Ich weiß, Du brauchst das! Denn Leonard Cohen ist tot, und Du bist traurig… Inspiriert aus der Freude über das uralte, aber heute noch verzaubernde Kinderbilderbuch „Martine à la foire“ von Gilbert Delahaye und Marcel Marlier habe ich ein bißchen französische Prosa verwandelt in deutsche Verse und schicke sie Dir heute zu Deiner Aufheiterung und Ermutigung und zur Erhellung des traurigen Monats November.
Das Photo
Nur einmal im Jahr auf dem Marktplatz
Ist Jahrmarkt in der Stadt.
Die Laster kommen, Vorsicht!
Die roll’n sonst alles platt!
Sind vollgeladen mit Wundern,
Maschinen aller Art,
Flugzeuge, Autos, Schaukeln,
Die werden angekarrt.
Und endlich ist es Sonntag,
Der schönste Tag im Jahr,
Da schlendern auf den Rummel
In muntrer Dreierschar
Jocelyne und Jeannot, ihr Bruder,
Und Patapouf, der Hund,
Sie staunen und sie freu’n sich,
Was ist die Welt heut bunt!
Das Karussell dreht Kreise,
Man reitet auf dem Pferd,
Das Pferd geht hoch und runter,
Wie es das Herz begehrt.
Die Pferdchen hier sind Schimmel
Und ihr Geschirr glänzt neu,
Jocelyne und Jeannot reiten
Und rufen Hü und Hoy.
Dazwischen flitzen Schweinchen
Mit stolzem Ringelschwanz,
Die woll’n die Entlein fangen,
Doch schaffen sie’s nicht ganz.
Wart ihr schon auf der Schaukel?
Leicht wie ein Schmetterling
Fühlt sich Jocelyne im Schwunge,
Wenn aufwärts steigt das Ding.
Doch Patapouf beim Schaukeln,
Der fühlt sich wie im Suff,
Kriegt Angst davonzufliegen,
Der arme Patapouf!
Und jedermann muß lachen
Im Spiegelkabinett,
Wo Kinder nichts bezahlen,
Ist das nicht wirklich nett?
Der Patapouf im Spiegel
Ist dick wie ein Ballon.
Man meint, er werde platzen
Im Spiegelpavillon.
Und dann Monsieur Roberto,
Der zaubert resolut
Drei kleine weiße Mäuse
Aus dem Zylinderhut.
„Ja, treten Sie nur näher
Dem Schauspiel aufmerksam,
Sie brauchen nichts zu fürchten,
Die Mäuschen sind ganz zahm!
Doch Mademoiselle, o bitte,
Halten Sie fest den Hund!
Gewiß ist seine Schnauze
Für Mäuse ungesund.“
Danach entlang der Buden
Spazieren alle drei.
Oho! Was riecht das lecker
Nach Zuckerbäckerei!
Hier bäckt die Apfelkuchen
Monsieur Montélimar,
Er röstet süße Mandeln,
Die schmecken jedes Jahr.
„Mögen Sie Nougat kaufen,
Nougat Montélimar?
Er ist besonders köstlich
In meinem Repertoire!“
„Geben Sie mir vom Kuchen“,
Antwortet ihm Jocelyne,
„Und auch die Zuckerwatte
Trägt meine Sympathien!“
„Kennen Sie schon das Wurfspiel,
Mademoiselle Jocelyne?“
Fragt man ein wenig später,
Als die drei weiterziehn.
„Sie kriegen hier sechs Bälle
Aus meinem runden Topf,
Die werfen Sie den Figuren
An ihren Wackelkopf.
Da, für den Clown den einen,
Den andern für Pierrot,
Am Kopf, da müssen Sie treffen,
Und nicht am Paletot!“
„Mein Freund, Sie wollen schießen
Mit einem Schießgewehr?“
Dies fragt Jeannot der Cowboy.
„Das Zielen ist nicht schwer!
Sie können Glasvögel schießen,
Und dort den hüpfenden Ball,
Und selbst die Meerschaumpfeifen
Mit Piff und Paff und Knall.
