Politik.

Soweit reicht die Phantasie nicht mehr.

Dafür noch am selben Tag auf demselben Sender:

Drei Monate nach dem umstrittenen Russland-Besuch führender AfD-Politiker häst [sic!] sich erneut eine Delegation der Partei zu Gesprächen in Moskau auf.

An der Reise nehmen Fraktionschefin Weidel sowie die Abgeordneten Bystron und Schlund teil, wie die Fraktion mitteilte. Es gehe darum, den Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Russland nicht abreißen zu lassen, erklärte Weidel. Auf dem Programm stehen unter anderem Gespräche im Außenministerium sowie mit Vertretern des Parlaments. Zudem ist ein Besuch des Forschungszentrums Gamaleja vorgesehen, in dem der Corona-Impfstoff Sputnik V entwickelt wurde.

Der Moskau-Besuch von AfD-Abgeordneten Anfang Dezember hatte in Deutschland für Kritik gesorgt. Parteichef Chrupalla hatte bei einem Treffen mit Außenminister Lawrow die politischen Verhältnisse in Deutschland moniert und die Sanktionen gegen Russland verurteilt.

Das deutsch-russische Verhältnis ist derzeit vor allem wegen des Vorgehens gegen den Oppositionspolitiker Nawalny belastet.

Ach ist das schön, daß die Alice Weidel von der Partei mit den dubiosen Parteispenden aus dem Ausland kompetenterweise den Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Rußland nicht abreißen läßt, das bringt uns weiter. Das ist gelebte deutsch-sowjetische Freundschaft und, Ernst Jandl hat es schon immer gewußt, es ist ein Illtum zu glauben, lechts und rinks könne man nicht velwechsern: Die Erklärung mit dem Gesprächsfaden, die könnte wortgleich auch von Dietmar Bartsch aus der umbenannten Partei mit dem in irgendein Ausland entschwundenen Parteivermögen stammen und identisch ebenso von Matthias Platzeck aus der Partei des vom Ausland dotierten Gerhard Schröder.

Ob lechts, ob rinks, all die Unberufenen fühlen sich berufen aus irgend einem Grund, für den Gesprächsfaden kämpfen zu müssen.

Und das freut den Auftraggeber.

 

Die Zerstörung des öffentlichen Diskursklimas

 

6. März 2021: Bellarmin an Mephisto

 

Eine der drei elementaren Regeln kommunikativer Dialektik läßt sich etwa so formulieren: Ich mache meinem Gegner, mit dem ich jedoch irgendwie ins Gespräch kommen möchte oder muß, und infolgedessen er wohl oder übel mein Kommunikationspartner wird, nur derartige Gesprächsangebote, die jener auch akzeptieren kann. Meinem strategischen, also meinem übergeordneten Interesse an jenem Dialog, sei es zwecks grundlegender Verständigung, sei es zwecks Situations- oder Positionsklärung, sei es überhaupt nur zwecks eines „ins erste Gespräch kommen“, ordne ich alle meine Vorurteile unter und erst recht alle Unsachlichkeiten. Was bedeutet, ich scheide genau das aus, was dem Selbstverständnis meines Gegenübers widerspräche und ihm somit den Eintritt in einen sachlichen Dialog verwehren könnte.

Früher gab es das. Da konnten sich Bahr mit Barzel, Brandt mit Breshnew unterhalten.

Es war einmal…

Es war also Anfang Mai 2016 seitens des Zentralrates der Muslime, nämlich höchstpersönlich von ihrem Vorsitzenden Mazyek, die AfD in die Nähe der NSDAP gerückt worden. Dann hat selbiger die AfD-Spitzenvertreter unter propagandistischem Tamtam für ein Gespräch zu sich gebeten. Die Einladung trug allerdings bereits den Ruch einer Einbestellung. Am sonntäglichen Vorabend des geplanten Diskurses bekräftigte Mazyek seine Vorwürfe. Am Montag meldeten dann die Gazetten im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Medien triumphierend, die Zusammenkunft sei „von der rechtspopulistischen AfD“ nach kurzer Zeit abgebrochen worden mit der Begründung, Vertreter des Zentralrates hätten die Partei in die Nähe des Dritten Reiches gerückt.

Dieser Begründung des Gesprächsabbruchs wurde vom Zentralrat in keiner Weise widersprochen.

