19. September 2020: Serapion an Mephisto
Anfang der Woche kam eine Meldung in den Fernsehnachrichten, eine riesige Eisscholle habe sich gelöst von einem der Erdpole. War’s oben am Nordpol? War’s unten am Südpol? Jedenfalls über eines kann man bei solchen Meldungen sicher sein: Aha, gleich folgt der Wetterbericht!
Denn davor kommen immer so Nachrichten der Kategorie „was sonst noch passierte…“
Auch wird das Wegschmelzen der Pole in der Nachrichtenredaktion als irgendwie passend eingestuft. Eis und Schnee, die haben ja etwas zu tun mit Wetter.
Ebenso die Brände in Kalifornien: Danach kommt der Wetterbericht.
Klar, die sind ja auch durch Blitze ausgelöst worden. Von Unwettern. Noch dazu weit ab von Deutschland und Europa hinter dem Atlantik durch ganz Nordamerika hindurch: an der Küste des Pazifiks!
Das paßt also vor den Wetterbericht.
Kalifornien brennt, Brasilien brennt, Australien wird bald wieder brennen und Portugal, Spanien und Griechenland, das ficht den bundesdeutschen Journalismus nicht an.
Anderes Beispiel:
Heute meldete der Deutschlandfunk:
Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass ein Ziel im Kampf gegen die Vermüllung von Nord- und Ostsee nicht erreicht wurde.
Nach einer EU-Richtlinie von 2008 sollten sich die Meere bis 2020 – wie es heißt – in einem „guten Umweltzustand“ befinden. Abfälle sollten keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt mehr haben. Dieses Ziel werde verfehlt, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.
Diese Meldung hat es im Fernsehen noch nicht einmal bis vor den Wetterbericht geschafft. Und ins Radio wahrscheinlich nur, weil heute der internationale sogenannte CleanUp Day begangen wird, bei dem viele Freiwillige sich bemühen, den von Großhirnamputierten an Ufern von Flüssen, Teichen, Seen und Meeren und in Wäldern und Parkanlagen hinterlegten Müll notdürftig wieder einzusammeln an einem Tag im Jahre.
Diese Meldung offenbart die ganze Misere sowohl der Wolltemalundkonntenicht-Gesellschaft mit stetem Sinn für alles Gute und Schöne, der sogenannten Europäischen Union, als auch des empörenden Zustandes des gegenwärtigen bundesdeutschen Journalismus. Denn wenn man schon berichten kann „wie es heißt“, kann man auch berichten wie es weiter heißt: Was gab es denn noch für andere Ziele „im Kampf gegen die Vermüllung von Nord- und Ostsee“?
Und inwieweit wurde denn gekämpft in all den Jahren?
Und was steht denn noch drin in der EU-Richtlinie von 2008?
An der heutigen Art der Berichterstattung wird die Welt zugrunde gehen!
An dem beständigen Nichterkennen: Was ist die wichtigste Nachricht?
Denn sie ist die erste Meldung!
Merksatz für gegenwärtige Journalistenschulen: Die erste Meldung muß kommen als erste Meldung! Nämlich an erster Stelle!
Jawohl: Sogar noch vor der Nachricht über den FDP-Parteitag!
Und bei der gefährlichen „Vermüllung“ der Nord- und Ostsee handelt sich um eben jene erste Meldung!
Und die Brände in Kalifornien sind die erste Meldung!
Denn davon hängt die Bewußtseinsbildung ab der Menschen!
Und wenn Ihr das nicht begreift, wird die Welt zugrunde gehen!
Es geht um das Überleben der Gattung!
Nämlich unserer.
Sonst waren, sind und werden sämtliche FDP-Parteitage umsonst und in den Wind geschissen!
Weil: Die Einschläge kommen näher.
Ich prophezeie: Die zeitliche Distanz zwischen den Katastrophen wird sich verringern!
Und da kann kein Staat mehr helfen!
Denn er hat sein Geld schon in der Pandemie verbraten.
Bei den Routen der Zuwanderer, im Journalistendeutsch „Migranten“, handelt es sich um die Süd-Nord-Richtung. Ich halte es für wahrscheinlich, daß es sich bei den gegenwärtigen (Aus)wanderungen doch nicht um eine Völkerwanderung handelt. Sondern um den Beginn einer Völkerwanderung. Ich stelle mir vor, wir könnten vielleicht noch während unserer Generation oder in der folgenden in die Lage kommen, selbst vor verschlossenen Grenzen, vielleicht denen Dänemarks zu stehen. Auf der Durchreise nach Schweden. Doch vielleicht wären die Dänen dann schon selber „migriert“ und siedelten derweil auf Grönland. Und im Staate Dänemarks verwehrten uns die Ungarn die Weiterfahrt. Weil in Ungarn die Türken säßen. Und in der Türkei säßen die Saudis.
Durch die Erderwärmung ist das Eis in der Arktis inzwischen soweit weggeschmolzen, daß man dort endlich die Stoffe fördern kann, welche die Erderwärmung soweit beschleunigen, daß man noch leichter an Stoffe herankommt, die die Erderwärmung beschleunigen. In Rußland freut man sich schon: Das wird ein riesiges Geschäft! Und die deutsche Industrie wird dafür sicher die Rohre liefern und beim nächsten Röhrenembargo wieder erstaunt aus allen Wolken fallen.
Es wird heiß werden auf unserem Planeten!
Und noch grausamer.
Wehe! Wie im Orkus, lebt
ohne Götter das Menschengeschlecht, an die eigene
Kunst, an eigenes
Wissen allein, und die eigenen Triebe
geschmiedet, und in der tosenden
Werkstatt, höret jeder nur sich,
und Tag und Nacht arbeiten die Geister
Aber umsonst, und unfruchtbar, wie
die Furien, ist die Sorge und Mühe der
Armen.
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)
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Wieder einmal die Misere des heutigen Journalismus klar beleuchtet. Und wie wohltuend, wenn nach scharfer Analyse dann am Ende ein Gedicht Hölderlins steht. Das ist die Stärke dieses Kanals. Ganz in der Tradition von Heinrich Heine stehend schließen sich Tagespolitik und Poesie nicht aus.