A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Kategorie-Archiv: DDR

Verschroben bis verlogen

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Samstag 15. April 2023: Bellarmin an Mephisto

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Was waren das für Zeiten im schönen Kalten Krieg! Als noch das „Lager des Friedens“ existierte, wie die östliche Propaganda die „Volksdemokratien“, die Volksvolksherrschaften eigenlobte, und das kommunistische Herrschaftsgebiet von der Elbe bis Kamtschatka und vom Nordpolarmeer bis zum Südchinesischen Meer meinte. Was konnte man da im Westen herumwühlen mittels der Fünften Kolonnen Moskaus samt ihrer nützlichen IdiotenInnen und außen.

Auch Margot Käßmann soll dieses Jahr auf einem Ostermarsch gesprochen haben.

Jene Art von Friedensliebe der Nützlichen hat ja Tradition.

In Westdeutschland und in anderen Ländern Westeuropas wurden Ostermärsche und am Jahrestag des Ausbruchs des zweiten Weltkrieges Antikriegsdemonstrationen durchgeführt. Die Volksbewegung gegen die Atomrüstung verstärkt sich, denn die Menschen verstehen, welche große Gefahr ihnen droht. Eine Ausnahme bilden die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie. Sie sprechen zwar über Frieden, aber in der Praxis unterstützen sie die Forderungen der westdeutschen Militaristen auf Beteiligung an einer multilateralen Atomrüstung der NATO. Sie sprechen von weltweiter internationaler Abrüstung, sind aber gegen den Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland, gegen einen Rüstungsstopp und gegen die Abrüstung in beiden deutschen Staaten“, tönte am Dienstag, dem 6. Oktober 1964, am Vorabend des „Republikgeburtstags“ der Deutschen Demokratischen Republik ihr Staatsratsvorsitzender, der SED-Genosse Walter Ulbricht.

Und am Montag, dem 4. April 1983, schrieb die Tageszeitung „Neues Deutschland“, das „Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (das Blatt erklärt unter geringfügiger Namensänderung noch heute den unbeirrbar Ohnehin-Bescheidwissern die Welt):

Unüberhörbar brachten sie [die Ostermarschierer] die Besorgnis der Völker über die akute Bedrohung des Friedens zum Ausdruck, die der von den USA betriebene Kurs der Hochrüstung, der Konfrontation, der Verschärfung der internationalen Spannungen und der harschen Verweigerung gegenüber jedem konstruktiven und realistischen Vorschlag der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder verursacht.“

Aus irgend einem Grund waren nämlich die Länder mit volksvolksherrschaftlicher Führung unter der Führung Sowjetrußlands schon immer für die Ostermärsche.

Für Ostermärsche in den nicht volksvolksherrschaftlich und nicht russisch regierten Ländern.

Was merkwürdig seltsam den unbeirrbaren Bescheidwissern aber bisher noch nie auffiel…

Da marschieren sie heutzutage denn also hinter Transparenten her wie

Frieden mit Russland und China!

Stoppt den Wirtschaftskrieg

Nord Stream 2 und

Druschba-Trasse in Betrieb!

DKP

Statt zu rufen: RUSSEN RAUS !

und:

RUSSEN RAUS AUS DER UKRAINE !

Am Mittwoch, dem 16. März 2022, erklärte der langjährige Organisator der Ostermärsche Willi van Ooyen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG jenseits historischer Erfahrung tatsächlich „Mehr Waffen beenden keinen Krieg“! Statt zu schießen sollten die Ukrainer die Russen mit zivilem Widerstand vertreiben!

Ach, ist das wieder klug, na, sagen wir milde: gesprochen!

Wenn die Ukrainer doch bloß endlich mal hören wollten, was ihnen ein klugsprechender Bescheidwisser aus Deutschland so alles rät.

Schau her, schau her,

so wär‘ die Welt, wenn Frieden wär‚“,

gab es einmal im Rahmen der staatlich organisierten „Singebewegung“ Ende der sechziger Jahre ein Lied in der Deutschen Demokratischen Republik, geträllert von Reiner Schöne und musiziert vom Klaus Lenz-Sextett.

Damals herrschte exakt russischer Friede.

Abgesichert gegen die imperialistischen Kriegstreiber in der Beärrdee und der Nato durch einen antifaschistischen Schutzwall.

Das war die Zeit, über deren damalige bescheidwissende Durchblicker im DER SPIEGEL 15/23 S. 22 zu lesen stand:

Offiziere des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit hatten im Februar 1968 ein Herz für Rudi Dutschke und den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Als die linksradikalen Rebellen in West-Berlin eine große „Vietnamkonferenz“ organisierten, sorgten Stasileute dafür, dass aus Westdeutschland anreisende Gäste in den Genuss einer Vorzugsbehandlung kamen. Dies geht aus Stasiakten im Bundesarchiv hervor. Die linken Studenten hatten das Treffen als internationale Solidaritätsdemonstration für die Vietnamesen organisiert, die gegen die Invasion von US-Truppen kämpften. Über 2000 Linksradikale trafen am 17. Februar 1968 in einem Konvoi am Grenzkontrollpunkt Marienborn ein, um über die Transitautobahn von der Bundesrepublik nach West-Berlin weiterzufahren. Die üblichen Autobahn- und Visagebühren entfielen, eine Zollkontrolle brauchte es auch nicht. Nur ihre Pässe mussten sie vorzeigen. Nach einem Bericht eines Majors der „Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung“ der Stasi wurden insgesamt 179 Pkw und 49 Busse mit 2667 Personen gezählt, die zum Protest in die Mauerstadt fuhren. In einem Report an den stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Generalleutnant Bruno Beater, heißt es auch: „Die Teilnehmer der Konferenz waren aufgeschlossen, sprachen unsere Mitarbeiter mit Genossen an.“

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Aus der pazifistisch-religiösen Bewegung, die 1960 antrat, um Strom und Bäche des Kalten Krieges vom Eis zu befreien, ist eine KP-gesteuerte Medienschau geworden…

Montag, 4. April 1983, Die Welt

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Parallelgeschichte ODER Wie sich die Bilder gleichen ODER Selbstverständlich wiederholt sich Geschichte ODER Die Russen wie immer

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Samstag, 1. April 2023: Bellarmin an Mephisto

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Laut seines Bulletins verabschiedete der Deutsche Bundestag am Donnerstag, dem 19. März 1953, in dritter Lesung den Deutschlandvertrag und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft.

In seiner Regierungserklärung sagte Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer u. a.:

Wenn schon im Jahre 1952 der Abschluß der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die Fortsetzung der Europapolitik der Bundesrepublik notwendig war, so ist sie seit der Übernahme der Präsidentschaft durch Eisenhower und seit dem Tode Stalins noch notwendiger geworden. Sie ist auch deshalb noch notwendiger geworden, damit die Bundesrepublik endlich aus dieser unmöglichen Lage herauskommt, in der sie sich zur Zeit befindet: Wir stehen noch immer unter Besatzungsrecht mit all den Konsequenzen, die ein Besatzungsrecht mit sich bringt. Auch wenn die Westalliierten von den ihnen zustehenden Rechten zur Zeit einen zurückhaltenden Gebrauch machen, immerhin sie machen noch Gebrauch davon. Wir haben noch immer Industriebeschränkungen, wir haben noch immer die Tatsache daß die oberste Gewalt in der Bundesrepublik in den Händen der Besatzungsmächte liegt. Noch immer sind wir Objekt in der auswärtigen Politik.

Von der Größe der Gefahr, in der wir schweben, geben folgende Ziffern eine sehr nüchterne und eine sehr klare Vorstellung Rund 140 sowjetrussische Divisionen, 70 Divisionen in den Satellitenstaaten, 6 ostdeutsche Divisionen in der Sowjetzone, stehen an unseren Grenzen oder in zweiter Linie hinter diesen Grenzdivisionen. Alle diese Divisionen sind nunmehr mit den besten und modernsten Waffen ausgerüstet. Wir Deutsche haben selbst nichts aber auch gar nichts, was unser Land schützen könnte. Wir sind auf den guten Willen der Westalliierten angewiesen, wir haben keine vertraglichen Rechte diesen gegenüber. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, wie ungeheuer stark die Labilität der gesamten politischen Lage auf der Erde infolge der zwischen Ost und West eingetretenen Spannungen ist, dann glaube ich, kann nur jeder Deutsche den einen Wunsch haben: Solange, bis Sowjetrußland einsieht, daß es trotz all seiner militärischen Macht nichts ausrichten kann, können wir nicht in Ruhe und Sicherheit leben, wir müssen vielmehr fürchten für unsere Freiheit und für alles, was uns teuer ist, und darum alles tun, den nötigen Schutz und die nötige Sicherheit zu erhalten.

