8. August 2020: Serapion an Mephisto
Um 1350 kam die Pest zufälligerweise einmal aus China und nahm ihren Weg nach Europa zufälligerweise auf den Handelsstraßen. Und zwar über Indien und Persien. Die Seuche entvölkerte etwa 200.000 Dörfer und Siedlungsflecken vollständig und brachte mehr als ein Viertel der europäischen Gesamtbevölkerung um.
25 Millionen Menschen allein in Europa.
Die Pariser medizinische Fakultät riet zwecks Vorbeugung:
Man soll kein Geflügel essen, keine Wasservögel, kein Spanferkel, kein altes Ochsenfleisch, überhaupt kein fettes Fleisch. Wir empfehlen Brühen mit gestoßenem Pfeffer.
Bei Tage schlafen ist schädlich. Der Schlaf darf nicht länger dauern als bis zum Morgengrauen.
Unschädlich sind trockene und frische Früchte, wenn man sie mit Wein nimmt.
Kalte, feuchte und wäßrige Speisen sind größtenteils schädlich. Fisch soll man nicht essen. Man koche nichts mit Regenwasser. Zu den Mahlzeiten nehme man etwas Theriak; Olivenöl zur Speise ist tödlich.
Gefährlich ist das Ausgehen zur Nachtzeit bis um drei Uhr morgens wegen des Taus. Fette Leute sollten sich der Sonne aussetzen.
In Europa traf die Seuche zuerst auf die Handelsstadt Florenz. Zeitzeuge Boccaccio schrieb:
Mit Beginn des Frühlings begann die Seuche ihre schmerzensreichen Wirkungen auf eine gräßliche Art zu zeigen. Und sie begann hier nicht wie im Orient mit Nasenbluten, dem sicheren Zeichen unvermeidlichen Todes, sondern es entstanden bei Männern wie bei Frauen Geschwülste unter der Achsel, bis zur Größe eines Apfels, die das Volk Pestbeulen nannte. Von dort aus verbreitete sich das tödliche Pestgift über den ganzen Leib.
Später nahm die Krankheit eine andere Gestalt an: Es entstanden schwarze oder bläuliche Flecken am Arm oder am Oberschenkel und weiterhin am ganzen Körper. Und wie anfangs die Beulen ein sicheres Zeichen des kommenden Todes gewesen waren, so wurden es jetzt die Flecken für jeden, der sie bekam. Kein ärztlicher Rat und keine Kraft der Arzneien erwiesen sich als heilsam. Jedenfalls genasen nur sehr wenige, und fast alle starben rasch binnen drei Tagen nach dem Auftreten jener Zeichen, gewöhnlich ohne alles Fieber und andere Zufälle.
Die Verderblichkeit dieser Seuche war um so größer, als der Todeskeim von den Kranken auf die Gesunden übergriff wie Zunder auf trockene oder fettige Gegenstände. Und zwar nicht nur beim Umgang mit den Kranken selbst, sondern auch beim Berühren ihrer Kleider und Sachen. Deswegen hatten fast alle das Ziel, die Kranken und deren Sachen zu meiden und zu fliehen.
Manche dachten, daß ein mäßiges Leben die Widerstandskraft erheblich fördere. Sie vereinigten sich zu Gesellschaften und lebten von allen abgesondert. Und indem sie sich in Häusern, in denen kein Kranker war, versammelten und einschlossen, genossen sie die schmackhaftesten Speisen und den besten Wein, aber mit Maß und auf der Hut vor aller Schwelgerei. Niemand erhielt zu ihnen Zutritt, und keine Todes- oder Krankennachricht durfte ihnen hinterbracht werden. Andere dagegen behaupteten, die sicherste Arznei bei einem solchen Übel sei, reichlich zu trinken, sich gute Tage zu machen, mit Gesang und Scherz umherzuziehn, jeglicher Begierde, wo es nur möglich sei, Genüge zu tun, und über das was kommen werde, zu lachen und zu spotten.
Eine dritte Gruppe waren die sogenannten Geißelbrüder. Die zogen als Büßer zu Tausenden übers Land von Ort zu Ort, unbeschuht, doch ein jeglicher mit einer dreisträngigen Geißel in der Hand, davon jeder Strang bewehrt mit drei dornigen Knoten. Ab und zu entblößten sie dann ihre Rücken und schlugen sich, bis ihr Blut hervorströmte.
