Nun haben, schon wieder fast vergessen über der Chronik der laufenden Ereignisse, die Holländer ebenfalls falsch abgestimmt. Wie seinerzeit schon die Zyprioten, als sie gegen die Wiedervereinigung mit dem türkisch besetzten Inselteil stimmten. Obwohl doch die üblichen Verdächtigen der Brüsseler EU-Elite ausdrücklich für die Wiedervereinigung Zyperns gewesen waren! Denn nach Brüsseler Logik, wenn Zypern sich wiedervereinigt hätte, dann hätte man doch so tun können, als wäre das Problem der türkischen Aggression erledigt. Und wenn es da kein Problem mehr gegeben hätte … könnte … würde … Das wäre alles so schön gewesen. Dann wären die leidigen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei lange abgeschlossen, die Türkei wäre gestandenes EU-Mitglied, gehörte gewissermaßen schon zum EU-Adel, Erdogan könnte keine Kurden und Journalisten tyrannisieren, denn das dürfte der dann ja nicht nach unseren gemeinsamen Werten, und die Europäische Union grenzte an Georgien, Armenien, Iran, Irak, Syrien…
Diese dummen Zyprioten haben all diese Herrlichkeiten vermasselt.
Dabei war man sich absolut sicher gewesen. Die Abstimmung war nur noch Formsache, alle verfügbaren Gutmenschen der Union waren ja dafür. Wo doch die Vorteile, also quasi die Vernunft selbst, auf der Hand lagen. Die Vernunft war sozusagen mit den Händen zu greifen: Wer für Frieden und Wohlstand war, mußte für die Vereinigung sein! Wer für den Frieden ist, wählt die Kandidaten der Nationalen Front, hieß das immer bei Wahlen in der Deutschen Demokratischen Republik. Davon hätten die Zyprioten sich doch eine Scheibe abschneiden können.
Jetzt haben also auch die Holländer falsch abgestimmt.
Und gewissermaßen als Wiederholungstäter! 2005 lehnten sie beispielsweise die EU-Verfassung ab. Haben die nichts dazugelernt?
Was? Ich höre gerade, in Brüssel weiß man, woran es lag. Man gibt sich zerknirscht: Die Holländer hätten deshalb nichts lernen können, sind dumm geblieben, weil man habe vergessen, ihnen zu erklären. Man müsse den Holländern besser erklären. Und obwohl eigentlich nur ein Sechshunderttausendstel der Unionsbevölkerung das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ablehnte, müsse man auch den Nichtholländern besser erklären. Gewissermaßen prophylaktisch. Das heiße „Transparenz“. Also Durchsichtigkeit.
Dann fangt mal langsam an.
Was? Man halte sich nicht auf mit derartigen Kleinigkeiten und habe schon längst angefangen und lasse sich von den Unverständigen nicht abhalten und mache unbeirrt weiter und tue so, als wäre das Assoziierungsabkommen längst von allen ratifiziert?
Ach so.
„Feste, Jungs, immer weiter so, ihr bekommt schon alles kaputt!“
Freitag, 8. April 2016, DER STANDARD:
Die Bürger verstehen nicht, was ihre politischen Anführer in den Regierungen für sie bestimmen. Es wird kaum erklärt. Dass Rechtspopulisten ebenso wie radikale Linke diese Stimmung nützen, um die bestehende EU zu Fall zu bringen, ist wenig überraschend. Man kann sich darüber aufregen. Es hilft nur nichts. Woran Europa am meisten krankt, ist die Trägheit derer, die die Vorteile der Integration genießen, aber bei Wahlen und Referenden lieber zu Hause bleiben.
Bei allem Respekt vor dem STANDARD wage ich es zu bezweifeln, ob es ausgerechnet das ist, woran Europa am meisten krankt. Und ob wenigstens die Zuhausegebliebenen richtig abgestimmt hätten.
Freitag, 8. April 2016, LA REPUBLICA:
Die Populisten jubeln, die Ultrarechte freut sich, die Europagegner erklären den Sieg. Putin leckt sich die Lippen. Und Europa zittert. Irgendetwas fühlt sich da gründlich falsch an.
Freitag, 8. April 2016, NEPSZABADSAG:
Mit ihrem Votum verhalfen die niederländischen Wähler dem russischen Präsidenten Putin zu einem unverhofften Geschenk. Denn dieser arbeitet unermüdlich an der Spaltung Europas und an der Isolierung der Ukraine.