Ein Angriff auf die Mitglieder der EVG in Europa und damit auch auf die Bundesrepublik löst die Beratungs- und Hilfeverpflichtungen aus dem Nordatlantikpakt ebenso aus, wie ein Angriff auf ein Mitglied des Nordatlantikpakts die Beistandsverpflichtung der Mitglieder der EVG wirksam werden.

Wenn wir die Verträge und die Weltlage betrachten, so ist folgendes ganz sicher: Wir sind bedroht. Wir sind Objekt der Außenpolitik anderer, wir können uns nicht wehren, wir haben keinen Anspruch auf Schutz. Das wird sich nach der Ratifizierung der Verträge grundlegend und schnell ändern. Wir werden uns dann zusammen mit den übrigen Teilen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und den NATO-Streitkräften selbst verteidigen können. Wir werden gesichert und einbezogen in die größte Verteidigungsorganisation, die die Menschheit bisher geschaffen hat. Wir legen durch die Ratifizierung dieser Verträge als freies Volk die Grundlage für eine politische und wirtschaftliche Einigung Europas und retten damit Europa vor dem drohenden Zerfall und Untergang.

Wir würden es jederzeit begrüßen, wenn die drei Westalliierten zu aussichtsreichen und guten Verhandlungen mit Sowjetrußland kommen würden. Zu Verhandlungen, an denen wir als freies Land teilzunehmen berechtigt sein müßten. Aber es gibt keinen anderen Weg, zu Verhandlungen mit Sowjetrußland zu kommen, es gibt keinen anderen Weg zur Wiedervereinigung in Freiheit zu kommen, als den, den Westen so stark zu machen wie möglich. Die Bewohner der Sowjetzone, die Flüchtlinge, die tagtäglich herüberkommen, stehen alle auf diesem gleichen Standpunkt. Als ich zuletzt in Berlin war, haben mir immer wieder Männer und Frauen aus der Sowjetzone, die zur Grünen Woche nach Berlin gekommen waren, zugerufen: Kanzler, bleibe hart!.

Wir müssen in Europa loskommen von dem Denken im nationalstaatlichen Begriff. Durch den letzten Krieg, durch die Entwicklung der Waffentechnik und der Technik überhaupt sind ganz andere und neue Verhältnisse in der Welt geschaffen worden. Es gibt zwei Weltstaaten, das sind die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland. Es gibt das britische Commonwealth. Dann kommen die westeuropäischen Länder, zu denen wir gehören, Länder, die durch die Krise wirtschaftlich und machtmäßig verarmt sind so daß sie jedes für sich allein nicht in der Lage sind, ihren Angehörigen die Freiheit und einen menschenwürdigen Lebensstandard zu gewährleisten. Diese westeuropäischen Länder sind nicht mehr in der Lage, sich jedes allein für sich zu schützen, sie sind nicht mehr in der Lage, jedes für sich allein europäische Kultur zu retten. Alle diese Ziele, die uns doch allen gemeinsam sind, können nur dann erreicht werden, wenn die westeuropäischen Länder sich zusammen schließen, politisch, wirtschaftlich und auch kulturell, und wenn sie vor allem auch weitere kriegerische Auseinandersetzungen unter sich selbst unmöglich machen. Und alles das bezwecken diese Verträge, die man über die gegenwärtige Zeitlage hinaus betrachten muß als ein sehr wesentliches Glied in der Weiterentwicklung zu Europa hin. Nur diese Politik wird es den europäischen Völkern ermöglichen, den Frieden zu schützen, Europa wieder aufzubauen, die europäische Kultur zu retten und Europa wieder zu einem maßgebenden Faktor in der Weltpolitik und in der Weltwirtschaft zu machen. Ich bitte Sie alle, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.

Am Freitag, dem 20. März 1953 veröffentlichten die sogenannte Volkskammer und die Länderkammer der „Deutschen Demokratischen Republik“ unter Bezugnahme auf die Ratifizierung der Verträge durch den Bonner Bundestag eine gemeinsame Erklärung, in der es u.a. heißt:

Die Volkskammer und die Länderkammer der DDR erklären: Für das deutsche Volk sind die Schandverträge von Bonn und Paris null und nichtig! Die Kriegsverträge von Bonn und Paris verstoßen gegen Recht und Gesetz. Das deutsche Volk ist in dieser ernsten Stunde zu einem heiligen Gelöbnis aufgerufen: Durch den gemeinsamen Kampf aller deutschen Patrioten muß die Durchführung der Kriegsverträge von Bonn und Paris verhindert werden. Nachdem Adenauer den Weg vom Separatisten zum Verräter an ganz Deutschland gegangen ist, nachdem das Adenauer-Regime dazu übergeht, Westdeutschland in das Vorfeld des amerikanischen Krieges zu verwandeln gebietet die nationale Pflicht und Ehre jedem Deutschen, am Kampf zum Sturz dieses Regimes des nationalen Verrats teilzunehmen. Es gilt durch den Sturz des Adenauer-Regimes den Weg für die Herrschaft der patriotischen Kräfte in Westdeutschland frei zu machen.

Archiv der Gegenwart, Band 1, Seiten 908ff.

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Mit dem Beitritt Finnlands erweitert die Allianz ihr strategisches Operationsgebiet entlang einer mehr als 1.000 Kilometer langen Grenze zu Russland. Das ist kein feindlicher Akt, sondern das Gebot der Stunde. All jenen, denen schon die Osterweiterung der NATO ein Dorn im Auge war und ist, sei gesagt: Nicht ohne Grund haben so viele Staaten des ehemaligen Ostblocks ihr Heil in der EU und der NATO gesucht.

Samstag, 1. April 2023, NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG

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Putin läßt die Puppen tanzen

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Samstag, 4. März 2023: Mephisto an den Ritter vom heiligen Geist

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Ach ja, die bundesdeutschen Medien…

…und die politische Korrektur!

Erinnerst Du Dich noch an das Gedicht Ernst Jandls über Lichtungen?

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lichtung

manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht

velwechsern.

werch ein illtum!

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Das ich für so weise und einsichtsvoll hielt. Und geschichts- und seelenkundig.

Bis ich politisch korrigiert wurde.

Und zwar der zwölfte Band des DUDEN erklärt mir die Welt unter dem Stichwort

Manche meinen, lechts und rinks kann man nicht velwechsern

ganz richtig korrekt. Nämlich es handele sich um ein Zitat aus dem Jandl-Gedicht lichtung, und fügt, vor Biederkeit triefend, hinzu:

Die vierte (sic!) und letzte Zeile lautet: ‚werch ein illtum!‘ Das Zitat wird (auch in der kürzeren Form ‚lechts und rinks kann man nicht velwechsern‘) als scherzhafter oder ironischer Kommentar gebraucht, wenn jemandem eine Verwechslung unterläuft.

Ach so.

So so…

War da was?

Jedenfalls ist der Eintrag, bis auf die gefekte Zeilennummer, keine Feknju. Und wir können daraus lernen:

Man kann etwas richtiges sagen, und es ist trotzdem doof.

Und, es könnte sein, aus welchem Grund auch immer, daß gewisse Leute etwas richtiges sagen, um das Richtige nicht zu sagen.

Sozusagen gewissermaßen quasi im palmströmschen Sinne: weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Da stellen wir uns mal ganz dumm, als wären wir im DUDEN, und denken:

Da hat der Jandl sich also hingesetzt auf seinen Hosenboden und sich gedacht in seinem schlichten schtzngrmm-Sinn: Auf, auf! Es wird nun aber höchste Zeit! Man muß doch endlich einmal ein Gedicht verfassen, über wenn jmndm mal eine Vrwchslng… „unterläuft“…

Ein Lehrgedicht für Fahrschulen!

Was für ein schöner Zug…

Und wer weiß, denkt der DUDEN, wie vielen Fahrschülernden der Jandl den Führerschein damit schon rettete!

Das ist doch ein putziger Poet, der Jandl! Zumal wenn er dann noch so chinesisch verwirrend, aber didaktisch einprägsam, die Buchstaben vertauscht.

Werch ein Einfarr!

Zum Glück durchblickte der DUDEN das ganze dann trotz der vertauschten Buchstaben aber scharfsinnig und kann uns den Sinn wieder politisch korrekt verklären…

Damit kein Schelm sich Arges dabei denke…

Welchen Reim sich mein Freund Heine wohl auf die Straußenvögel gemacht hätte? Von wegen

„———die deutschen Zensoren——————–Dummköpfe—–“

und so?

