A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Gedicht

’s ist Krieg!








Montag, 24. November 2025: Sehmann an Mephisto

.

Sonntag, 23. November 2025, Deutschlandfunk:

Ermittlern zufolge verdichten sich die Hinweise, dass durch die Beschädigung von fast 300 Fahrzeugen mit Bauschaum vor gut einem Jahr die Bundestagswahl beeinflusst werden sollte.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Ulm teilte der dpa mit, ein 18-jähriger Tatverdächtiger habe angegeben, die Attacken seien in Auftrag gegeben worden, um das Wahlverhalten von Bürgern zu beeinflussen. Ein Mittelsmann mit Verbindungen zu Russland habe für jedes Fahrzeug 100 Euro Prämie geboten. Bestätigt seien die Angaben zwar noch nicht, hieß es. Aufgrund von Vorgehensweise und Tatzeitraum könnten sie naheliegend sein. Insgesamt gibt es fünf Verdächtige.

In Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Berlin war Mitte Dezember Bauschaum unter anderem in Auspuffrohre gesprüht worden. An den Fahrzeugen fanden sich Aufkleber mit einem Bild des Ex-Bundeswirtschaftsministers von der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Habeck, und dem Aufruf „Sei grüner!“. Der Verdacht fiel zunächst auf Klimaktivisten (sic!). – Wenn Bauschaum aushärtet, lässt er sich nur schwer entfernen.

.

„’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,

Und rede du darein!“

Matthias Claudius (1740 – 1815)

Ein Geburtstag nebst einem Todestag








Freitag, 1. August 2025: Sehmann an Mephisto

 

.

lichtung

 

manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht

velwechsern.

werch ein illtum!

 

Ernst Jandl, geboren heute vor 100 Jahren

.

Hierzu erklärt der DUDEN Band 12 (Ausgabe 2008) unter dem Stichwort „Manche meinen, lechts und rinks kann man nicht velwechsern“:

Die vierte (sic!) und letzte Zeile lautet: ‚werch ein illtum!‘ Das Zitat wird (auch in der kürzeren Form ‚lechts und rinks kann man nicht velwechsern‘) als scherzhafter oder ironischer Kommentar gebraucht, wenn jemandem eine Verwechslung unterläuft.“

Werch ein poritisch kollektel Einfarr!

.

Montag, 28. Juli 2025, Deutschlandfunk:

RAF-MitbegründerHolocaust-Leugner Horst Mahler gestorben

Der Holocaust-Leugner Horst Mahler ist im Alter von 89 Jahren gestorben.

Das teilte einer seiner Rechtsanwälte mit. Mahler, der einer der Mitbegründer der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion war, wechselte in den 1990er Jahren ins rechtsradikale Lager. Der Jurist wurde mehrfach verurteilt. So verbüßte er wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung zwei Haftstrafen von insgesamt mehr als zehn Jahren. Im Oktober 2020 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Im April 2023 wurde ein weiterer Prozess gegen ihn wegen einer schweren Krankheit vorläufig eingestellt.

 

Für denkende, also seltene Menschen








Freitag, 18. Juli 2025: Serapion an Mephisto

 

Die Zufriedenheit

 

Wenn aus dem Leben kann ein Mensch sich finden,

Und das begreifen, wie das Leben sich empfindet,

So ist es gut; wer aus Gefahr sich windet,

Ist wie ein Mensch, der kommt aus Sturm und Winden.

 

Doch besser ists, die Schönheit auch zu kennen,

Einrichtung, die Erhabenheit des ganzen Lebens,

Wenn Freude kommt aus Mühe des Bestrebens,

Und wie die Güter all in dieser Zeit sich nennen.

 

Der Baum, der grünt, die Gipfel von Gezweigen,

Die Blumen, die des Stammes Rind‘ umgeben,

Sind aus der göttlichen Natur, sie sind ein Leben,

Weil über dieses sich des Himmels Lüfte neigen.

 

Wenn aber mich neugierge Menschen fragen,

Was dieses sei, sich für Empfindung wagen,

Was die Bestimmung sei, das Höchste, das Gewinnen,

So sag ich, das ist es, das Leben, wie das Sinnen.

