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17. Dezember 2022: Bellarmin an Mephisto
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Mittwoch, 7. Dezember 2022, Deutschlandfunk:
Nach dem Vorgehen der Behörden gegen Akteure im Reichsbürgermilieu gibt es Kritik an der Art der Beteiligung von Journalisten. Die Bundestagsabgeordnete Renner (Die Linke) schrieb bei Twitter, die Razzia sei seit mindestens einer Woche ein offenes Geheimnis gewesen.
Wenn ein Ministerium oder eine Behörde dafür sorge, dass sogar die Adressen bei der Presse bekannt seien, sei es schwer vorstellbar, dass niemand der Durchsuchten Bescheid gewusst habe. Ein solches Verfahren gefährde den Erfolg der Ermittlungen und die Sicherheit der eingesetzten Beamtinnen und Beamten, betonte Renner.
Der Mainzer Journalistik-Professor Tanjev Schultz sagte dem Deutschlandfunk, er halte die Weitergabe von vertraulichen Informationen durch investigative Journalisten für abwegig. Eine „Kooperation“ mit den Behörden gebe es nicht, sagt die Investigativ-Journalistin Katja Riedel, ebenfalls im Deutschlandfunk. Sie habe schon vor Monaten mit Recherchen zu dem Thema begonnen. Dazu habe sie keine Informationen von Behörden benötigt.
Auch von der AfD kommt Kritik an den Medien, allerdings geht sie in eine ganz andere Richtung: Die prominente Berichterstattung über die Razzia sei ein Ablenkungsmanöver, etwa um die Gewalttat an zwei Mädchen in Illerkirchberg bei Ulm zu vertuschen. Eines der Opfer starb nach dem Angriff. Als tatverdächtig gilt ein Asylbewerber. Der AfD-Politiker Laatsch aus dem Berliner Abgeordnetenhaus schreibt bei Twitter: „Klar auch, dass die Medien Illerkirchberg klein kochen und hier irgendetwas Strafbewährtes inszenieren“. Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron twitterte von Bemühungen, eine Gefahr von Rechts „herbeizufabulieren“.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, Deutschlandfunk:
Nach dem Vorgehen der Behörden gegen Akteure im Reichsbürgermilieu wird über die Rolle der Medien während der Razzia debattiert.
Der Rechtswissenschaftler Mark Zöller von der LMU München sagte im Deutschlandfunk, es sei ungewöhnlich, dass vorab über Ermittlungsmaßnahmen informiert werde. Dabei hätten Menschen zu Schaden kommen können. Im konkreten Fall handle es sich um eine Klientel, die nicht nur waffenaffin, sondern auch waffenerfahren sei. Zudem sei es generell unzulässig, im Livefernsehen von Razzien zu berichten, da die Unschuldsvermutung gelte. Eine Ausstrahlung lasse sich nicht rückgängig machen. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Renner sagte dem Sender „NTV“, die Informationen über die Razzia seien derart breit gestreut gewesen, dass es wie eine PR-Aktion wirke.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:
Trotz der monströsen Absichten der Gruppe um ‚Heinrich XIII P.R.‘ sollte man die Kirche im Dorf lassen. Für einen Erfolg fehlte den Verschwörern jegliche Grundlage. Motiv und Rechtfertigung ihrer Pläne sind Hirngespinste, hängen in der Luft und sind Ausgeburten verirrter ideologischer Gesinnung. Weder im Militär noch in der Polizei, auch nicht in der Bevölkerung gibt es Sympathien für diesen gewaltbereiten Hass auf die Demokratie.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, STUTTGARTER NACHRICHTEN:
Ein abgehalfterter Prinz, einsamer Vertreter eines Geschlechts, das nie überregionale Bedeutung hatte, sollte neues deutsches Staatsoberhaupt werden. Das hört sich mehr nach Räuberpistole denn nach Umsturz an. Es ist Vorsicht geboten nach dem gigantischen Einsatz mit mehr als 3000 Polizisten: Denn es wäre nicht das erste Mal, dass Ermittlungen gegen die ‚Reichsbürger‘-Verschwörer schlampig geführt und zu wenig Beweise zusammentragen wurden. Dann jagen sie mit immensem Aufwand nur ein paar armseligen Spinnern mit kruden Ideen hinterher.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, TAKVIM:
So eine Aktion mit 3.000 Polizisten an verschiedenen Orten gab es in Deutschland noch nie. Welche Notwendigkeit gab es dazu? Die Sicherheitskräfte gingen gegen die ‚Reichsbürger‘ vor, eine rechtsextreme Gruppe. Unter ihnen auch ein Adeliger: Prinz Heinrich XIII. soll ihr Anführer sein. Nach Ansicht der Behörden hat die Gruppe gemerkt, dass sie ihr Ziel nur auf militärischem Weg und mit Gewalt erreichen kann. Prinz Heinrich soll auch Kontakte zu Russen gehabt haben.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, PRAVDA:
Das Internet hilft zwar Desinformation und Verschwörungstheorien zu verbreiten und streut den Samen aus, der dann aufgeht, ist dafür aber nur ein Mittel. Der eigentliche Nährboden ist die ideelle Auszehrung. Europa hat seinen Ethos verloren. Wirtschaftlich sind die EU-Länder zwar miteinander verbunden, aber die Vereinigung der Bürger ist in eine Sackgasse geraten. In der Politik sind nur Durchschnittliche ohne Charisma und Ideen willkommen, die lauwarme Kompromisslösungen anbieten. Wundern wir uns nicht, dass geistig ausgehungerte Menschen nach allem Möglichen greifen.