Am Dienstag, dem 9. März 2021, meldete der Deutschlandfunk direkt leif mündlich plötzlich in den Nachrichten:

Deutschland steht einer Untersuchung der Europäischen Union zufolge wie kein anderes EU-Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen.

Es gebe systematische Vorgänge sowohl durch politische Ebenen als auch durch Medien, die dem Kreml nahe stehen, heißt es in einem Bericht, den der Auswärtige Dienst in Brüssel veröffentlichte. … Seit Ende 2015 seien mehr als 700 Fälle in einer Datenbank gesammelt worden. Frankreich wurde demnach nur gut 300 Mal, Italien 170 Mal und Spanien 40 Mal attackiert.

Daraus wurde dann typischerweise anstelle der direkt leif mündlichen in den verschriftlichten Nachrichten des nämlichen Tages als verbleibende Meldung zurechtgestutzt:

U-Bericht: Russland weist Vorwürfe gezielter Desinformation zurück

Russland hat Vorwürfe wegen gezielter Desinformationskampagnen gegen Deutschland als „lächerlich“ zurückgewiesen.

Der Westen solle lieber eigene politische Kampagnen gegen Russland untersuchen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau der Deutschen Presse-Agentur. Sie reagierte damit auf eine Untersuchung der Europäischen Union. Danach steht Deutschland wie kein anderes EU-Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen. Es gebe systematische Vorgänge sowohl durch politische Ebenen als auch durch Medien, die dem Kreml nahe stünden, heißt es in einem Bericht, den der Auswärtige Dienst in Brüssel veröffentlichte. …

Typischerweise herrschte über den Bericht des Auswärtigen Dienstes der Europäischen Union in den folgenden Tagen ein wie gleichgeschaltet wirkendes einhelliges Stillschweigen der bundesdeutschen Journalisten, der bundesdeutschen Politiker und der bundesdeutschen Politologen.

Bis heute!

Auch die doch eigentlich hochinteressante Frage, warum ausgerechnet Deutschland „wie kein anderes Land im Fokus russischer Desinformations-Kampagnen“ steht, scheint keinem bundesdeutschen Journalisten, keinem bundesdeutschen Politiker und keinem bundesdeutschen Politologen eingefallen zu sein. Und mit welchen Absichten, und wer wohl der Auftraggeber gewesen sein könnte für dieses 2021 derartig plötzlich einmalig auftauchende Phänomen russischer Politik.

Soweit reicht die Phantasie nicht mehr im ehemaligen Land der Dichter und Denker.

Dafür, noch am selben Tag, dem 9. März 2021, auf demselben Sender:

Drei Monate nach dem umstrittenen Russland-Besuch führender AfD-Politiker häst [sic!] sich erneut eine Delegation der Partei zu Gesprächen in Moskau auf.

An der Reise nehmen Fraktionschefin Weidel sowie die Abgeordneten Bystron und Schlund teil, wie die Fraktion mitteilte. Es gehe darum, den Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Russland nicht abreißen zu lassen, erklärte Weidel. Auf dem Programm stehen unter anderem Gespräche im Außenministerium sowie mit Vertretern des Parlaments. Zudem ist ein Besuch des Forschungszentrums Gamaleja vorgesehen, in dem der Corona-Impfstoff Sputnik V entwickelt wurde.

Der Moskau-Besuch von AfD-Abgeordneten Anfang Dezember hatte in Deutschland für Kritik gesorgt. Parteichef Chrupalla hatte bei einem Treffen mit Außenminister Lawrow die politischen Verhältnisse in Deutschland moniert und die Sanktionen gegen Russland verurteilt. …

Ach ist das schön, daß die Alice Weidel von der Partei mit derart dubiosen ausländischen Parteispenden kompetenterweise den Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Rußland nicht abreißen läßt.

Das bringt die Welt weiter!

Das ist gelebte deutsch-sowjetische Freundschaft!

Wie einst in der Deutschen Demokratischen Republik! Zum Beispiel mit den nicht wenigen großzügig an sowjetischen Hochschulen geschulten und anschließend aus irgend einem Grund vorrangig in wichtigen Positionen der deutschen demokratischen Wirtschaft und Verwaltung plazierten Ostdeutschen. Die zum Teil zurückgekehrt waren mit sowjetischen Ehegesponsen.

Was kann schöner sein?

Liebe zwischen dem deutschen demokratischen Volk und dem sowjetischen Volk!

Und die Erklärung mit dem Gesprächsfaden, die konnte auch von Dietmar Bartsch aus der Partei Der Schamlosen mit dem vor ihrer Umbenennung in irgendein Ausland entschwundenen Parteivermögen stammen.

Und identisch ebenso von Matthias Platzeck aus der Partei des vom Ausland dotierten Gerhard Schröder.

Ob lechts, ob rinks, auch völlig unberufen fühlten und fühlen sie sich hochherzig berufen aus irgend einem Grund, für den Gesprächsfaden kämpfen zu müssen.

In der Wikipedia steht zu lesen:

Der Ausdruck nützlicher Idiot bezeichnet eine Person, die für Zwecke, die dieser nicht bewusst sind, als Handlanger oder unwissender Helfer missbraucht wird oder deren selbständiges Handeln dieser zugedachten Rolle entspricht, beispielsweise Propagandazwecken dienend. Solche Personen werden auch Marionetten (und die Täter daran anknüpfend Drahtzieher oder Strippenzieher) genannt, der Missbrauch selbst Instrumentalisierung.

Die Annahme, Lenin habe damit westliche Intellektuelle beschrieben, die sich von der Sowjetunion für ihre Propaganda vereinnahmen ließen, konnte nicht belegt werden. Lenin soll mit „nützliche Idioten“ auch die Kommunarden am Monte Verità kategorisiert haben; andere Quellen nennen als Urheber Karl Radek.

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Begriff weltweit verbreitet. In vielen Fällen beschreibt er auch heute Mittel der sowjetischen beziehungsweise russischen Außenpolitik.

Auch der noch vor dem 8. Mai 1945 von den Russen nach Ostdeutschland eingeflogene Kommunist und spätere Staatsratsvorsitzende der Deutschen Demokratischen Republik Walter Ulbricht (Gruppe „Ulbricht“: „Es muß demokratisch aussehen“) fühlte sich einst berufen aus irgend einem Grund, am 9. Februar 1940 den Hitler-Stalin-Pakt zu verteidigen:

Wer gegen die Freundschaft des deutschen und des Sowjetvolkes intrigiert, ist ein Feind des deutschen Volkes und wird als Helfershelfer des englischen Imperialismus gebrandmarkt … Vor dem deutschen Volke wie vor den im deutschen Nationalitätenstaat eingegliederten Völkern steht die Frage: nicht mit dem englischen Großkapital für die Ausdehnung des Krieges und ein neues Versailles, sondern mit der Sowjetunion für den Frieden, für die nationale Unabhängigkeit und für die Freundschaft der Völker …

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Heute vor 70 Jahren

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Donnerstag, 19. Januar 2023: Bellarmin an Mephisto

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Zum Zelebrieren ihrer jährlichen Propaganda-Veranstaltung der nach mehreren Umbenennungen aktuell unter dem Namen DIE LINKE firmierenden Vier-Komma-Neun-Prozent-Partei hier eine kleine Erinnerung an die gleiche Darbietung der seinerzeit angeblich Neunundneunzig-Zweidrittel-Prozent-Partei unter dem ursprünglichen Namen SOZIALISTISCHE EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS heute vor 70 Jahren:

Staatspräsident Wilhelm Pieck warnte laut Täglicher Rundschau in einer Rede zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Westberliner Bevölkerung vor Maßnahmen, die im Falle der Ratifizierung der Bonner Verträge getroffen würden. Er sagte:

„lch kann deshalb nur meine Mahnung wiederholen, die ich schon in meiner Neujahrsansprache an die Westberliner Bevölkerung richtete. Wenn die Ratifizierung der Kriegspakte und der Anschluß Westberlins an diesen Kriegsblock der Westmächte nicht verhindert wird, so ergibt sich für die DDR und den demokratischen Sektor Berlins die zwingende Notwendigkeit, entsprechende Schutzmaßnahmen gegen feindliche Anschläge und Provokationen sowie gegen das Einsickern verbrecherischer Elemente zu treffen. Das sind wir unserer friedliebenden und arbeitsamen Bevölkerung schuldig. Die Provokateure in Westberlin, die Reuter und Konsorten, sollen nicht glauben, daß es ihnen erlaubt sein wird, unsere Stalinallee, unsere volkseigene Industrie jemals wieder den profitgierigen Aktionären der AEG, der Siemens und ihren amerikanischen Geschäftspartnern auszuliefern. Die Reuter-Clique soll wissen, daß es niemals gelingen wird, noch einmal mit dem Mittel des faschistischen Terrors unsere Gedenkstätte der Sozialisten zu schänden.“

Archiv der Gegenwart, Band 1, Seite 880ff.

