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Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Toleranz

Die Demaskierung der allbekannten Toleranten

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Montag, 13. Mai 2024: Bellarmin an Mephisto

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Montag, 13. Mai 2024, Bild:

Draußen vor der Gesangs-Arena tobte ein antisemitischer Mob – Klima-Greta mittendrin. Und Israels junge Teilnehmerin musste von der Polizei beschützt werden, konnte ihr Hotel nur für den Auftritt verlassen, wurde von anderen Künstlern tagelang gemobbt. Dabei gibt sich die ESC-Gemeinschaft gerne bunt, tolerant und vielfältig. Jetzt stellten sich viele gegen das einzige Land im Nahen Osten, in dem diese Vielfalt nicht lebensgefährlich ist. Verharmlosten die islamistische Hamas, die mit den meisten hier kurzen Prozess machen würde.

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Montag, 13. Mai 2024, KÖLNER STADT-ANZEIGER:

Es ist unfassbar, dass eine jüdische Sängerin wie Eden Golan sich mitten in Europa Pfiffe und Buhrufe in der ESC-Arena anhören muss, bloß weil sie Israelin ist.

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Montag, 13. Mai 2024, LAUSITZER RUNDSCHAU:

In diesem Jahr erhielt kein anderes Land vom Fernsehpublikum häufiger die Höchstpunktzahl als Israel.

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Montag, 13. Mai 2024, DAGBLADET:

Die israelische Künstlerin Eden Golan war die ganze Zeit in ihrem Hotelzimmer eingesperrt und konnte nur unter wahnwitzigem Sicherheitsaufgebot zur Arena gebracht werden. Ihr Song ‚Hurricane‘ war stark und hätte normalerweise den Sprung an die Spitze geschafft. Aber es ist ein unmögliches Dilemma, wenn die Jury entscheiden muss, ob sie für den besten Song oder taktisch und politisch stimmt, um einen totalen Kollaps zu verhindern.

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Montag, 13. Mai 2024, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

Der ESC-Slogan ‚United By Music‘ – vereint durch Musik – fand bereits 2023 in Liverpool Verwendung und ist nach einem Jahr genauso nichtssagend als wie zuvor.

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Montag, 13. Mai 2024, STANDARD:

Es geht um das beim Song Contest längst pflichtschuldige Eintreten für die LGBTIQA+-Community, für Toleranz und Gemeinschaft – und natürlich geht es um den Weltfrieden. Darüber ist in der Popmusik immer schon gesungen worden. Dass man es heute als vordringliches Verkaufsargument verwendet, ist ein wenig gar berechnend gedacht.

Entwahnung

 

8. Januar 2021: Serapion an Mephisto

 

‚Wahrheit‘ definieren wir mit Aristoteles als die Eigenschaft einer Aussage, die sagt, was ist. ‚Gewißheit‘, ‚Sicherheit‘, ‚Evidenz‘ bezeichnen psychische Zustände, in denen es einem Menschen mehr oder weniger unmöglich ist, eine bestimmte Überzeugung sinnvoll zu bezweifeln. Ganz offensichtlich haben diese beiden Eigenschaften (einmal einer Aussage, das andere Mal einer psychischen Befindlichkeit) kaum etwas miteinander zu tun. Entsprechend unterscheiden wir ‚Realität‘ als das von der Menge aller möglichen Aussagen Bezeichnete von ‚Wirklichkeit‘ als der Menge der individuellen oder kollektiven Überzeugungen, an denen ein Mensch, eine Gruppe oder eine Gesellschaft nicht sinnvoll zweifeln kann, ohne sich selbst radikal infrage zu stellen. Solches radikale Infragestellen wird über psychische und soziale Mechanismen zumeist sehr wirkungsvoll verhindert. So darf es uns auch nicht wundern, daß Sokrates wegen Gottlosigkeit (denn alle Theologie scheint auf der Gleichsetzung zu beruhen: ‚Was gewiß ist, ist auch wahr‘, kann sie doch ’nur‘ Gewißheiten vermitteln) und Verführung der Jugend (denn auch die Politik folgt dem gleichen Muster wie die Theologie) zum Tode verurteilt wurde. Bis zum heutigen Tage tun übrigens viele für Religion wie für Politik Verantwortliche fast alles, um diesen Unterschied zwischen Wahrheit und Gewißheit nicht ins allgemeine Bewußtsein dringen zu lassen. Besteht doch gerade das Wesen des Vorurteils darin, daß Menschen ihre Selbstverständlichkeiten als Wahrheiten behaupten. Angewandte Politik und Verkündung eines religiösen Glaubens ist aber zumeist nichts anderes als der Versuch, eigene Gewißheiten auf andere zu übertragen. Das aber funktioniert nur begrenzt bei kritischen Menschen, die die sokratische Unterscheidung (übrigens der Grund aller Weisheit und jeder Toleranz) in praxi zur Kenntnis genommen haben – und danach ihr Entscheiden und Handeln einrichten.

So nimmt es denn nicht Wunder, daß die Geschichte der europäischen Philosophie als Geschichte der Versuche beschrieben werden kann, das sokratische Ärgernis aus der Welt zu schaffen.

 

Rupert Lay Dialektik für Manager