 

Wen die Natur gewöhnlich, ruhig machet,

Er mahnet mich, den Menschen froh zu leben,

Warum? die Klarheit ists, vor der auch Weise beben,

Die Freudigkeit ist schön, wenn alles scherzt und lachet.

 

Der Männer Ernst, der Sieg und die Gefahren,

Sie kommen aus Gebildetheit, und aus Gewahren,

Es geb ein Ziel; das Hohe von den Besten

Erkennt sich an dem Sein, und schönen Überresten.

 

Sie selber aber sind, wie Auserwählte,

Von ihnen ist das Neue, das Erzählte,

Die Wirklichkeit der Taten geht nicht unter,

Wie Sterne glänzen, gibts ein Leben groß und munter.

 

Das Leben ist aus Taten und verwegen,

Ein hohes Ziel, gehalteners Bewegen,

Der Gang und Schritt, doch Seligkeit aus Tugend

Und großer Ernst, und dennoch lautre Jugend.

 

Die Reu, und die Vergangenheit in diesem Leben

Sind ein verschiednes Sein, die eine glücket

Zu Ruhm und Ruh, und allem, was entrücket,

Zu hohen Regionen, die gegeben;

 

Die andre führt zu Qual, und bittern Schmerzen,

Wenn Menschen untergehn, die mit dem Leben scherzen,

Und das Gebild und Antlitz sich verwandelt

Von einem, der nicht gut und schön gehandelt.

 

Die Sichtbarkeit lebendiger Gestalt, das Währen

In dieser Zeit, wie Menschen sich ernähren,

Ist fast ein Zwist, der lebet der Empfindung,

Der andre strebt nach Mühen und Erfindung.

 

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843), geschrieben in der zweiten Hälfte seines Lebens wahrscheinlich 1810/1811, einem Besucher in Tübingen ausgehändigt am 7. April 1837

Als ob ein Trug sie täglich äffte








5. Juni 2025: Serapion an Mephisto

.

Die Städte aber wollen nur das Ihre

und reißen alles mit in ihren Lauf.

Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere

und brauchen viele Völker brennend auf.

 

Und ihre Menschen dienen in Kulturen

und fallen tief aus Gleichgewicht und Maß,

und nennen Fortschritt ihre Schneckenspuren

und fahren rascher, wo sie langsam fuhren,

und fühlen sich und funkeln wie die Huren

und lärmen lauter mit Metall und Glas.

 

Es ist, als ob ein Trug sie täglich äffte,

sie können gar nicht mehr sie selber sein;

das Geld wächst an, hat alle ihre Kräfte

und ist wie Ostwind groß, und sie sind klein

und ausgehölt und warten, daß der Wein

und alles Gift der Tier- und Menschensäfte

sie reize zu vergänglichem Geschäfte.

.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

Auf den Tod eines Kindes

.

Freitag, 24. Januar 2025: Serapion an Mephisto

.

Auf den Tod eines Kindes

Die Schönheit ist den Kindern eigen,

Ist Gottes Ebenbild vielleicht, –

Ihr Eigentum ist Ruh und Schweigen,

Das Engeln auch zum Lob gereicht.

.

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

 

Freiheitsfreude

.

Sonnabend, 30. September 2024: Mephisto an Bellarmin

.

.

Die Freiheitsfreude

.

Ohne Freiheit kein Gedeihen!

Freiheit ist ein köstlich Ding,

Kann sie Flügel doch verleihen:

Raupe wird zum Schmetterling!

O welch tapfres Freiheitsstreben!

Vorwärts! Und die Mauer bricht!

Was für Wunder wir erleben!

Freut euch der Freiheit und fürchtet sie nicht!

.

Früchte tragen wird die Freiheit:

Sät den Samen nur ins Land!

Einigkeit und Recht und Freiheit

Sind des Glückes Unterpfand –

Menschen wollen Glück auf Erden!

Keine Knechtschaft! Kein Verzicht!

Freie Menschen lasst uns werden!

Freut euch der Freiheit und fürchtet sie nicht!

.

Freien Sinns das Glück erschauend,

Aussichten wie nie zuvor,

Und der eignen Kraft vertrauend,

Steigt ein frei Geschlecht empor.

Freiheit ist das Brot des Geistes,

Freiheit schenkt der Seele Licht,

Jede Tyrannei beweist es:

Freut euch der Freiheit und fürchtet sie nicht!

.