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Meinst du, die Russen wollen Krieg?

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Samstag, 3. Dezember 2022: Bellarmin an Mephisto

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Mittwoch, 3. Dezember 1952:

Das Londoner Foreign Office veröffentlichte laut The Times aus Anlaß der Debatte über den EDC-Vertrag im Bonner Bundestag Angaben über die Aufrüstung in Ostdeutschland auf Grund britischer Informationen, um darzutun, daß der in Bonn zur Debatte stehende Verteidigungsbeitrag an den Westen in Ostdeutschland schon längst an den Osten geleistet werde. Die Zahl der ostdeutschen Waffenträger betrage gegenwärtig 100 000 Mann, das sei um 40 000 mehr als vor sechs Monaten. Die Truppen seien mit russischen Tanks, Selbstfahrgeschützen, Haubitzen und Flak ausgestattet. Kürzlich sei ein Korpskommando in Pasewalk in Mecklenburg errichtet worden, dem drei Divisionen unterstellt seien. Eine ostdeutsche Luftwaffe sei gleichfalls geschaffen worden; deutsche Flugzeugbesatzungen würden in sowjetischen Flugzeugen auf mehreren Flugplätzen ausgebildet. Das Embryo einer ostdeutschen Flotte die Seepolizei, verfüge über vier Flottillen von Minensuchern und Küstenpatrouillenschiffen. Die Entwicklung habe sich wie folgt vollzogen: Die ersten Kader seien 1948 aus Kriegsgefangenen gebildet worden, die aus der Sowjetunion zurückkehrten. Im Juli 1948 habe eine Rekrutierungskampagne in Kriegsgefangenenlagern in Rußland gestartet; die als geeignet Befundenen seien repatriiert und in den »Bereitschaften« oder »Alarmeinheiten« organisiert worden, einem militärischen Zweig der Volkspolizei. Im Frühjahr 1949 seien 10 000 Mann in 35 Bereitschaften organisiert gewesen. Im Mai 1949 sei anstelle der polizeilichen eine rein militärische Ausbildung getreten und im Oktober 1949 sei die Hauptverwaltung für Ausbildung, die die Bereitschaften kontrolliert, dem Innenministerium unterstellt worden. Zu dieser Zeit habe die Truppenzahl 50 000 erreicht.

Im Dezember 1949 seien die ersten Panzerwagen und Artillerie zur Verfügung gestellt worden somit ein Jahr vor dem Beschluß des Westens, einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag zu erwägen. Zu Ende 1951 seien 24 Bereitschaften nach Art der Sowjetinfanterieregimenter organisiert worden. Damals habe es 16 Ausbildungsschulen gegeben. In der Zwischenzeit sei die Hauptverwaltung für Ausbildung als Embryo eines Kriegsministeriums weiter organisiert worden. Kürzlich seien die Chefs der Land, See- und Luftstreitkräfte zu Stellvertretern des Innenministers ernannt worden. Dem ersten Korpskommando in Pasewalk seien ein Signalbataillon und ein Flakregiment unterstellt. Die drei Divisionen seien in Eggesin, Prenzlau und Prora stationiert. Das Korpskommando habe Generalmajor Hermann Rentsch inne, der gleich 450 anderen Offizieren einen Ausbildungskurs in Rußland mitgemacht habe. Das Korps verfüge über mindestens 350 Tanks, meist T 34, 200 Geschütze sowie Flak, Antitankgeschütze und Mörser. Die nicht in dem Korps organisierten 18 Bereitschaften verfügten über insgesamt 125 mittlere Tanks und 1000 selbstfahrende Geschütze. Die Luftpolizei sei im November 1950 errichtet worden und verfüge heute über etwa 5000 Mann. Kommandeur sei Generalleutnant Heinz Keßler. Die Seepolizei verfüge über 4000 Mann. Es gebe auch eine Grenzpolizei von 25 000 Mann, mit Kleinwaffen und sowjetischen automatischen Waffen. Alle diese Streitkräfte wurden von den militärischen sowjetischen Besatzungsbehörden intensiv kontrolliert.

Das Amt für Information der DDR bezeichnete vorstehende Angaben als Propagandalügen und veröffentlichte seinerseits Daten über eine getarnte westdeutsche Aufrüstung.

Archiv der Gegenwart Bd. 1, S. 851 ff.

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Freitag, 2. Dezember 2022, The Times:

Scholz sagte, man könne zu einer Friedensordnung zurückkehren, die funktioniert hat, wenn es in Russland die Bereitschaft dazu gebe. Von einer Rückkehr zur Vorkriegsordnung zu sprechen, während russische Truppen noch immer rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzen, ist mindestens verfrüht, wenn nicht gar naiv.

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Meinst du, die Russen wollen Krieg?“

Nach der durch den Bau des antifaschistischen Schutzwalls ermöglichten Einführung der Wehrpflicht für die Nationale Volksarmee Restpreußens und Sachsens diente diese Suggestivfrage als Titel eines während der ersten Hälfte der sechziger Jahre in der Deutschen Demokratischen Republik im deutschen demokratischen Rundfunk bis zum Erbrechen gespielten Propagandasongs (Originaltext von Jewgeni Jewtuschenko) mit der Apotheose:

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„Es weiß, wer schmiedet und wer webt,

es weiß, wer ackert und wer sät –

ein jedes Volk die Wahrheit sieht:

Meinst du, die Russen woll’n,

meinst du, die Russen woll’n,

meinst du, die Russen wollen Krieg?“

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6. und 7. Oktober 1952

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Freitag, 7. Oktober 2022: Bellarmin an Mephisto

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In einem Festakt in der Staatsoper zu Berlin wurde laut Tägliche Rundschau am 6. Oktober der dritte Jahrestag der Gründung der DDR unter Teilnahme einer Delegation des Präsidiums des Obersten Sowjets und der Regierung der UdSSR, geführt vom Vorsitzenden des Obersten Sowjets N. M. Schwernik, und von Regierungsdelegationen der Volksdemokratien gefeiert. Schwernik sagte in einer Ansprache u.a.:

»Indem sie die Grundinteressen des deutschen Volkes zum Ausdruck bringt, führt die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik einen unermüdlichen und edlen Kampf gegen die Schaffung einer westdeutschen Söldnerarmee mit den faschistischen Hitlergeneralen an der Spitze gegen die von den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs, Westdeutschland aufgezwungenen Bonner und Pariser »Abkommen« über ein direktes militärisches Bündnis der aggressiven Kräfte dieser Länder mit den Revanchepolitikern Westdeutschlands. Die unauslöschliche Flamme des Kampfes des deutschen Volkes gegen einen neuen Krieg und für die nationale Vereinigung Deutschlands lodert von Tag zu Tag immer stärker und heller auf. Die Tatsachen zeugen davon, daß das deutsche Volk nicht zum Kanonenfutter der Brandstifter eines neuen Krieges werden will. Ohne Zweifel wird es nicht zulassen, daß das Schicksal Deutschlands gegen seinen Willen und ohne seine Teilnahme entschieden wird. Die entscheidende Rolle in der Sache der Vereinigung Deutschlands fällt dem deutschen Volk selbst zu. Als Kampfaufruf für das deutsche Volk wie auch für andere Völker, klingen die Worte des Genossen Stalin: ‚Der Friede wird erhalten und gefestigt werden, wenn die Volker die Sache der Erhaltung des Friedens in ihre Hände nehmen und den Frieden bis zum äußersten verteidigen. Der Krieg kann unvermeidlich werden, wenn es den Kriegshetzern gelingt, die Volksmassen durch Lügen irrezuführen, sie zu betrügen und sie in einen neuen Weltkrieg hineinzuziehen.‘ Das Sowjetvolk wünscht dem deutschen Volke neue Erfolge in seinem Kampf für die Schaffung eines einheitlichen, unabhängigen, demokratischen und friedliebenden Deutschland, im Kampf um den Frieden.«

Am 7. Oktober demonstrierten am Marx-Engels- Platz zu Berlin in einer Massenkundgebung über 600 000 Männer und Frauen für den Frieden an der Ehrentribüne vorbei, auf der Präsident Wilhelm Pieck und der Leiter der Sowjetdelegation, N. M. Schwernik, Platz genommen hatten. Am Vorbeimarsch vor der Tribüne nahmen auch Formationen der deutschen Volkspolizei (erstmalig in neuen olivgrünen Uniformen), der Grenzpolizei und der Seepolizei teil. Schwernik besichtigte auch das Eisenhüttenkombinat Ost bei Fürstenfeld.