Und in den Städten jagten und lynchten sie die Juden, weil die natürlich, wie immer, und heute zusammen mit den Amis, die Schuldigen sind und waren an allem.
Es gibt nichts neues unter der Sonne.
Also am ersten August in Berlin…
Dazu am Dienstag der Deutschlandfunk:
„Knapp 20.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Berlin gegen die deutschen Infektionsschutzmaßnahmen, die eine weitere Ausbreitung des Coronavirus verhindern sollen.“
Zuerst einmal aus tiefer Dankbarkeit Hochachtung vor dem charakterisierenden charakteristischen Niveau. Für die Erläuterung, wozu Infektionsschutzmaßnahmen dienen.
Wer hätte es gedacht.
Du siehst, unsere öffentlich-rechtlichen Medien nehmen ihren Aufklärungsauftrag ungeheuer ernst, und erkennst, was sie darunter verstehen…
Auf Punkt und Komma!
„Knapp 20.000 Menschen…“
Wenn es „rund“ geheißen hätte!
Oder „ungefähr“…
Aber dieses verräterische Knapp!
Das heißt und soll singen und sagen: Stop! Auf keinen Fall 20.001!
Oder noch mehr.
„Knapp 20.000“ heißt ja „etwa 19.900“ oder, toleranter gesehen, vielleicht 19.500.
Allerdings „knapp 20.000“ kann auf keinen Fall bedeuten 19.000! Denn wer „knapp 20.000“ zu schätzen in der Lage ist, kann auch „etwa 19.000“ schätzen.
Botschaft: Auf keinen Fall mehr und über!
Nun ist das so eine Sache mit dem knappen Wörtchen „knapp“.
Knapp schwanger geht nicht.
Denn knapp richtig wäre ganz falsch.
Und knapp wahr ist unwahr.
Aus irgendeinem Grund nur in Sekundenbruchteilen zeigte man im Fernsehen aus der Vogelperspektive einmalig eine nahezu knappste Kameraaufnahme der Demonstranten.
Etwa von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor.
Alles voller Menschen!
Diese knappe Bildschnitt-Blitztechnik kennt man ja aus der DDR-Fernsehfunk-Berichterstattung über den bösen Westen vornehmlich durch den deutschen demokratischen Chefpropagandisten Joseph, nein, Karl-Eduard von Schnitzler, und sie sollte andenkenhalber eigentlich Schnitzel-, nein, Schnitzlertechnik genannt werden. In der Deutschen Demokratischen Republik gab es einen bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug einbringenden Paragraphen des Strafgesetzes, der hieß „Staatsfeindliche Hetze“. Staatsfreundliche Hetze blieb unbestraft und von Schnitzlers „Der schwarze Kanal“ lief im Fernsehfunk jeden Montag über dreißig Jahre lang bis 1989.
Nach meiner Beobachtung wurde seine Schnitzlertechnik das erste Mal übernommen von der bundesdeutschen Journalistik anläßlich der Berichterstattung über die Pegida in Dresden. Doch erst nachdem die dortige Anzahl der Demonstranten die Zahl 10.000 unknapp überstiegen hatte. Die Monate zuvor hatte man die Methode noch nicht eingesetzt bei diesen Demonstrationen.
Weil man überhaupt nicht über diese politisch Unkorrigierten berichtet hatte.
Um die richtig Denkenden vor Verwirrung zu schützen.
Aber nun!
In knappster Schnitzleristik!
Daß Du ohne zeitliche Belastung in knappsten Sekundenbruchteilen klar erkanntest: Lauter Deppen!
Abstiegsverängstigte, modernisierungsskeptische, fremdenfeindliche, islamophobe, rassistische, abgehängte, weiße, alte Männer!
Wie bei von Schnitzler: Alles Nazis!
Ebenso knapp etwa ein Dreivierteljahr später in einem knappen Halbsatz die Erwähnung des Ergebnisses einer soziologischen Studie: Es handelt sich um die dortige Mittelschicht…
Um aber auf die erwähnte Vogelperspektive der Straße des 17. Juni vom Großen Stern bis zum Brandenburger Tor zurückzukommen: auch die kannte ich bereits. Nur eben ohne jede Schnitzleristik in ausführlichen Bildsequenzen. Ansonsten völlig identisch angefüllt mit Menschenmassen. Das war anläßlich der seinerzeitigen Lafparät in Berlin. Wenn ich mich recht erinnere, wurde damals die Teilnehmerzahl beziffert ohne jedes Knapp mit mehreren hunderttausend.
