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Samstag, 10. September 2022: Bellarmin an Mephisto
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„Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.“
Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie
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Die allgemein zitierte Kurzform hierfür lautet unter Marxisten: „Das Sein bestimmt das Bewußtsein.“
Mit dem daraus als Filetstück des Marxismus abgeleiteten dialektischen „Grundwiderspruch“ des „Historischen Materialismus“, der die Entwicklung der Menschheit bestimmend von der „Sklavenhaltergesellschaft“ über die Jahrtausende zur Paradiesverheißung des Kommunismus führe: Der Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen.
Gemäß jener marxistischen Irrlehre, die beispielsweise an sämtlichen Universitäten und Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik in dem unumgänglichen Pflichtfach „Marxismus / Leninismus“ gelehrt wurde als „einzig wissenschaftliche Weltanschauung“ inklusive erstplazierter Prüfungszensur aller Hochschulabschlußexamina, gemäß jener marxistischen Irrlehre sollte demnach naturgesetzlich im entwickeltesten kapitalistischen Land das „Sein“, nämlich die Produktivkräfte, das „Bewußtsein“, nämlich die gesellschaftlich zurückgebliebenen Produktionsverhältnisse, den gesellschaftlichen Überbau, sprengen und infolge einer proletarischen Revolution hinwegfegen.
In Wahrheit und vollkommen uninterpretiert von den sich im Ostblock tummelnden marxistisch-leninistischen „Gesellschaftswissenschaftlern“ und ihren Lehren war exakt das Gegenteil passiert: Im unterentwickelten, weitgehend agrarisch produzierenden Rußland putschte sich heimtückisch eine Clique von „Berufsrevolutionären“ an die Macht und verwandelte kraft des humanitär skrupellosen Bewußtseins ihrer marxistischen Religion, nämlich der unantastbaren Dogmen ihres unfehlbaren Gottvaters Marx, zwangsweise, nämlich durch historisch beispiellosen gesellschaftlichen Terror, nicht nur das gesellschaftliche Sein Rußlands: Ein Gespenst ging hinfort um in der Welt – das Gespenst des Kommunismus.
Mit den Merkmalen:
- Erschießung Zehntausender von Geiseln oder ohne Urteil Eingekerkerten und Massaker an Hunderttausenden revoltierender Arbeiter und Bauern zwischen 1918 und 1922
- Hungersnot von 1922, die den Tod von fünf Millionen Menschen verursachte
- Liquidierung und Deportation der Donkosaken 1920
- Ermordung Zehntausender in den Konzentrationslagern zwischen 1918 und 1930
- Liquidierung von annähernd 690 000 Menschen während der Großen Säuberung 1937/38
- Deportation von zwei Millionen Kulaken (bzw. Menschen, die als solche bezeichnet wurden) 1930 bis 1932
- Vernichtung von sechs Millionen Ukrainern durch die absichtlich hervorgerufene und nicht gelinderte Hungersnot von 1932/33
- Deportation hunderttausender Polen, Ukrainer, Balten, Moldauer, Bessarabier 1939 bis 1941 und nochmals 1944/45
- Deportation der Wolgadeutschen 1941
- Verbannung der Krimtataren 1943
- Verbannung der Tschetschenen 1944
- Verbannung der Inguschen 1944
- Deportation/Liquidierung der städtischen Bevölkerung Kambodschas zwischen 1975 und 1978
- allmähliche Vernichtung der Tibeter durch die Chinesen seit 1950 usw.
(Stéphane Courtois, Nicolas Werth, Jean-Louis Panné, Andrzej Paczkowski, Karel Bartosek, Jean-Louis Margolin: Das Schwarzbuch des Kommunismus)
Und mit einer vorsichtig geschätzten Gesamtbilanz an Opfern:
- Sowjetunion: 20 Millionen Tote
- China: 65 Millionen Tote
- Vietnam: 1 Million Tote
- Nordkorea: 2 Millionen Tote
- Kambodscha: 2 Millionen Tote
- Osteuropa: 1 Millionen Tote
- Lateinamerika: 150 000 Tote
- Afrika: 1,7 Millionen Tote
- Afghanistan: 1,5 Millionen Tote
- kommunistische Internationale und nicht an der Macht befindliche kommunistische Parteien: etwa 10 000 Tote
(ebenda)
In dem seinerzeit industriell am weitesten entwickelten Land, in dem laut marxistischer Gesellschaftstheorie der „einzig wissenschaftlichen Weltanschauung“ durch eine „Epoche sozialer Revolution“ „der ganze ungeheure Überbau“ mit seinen kapitalistischen Eigentumsverhältnissen hätte naturgesetzlich umgewälzt werden müssen, ist diesen Donnerstag nach siebzigjähriger Regentschaft die Königin gestorben, und ihr Nachfolger wurde heute nach jahrhundertaltem Ritus offiziell inthronisiert.
In Deutschland, an der Berliner Humboldt-Universität, an der vor wenigen Wochen erst der Vortrag einer Biologin mit der Binsenweisheit, daß es wissenschaftlich erwiesen in der Natur nur zwei Geschlechter gebe, abgesagt wurde aus ideologischen Gründen, an der Berliner Humboldt-Universität also mit ihrem einstigen Lehrstuhl für Marxismus-Leninismus prangt in der Eingangshalle an der Wand noch immer demagogisch der Spruch mit dem marxistischen Schwachsinn:
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“
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