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Thalatta ! Thalatta !

Fluchtplan

 

15. Februar 2019: Bellarmin an Mephisto

 

Laut des hessisches Landesamtes für Flüchtlinge befanden sich im Januar vor 70 Jahren aus dem Ausland und dem polnisch verwalteten deutschen Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie 7.072.678 deutsche Ausgewiesene und Vertriebene in der Bizone. Zur Verdeutlichung der Zeitumstände: Ein in Oberhausen lebender deutscher Geflüchteter schrieb damals an seinen in Dresden lebenden Bruder:

Melde dich in Dresden nicht ab, sondern nimm nur einen Personalausweis mit! Versuche das Geburtsdatum umzuändern, damit Du schon 18 bist. Es bringt nur Vorteile! O.k. Nimm wenig Gepäck mit, dafür um so mehr zu essen, denn die ersten Tage wird es damit schwerhalten. Ziehe Dich warm an, soviel als möglich. Mir brauchst Du nur eine Tasche aus meinem Besitz, Schreibpapier, Umschläge, Blau- oder Schwarzpapier zum Durchpausen, Schreibpapier in Mengen, Altsilber, Zigarettenpapier in Massen, Handschuhe, Nähgarn und etwas Wolle, Taschenmesser, Feuerzeug- Benzin und eine Flasche Schnaps mitzubringen, alles andere habe ich selbst zur Genüge. Bis Halle wirst Du kommen. Von da brauchst Du aber bis Heiligenstadt Reisegenehmigung. Da kannst Du einmal zeigen, was Du kannst. Wenn Du bis zu mir kommst, werde ich Dich mit offenen Armen aufnehmen, denn dann hast Du die Vagabundenprobe bestanden und bist eventuell zu gebrauchen. Falls Du aber nichts erreichst, bist Du eine Niete, von der ich nichts wissen will. Gehe von Heiligenstadt in die britische Zone in das nahe Lager Friedland an der Grenze; dort besorgst Du Dir Personalpapiere und Lebensmittelkarten. Du mußt behaupten. Du seist von einem Transport nach Rußland geflohen. Dabei darfst Du nur einen Personalausweis bei Dir tragen. Es ist nämlich möglich, daß man in solchen Fällen untersucht wird. Höre niemals auf das Gerede der Leute, das sind fast immer Gerüchte. Gehe Deinen Weg, wie Du Dir ihn vorgenommen hast. Versuche Papiere auf das Geburtsjahr 1929 zu erhalten. Laß Dich im Lager nach Oberhausen oder in das Ruhrgebiet einweisen. Gebe vor, im Kohlenbergbau arbeiten zu wollen, und laß Dir eine Fahrkarte kostenlos hierher ausschreiben.“

 

Quelle: Manfred Overesch/Friedrich Wilhelm Saal: Deutsche Geschichte von Tag zu Tag, Bd. 3.1, S. 284)

 

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