A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Kalter Krieg

In die Stille nach dem Aufschrei

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Sonnabend, 20. April 2024: Der Ritter vom heiligen Geist an Mephisto

Das Schöne im Kalten Krieg war, der Journalismus im Westen Deutschlands brachte völlig nüchtern und unängstlich sogar schier unangenehmste Tatsachendarstellungen, die selbst der östlichen Propaganda hätten nützen können und nützten, wie beispielsweise von Studentenunruhen und Polizeieinsätzen und NPD und mißlungenen US-Raketenstarts, und wie die Beate Klarsfeld 1968 den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ohrfeigte.

Den Kiesinger, den ehemaligen NSDAP-Parteigenossen, mit dem „der Kriegsbrandstifter Brandt“, ehemals Bürgermeister in der „Frontstadt“ (Stereotype östlicher Nachrichtenberichterstattung Anfang der sechziger Jahre) koalierte!

Man stelle sich vor: Brandt und die SPD mit einem alten Nazi!

Und die westliche Nachrichtenberichterstattung darüber ohne zu werten!

Und man hatte den Eindruck: a u s g e w o g e n, faktenreich und ohne Weglassungen!

Das war bestechend stark: man hielt das Publikum für mündig!

Und, wie es sich zeigte: zu Recht!

Sehr zu empfehlen ist das Studium westlicher und, im Gegensatz, östlicher Nachrichtenberichterstattung vor allem der sechziger Jahre.

Und heute?

Inzwischen ist der deutsche Journalismus herabgesunken auf ein Niveau, das jede gutgeartete kritischere, also ideologisch unverknotete Seele geradezu ängstigen muß.

Die Linsenschleifer der Nation, die öffentlich-rechtlichen Nachrichten- und Berichterstattungsmedien Deutschlands, die sich vermutlich etwas einbilden auf gediegene Objektivität und Seriosität und Unabhängigkeit, auf Ausgewogenheit und Parteienproporz und, natürlich, auf politische Korrektheit, machen Angst. Sie vermitteln ein gefährlich falsches Bild von der Welt, mindestens durch Unterlassung und äußerst fragwürdige Gewichtung. Sie degradieren die Deutschen zu einem Volk, bei dem es tatsächlich als eine von den Medien (!) gefeierte Heldentat galt, daß einer der ehemaligen Verteidigungsminister es „gewagt“ habe, die bereits langjährige „Mission“ der Bundeswehr in Afghanistan als Kampfeinsatz zu bezeichnen…

Humorfrei hätte man jenes Beispiel ja auch als das werten können, was es in Wahrheit ist, nämlich als ungewolltes (und unbemerktes!) Eingeständnis von Unfähigkeit und einer tendenziösen Nachrichtenberichterstattung mit den Merkmalen: Weglassung, Ausblendung des Wesentlichen, euphemistische Lexik, Nivellierung von Unterschieden oder gar Insuffizienz in ihrem Erkennen, demnach analytisches Unvermögen nebst mangelhafter Durchdringung des Weltgeschehens.

Und schließlich und immer wieder: Falschbewertung und -gewichtung mit dem generellen Hang zur teilweise grotesk anmutenden Überbewertung von Nullnachrichten und Nebensächlichkeiten, von Eintagsgeschwätz und von Eintagsfliegen: Der hat dies gesagt und der hat das gesagt.

Anstelle von Fakten.

Tellerrand statt Horizont und Verdrängung der Realität.

Heute ist der deutsche Journalismus herabgesunken auf ein Niveau, auf dem in all den Jahren der Eurorettung in Griechenland sage und schreibe ein einziges Mal, in einem Nebensatz, im Deutschlandfunk erwähnt wurde, von 300 Sparauflagen seien 211 nicht erfüllt worden.

Ohne jegliche weitere Erörterung!

Ein Niveau, auf dem keinem einzigen Journalisten die Dimension der Tatsache auffällt, daß der deutsche Außenminister sich seinerzeit hinstellte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zusammen mit dem Botschafter einer fremden Macht, nämlich der chinesischen, um die Regierungschefin Merkel öffentlich zu tadeln.

Weil sie den Dalai-Lama empfangen hatte!

Man stelle sich eine derartige Szene vor beispielsweise in Frankreich!

Selbiger Außenminister avancierte später zum Bundespräsidenten und leitete 2017, am Tag der Deutschen Einheit, den zentralen Teil seines Diskurses ein mit der bemerkenswerten Floskel „Wir müssen uns ehrlich machen…“!