Am letzten Sonntag im Mai 2016 folgte dann die Inszenierung „Gauland hätte geäußert, er wolle Boateng nicht als Nachbarn haben.“

In der Mittagsinformationssendung des Deutschlandfunks vermeldet anfänglich ein aufgeregter Journalist, der Alexander Gauland von der AfD habe Jérôme Boateng beleidigt! Gauland hätte geäußert, er wolle Boateng nicht als Nachbarn haben. Erst am Schluß der Sendung klang das dann etwas anders: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zitiere Gauland unter der Überschrift „Gauland beleidigt Boateng“ mit den beiden Sätzen: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“

Diese beiden aus jedem weiteren Kontext gelösten Sätze wurden nun unentwegt von sämtlichen Medien, ohne erneute wörtliche Zitierung, in einen Strom der Entrüstung gestellt, vielfach in einem Atemzug mit der Wiederholung, Gauland habe Boateng beleidigt! Meist mit der triumphierenden Einleitung: „Boateng ist Deutscher, Nationalspieler, engagiert sich für soziale Projekte. Er ist in Berlin geboren, Vater Ghanaer, Mutter Deutsche.“ (Bild)

Über Twitter, dem Medium der inkompetenten Inkontinenten, meldeten prompt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Linken-Chef Bernd Riexinger fast wortgleich, Gauland sei ein Rassist!

Ohne das geringste anderweitig als sonst so politisch korrekt empfundene und jedem Mörder zugebilligte „Mutmaßlich“.

Und natürlich fügte die unvermeidliche Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckard ihren Senf hinzu, ihr sei Boateng in der Nachbarschaft viel lieber als Gauland. Ebenfalls fast wortgleich mit der Landesvorsitzenden der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner.

Der seinerzeitige Vizekanzler, also ein Regierungsvertreter, Sigmar Gabriel meinte sagen zu müssen: „Gauland ist nicht nur gegen Fremde, sondern auch gegen das Gute an Deutschland“!

Und der damalige Rechtspfleger und Rechtshüter, Justizminister Heiko Maas, den man offensichtlich vergaß bei seinen juristischen Studienabschlüssen zu examinieren über die Unschuldsvermutung, der Heiko Maas also, ein Regierungsvertreter, nannte „Gaulands Äußerung“ „niveaulos und inakzeptabel“.

Der Deutschlandfunk frohlockte: „Im Internet schwillt unter dem Schlagwort ‚Nachbar‘ die Empörung über AfD-Vize Alexander Gauland zum Shitstorm an.“

Unverhohlene Freude eines öffentlich-rechtlichen Mediums über fremdsprachlich verklausulierte Fäkaliensprache gegenüber einem deutschen Oppositionspolitiker!

Und meldete nachrichtlich: „Bundeskanzlerin Merkel hat die Äußerung von AfD-Vizechef Gauland im Zusammenhang mit dem Fußballnationalspieler Jérôme Boateng verurteilt. Der Satz, der gefallen sei, sei niederträchtig und traurig, sagte Merkels Sprecher Seibert in Berlin.“

Die Regierungschefin!

Niederträchtig und traurig“.

Indessen muss ich traurig zugeben, dass meine Kenntnisse aristotelischer Logik und mathematischer Schlußweise nicht ausreichen, aus den beiden Sätzen „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“, wenn sie denn so gefallen sein sollten, eine „Beleidigung“ Boatengs oder einen „Rassisten“ Gauland zu folgern.

Und über das „Richtig“ oder „Falsch“ dieser Thesen eventueller Befindlichkeiten der deutschen Bevölkerung (und eben nicht der Gauland unterstellten!) wäre früher in einer Sonntagsrunde des „Frühschoppen“ bei Werner Höfer in der ARD völlig normal debattiert worden.

Als interessantes und wichtiges Diskussionsthema.

Doch stattdessen erweckten die Reaktionen den Anschein einer konzertierten Inszenierung mit dem Zweck der unbedingten Nachweisführung einer nazistischen Gesinnung.

Und erinnerte wieder an die des Chefkommentators der „Deutschen Demokratischen Republik“, also an Sudel-Edes Inszenierung von Hetzkampagnen gegen eine unterstellte „revanchistische“ Gesinnung der „Beärrdee“.

Um mich nicht noch weiter in die Vergangenheit zurückzudenken.

Um das Wort „faschistoide Stimmungsmache“ noch einmal zurückzuhalten.

Der gesamte Staat totalitär gegen ein Individuum!

Gauland = Rassist!

AfD = rassistische Partei!

Keine einzige journalistische Stimme, die den Rufmord Rufmord nannte! Und noch heute wird kolportiert, Gauland hätte gesagt, er würde Boateng nicht zum Nachbarn haben wollen.