Zitiert nach Archiv der Gegenwart

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Was dieser heute bawt / reist jener morgen ein

Andreas Gryphius (1616 – 1664)

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Vom mangelnden Grips und von des armen Schneiders Jeremiade

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Samstag, 17. September 2022: Bellarmin an Mephisto

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Der 3. Oktober, der „Tag der deutschen Einheit“, wirft wieder seine Schatten voraus. Zum Beispiel in der ersten Septembernummer des SPIEGEL. Da erschien, ohne das geringste Bewußtsein für das mitunter an Lächerlichkeit Grenzende seines Inhalts, ein Artikel über den sogenannten Ostbeauftragten der Bundesregierung unter dem im Inhaltsverzeichnis ausgewiesenen Titel:

Der Ostbeauftragte Carsten Schneider hat den vielleicht härtesten Job der Regierung“.!

Tatsächlich!

Und das geht dann, völlig ernst gemeint, wieder los:

Der Ostbeauftragte Carsten Schneider hat einen der schwierigsten Jobs in der Bundesregierung. Mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung will er den Ostdeutschen das Gefühl nehmen, sie seien Bürger zweiter Klasse. Dabei kennt er es selbst gut genug.

All die schönen neuen Führungspositionen in den neuen Ländern wurden nach der Wende fast ausschließlich mit Westdeutschen besetzt: an den Hochschulen, in der Verwaltung, der Politik, der Justiz, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Vielleicht denkt Schneider in diesem Moment zumindest kurz an den vergangenen Herbst. Da wollte er unbedingt Bundesminister werden – und wurde Ostbeauftragter.

Sie habe es doch immerhin zur stellvertretenden Präsidentin der Bundesärztekammer gebracht, sagt er zu Frau Lundershausen. »Ja«, sagt Lundershausen. »Ich bin die Quotenfrau aus dem Osten.«

Im Osten fühlen sich viele noch immer wie Bürger zweiter Klasse.

Und arrogant, so empfinden es viele, sind sie im Westen auch noch.

»Das Desinteresse am und die Unkenntnis über den Osten ist im Westen noch nie so groß gewesen wie heute«, sagt Schneider bei einem Treffen in seinem ebenso schicken wie riesigen Büro im Kanzleramt. Beides stehe für einen Mangel an Respekt.

Nach der Wende wurden viele plötzlich gar nicht mehr gebraucht. Es fehlte nicht nur die Arbeit, es fehlte auch der Respekt.

Wenn er das höre, dass Leute nach dem Studium lieber woandershin wollten, frage er sich immer: »Warum? Es gibt doch kaum eine bessere Stadt zum Leben als diese hier.« Das verstehe er nicht. »Das ist für mich wie ’ne fremde Welt, dass Leute hier nicht leben wollen.«

»Wir haben eine westdeutsche Elitenrekrutierung«, hat er neulich beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt geklagt »Wir sind denen einfach fremd.«

Weil Schneider nicht Minister werden durfte, musste eine Art Trostpflaster für ihn gefunden werden: ein aufgewerteter Ostbeauftragter, angesiedelt im Kanzleramt, das war in den Jahren zuvor anders.

DER SPIEGEL 36/22

Welches Interesse und welche Kenntnis zeigen Ostdeutsche eigentlich gegenüber den Geschicken beispielsweise der Saarländer?

Hier also eine kleine Auswahl an Gegengiften zur Beseitigung künstlicher Probleme:

Wir, insbesondere aber Journalisten und Politiker und vor allem auch „Ostbeauftragte“, insbesondere aus der SPD, hören auf, uns sogar noch nach „mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung“ jene Popanzbegriffe aufdrängen zu lassen wie „Besserwessi“, „Wessi“, „Ossi“. Wir lassen uns in keine der zum Zwecke der Verhetzung konstruierten Gegnerschaften treiben wie beispielsweise: Sämtliche Führungspositionen werden von „Westimporten“ (verhetzender Ausdruck im Osten) besetzt. Warum soll nach mehr als 30 Jahren im vereinigten Deutschland ein Buxtehuder nicht Chef sein in Pritz- oder Pasewalk? Und wann und wo wurde jemals ein Fall bekannt gemacht, daß ein Ostdeutscher eine Führungsposition nicht erhielt aufgrund seiner Herkunft?

Wird beispielsweise die doch eigentlich ungeheuerliche Behauptung in die Welt gesetzt, Ostdeutsche fühlten sich oder würden gar behandelt als Bürger zweiter Klasse, dann übernehmen Politiker und Journalisten nicht unbekümmert jenes Feindbild gegen Westdeutsche, um das es sich in Wahrheit handelt, sondern recherchieren und fragen nach, woher der Wind wehe, und versuchen die Westdeutschen konkret zu benennen, die Ostdeutsche als Bürger zweiter Klasse kujonieren.

Oder entlarven die vordergründige Inszenierung eines Phantoms.

Bisweilen ist sogar die Rede von „verpaßten Lebenschancen“ der Ostdeutschen! Welch geradezu perverse Geschichtsklitterung! Wegen der diktatorischen Beschränkung ihrer Lebenschancen hatten die Menschen die Mauer gestürmt! Und die „Deutsche Demokratische Republik“ demokratisch beendet.

Ich halte es für ein äußerst charakteristisches Zeichen des Niedergangs kognitiver Kompetenz unseres gegenwärtigen Journalismus, daß man nie eine einzige Stimme fragen hörte in dem allgemeinen Gejammer über vermeintliche Defizite und unterstellte Fehlleistungen im „Prozeß der Wiedervereinigung“ und ähnlicher Selbstbezichtigungen, welche handlungsbestimmenden Interessen die mehrfach umbenannte Partei nach ihrer totalitären Diktatur als SED anschließend wohl leitete und welchen untergründigen Anteil sie haben könnte am populistischen Erzeugen einer ostdeutschen Wagenburgmentalität.

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Versuch einer Richtigstellung

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29. Januar 2022: Bellarmin an Mephisto

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Am Donnerstag, dem 13. Januar, vermeldete das öffentlich-rechtliche Leitmedium der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschlandfunk:

Scholz in den 1980ern jahrelang von der Stasi bespitzelt

Bundeskanzler Scholz ist laut einem Zeitungsbericht in seiner Zeit als Juso-Funktionär in den 1980er Jahren von der DDR-Staatssicherheit bespitzelt worden.

Der Geheimdienst habe jahrelang Informationen über Scholz gesammelt, berichtet die „Bild“-Zeitung unter Verweis auf eine ihr vorliegende Stasi-Akte. Diese beinhaltet demnach sowohl Informationen über Scholz‘ Reisen in die DDR als auch über seine Arbeit als Politiker und Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt Hamburg.

Mehrere Stasi-Agenten waren demnach auf Scholz angesetzt. Der Geheimdienst habe ihn damals als Mitglied der marxistisch orientieren „Stamokap“-Bewegung eingestuft und ihn bei seinen Reisen in die DDR bevorzugt behandelt, schreibt „Bild“ weiter. Scholz war demnach als damaliger Vize-Vorsitzender der Jusos unter anderem auf Einladung der DDR-Jugendorganisation FDJ in den Osten gereist.

Und dem dank unserer öffentlich-rechtlichen Medien des 21. Jahrhunderts unbedarften Bundesbürger schauderte es in seinem Bette: Wie damals unser Kanzler Willy! Ein Stasi-Opfer! Der arme Olaf! Jahrelang! Bespitzelt!

Das wollen wir mal ein bißchen hinterfragen.

Zuerst fällt natürlich auf, wenn man bessere, also politisch unkorrigierende Zeiten der Berichterstattung bundesdeutscher Journalistik gewohnt war in deutschen Medien, daß nach dieser doch eigentlich sensationellen Meldung, daß über den derzeitigen Bundeskanzler als demnach in den 1980ern jahrelang von der „Stasi“ bespitzeltem „Stasi“-Opfer, daß auch nicht die geringste weiterführende Meldung, Besprechung, Erörterung, Kommentierung, Fragestellung, Einschätzung erfolgte in unserer pressefreiheitlichen Presse.

Oder gar ein Interview.

Gern auch mehrere.

Von Zeitzeugen, Weggefährten etwa.

Oder gar mit dem Stasi-Opfer persönlich.

Dieses Schweigen ist aber heutzutage schon immerhin ein Zeichen!

Daß es stinkt.

Dabei gäbe es doch so mancherlei an Bemerkenswertem.