Hier ist mein Karabiner,
Sie zielen … eins, zwei, drei,
Hurra, Sie haben geswonnen,
Der Schuß sitzt einwandfrei!“
Was fährt es sich schön mit dem Auto!
Jocelyne tritt ins Pedal,
Jocelyne dreht auch am Lenkrad,
Schon fährt’s sich ganz normal!
„Bau bitte keinen Unfall!“
„Was fahren wir wie schnell?“
„Der Zähler zeigt zehn Kilometer
Und fünf Liter Sprit aktuell.“
Noch nie sind im Flugzeug geflogen
Jocelyne und ihr tapferer Hund,
Doch leicht fliegt man auf dem Jahrmarkt
Hoch über dem Erdenrund!
Und wär‘ er ein Junge gewesen,
Wär Patapouf Pilot
Im späteren Leben geworden.
Dann flög‘ er ins Abendrot
Und bis zu den Sternen dort oben
Und über den Ozean
Und weiter noch und weiter,
Wohl rund um den Meridian
Hätt‘ er versucht zu entdecken
Am ganzen Himmelsgebiet,
Wo sich die Sterne verstecken,
Wenn keiner sie mehr sieht.
„Jocelyne, hier können Sie kaufen
Ein Los meiner Lotterie.“
Das Rad beginnt sich zu drehen,
Die Losnummer acht hat sie…
Und hat sie was gewonnen?
Sogar das Paradestück,
Den großen Elefanten,
Jocelyne, die hat heut Glück!
Doch das ist ihr widerfahren
Dann in der Menagerie:
Sie kam mit einer Banane,
Die reichte dem Affen sie,
Und der hat fortgerissen
Jocelynes roten Hut,
Den stülpt er sich auf den Schädel
Aus Lust und Übermut.
Was ist der kleine Affe
Nicht drollig anzuschaun!
Man sagt, daß ihn dressierte
Dereinst ein Zirkusclown.
Es steht auf diesem Rummel,
Dies Jahr sensationell,
Mit Autobus und Panzer
Ein neues Karussell.
Mit all diesen Vehikeln
Mag fahren, wer da fahr,
Die Scooter aber sind herrlich,
Sind schön und wunderbar!
Es ist Jocelyne, die steuert,
Jeannot sitzt hinter ihr,
Und Patapouf, wo ist er?
Wo steckt das Hundetier?
„Der Patapouf, da sitzt er,
Hast du denn nicht gesehn
Am Lenker des zweiten Scooters
Ihn lächeln souverän!?“
Dann lauscht man Musikanten
Am städtischen Pavillon,
Bis plötzlich eine Frau fragt:
„Wer will einen Luftballon?“
„Ich!“ ruft Jocelyne vor Freude.
„Und welchen wünschen Sie?“
„Den roten, den blauen, den grünen!“
„Hier Mademoiselle!“ „Merci.“
„Doch geben Sie gut Obacht,
Und kriegen Sie keinen Schreck,
Weil die Ballons so leicht sind –
Sonst fliegen Sie Ihnen weg!“
Daneben war zu sehen
Wie voller Nonchalance
Jeannot hat angebunden
Dem Hund an seinen Schwanz
Von den Ballons den dicksten,
Und Patapouf, leger,
Freut sich nun auf den Heimweg:
Sein Schwanz wiegt halb so schwer!
Bevor sie den Jahrmarkt verlassen
Will man eine Photographie,
Weshalb der Photograph sagt:
„Herrschaften! Lächeln Sie!
„Und meine Damen und Herren,
Ich bitte Sie ebenso sehr,
Selbst wenn es Sie wo juckte,
Wackeln Sie jetzt nicht mehr!
Und Patapouf besonders
Bitt‘ ich zu dieser Stund‘
Samt Ihrem Ballon am Schwanze:
Sein Sie ein vornehmer Hund!“
Da ist das Photo schon fertig
Beim ersten Sternenschein,
Es wird in kommenden Zeiten
Ein kostbares Andenken sein…
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