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28. August 2021: Bellarmin an Mephisto
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Es heißt, und von deutschen mit der Sache befaßten Politikern wird mit inbrünstiger Wonne im Chore darauf verwiesen, im Falle Afghanistans hätten sämtliche Geheimdienste versagt: Niemand hätte vorhersehen können, daß das Land derart schnell an die Taliban fiele.
Ich glaube, es gibt eine ganze Menge Menschen, die nach jener Definition Niemand heißen. Und auch ich kann mich dazurechnen, entgegen den mit der Sache befaßten deutschen Politikern zumindest Tage vor ihnen gewußt zu haben, daß man endlich in die Gänge kommen muß.
Um Menschen zu retten!
Die selber schon, und von Tag zu Tag verzweifelter, uns um Hilfe anflehten!
Während man von deutscher Seite sich tatsächlich darauf verstieg zu erklären, für die entsprechende Visa-Erteilung wäre ja die afghanische Seite zuständig, an der „hake“ es, man könne da gar nichts weiter tun…
Nach dem Einfall der Taliban in Kabul vernahm man aus den öffentlich-rechtlichen Medien den Bundeskanzlerkandidaten der SPD und auch den Bundeskanzlerkandidaten der CDU in jeweils blitzschnellen Sequenzen hingenuschelter Äußerungen mit anschließendem abrupten Schnitt, man werde den Fehler von 2015 nicht wiederholen…
Ich meinte, ich höre nicht recht!
Ohne jegliche Erörterung oder auch nur der bescheidensten Nachfrage eines Medienvertreters.
Was mit „dem Fehler von 2015“ denn explizit und vollkommen unhastig ausgesprochen gemeint sein könnte.
Wo man vereint doch all die Jahre über getönt hatte regierungsseitig: „Wir haben alles richtig gemacht“?
Statt daß 2015 ein Fehler gewesen wäre.
Denn solches hätte ja auch sicher ausführlich eine unüberhörbare Debatte gegeben in unseren kritischen öffentlich-rechtlichen Medien über den ominösen Fehler von 2015.
Und in welchem Zusammenhang selbiger 2021 urplötzlich mit dem Fall Kabuls stünde.
Was könnte denn das gewesen sein?
Anscheinend setzen die Politiker und Medienleute voraus, daß jedermann im Lande wüßte, was gemeint wäre, wenn sie „Fehler von 2015“ sagen?
Und einzig ich, der ja Niemand heißt statt Jedermann, steh wie die Kuh vorm neuen Tore?
Da fällt mir ein beim Grübeln: Könnte es vielleicht nicht auch sein, daß es sich um eine Art Abart eines „freudschen (Ver)sprechers“ handelte beim unkommentierten Nuscheln „Fehler von 2015“?
Und offenbarte demnach etwas aus einer tiefer sitzende Schicht in den nuschelnden Schädeln?
Einen dort kristallisierten Schreck?
Eine Art manifestierter Angst?
Die zu einer selbst im Wahlkampf (!), und noch dazu parteiübergreifend (!) in den Regierungsparteien, nachwirkenden Lähmung der politisch Handelnden führte?
Mit der Folge, daß sich in Kabul verzweifelte Menschen an die Fahrwerke startender Flugzeuge klammern und zwangsläufig in einen grausamen Tod gestürzt werden?
Weil Politiker in Deutschland aus Angst vor der Wahrheit die Augen verschlossen?
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Spart üch die kränz
Ihr künnt mich nit blende.
Die Betroffenheitsphrase sinn zynisch
Su falsch wie Krokodilsträne.
Ihr sitt widderlich
Nimieh zo erdraare
Ihr sitt penetrant
Wohre Asoziale
Ihr sitt ignorant.
Wat kammer vun üch schon erwaade?
Karrierejeil sitt ihr Versaager
Sonst nix.
Ihr sitt widderlich!
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Aus dem BAP-Song „Widderlich“ (Text: Wolfgang Niedecken)
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