Wenn nicht sogar mit Million.
Weißt Du, was der RIAS, der Rundfunk im amerikanischen Sektor Berlins, der beste Sender, den es je gab, weißt Du, was der gemacht hätte? Der wäre beispielsweise hingefahren mit seinem Ü-Wagen, Ü für Übertragung! Und hätte direkt, (zu deutsch: leif), von jener Massendemonstration berichtet. Und zwar nicht nur in verwackelten blitzschnellen Sequenzen. Sondern, wie es sich bei seriöser Berichterstattung gehörte, vermittels gebührenfinanzierter und teuer bezahlter Kamera- und Mikrofontechnik des 21. Jahrhunderts.
Und der RIAS wäre durch die Stadt gefahren und hätte ausgiebig Leute interviewt.
Was?
Das hätte sich der RIAS gar nicht wagen dürfen?
Weil die Demonstranten den Ü-Wagen platt gemacht hätten?
Und die rechten Menschen gar nicht mit der Presse geredet hätten?
Das glaube ich eher nicht!
Weil nämlich in Zeiten des RIAS das Klima jener ungeheuerlichen „Lügenpresse!“-Sprechchöre erst überhaupt nicht entstanden wäre.
Aus Mangel an Gründen.
Denn nichts entsteht ja grundlos.
Die RIAS-Reporter wären also rausgefahren zu der Kundgebung. Denn die Kundgebung war ja angemeldet.
Also legitim.
Sonst wäre sie ja auch verboten worden.
Es handelte sich also um eine demokratische Versammlung.
Und wir leben doch in einem demokratischen Staat. In welchem Berichterstatter die Kundgebenden eines legitimierten Willens nicht ohne weiteres und von vornherein als „rechts“ oder „rechtspopulistisch“ in diskriminierender Absicht zu etikettieren und tendenziös abzuwerten haben. Noch dazu ohne jegliches ansonsten heute so beliebte „mutmaßlich“.
Sondern die RIAS-Reporter aus dem Ü-Wagen hätten berichtet von einer Kundgebung, auf welcher dies und jenes gefordert wurde von den Demonstranten. Und hätten berichtet: Auf den Transparenten beispielsweise standen folgende Parolen zu lesen.
Und ein Redner habe unter anderem dies und jenes gesagt.
So sah einst Berichterstattung aus!
Und dem Rezipienten wurde anheimgestellt, mündig zu sein und eigenmächtig aus dem Bericht nach Belieben und Gutdünken und eigener Meinung zu schlußfolgern in einem Staat mit grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit, welcher Couleur die Demonstrierenden wohl zuzurechnen seien.
Wenn ihm die Couleur wichtig wäre neben dem Eigentlichen.
Neben dem sachlichen Anliegen der Demonstranten.
Und ich als Rezipient hätte mich übrigens nach meinem eigenen Vorurteil auf keinen Fall in einen Bus gesetzt und wäre nach Berlin gefahren. Ich hätte eher gedacht an meinen Freund Erich Kästner: „Kopf gut schütteln vor Gebrauch!“
Denn ich leide auch nicht unter der Vorstellung, die vereinte Welt würde mir das Virus und seine Opfer nur vorspielen. Und gleichzeitig denken, am Virus und seinen Opfern hätten die Amis und die Juden schuld.
Ich riete im Gegenteil, auf keinen Fall auf diese Art Querdenker vom Schlage Ballweg, Janich oder Jebsen zu hören. Auch neige ich dazu, im Internet auf das Suffix „.ru“ zu achten. Ich denke zum Beispiel, ein Auftraggeber von Auftragsmorden hätte womöglich Interesse, Thesen der verwirrenden Verirrtheit streuen zu lassen in der verhaßten westlichen Hemisphäre.
Aus seiner nach Machorka stinkenden Abteilung „Zersetzung“.
Und potentiellen Teilnehmern hätte ich geraten, ihre Zeit lieber zu nutzen für das Studium der Geometrie von Dreiecken.
Das schult das Denkvermögen.
Und für das Studium der Weltgeschichte.
Das macht geistig gesünder.
„Das Hitlerreich war als Ganzes mit allen seinen Folgen ein Zeichen für die Macht der Worte über die Vernunft.“
Rupert Lay
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