Erbärmlich!

Widerlich!

Beängstigend!

Nur ganz vereinzelt blieb ein allerdings folgenloses Quäntchen Vernunft (Hervorhebungen von Bellarmin):

 

Montag, 30. Mai 2016, Deutschlandfunk:


Müller: Viele Fans finden die „ausländischen Spieler“, die Migrantenspieler, sehr, sehr gut, aber in der politischen, gesellschaftlichen Realität haben sie massive Vorurteile?


Eilenberger: Ja! Das glaube ich, dass es da eine kognitive Dissonanz gibt, auch gerade bei vielen Fußballfans, auch aus dem mutmaßlichen Wählerpool der AfD. Ich denke, wir müssen uns einfach eingestehen, dass es ein hohes Maß an Alltagsrassismus in Deutschland nach wie vor gibt. Darauf hat Herr Gauland auch angespielt. Und ich glaube, wenn es eine Deskription war, dass viele Menschen nicht neben farbigen Mitbürgern leben wollen, dann ist das leider nicht falsch. Das Interessante ist, dass Herr Gauland das nicht bedauert, sondern einfach festhält und daraus politisches Kapital schlagen will, und das ist die Unverantwortlichkeit im Diskurs. Und wenn Sie mich fragen, ob viele Fußballfans vielleicht Herrn Boateng bejubeln und andererseits aber sagen, na ja, so neben ihm wohnen wollte ich nicht, dann ist das eine sehr hässliche Wahrheit. Aber ich glaube, es ist deskriptiv nicht falsch und trifft auf 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung immer noch zu.



Müller: Jetzt müssen wir, Herr Eilenberger, auch nochmal diesen Einwurf zumindest machen, wir haben vor gut einer Stunde auch mit unserem Korrespondenten Stephan Detjen in Berlin darüber gesprochen, dass das ja offenbar gar nicht so klar ist, was Alexander Gauland nun definitiv, also wortwörtlich gesagt hat. Die beiden Reporter, Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ haben es eben so zitiert, und er hat gesagt, er weiß gar nicht, ob er Boateng genannt hat, aber vielleicht doch. Ist für Sie alles Taktik und keine legitime Erklärung, Entschuldigung?


Eilenberger: Soweit ich über diesen Fall informiert bin, hat Herr Gauland das im Bereich eines weiten Gesprächs, das er nicht eigens autorisieren ließ, gesagt. Und ich muss sagen, ich bin mit der Skandalisierung der „FAS“-Kollegen sehr unzufrieden. Ich finde auch wirklich schäbig, dass man dann zu den Nachbarn von Herrn Boateng geht und da eigens eine Umfrage startet. Das ist auch eine Form von Skandalisierung, die ich journalistisch nicht befürworten kann und die sehr viel zur Zerstörung des öffentlichen Diskursklimas beiträgt. Ich muss sagen, der journalistische Umgang der „FAS“-Kollegen mit diesem Faktum, der lässt mich auch sehr unzufrieden zurück.

 

Müller: Es hilft jetzt der AfD?


Eilenberger: Es wird sicher die Stammwählerschaft der AfD nicht verschrecken, sondern bestätigen, und es bringt ein neues Thema in einer sehr hässlichen und sehr sachfernen Form in den öffentlichen Diskurs, das eigentlich wichtig ist und dem wir alle offenen Auges entgegensehen sollten.


Müller: Der Philosoph Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des Philosophie-Magazins.

 

Dienstag, 19. April 2016, STUTTGARTER NACHRICHTEN:

Derzeit geht es allzu oft darum, Sätze von AfD-Größen zu skandalisieren, auch um eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz herbeizureden. Die jüngste Aussage der AfD, der Islam sei unvereinbar mit dem Grundgesetz, ist aber wahrlich nichts Neues. Das sagen selbst Rechtsexperten seit vielen Jahren. Auch das von der AfD angestrebte Verbot von Minaretten oder Burkas ist noch kein Grund, sich an Hitler-Deutschland erinnert zu fühlen, wie dies der Zentralrat der Muslime tat. Es sei denn, man würde Länder wie Frankreich, Belgien oder die Schweiz ebenfalls als Nazi-Diktaturen bezeichnen wollen. Dort gibt es nämlich schon solche Verbote.

 

 

In der Tat muss man kein AfD-Anhänger sein, um das Vorgehen des Verfassungsschutzes fragwürdig zu finden.“
Samstag, 6. März, 2021, SÜDKURIER