Er handelte im weiteren von der so genannten Flüchtlingspolitik…

Der höchste Mann im Staate gesteht im Schreck infolge der allgemein als desaströs empfundenen Bundestagswahl nach der „Flüchtlingskrise“, man sei bisher unehrlich gewesen gegenüber irgendwem aus irgendeinem Grund!

Und nicht ein einziger bundesrepublikanischer Journalist stürzt sich darauf mit einer untertänigen Frage!

Wie und warum und wodurch und weswegen?

Was verdammt erinnert an das Brechtgedicht über die nichtfeststellbaren Fehler der sich selbst bezichtigenden Kunstkommission…

Keine Erörterung, keinerlei Diskussion – und es hätte nur so rauschen müssen im Blätterwald!

Unehrlich?

Warum haben wir denn davon nichts gemerkt?

Immerhin wurde nach der Wahl zwei oder sogar drei ganze Tage lang plötzlich unterschieden zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern…

Aber nicht von Journalisten!

Sondern von erschrockenen Politikern!

Doch man erholte sich rasch, und wie während des Wahlkampfes wurden auch nach dem Wahlkampf die doch essentiellen Fragen, welche die Deutschen am meisten bewegen, in den Medien nie angemessen diskutiert geschweige denn den für tumb erklärten Stammtischen beantwortet:

Wie kommt es, daß die Menschen zu Zehn- und Hunderttausenden und über zig Ländergrenzen hinweg statt nach Saudi-Arabien oder Katar ausgerechnet nach Deutschland streben?

Warum dauerte es vom Beginn der so genannten Flüchtlingskrise bis in das Jahr 2018, dass zum ersten Mal die interessante Wortbildung „Identitätsverweigerer“ auftauchte, und zwar wiederum nicht in den Medien bzw. dort nur unerörtert wiedergegeben, aus dem Mund des Innenministers?

Warum wurde und wird in deutschen Medien nicht ausführlich informiert und diskutiert, wieviel Prozent der Asylantragsteller in Europa nicht anerkannt werden? Und aus den und den Gründen?

Das sind die Fragen, die die Menschen bewegten und bewegen!

Die heutige Berichterstattung erinnert fatal an die der „Deutschen Demokratischen Republik“, ja sie ist mittlerweile angekommen auf dem Niveau des „DDR“-Fernseh-Chefkommentators Karl-Eduard von Schnitzler.

Im Volksmund genannt „Sudel-Ede“.

Kennzeichen: „Parteilichkeit“ (offen gefordert im ostdeutschen Journalismus!).

Sie drückt sich heute aus z. B. in Etikettierungen:

Die AfD hieß von Beginn an unisono (nachrichtlich!) „die eurofeindliche AfD“, dann „die europafeindliche AfD“, rückte kurzzeitig, nach ihrem vorhersehbaren Einzug in die ersten Landesparlamente, plötzlich respektvoll auf zur „eurokritischen“ und „europakritischen“ Partei, um schließlich wieder herabzusinken zur „populistischen AfD“ und „rechtspopulistischen AfD“ bis hin zur „antisemitischen AfD“.

Solche Etikette einzig für die AfD. Niemals hieß es „die populistische Linkspartei“.

Oder gar „die populistische SPD“.

Wer darf eigentliche entscheiden, ob und welche Partei in der Nachrichtenberichterstattung (!) wie etikettiert wird?

Schnitzler hatte eine Sendung im Ostfernsehen, die hieß „Der schwarze Kanal“. Gemeint war das Westfernsehen. Hier klitterte der Mann Sequenzen aus jenem zusammen, das war Hetze pur, um die absurdesten Behauptungen gegen die „revanchistische Beärrdee“ zu belegen.

Die originale Machart fand ihre Auferstehung in der Berichterstattung über Pegida: Ungünstigste Kameraeinstellungen, blitzschnelle Schnitte, nie ein Gesamtüberblick oder gar einen zusammenhängenden argumentativen Redeausschnitt zur eigenen Urteilsbildung, ausschließlich Dumpfbackendarstellung, Beschränkung auf vordergründigste Etikettierung, Abstempelung statt Gegenargumentation: Also es gibt da keinen einzigen intelligenten Menschen, geschweige denn einen sympathischen, da laufen nur Idioten, und man staunt, wenn man, nach Jahr und Tag (!), in einem Nebensatz und ohne weitere Erörterung aus einer Studie zitiert erfährt, ach, das ist ja die dortige Mittelschicht…

Die übrigens eine derartige Berichterstattung aus dem Ostfernsehen kannte.