Zum Beispiel: Nachrichtenredakteure des öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunks bilden Sätze wie: „Der Geheimdienst habe ihn damals als Mitglied der marxistisch orientieren ‚Stamokap‘-Bewegung eingestuft“…

Der arme Olaf! Man stelle sich das vor! Nicht nur daß der Geheimdienst mit dem Kosenamen „Stasi“ ihn bespitzelt hätte. Nein! Die hat ihn obendrein auch noch „eingestuft“!

Also „transparent“, demnach klar, könnte man feststellen und als Journalist es sagen, die deutsche demokratischen Geheimpolizei war sich sicher, daß der arme Olaf Mitglied der „marxistischen Stamokap-Bewegung“ war.

Da kannst Du mal sehen, wozu die „Stasi“ alles fähig war…

Den unbedarften, also den von heutigen öffentlich-rechtlichen Medien politisch korrigierend unterrichteten Bundesbürger(innen wie außen) läuft ein Schauer über den Rücken.

„Stamokap“ ist die Abkürzung für das Ungetüm „Staatsmonopolistischer Kapitalismus“. Und in der „Deutschen Demokratischen Republik“ lehrte man ab der zweiten Hälfte der sechziger Jahre an den Schulen im Rahmen des Staatsbürgerkunde-Unterrichts und in den „FDJ-Studienjahren“ und an den Universitäten in den für Studenten sämtlicher Fachrichtungen obligatorischen Vorlesungsreihen des „WK“, des „Wissenschaftlichen Kommunismus“, daß dieser die letzte Phase des Kapitalismus wäre. So wie Lenin dies schon dem Imperialismus prophezeit hatte in seinem Buch „Der Imperialismus, das höchste und letzte Stadium des Kapitalismus“.

Die Prüfungszensur des für sämtliche Studienrichtungen unabwendbaren Faches „Wissenschaftlicher Kommunismus“ erschien auf den Zeugnissen sämtlicher Staatsexamina aller Fachrichtungen an erster Stelle.

War also für alles weitere der Karrieren unabdingbar.

In der „Deutschen Demokratischen Republik“.

Und da stuft diese verdammte „Stasi“ so mir nichts dir nichts aus Jux und Tollerei und Übermut einfach unseren Kanzler mit seinem verschmitzten Lächeln der marxistisch „orientierten“ Stamokap-Bewegung der SPD und Jusos zu.

Also ich als Olaf, ich hätte ja nun was gesagt zu dieser Ungerechtigkeit.

Die Bild-Zeitung zitierte allerdings einige geheimpolizeilich registrierte Äußerungen Olafs, womit er im Fach „Wissenschaftlicher Kommunismus“ jede Prüfung an der Humboldt-Uni in „Berlin – Hauptstadt der DDR“ mit Bravour bestanden hätte und will deswegen angefragt haben.

Aber das Opfer habe sich nicht äußern mögen.

Und dann berichtete die Bild-Zeitung aus den Akten mit Daten und Fotos von etlichen Reisen des „Stasi“-Opfers mit seinen Juso-Kumpeln in die „Deutsche Demokratische Republik“ und zeigt als Bild-Zeitung auf einem Bild ihn an einem Tische mit dem Honecker-Nachfolger Egon Krenz.

Und zitiert „Stasi“-Anweisungen über Vorzugsbehandlungen ihres einreisenden Opfers.

Das gab es tatsächlich. Daß gewisse Bundesbürger eingeladen wurden, die „Deutsche Demokratische Republik“ zu bereisen unter Vorzugsbedingungen von denen andere als die besagten gewissen Bundesbürger nur träumen konnten.

Und die nicht unbedarften Eingeborenen der „Deutschen Demokratischen Republik“ ebenso.

Und deswegen waren jene gewissen Bundesbürger bei den nicht unbedarften zwangsrekrutierten Staatsbürgern der „Deutschen Demokratischen Republik“ verhaßt.

Zumal wenn diese, beispielsweise im „Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ des Namens „Neues Deutschland“, den zwangsrekrutierten „DDR“-Bürgern die „Deutsche Demokratische Republik“ priesen samt ihrer sozialistischen Schönheit.

Dank „wissenschaftlichem Kommunismus“.

Und die ausbeuterischen Verhältnisse des staatsmonopolistischen Kapitalismus anprangerten mit seinen „Berufsverboten“ für die Genossen der Deutschen Kommunistischen Partei.

Der DKP.

Auch Olaf soll mindestens eine Rede geredet haben in der „Deutschen Demokratischen Republik“.

Er hatte Redeerlaubnis…

Wie die erwähnten gewissen Bundesbürger.

An den Inhalt der Rede wird er sich aber wohl nicht mehr erinnern können. Er hatte ja auch vor erst gar nicht so langer Zeit erklärt in einem Untersuchungsausschuß, daß er sich selbst nicht mehr erinnern könne an den Inhalt des entscheidenden Gesprächs, das er als Regierungschef von Hamburg führte, und in welchem es sich um einen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe handelte, der der Stadtkasse in der Folge des Gesprächs verloren ging.

Aber auch die politisch korrigierten Medien der heutigen Bundesrepublik leiden durchaus zuverlässig unter Amnesie.

Wenn es darauf ankommt.

Und so vergaßen sie hier über allem die doch eigentlich naheliegende Frage aufzuwerfen, geschweige denn ihr nachzugehen, wieso der in der „Deutschen Demokratischen Republik“ Privilegierte und mit Redeerlaubnis Ausgestattete und vom stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates der „DDR“ Empfangene und sogar aus irgendeinem Grund in die gewiß nicht DDR-kritische „marxistisch orientierte Stamokap-Bewegung“ „Eingestufte“ „jahrelang von der Stasi bespitzelt“ worden war…

Die Frage ist da doch natürlich, was die deutsche demokratische Geheimpolizei beabsichtigte.

Der Olaf war doch kein Staatsfeind.

Der „DDR“.

Nun, es war durchaus üblich bei der deutschen demokratischen Geheimpolizei, gerade auch die gewissen Bundesbürger zu prüfen hinsichtlich der Beständigkeit ihrer Stamokap-Gesinnung.

In der Verfolgung der Möglichkeit einer künftigen Anwerbung.

Als Mitarbeiter(innen wie außen).

Doch beim „eingestuften“ langjärigen „DDR“-Besucher Olaf kam dann offenbar der von den Stamokap-Ideologen unvorhergesehene Fall des „antifaschistischen Schutzwalls“ dazwischen.

So, und hier noch einmal zum erneuten Lesen die vom öffentlich-rechtlichen Flaggschiff einmalig gemeldete Information über das eingestufte „Stasi“-Opfer Olaf:

Scholz in den 1980ern jahrelang von der Stasi bespitzelt

Bundeskanzler Scholz ist laut einem Zeitungsbericht in seiner Zeit als Juso-Funktionär in den 1980er Jahren von der DDR-Staatssicherheit bespitzelt worden.

Der Geheimdienst habe jahrelang Informationen über Scholz gesammelt, berichtet die „Bild“-Zeitung unter Verweis auf eine ihr vorliegende Stasi-Akte. Diese beinhaltet demnach sowohl Informationen über Scholz‘ Reisen in die DDR als auch über seine Arbeit als Politiker und Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt Hamburg.

Mehrere Stasi-Agenten waren demnach auf Scholz angesetzt. Der Geheimdienst habe ihn damals als Mitglied der marxistisch orientieren „Stamokap“-Bewegung eingestuft und ihn bei seinen Reisen in die DDR bevorzugt behandelt, schreibt „Bild“ weiter. Scholz war demnach als damaliger Vize-Vorsitzender der Jusos unter anderem auf Einladung der DDR-Jugendorganisation FDJ in den Osten gereist.

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Adenauer und seine Spießgesellen

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3. Oktober 2021: Serapion an Mephisto

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Vor 70 Jahren, am 27. September 1951 verlas Bundeskanzler Adenauer im Bundestag eine Regierungserklärung. Sie behandelte eine Wiederherstellung der deutschen Einheit. Alle vertretenen Parteien stimmten ihr zu, außer einer, und die hieß allerdings PDS, nein, KPD:

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Das oberste Ziel der Politik der Bundesregierung ist und bleibt die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Diese Einheit muß aus der freien Entscheidung des gesamten deutschen Volkes kommen. Die Bundesregierung hat deshalb wiederholt, zuletzt in ihrer Erklärung vom 9. März 1951 die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung vorgeschlagen. Dabei hat sie gleichzeitig die unerläßlichen Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen festgelegt. Auf alle diese Vorschläge der Bundesregierung ist eine Antwort der sowjetischen Besatzungsmacht nicht erfolgt. Die Behörden der Sowjetzone haben sie zurückgewiesen.