Donnerstag, 8. Dezember 2022, RZECZPOSPOLITA:
War die ganze Operation nicht übertrieben? Niemand weiß, wann die Bedrohung des Staates durch Menschen, die ihre Bereitschaft erklären, Terror zu säen, ernst wird. Es müssen nicht viele sein, am Anfang waren auch die Bolschewiki, die Nazis oder die Dschihadisten eine kleine Gruppe – die Macher von al-Qaida passten einst in eine kleine Höhle.
Freitag, 9. Dezember 2022, Deutschlandfunk:
Der SPD-Innenpolitiker Fiedler hält die derzeitige Gefahr durch Rechtsterrorismus in Deutschland für bedrohlicher als jene, die einst von der linksextremistischen RAF ausgegangen ist.
Der Unterschied zur RAF sei, dass nun eine Form des Terrorismus aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden sei, sagte der Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk mit Blick auf die Groß-Razzia in der Reichsbürgerszene. Es werde versucht, Menschen aus Institutionen anzuwerben, die das Gewaltmonopol in Deutschland verkörperten, betonte der ehemalige Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter. An der Bedrohungslage ändere dies aber nichts.
Der frühere Bundesinnenminister Schily, ebenfalls von der SPD, indes hatte davor gewarnt, die Bedrohung durch die nun aufgeflogene Reichsbürger-Gruppe überzubewerten. Sein subjektiver Eindruck sei, dass diese – Zitat – „eher skurrile Spinner-Truppe“ keine reale Bedrohung für Staat und Gesellschaft darstellt, sagte der 90-Jährige der Zeitung „Die Welt“. Dass sich in Deutschland Putschisten zusammenschlössen, die auf einen Staatsstreich hinarbeiteten, sei zwar ein neues Kriminalitätsphänomen, sollte aber nicht überbewertet werden.
Freitag, 9. Dezember 2022, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:
Natürlich ist das Teil des professionellen Spiels: Journalisten sind auf Informationen angewiesen, und ihre Aufgabe ist es, zu zeigen, was passiert. Aber das Vorgehen der Behörden wirft Fragen auf. Viele Redaktionen wussten seit mehreren Tagen von den als geheim eingestuften Razzien. Namen, Adressen und Zeitpunkte der Zugriffe wurden weitergegeben. Das bringt Probleme mit sich. Die Linkenpolitikerin Martina Renner sprach von einer ‚PR-Aktion‘ der Behörden.
Freitag, 9. Dezember 2022, TAGESSPIEGEL:
Selten jedoch ist ein derart großer Personenkreis vorab eingeweiht. Und das zum Teil schon schon mindestens eine Woche vorher, wie der Tagesspiegel erfuhr. Angesichts der gefährlichen Umsturz-Pläne des Netzwerks kann man das nur als unverantwortlich bezeichnen.
Freitag, 9. Dezember 2022, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:
Noch nie dürfte ein ’sehr gefährlicher‘ Anti-Terror-Einsatz medial derart breit orchestriert gewesen sein. Er wurde zum Live-Event. Ganz offensichtlich kam es den ermittelnden Behörden ebenso wie den begleitenden Medien auf starke Bilder und deren volkspädagogische Wirkung an.
Samstag, 10. Dezember 2022, NEATKARIGA RITA AVIZE:
Die liberalen deutschen Medien haben versucht, die Reichsbürger zu dämonisieren, indem sie sie zu einer terroristischen Gruppe erklären, die gefährlicher ist als islamistische Radikale. Doch das ist nur ein weiteres Tribut an die politische Korrektheit. Alte Männer mit Jagdgewehren bedrohen Deutschland nicht annähernd so sehr wie muslimische Kämpfer, die im Krieg in Afghanistan, im Irak und in Syrien waren. Doch sie sind viel einfacher zu handhaben, weil diese Leute ihren Unmut über das bestehenden System ganz offen zum Ausdruck bringen. Natürlich stellen sie eine gewisse Bedrohung für ihre Mitmenschen dar. Aber dass diese Gruppe in einem Land wie dem heutigen Deutschland einen Putsch durchführen kann – sorry, aber das ist unglaubwürdig.
Samstag, 10. Dezember 2022, Bild:
Bundeswehr- Obersta. D. Maximilian Eder soll zum Militärischen Arm der aufgeflogenen Terror-Bande gehören, die die Regierung stürzten wollte. Wurde er vor der Razzia gewarnt? Der Verdächtige soll bereits Tage vor den Razzien von den Plänen gewusst haben, berichtet das ZDF. Eine Nachbarin des Oberst a. D. sei nach ihren Angaben von ihm gewarnt worden. „Er hat mich Mitte vergangener Woche aus Split in Kroatien angerufen“, sagte die Frau. „Er wollte mich vor einer Polizeidurchsuchung bei ihm warnen – vermutlich, damit ich mich nicht erschrecke.“
Dienstag, 13. Dezember 2022, PFORZHEIMER ZEITUNG:
Die gefühlte Schieflage entsteht, weil der Rechtsstaat offensichtlich nicht immer mit derselben Entschlossenheit tätig wird. Nach Illerkirchberg waren vor allem Mahnungen zu vernehmen, nicht alle Asylbewerber unter Generalverdacht zu stellen. Was richtig ist. Zugleich wird ein leichterer Zugang zum deutschen Pass geplant, aber wenig getan, um jene, die kein Bleiberecht haben und kriminell werden, schneller abschieben zu können. So entstehen Wut und Zweifel am Rechtsstaat. Und wohin das schlimmstenfalls führen kann, hat man in der vergangenen Woche gesehen.
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