Und deshalb Journalisten verflucht.

Über Pegida sind sich alle Anständigen einig…

Man stelle sich vor, Nachrichtenredakteure unserer öffentlich-rechtlichen Medien wären samt ihrer korrigierenden Anständigkeit unvermittelt versetzt ins Paris des Jahres 1789 und kennten aber genauso wenig wie damalige Zeitgenossen der Welt Zukunft. Und an einem linden Juninachmittag, flanierend örtlich auf dem heutigen Boulevard Raspail vielleicht, wären sie plötzlich konfrontiert mit einem ungeordneten Haufen „Ça ira, ça ira!” grölender, teils betrunken anmutender Gestalten. Unsere wackeren Journalisten vernähmen auch entsetzliche „Les aristocrates à la lanterne!”-Rufe!

Und sollten darüber selbstverantwortlich einordnend nun in der abendlichen Tagesschau berichten…

Nein diese tumben, von Haß und Vorurteilen und Abstiegsängsten geplagten und von Kriminellen mit Stammtischparolen aufgehetzten Irregeleiteten aber auch! Also wirklich! Und hielten das für des Themas A und O der Berichterstattung. Und käuten es wieder Tag um Tag.

Und verwunderten sich über der Menschen unverbesserlichen Unverstand.

Man merkt die Absicht und man ist verstimmt…

Allein schon wegen der permanenten Unterschätzung des Intelligenzniveaus der Rezipienten.

Die Saat des in „Political Correctness” umbenannten Opportunismus ist aufgegangen, sogar bei Journalisten. Bloß keine störenden Fakten! Und schon gar nicht in Eigenverantwortung!

Das Unwort par excellence, das Hüllwort für Hüllwörter, das Metahüllwort, definierte einst völlig unbekümmert das DEUTSCHE UNIVERSALWÖRTERBUCH aus dem Verlagshaus DUDEN als: „Political Correctness, die; – – (engl. political correctness, eigtl. = politische Korrektheit): von einer bestimmten (linken, liberalen) Öffentlichkeit als richtig eingestufte Gesinnung, die dazu führt, dass bestimmte Wörter, Handlungen o. Ä. vermieden werden, die als diskriminierend od. pejorativ empfunden werden könnten“.

Da sollten alle Alarmglocken schrillen! Von einer bestimmten (!) Öffentlichkeit (!!)… als richtig (!!!) eingestuft (!!!!)… Gesinnung (!!!!!)… vermieden werden (!!!!!!)… hätte, könnte, würde (!!!!!!!)…

Was ja heißt, die Gesinnung einer elitären Gruppe gerechter Linksgläubiger (in jedem Krieg steht Gott ja auf Seiten der Gerechten… folglich auf unserer Seite!), also die infolge Linksgläubigkeit gerechte Gesinnung einer sich Kompetenz anmaßenden „Öffentlichkeit” „führt” dazu, daß „vermieden” werde…

Also man zensuriert, schreibt vor, diktiert dem dummen, Pardon, dem bildungsfernen Volk zwangsläufig Ersetzungen des aus konjunktionalen Erwägungen Vermiedenen. Euphemismus statt Pejorativ. Jobcenter statt Arbeitslosenzentrum.

Schöne neue Welt.

Vermeintliche Probleme der Kommunen” statt „Probleme”.

Gefühlte Bedrohung” durch Kriminalität statt „Bedrohung”.

Möglicher Sozialmißbrauch” durch Zuwanderer aus EU-Staaten statt „Sozialmißbrauch”.

Und Unpassendes lasse man in den Nachrichten am besten gleich ganz weg!

Jahrelang zum Beispiel über Ausländerkriminalität. Oder über Bewilligungszahlen von Asylanträgen von Antragsstellern bestimmter Herkunftsländer. Oder sogar Zahlen rechtsextremer Gewalttaten, nämlich differenziert nach Bundesländern.

Damit die Leute nicht auf unrichtige Gedanken kommen.