Nunmehr hat Herr Grotewohl am 15. September vor der Volkskammer Erklärungen abgegeben, die sich den Vorschlägen der Bundesregierung zu nähern scheinen. Die Bundesregierung hat diese Erklärungen aufmerksam geprüft. Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin haben sofort freie Wahlen für ganz Berlin vorgeschlagen, die leider abgelehnt worden sind. Herr Grotewohl beharrt auf Beratungen über gesamtdeutsche Wahlen. Was bedeuten Beratungen mit Kommunisten? Die Welt weiß aus vielfachen bitteren Erfahrungen, daß Repräsentanten des Kommunismus, wenn sie von Beratungen sprechen, entweder Diktat oder endlose Verzögerungen wollen. Anders wäre es, wenn wir es mit frei gewählten Vertretern der Bevölkerung der Sowjetzone zu tun hätten. Mit ihnen könnten wir uns sofort einigen. Um nichts unversucht zu lassen, wird die Bundesregierung eine Wahlordnung für freie gesamtdeutsche Wahlen vorlegen. Diese Wahlordnung wird im wesentlichen folgende Grundsätze enthüllen:

1. Das Gebiet der Wahl bildet einen einheitlichen Wahlkreis, jede Partei reicht einen Wahlvorschlag für das gesamte Wahlgebiet ein.

2. Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.

3. Alle Beschränkungen im Personenverkehr zwischen den Besatzungszonen einschließlich Groß-Berlin werden spätestens drei Monate vor der Wahl aufgehoben.

4. Jedem ordnungsgemäß vorgeschlagenen Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung wird bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung im gesamten Wahlgebiet die unbedingte persönliche Freiheit gewährleistet. Er darf weder verhaftet, vorläufig festgenommen, noch gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder in seiner Bewegungsfreiheit behindert werden. Ihm ist der zur Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.

5. Niemand darf vor, während und nach der Wahl wegen seiner politischen Haltung verhaftet, vorläufig festgenommen, gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus seinem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder benachteiligt werden.

6. Öffentliche Versammlungen der Parteien, die einen ordnungsgemäßen Wahlvorschlag eingereicht haben, und ihrer Bewerber sind uneingeschränkt zugelassen und unter öffentlichen Schutz zu stellen.

7. Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, die in einem deutschen Lande erscheinen, und der Empfang von Rundfunksendungen dürfen im ganzen Wahlgebiet nicht behindert werden.

8. Das Wahlgeheimnis wird gewährleistet.

9. Die Wahlzettel und ihre Umschläge sind für alle Wahlberechtigten gleich und dürfen mit keinen Merkmalen versehen sein, die die Person des Wählers erkennen lassen. Die Kennzeichnung des Wahlzettels durch den Wähler erfolgt in einem der Beobachtung durch andere Personen entzogenen Teil des Wahllokals. Vor den Augen des Wahlvorstandes legt der Wähler seinen Wahlzettel in einem Umschlag in die Wahlurne.

10. Ein Verzicht auf diese Vorschriften ist unzulässig. Jeder Verstoß macht den gesamten Wahlakt des Stimmbezirks ungültig.

11. Die Auszählung der Stimmen findet öffentlich durch den aus Vertretern verschiedener Parteien gebildeten Wahlvorstand statt. 12. Vorbereitung und Durchführung der Wahl stehen unter internationalem Schutz und internationaler Kontrolle.

13. Der Schutz ist in allen Teilen des Wahlgebietes gleichmäßig internationalen Kontrollorganen anvertraut. Die deutschen Behörden haben den Weisungen dieser Kontrollorgane Folge zu leisten.

14. Die Kontrollorgane gewährleisten die aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Rechte und Freiheiten der Bevölkerung. Jeder Deutsche hat das Recht, die Kontrollorgane anzurufen. Die Bundesregierung wird diese Wahlordnung nach Annahme durch den Deutschen Bundestag den Vereinten Nationen, den vier Besatzungsmächten und den sowjetzonalen Behörden zur Stellungnahme zuleiten. Sie wird dabei vorschlagen, daß die internationalen Kontrollorgane von Vertretern neutraler Mächte gebildet werden. Echte freie Wahlen sind aber nur möglich, wenn in der Sowjetzone tatsächliche Voraussetzungen für einen freien Ausdruck des Volkswillens gegeben sind. Bis heute sind die gesamten Verhältnisse in der Sowjetzone von jenem Zustand der Freiheit weit entfernt. Noch heute leiden Zehntausende unschuldiger Häftlinge in Zuchthäusern und Gefängnissen. Die Hunderte von Flüchtlingen, die unter Aufgabe von Hab und Gut täglich die Zonengrenze nach Westen überschreiten und in der Bundesrepublik Zuflucht suchen, sind ein erschütternder Beweis für die Rechtlosigkeit und die Unfreiheit in der Sowjetzone. Diese Menschen treibt die quälende Unsicherheit, die Angst vor dem Staatssicherheitsdienst, der Volkspolizei, dem Konzentrationslager und der Zwangsarbeit.

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Bereits zwei Tage später druckte das sowjetrussisch dirigierte Propagandablatt in der „Deutschen Demokratischen Republik“, die „Tägliche Rundschau“, nicht etwa den Text der Regierungserklärung als Diskussionsgrundlage einer freien Willensbildung, sondern natürlich eine typisch deutsche demokratische Antwort:

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Mit dieser faktischen Ablehnung der beiden Vorschläge der Volkskammer haben Adenauer und seine Spießgesellen einen hinterhältigen Vorschlag verbunden, der den Eindruck hervorrufen soll, daß auch sie für ein geeintes Deutschland sind. Aber schon ein flüchtiger Blick auf die Bedingungen, von denen die Durchführung von Wahlen abhängig gemacht wird, läßt erkennen, daß es sich hier nur um ein Manöver handelt, mit dem man die Massen betrügen möchte.

In der Resolution des Bundestages ist ferner vorgesehen, daß vor der Durchführung von Wahlen eine ›internationale neutrale Kommission unter der Kontrolle der Organisation der Vereinten Nationen‹ zu schaffen ist, die in der sowjetischen Zone sowohl wie in Westdeutschland untersuchen soll, wieweit die dortigen Verhältnisse die Durchführung freier Wahlen möglich machen. Diese Vorschläge sollen nach ihrer Annahme durch den Bundestag an die Organisation der Vereinten Nationen, an die vier Besatzungsmächte und an die Regierung der DDR weitergeleitet werden. Damit wird die Frage gesamtdeutscher Wahlen faktisch der Entscheidung und dem Ermessen der Westmächte überlassen. Dabei weiß alle Welt, daß die Hauptaufgabe der Westmächte, aus der sie kein Hehl machen, nicht die Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage ist, sondern im Gegenteil, die Einbeziehung Westdeutschlands in den aggressiven Nordatlantikblock, um einen Aggressionskrieg gegen die Sowjetunion und die volksdemokratischen Länder zu entfesseln.

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Quelle:

Archiv der Gegenwart. Deutschland 1949 bis 1999, Band 1, S. 565 ff.

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Kanonenfutter für einen Angriffskrieg

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13. August 2021: Bellarmin an Mephisto

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Am heutigen Tage vor 60 Jahren, einem Sonntag, wurde in Berlin der „antifaschistische Schutzwall“ errichtet, zunächst aus Stacheldraht. Doch sehr lehrreich ist zu wissen auch, was am heutigen Tage vor 70 Jahren in Berlin geschah. Seit dem 5. August 1951 tobte in Ostberlin ein monumentaler Propagandarummel, die sogenannten „III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“. Und exakt am selben Tag zehn Jahre vor dem Mauerbau, also am 13. August 1951, verlautbarte man dort voller sozialistischer Freude:

Laut Agentur TASS wurde von 4.145.839 jungen Deutschen eine Grußbotschaft an Generalissimus Stalin unterzeichnet, die folgenden Wortlaut hat:

„Teurer Josef Wissarionowitsch Stalin! Millionen junge Deutsche, von denen sich über eine Million vor den Augen der friedliebenden Jugend der Welt zum Treffen der jungen Friedenskämpfer Deutschlands gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951 in Berlin versammelt haben, entbieten Ihnen, dem großen Führer des weltumspannenden Friedenslagers, heiße Grüße. Anläßlich des ersten Jahrestages des Eintreffens Ihres wegweisenden Telegramms, in dem Sie der deutschen Jugend die große Aufgabe stellten, aktive Erbauer des einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschland zu sein, hat die Freie Deutsche Jugend in Vorbereitung der Dritten Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden ein Aufgebot zu Ehren des großen Stalin begonnen. Im Verlauf dieses Aufgebots haben Millionen junge Deutsche durch erhöhte Anstrengungen im Kampf um den Frieden ihre tiefe Liebe zu Ihnen, teurer Josef Wissarionowitsch Stalin, und damit zur großen sozialistischen Sowjetunion zum Ausdruck gebracht. Wir können Ihnen heute berichten, daß im Rahmen des Aufgebots das Ihren Namen trägt, 390.583 Jungen und Mädchen der Freien Deutschen Jugend und den Organisationen der jungen Pioniere beigetreten sind, so daß die Freie Deutsche Jugend und die jungen Pioniere heute in ihren Reihen 3.591.884 Jungen und Mädchen vereinigen. 1.056.998 Jugendliche haben im Rahmen des Aufgebots Ihr bedeutendes Werk ‚Über die Grundlagen des Leninismus‘ studiert und sich dadurch entscheidende Kenntnisse für ihren Kampf um den Frieden und die Errichtung eines einheitlichen, demokratischen Deutschland erarbeitet. In 121.882 Agitationsgruppen und 802.514 Einsätzen haben die Mitglieder der Freien Deutschen Jugend ihr erlerntes Wissen in der Praxis angewandt und dazu beigetragen, die Bevölkerung über die große Gefahr aufzuklären, die dem deutschen Volk durch die von den amerikanischen und deutschen Imperialisten betriebene Remilitarisierung Westdeutschlands droht. Die Jugend der volkseigenen Industrie und Landwirtschaft in der DDR erreichte durch die Anwendung der Arbeitsmethoden ihrer großen Vorbilder, der sowjetischen Produktionsneuerer, 6.209.195 Tage Planvorsprung und leistete damit im Rahmen des Aufgebots einen großen Beitrag für die Erfüllung des ersten Fünfjahrplans. Die Jugend Westdeutschlands führt Seite an Seite mit allen fortschrittlichen Kräften in Westdeutschland einen mutigen Kampf zur Verteidigung des Friedens gegen den amerikanischen Imperialismus und den wiedererstandenen deutschen Imperialismus. Ungeachtet des terroristischen Verbots der Freien Deutschen Jugend durch die revanchelüsterne Regierung der deutschen Imperialisten in Bonn gibt die fortschrittliche Jugend im Westen Deutschlands allen jungen Deutschen das Beispiel und Vorbild, wie der Kampf gegen die Absichten der McCloy, Adenauer und Schumacher geführt werden muß, die darauf abzielen, die deutsche Jugend als Kanonenfutter für einen Angriffskrieg gegen die friedliebenden Völker zu mißbrauchen. Der Ernst der Lage, der durch den Einmarsch der amerikanischen und englischen Interventionstruppen in Westdeutschland und die frechen Remilitarisierungsmaßnahmen der imperialistischen Kräfte geschaffen wurde, verpflichtet uns, noch stärkere Anstrengungen zu machen und die Kräfte zu vervielfachen, um die Kriegsgefahr zu bannen und den Frieden zu sichern. Deshalb geloben wir Ihnen am heutigen Tage, niemals nachzulassen im Kampf um den Frieden. Dabei leuchtet uns das Banner der stolzen Sowjetunion stets voran. Dabei sind wir uns des Vertrauens des großen Stalin gewiß, der uns lehrt, wie man entschlossen für die Sache des Volkes kämpft und siegt. Wir versprechen Ihnen, teurer Josef Wissarionowitsch Stalin, daß wir unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Vorhut des deutschen Volkes, unter Führung unseres geliebten Präsidenten Wilhelm Pieck bereit sind, den Frieden bis zum äußersten zu verteidigen. Dabei wird uns Ihr Telegramm auch in Zukunft Verpflichtung und Richtschnur unseres Handelns sein. Es lebe die unbesiegbare sozialistische Sowjetunion, die den Völkern im Kampf um den Frieden voranschreitet! Es lebe die feste Freundschaft zwischen dem deutschen Volk und dem Sowjetvolk! Lang lebe unser weiser Lehrmeister und Führer, unserer bester Freund, der große Stalin!“

Wohingegen ebenfalls am nämlichen Tage, dem 13. August 1951, das US-State Department eine Stellungnahme veröffentlichte zu den Weltjugend-Festspielen in Ostberlin, in der es laut Reuter hieß:

Obgleich die kulturellen Aspekte der Festspiele nachdrücklich hervorgehoben wurden, ist der Zweck des gigantischen Treffens eindeutig politischer Natur. Der Massen-Friedensmarsch vom Sonntag sollte den Eindruck vermitteln, daß der Kommunismus den Frieden symbolisiere und daß die vereinigte Kraft und der Idealismus der Weltjugend hinter ihm stehe. Die Veranstalter der Festspiele, die Freie Deutsche Jugend und ihre Jungpioniere, stellen die einzige Jugendorganisation dar, welche in Ostdeutschland zugelassen ist. Der von den Regisseuren der Festspiele hervorgerufene Eindruck, diese Veranstaltung finde in ganz Berlin statt, ist falsch. Nicht nur beschränken sich die Festspiele auf den Sowjetsektor, sondern die Sowjetbehörden haben auch die Grenzpatrouillen weitgehend verstärkt, um die Besucher davon abzuhalten, in das freie Westberlin hinüberzuströmen. Vollkommen falsch ist die Behauptung der Ostzonen-Propaganda, die ausländischen Delegationen repräsentierten die Weltjugend. Von den Delegationen aus kommunistisch beherrschten Ländern abgesehen, vertreten die ausländischen Besucher nur verhältnismäßig kleine kommunistische Organisationen in den freien Ländern. Die Knaben und Mädchen, welche der Freien deutschen Jugend angehören, verfügen sozusagen über alles, was auf die Jugend wirkt ausgenommen über die Freiheit, über Entscheidungen zu treffen und aus ihren eigenen Fehlern zu lernen. Ihr Leben ist so geschäftig und erregend daß es zweifelhaft erscheint, ob sich die große Mehrheit überhaupt bewußt ist daß ihr diese besondere Art von Freiheit fehlt.

Und noch ein drittes Beispiel von Verlautbarungen desselben Tages zehn Jahre vor dem Bau der Berliner Mauer:

Der regierende Bürgermeister von Westberlin, Ernst Reuter, erklärte laut Die Welt in einer Rundfunkansprache, daß die kommunistischen Weltjugend- Festspiele zu einem Erfolg für die freie Welt geworden seien. Trotz aller Absperrmaßnahmen der Volkspolizei hatten bisher mindestens 250.000 Mitglieder der FDJ die Berliner Westsektoren besucht. Man möge diese jungen Menschen davon überzeugen daß die Deutschen, die vom sowjetischen Joch frei sind bereit und willens seien, die deutsche Einheit wiederherzustellen. Man müsse den jugendlichen Besuchern auch zeigen daß die freie Welt viel stärker ist, als man drüben ahne und als man es gelegentlich in kleinmütigen Stunden glaube.

Während der Weltfestspiele der „friedliebenden Jugend“, am 11. August 1951, ward laut Tägliche Rundschau vom Präsidium der „Nationalen Front des demokratischen Deutschland“ in der „DDR“ eine außerordentliche Pressekonferenz veranstaltet, in der durch den Vorsitzenden des Präsidiums, Dr. Erich Correns, ein vom Nationalrat der Nationalen Front herausgegebenes „Weißbuch über die amerikanisch-englische Interventionspolitik in Westdeutschland und das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus“ vorgelegt und erläutert wurde.

Jenes Weißbuch gliederte sich in folgende sechs Kapitel:

1. Um den Krieg vorzubereiten, wurde Deutschland gespalten.

2. Der kriegslüsterne deutsche Imperialismus – Hauptverbündeter des amerikanischen Imperialismus.

3. Wirtschaftspotential und Kriegswirtschaft Westdeutschlands.

4. Der Bonner Westzonenstaat – made in USA.

5. Westdeutschland als Rekrutierungsgebiet, Truppenübungsplatz und Aufmarschgelände des amerikanischen Krieges.

6. Das deutsche Volk kämpft für seine nationale Einheit und gegen den Krieg.

Correns sagte dazu u.a.: „Im militärischen Plan der amerikanischen Atombombenstrategen ist Westdeutschland eine erstrangige Bedeutung zugedacht. Es ist Rekrutierungsgebiet, Truppenübungsplatz und Aufmarschgelände des amerikanischen Krieges. Außer dem bedeutenden kriegswirtschaftlichen Potential Westdeutschland ist es vor allem sein Menschenreservoir, das die Wallstreetstrategen in den Dienst ihrer militärischen Operationspläne gegen die Sowjetunion, die Deutsche Demokratische Republik und die volksdemokratischen Länder stellen sollen. …“

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Sämtliche Angaben und Zitate aus Archiv der Gegenwart Bd. 1, S. 537 ff.

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