Freitag, 8. April 2016, WASHINGTON POST:
Das Referendum ist ein Beispiel dafür, wie die russische Regierung Abstimmungen in Westeuropa beeinflusst. Bereits zuvor gab es den Verdacht, dass Moskau extremistische politische Gruppierungen in der EU unterstützt. So lässt Kanzlerin Merkel ihre Sicherheitsexperten untersuchen, welchen Einfluss Russland auf deutsche Onlinemedien hat. In Frankreich hat der rechtsgerichtete Front National Kredite von einer russischen Bank erhalten. In den Niederlanden bediente sich die Nein-Kampagne der Rechts- und Linksextremen direkt bei russischen Medien wie dem Fernsehsender Russia Today und der Propagandawebseite Sputnik.
Freitag, 8. April 2016, DENNIK N:
Die Menschen, die in den Niederlanden gegen das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine stimmten, lassen sich nicht alle als Putin-Anhänger bezeichnen. Für viele war das Abkommen nur ein Ersatzproblem, über das sie ihre Unzufriedenheit mit den europäischen und niederländischen Verhältnissen ausdrückten. Ihre Argumente kopierten aber gerade das, was Moskaus Propaganda behauptet. Und so wie Politik und Geheimdienste Russlands funktionieren, war das wohl kein Zufall.
„Für viele war das Abkommen nur ein Ersatzproblem…“ Da ist wohl eher was dran. Zumal ich glaube, eine Wahrheit wird nicht deshalb unwahr, weil auch Idioten oder Schufte oder Auftraggeber von Auftragsmorden sie im Munde führen.
Der Schuß vor den Bug der sogenannten Wertegemeinschaft, vielleicht die letzte Warnung, ist jetzt zwei Wochen her. Die geistfreien Erklärungen der Glatten aus Brüssel, es habe an mangelhafter Erklärung gelegen, kamen darüber nicht hinaus und sind verhallt. Statt einer ernsthaften Analyse wurstelt man weiter mit hehren Absichten und Abkommen, um deren Umsetzung sich dann keiner schert. Alles gilt nur bei schönem Wetter. Dublin-Vereinbarung, Flüchtlingsverteilung, Stabilitätspakt…
Apropos „Eurorettung“. Wie oft ich in der Zwischenzeit, tatsächlich ernstgemeint, von diversen gutsituierten Verantwortlichen der organisierten Verantwortungslosigkeit vernahm, die Eurokrise wäre erledigt, habe ich nicht gezählt. Doch nun, Karussell, Karussell, zurück zur dummen, überhaupt nicht vorhersehbaren Realität (=> Karussell):
Montag, 4. April 2016, Deutschlandfunk:
Die Bundesregierung ist weiterhin gegen einen Schuldenerlass für Griechenland.
Dies stehe im Augenblick nicht zur Debatte, sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Schäuble in Berlin. Athens Schuldentilgung sei ohnehin bis 2020 und länger ausgesetzt. Entscheidend sei, dass das Land einen nachhaltigen Haushalt aufstelle. Ziel bleibe eine Rückkehr zum Kapitalmarkt. Athen selbst lehnte zusätzliche Spar- oder Reformmaßnahmen ab. Vielmehr müssten die Gespräche sofort abgeschlossen werden, teilte das Büro von Ministerpräsident Tsipras mit.
Derzeit überprüfen die internationalen Geldgeber die Voraussetzungen für weitere Mittel aus dem Hilfspaket von insgesamt 86 Milliarden Euro. Von einem positiven Befund hängt ab, inwieweit daraus weitere Gelder nach Athen fließen.
Dienstag, 5. April 2016, Deutschlandfunk:
Die griechische Regierung geht davon aus, dass sie weit weniger Privatisierungserlöse erzielen wird als mit den internationalen Geldgebern vereinbart.
Wirtschaftsminister Stathakis sagte auf einer Konferenz in Berlin, die ursprünglich angepeilten 50 Milliarden Euro seien realitätsfern. Am Ende würden es vielleicht sechs bis sieben Milliarden Euro werden. Die Privatisierungen waren im vergangenen Jahr eine der Bedingungen für weitere Kredite. Derzeit überprüfen die internationalen Geldgeber, ob weitere Tranchen an Athen überwiesen werden können.
Mittwoch, 6. April 2016, Deutschlandfunk:
Eine Sprecherin von Finanzminister Schäuble sagte in Berlin, die Summe von 50 Milliarden Euro sei in der Euro-Zone unter Einschluss Athens vereinbart worden. Dies gelte als Gegenleistung für weitere Finanzhilfen unverändert fort.
Griechenlands Wirtschaftsminister Stathakis hatte gestern erklärt, ein Erlös von 50 Milliarden Euro durch Verkauf von Staatsbesitz sei realitätsfern. Am Ende würden es „vielleicht sechs bis sieben Milliarden Euro werden“.
Montag, 11. April 2016, Deutschlandfunk:
Die Regierungen von Griechenland und Portugal dringen auf ein Ende der strikten Sparpolitik in der EU.
