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Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Zigeunerschnitzel

Was gefährdet die Demokratie in Deutschland?

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Samstag, 24. Juni 2023: Bellarmin an Mephisto

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Nun hat in der zurückliegenden, von primitivsten Clan-Kämpfen gezeichneten Woche die fünffache Olympiasiegerin Claudia Pechstein eine Rede gehalten beim CDU-Konvent, wobei sie sich als Frau vom Fach, nämlich als Polizistin, aus irgendeinem Grund dafür aussprach, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben.

Weil es für mehr Sicherheit im Alltag sorge.

Und sie als Frau vom Fach, nämlich als Polizistin, meinte aus irgendeinem Grund, daß es Frauen und Ältere belaste, „ängstliche Blicke nach links und rechts werfen zu müssen“ in Bus und Bahn.

Und daß Kinder eine traditionelle Familie mit Mama und Papa wollten.

Und daß derartige Alltagsprobleme wichtiger seien, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“.

Das sagte sie aus irgendeinem Grund, wobei ich vermute, es war ihr wichtig.

Mit der Folge, in der 19-Uhr-heute-Sendung des ZDF wurde bemerkenswerterweise ein anderer Redeausschnitt gebracht. Und in der 20-Uhr-Tagesschau wurde von alldem überhaupt nichts erwähnt.

Mit der Folge, daß am Folgetag in den öffentlich-rechtlichen Medien man ausgiebig Leute zu Wort kommen ließ, mit ihren Einlassungen über Claudia Pechstein sich auslassend.

Daß die Polizistin in Uniform gesprochen habe.

Und der eine empörte sich darüber und die andere empörte sich. Und diesen ließ man sprechen und jene ließ man sprechen. Nebst demjenigen und derjenigen. Von morgens bis abends. Über das Uniformtragen der Polizistin bei ihrer Rede auf dem CDU-Konvent.

Über den Inhalt der Rede wurde dabei nicht gesprochen. Auch wurde nicht das geringste Satzfetzchen mehr daraus zitiert.

Geschweige denn ein zusammenhängender Absatz.

Zufälligerweise wurde das vergessen.

Und auch der jedem Journalistenden angesichts der Geschehnisse berufselementare Reflex, die Frau, über die doch nun all die Leute mit der richtigen Meinung schimpften, die Beschimpfte selbst einzuladen für ein ausführliches Interview, daß sie sich selber äußern könne zu den Anwürfen, und daß man sie doch auch befrage zum wichtigsten dabei, nämlich zum Inhaltlichen ihrer Rede, und daß sie sich erklären könne – jener elementare Reflex blieb tote Hose.

Wie sich die Bilder gleichen!

Beispielsweise wie vor zwei Jahren, Du erinnerst Dich, als der Vorgänger des jetzigen Chefs unseres Verfassungsschutzes, der gewiß kein Dummer sein kann, der Vorgänger des jetzigen Chefs unseres Verfassungsschutzes, als also der Vorgänger für die CDU im Bundestagswahlkampf in Thüringen antrat.

Da meldete am Montag, dem 3. Mai 2021, der Deutschlandfunk nachrichtlich zum „internationalen Tag der Pressefreiheit“:

In der EU stehen einige Mitgliedsstaaten in der Kritik, weil sie in den vergangenen Jahren die Medienfreiheit eingeschränkt haben. Die EU-Kommission hatte im März ausdrücklich Ungarn, Polen und Slowenien in dieser Frage kritisiert.

O das tat gut! Vor Augen geführt zu bekommen, wie schön es doch ist, zu leben in einem Lande, in dem die Pressefreiheit unbeschnitten ist im Gegensatz zu Ungarn, Polen und Slowenien oder gar zur Türkei mit ihrem gesetzlich geschützten Türkentum. Wenn es unter uns Pastorentöchtern bleibt (sonst möchten mich die Leute wohl für eitel halten): Mir war die Pressefreiheit sogar schon einen ganzen Tag früher aufgefallen als dem Deutschlandfunk!

Tatsächlich!

Nämlich als der nämliche Sender meldete am Sonntag, dem 2. Mai 2021 über den Vorgänger des jetzigen Chefs des Verfassungsschutzes:

Hans-Georg Maaßen (CDU), der wegen seiner Haltung unter anderem zur
Flüchtlingspolitik der Bundesregierung umstritten ist, wurde in Suhl in Thüringen zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl im Wahlkreis 196 gekürt.

Bereits am Samstag hatte man in der gleichen Art und identischen Wortwahl, da kennen sie nix, seine Nominierung als Kandidat gemeldet und im Pressespiegel die Welt zitiert, welche zitierte, wie die Süddeutsche Zeitung Armin Laschet zitierte, und was er so meinte über Hans-Georg Maaßen.

Das ist gelebte Pressefreiheit!

Und nicht, daß Du etwa denkst, damit hatte sich’s!

Weit gefehlt!

Am folgenden Montag zitierte der Pressespiegel des Deutschlandfunks dann sogar, was die Zeitungsredakteurenden der Mitteldeutschen Zeitung zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden der Süddeutschen Zeitung zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden der Passauer Neuen Presse zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden des Berliner Tagesspiegel zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden vom Straubinger Tagblatt zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden der Neuen Osnabrücker Zeitung zu Hans-Georg Maaßen meinten, und was die Zeitungsredakteurenden der Allgemeinen Zeitung zu Hans-Georg Maaßen meinten.

Das ganze Meinungsspektrum der richtigen Meinungen über Hans-Georg Maaßen!

Das ist doch Meinungsfreiheit!

Wie damals in der Deutschen Demokratischen Republik!

Da können die Ungarn, Polen, Slowenen und vor allem auch die Türken was lernen mit ihrem gesetzlich geschützten Türkentum!

Und sich eine Scheibe abschneiden davon!

Von unserer bundesrepulikanischen Pressefreiheit.

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Sind also Polizei-Einsätze in Freibädern, ob in Berlin, Mannheim, Saarlouis oder Köln, heute normal? Polizisten müssen Tag und Nacht in Linienbussen zur Sicherheit mitfahren (wie jetzt in Hagen) – ist das vielleicht normal? Massiver Polizeischutz für Kliniken, in denen ein Clan-Mitglied behandelt wird – normal?

Mittwoch, 21. Juni 2023, Bild

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