3. Februar 2018: Mephisto an Bellarmin
worte sind schatten
schatten werden worte
worte sind spiele
spiele werden worte
sind schatten worte
werden worte spiele
sind spiele worte
werden worte schatten
sind worte schatten
werden spiele worte
sind worte spiele
werden schatten worte
Eugen Gomringer, geboren 1925 in Chachuela Esperanza (Bolivien)
Der 93jährige Schweizer Schriftsteller und Kunsttheoretiker Gomringer, während ihrer ersten Phase ein Hauptvertreter der Konkreten Poesie, hat neben worte sind schatten und seinem markanten schweigen schweigen schweigen auch das Gedicht ciudad (Stadt) geschrieben:
avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador
Welches man übersetzen könnte mit:
Alleen
Alleen und Blumen
Frauen
Blumen und Frauen
Alleen
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer
Selbiges Gedicht im Original steht preisgekröntermaßen seit etwa sechs Jahren verewigt als 14 mal 15 Meter große Inschrift an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin.
Verewigt?
Nein!!!
Drei Studentinnen empörten sich, das Gedicht erinnere sie „unangenehm an sexuelle Belästigung“. Und wirbelten sich empor. Bis daß die „kleine Straßenszene“ (Gomringer) „mit potenziell sexistischem Inhalt“ (Frauenbeauftragte Antmann), nun entfernt und ersetzt werde durch eine rechteckig genormte „grundgesetzkonforme“ Lyrik, in welcher „sexistische, rassistische, ableistische, lookistische, klassistische, ageistische oder sonstige diskriminierende Bezüge“ nicht akzeptiert würden.
Jene sterile Poesie soll stammen von Barbara Köhler.
Nach allem könnte man die drei Initiatorinnen dieses „barbarischen Schwachsinns“(Christoph Hein) nebst der hierbei umtriebigen Frauenbeauftragten der Hochschule, Debora Antmann, für Dummlinginnen, mindestens aber für geistig eingeengt halten. Ohnehin könnte einem zu den üblichen initiatorischen Banausinnen derartig krankhafter Kampagnen politischer Korrektur in den Sinn kommen, sie litten schwerer als unter Diskriminierung an Geltungstrieb und Gefallsucht.
Zumindest aber scheint den geistig matten Schwachköpfinnen kein Unterschied bewußt zu sein zwischen lyrischem Ich und Autor und schon gar nicht zwischen Sachtext und Lyrik.
Dass sie aber dann auch noch die an sich wertschätzende männliche Bewunderung für Frauen als etwas Bedrohliches empfinden, dokumentiert auf erschreckende Weise, was für einen verkrampft-kruden Blick diese Studierenden auf die Welt haben.
…
Die Alice-Salomon-Hochschule Berlin hat sich nach ihrer Entscheidung, auf Geheiß von verwirrten Studierenden das Gomringer-Gedicht zu ersetzen, dieses bewundernswerten Kunstwerks als unwürdig erwiesen und auch ihrer Namensgeberin Alice Salomon. Die Hochschule sollte sich deshalb umbenennen. In Hochschule für angewandte Ignoranz.
Tobias Wenzel am 23.1. im Deutschlandfunk
Neben Song und Film „Pretty Women“, die mir gerade einfallen, hier aus der unendlichen Fülle der nicht „grundgesetzkonformen“ Poesie willkürlich lediglich drei Beispiele profilierungssüchtigen politisch korrigierenden Zensorinnen zur Anzeige:
Heidenröslein
Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: »Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!«
Röslein sprach: »Ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.«
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Mußt es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
oder
Zu meiner letzten Mahlzeit
Will ich meinen Esel sehen
Meine Hühner und meine Gänse
Meine Kühe und meine Frauen
Jacques Brel (1929 – 1978)
oder
Rubinen sind die Lippen dein,
Man kann nicht schönre sehen.
Oh, dreimal glücklich ist der Mann,
Dem sie die Liebe gestehen.
Oh, kennt ich nur den glücklichen Mann,
Oh, daß ich ihn nur fände,
So recht allein im grünen Wald,
Sein Glück hätt bald ein Ende.
Heinrich Heine (1797 – 1856)
O Urteil, du entflohst zum blöden Vieh!
William Shakespeare (1664 – 1616)
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