Der griechische Ministerpräsident Tsipras und sein portugiesischer Kollege Costa unterzeichneten in Athen eine gemeinsame Erklärung. Darin fordern beide Politiker ein Europa mit sozialer Gerechtigkeit. Die Austeritätspolitik in der EU habe die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, hohe Arbeitslosenraten verursacht und die Gesellschaften gespalten.
Die Gespräche Griechenlands mit den internationalen Gläubigern gestalten sich weiterhin zäh. Dem Vernehmen nach gibt es erhebliche Differenzen über Maßnahmen, die zu Einsparungen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro führen sollen. Dabei geht es um Rentenkürzungen, Erhöhungen von Steuern sowie die sogenannten faulen Kredite.
Montag, 11. April 2016, Deutschlandfunk:
Die Gespräche Griechenlands mit den internationalen Gläubigern gestalten sich weiter zäh.
Finanzminister Tsakalotos verließ den Verhandlungsort erst am Morgen, ohne etwas zum Stand der Dinge mitzuteilen. Wie das staatliche Fernsehen berichtete, sollen die Beratungen am Nachmittag fortgesetzt werden. Dem Vernehmen nach gibt es erhebliche Differenzen über Maßnahmen, die zu Einsparungen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro führen sollen. Dabei geht es um Rentenkürzungen, Erhöhungen von Steuern sowie die sogenannten faulen Kredite. Letztere sollen bereits ein Volumen von über 100 Milliarden Euro erreicht haben.
Im Sommer vergangenen Jahres hatten die Institutionen ein drittes Hilfspaket für Griechenland von bis zu 86 Milliarden Euro geschnürt. Die Auszahlung weiterer Tranchen ist an eine Einigung mit den Gläubigern geknüpft.
Dienstag, 12. April 2016, Deutschlandfunk:
Die Verhandlungen zwischen der Regierung in Athen und den Gläubigern sind bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben.
Nach Angaben des griechischen Finanzministers Tsakalotos sollen die Gespräche am Montag weitergehen. Differenzen gebe es vor allem darüber, welche Maßnahmen zu Einsparungen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro führen sollten. Dabei geht es um Rentenkürzungen, Erhöhungen von Steuern sowie die sogenannten faulen Kredite. Im Sommer 2015 hatten die internationalen Gläubiger ein drittes Hilfspaket für Griechenland im Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro geschnürt. Ohne eine Einigung der Gläubiger mit der Regierung in Athen kann jedoch kein Geld in die Staatskasse fließen.
Dienstag, 19. April 2016, Deutschlandfunk:
Der Europäische Rechnungshof hat die Defizitkontrollen in der EU als nicht ausreichend und widersprüchlich kritisiert.
Die Kommission wende die bestehenden Regeln nicht konsequent an, teilte der Rechnungshof mit. Zudem sei das Verfahren intransparent.
Die Kontrollen sind entscheidend für die Einhaltung der Stabilitätsregeln im gemeinsamen Währungsraum und der EU insgesamt. Die sogenannten Maastricht-Kriterien schreiben den EU-Staaten vor, dass die staatliche Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten darf. Heute kündigte Spanien an, das vereinbarte Ziel erneut zu verfehlen. Die EU-Kommission wies die Kritik an ihren Kontrollen zurück.
Donnerstag, 21. April 2016, Deutschlandfunk:
Das hoch verschuldete Griechenland bekommt die Sanierung der Staatsfinanzen nicht in den Griff.
Wie die europäische Statistikbehörde – Eurostat – in Luxemburg mitteilte, stieg die Neuverschuldung im vergangenen Jahr auf 7,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Im Jahr zuvor hatte sie bei 3,5 Prozent gelegen. – Das dritte Hilfspaket, das im vergangenen Sommer beschlossen wurde, hat ein Volumen von rund 84 Milliarden Euro. Erste Milliardentranchen wurden bereits ausgezahlt.
Auch Spanien und Portugal haben die Ziele zum Abbau ihrer Haushaltsdefizite deutlich verfehlt. Mit den Daten befassen sich die Euro-Finanzminister morgen bei einem Treffen in Amsterdam.
Und zur Erinnerung:
Freitag, 27. Februar 2015, Deutschlandfunk (=> Der listenreiche Odysseus):
Die Reformpläne der neuen griechischen Regierung sind nach den Worten von Finanzminister Varoufakis absichtlich unbestimmt formuliert. Sonst würden sie nicht die notwendige Zustimmung der Parlamente der Euroländer erhalten, sagte er heute früh im griechischen Fernsehen. Dies sei mit den übrigen Euro-Ländern so abgestimmt. Varoufakis bezeichnete dieses Vorgehen als – so wörtlich – produktive Undeutlichkeit.
„Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein.“ (Aus Artikel 125 des Euro-Stabilitätspakts)
Ob bei alldem wenigstens in Großbritannien die Wähler richtig abstimmen werden?