.

Am 3. Oktober 2010 nach einer Melodie des Komponisten Michael Proksch im historischen Blockhaus in Dresden uraufgeführt vom Universitätschor Dresden unter der Leitung Maja Sequeias anläßlich der Feierlichkeiten des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt zum zwanzigsten Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands

Der Mensch

.

Samstag, 21. September 2024: Der Ritter vom heiligen Geist an Mephisto

.

Und Waffen wider alle, die atmen, trägt

.In ewigbangem Stolze der Mensch; im Zwist

..Verzehrt er sich und seines Friedens

…Blume, die zärtliche, blüht nicht lange.

.

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) Der Mensch

Daß wir das Offene schauen

.

Samstag, 14. September 2024: Der Ritter vom heiligen Geist an Mephisto

.

… So komm! daß wir das Offene schauen,

Daß ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.

Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es gehe

Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maß,

Allen gemein, doch jeglichem auch ist eignes beschieden,

Dahin gehet und kommt jeder, wohin er es kann.

… Zwar leben die Götter,

Aber über dem Haupt droben in anderer Welt.

Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten,

Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns.

Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefäß sie zu fassen,

Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.

.

.

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) Brot und Wein

 

Frohe Zukunft!

.

Freitag, 23. August 2024: Serapion an Mephisto

.

In zwanzig Jahren ungefähr

stellt jedes Volk sein Militär

auf maschinellem Wege her.

Heißt es dann Kehrt! und Marsch! und Schwenkt!,

genügt ein Angestellter, der

das ganze Blech, d. h. das Heer

elektrisch oder ähnlich lenkt.

.

Und gibt es Krieg, so macht das Spaß!

Denn Bomben und Granaten

und Minenwerfer, Tanks und Gas

vernichten Automaten.

Na ja, was kann das schaden.

.

Auch eignen sich die Blechgestalten

vorzüglich für die höchsten Posten.

Weil sie sich erstens länger halten,

wenn man sie putzt, daß sie nicht rosten.

Und weil sie zweitens wenig kosten …

.

Ich würde sonstwas dafür geben,

das Blechzeitalter zu erleben!

.

.

Erich Kästner, 24. September 1928

Wie sage ich es in unserer Muttersprache?

.

Pfingstsonntag, 19. Mai 2024: Serapion an Mephisto

.

Kleine Sprachhilfe für „Journalistende“:

Wir schalten jetzt leif nach Brüssel“!

Aus Berlin jetzt leif zugeschaltet“!

Um nur zwei Beispiele zu nennen unter Tausenden.

Dazu kann man schlicht und deutlich sagen, vor allem, weil man doch ein Mindestmaß an Sprachgefühl aufweisen sollte beim Geldverdienen in einem studierten Beruf, in dem es noch dazu ankommt auf Verständigung durch Sprache:

Wir schalten nach Brüssel

und

Aus Berlin zugeschaltet“.

Oder, bei perfektionistischer Veranlagung unserer sich ansonsten oft so eifrig des Neusprechs befleißigenden „Journalistenden“, eventuell auch redundant:

Wir schalten jetzt nach Brüssel

und

Aus Berlin jetzt zugeschaltet“.

Die idiotische Verwendung des „leif“ ist zu 99,999999 Prozent vollkommen überflüssig. Sie verweist vielmehr, und dabei handelt es sich um keine Lappalie, auf Berufsunfähigkeit.

.

.

Die Sprachverderber

.

Ihr böse Teutschen,

Man sollt euch peutschen,

Daß ihr die Muttersprach

So wenig acht.

Ihr liebe Herren,

Das heißt nicht mehren,

Die Sprach verkehren

Und zerstören.

.

Ihr tut alles mischen

Mit faulen Fischen,

Und macht ein Misch-Gemäsch,

Ein wüste Wäsch,

Ich muß es sagen,

Mit Unmut klagen,

Ein faulen Haufen Käs,

Ein seltsams Gfräß.

.

Wir hans verstanden

Mit Spott und Schanden,

Wie man die Sprach verkehrt

Und ganz zerstört.

Ihr böse Teutschen,

Man sollt euch peutschen.

In unserm Vatterland;

Pfui dich der Schand!

.

Johann Michael Moscherosch (1601 – 1669)

gekürzt, Hervorhebung von Serapion