Früher, in Zeiten, in welchen unsere Journalisten noch über Geschichtskenntnisse verfügten und ein wenig deutsch sprechen und mitunter sogar muttersprachlich schreiben konnten, hieß Political Correctness, um nur einige Stationen zu nennen, in kontinuierlicher Praxis Pharisäertum, Bigotterie, doppelplusgutes Neusprech oder Parteilinie. Osten erglüht, China ist jung, rote Sonne grüßt Mao Tse Tung. In der „Deutschen Demokratischen Republik“, was ja auch ein schönes Wort war für „Sowjetische Besatzungszone”, hieß die politische Korrektur „sozialistisches Bewußtsein”. Wenn man also „Russe” sagte statt „Sowjetmensch”, wurde man tadelnd zurechtgewiesen, tatsächlich, mit: „Mensch, was haben Sie denn für ein sozialistisches Bewußtsein!?”

Günstigstenfalls…

Seltsamerweise jedoch hat es sich in der Ukraine beispielsweise mindestens seit 2014 wieder herausgestellt, dass es besser ist, auch skrupellos das wahrzunehmen, was die Augen zeigen.

Und Russen immer Russen zu nennen.

Und die Mauer hieß politisch korrekt „antifaschistischer Schutzwall“.

Sonst kein Abitur!

In der bundesdeutschen Medienlandschaft ist auch kaum ein eigenständig kritischer Geist mehr in Sicht. Kein Sebastian Haffner, kein Friedrich Luft, kein Kurt Tucholsky, kein Karl Kraus, nicht zu reden von Lessing, Börne oder Heine.

Ich empfehle in den Journalistenschulen das Studium von Berichterstattungen aus der Zeit des Kalten Krieges, insbesondere die Rundschau-Magazine des RIAS!

Des „Rundfunks im amerikanischen Sektor“ Berlins.

Man sollte dieses Senders gedenken!

Oder, im modernen Journalistendeutsch: Man sollte dem Sender gedenken…

Der moderne bundesdeutsche Journalismus hat versagt!

Und ich wage hier die These, Pegida und AfD und ihre Zuläufe waren in hohem Maße Produkt auch eines journalistischen Versagens.

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Donnerstag, 4. April 2024, Deutschlandfunk:

Redaktionsausschüsse widersprechen „Manifest“ der Kritiker

Die Redakteursausschüsse der öffentlich-rechtlichen Sender stellen sich gegen einen im Internet verbreiteten Aufruf zur Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Die Arbeitsgemeinschaft der Ausschüsse erklärte, es stimme nicht, dass in den Sendern nur vorgegebene Meinungen und „Mainstream“-Berichterstattung verbreitet würden. Vielmehr gebe es überall eine lebhafte Streitkultur und Berichterstattung nach journalistischen Prinzipien.

100, teils anonyme Unterzeichner

Eine Gruppe von Kritikern hatte in einem im Netz veröffentlichten „Manifest“ unter anderem fehlende Meinungsvielfalt beklagt. Zugleich wurde gefordert, dass die Beitragszahler künftig die Mehrheit in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender stellen sollen. Erstunterzeichner dieses Aufrufs sind gut einhundert, häufig freiberufliche, ehemalige oder nicht-redaktionelle Beschäftigte von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Unterschrieben haben auch externe Persönlichkeiten. Die Redakteursausschüsse werden in den jeweiligen Sendern von den redaktionell Beschäftigten gewählt.

Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte mit Verständnis, aber auch mit Kritik auf das sogenannte „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster meinte, Zeit- und Produktionsdruck oder schwierige wirtschaftliche Verhältnisse von freiberuflich Beschäftigten seien zurecht als Probleme benannt. Zugleich kritisierte Beuster, dass ein Teil der Unterzeichnenden anonym bleiben wollte. Dies sei ein Verstoß gegen ein urjournalistisches Prinzip, erklärte der DJV-Vorsitzende.

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April 2024“: „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“

Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur. Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr. Wir haben dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden.

Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir überwiegend das generische Maskulinum, wir sprechen explizit alle an.

UNSERE GRUNDSÄTZE

Meinungs- und Informationsvielfalt

Ausgewogenheit und Fairness

Transparenz und Unabhängigkeit

Förderung von Kultur und Bildung

Bürgerbeteiligung

beitragsfinanziert

WO SEHEN WIR GEGENWÄRTIG PROBLEME?

Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener „Kampfbegriffe“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-Leugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungspazifist“ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.

Das sorgfältige Überprüfen zweifelhafter Meldungen ist wichtig. Allerdings suggerieren sogenannte Faktenchecks oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert. Der freie gesellschaftliche Diskurs wird dadurch schmerzhaft beschnitten.

Innere und äußere Bedingungen führen dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können. Dazu zählen innerbetriebliche Praktiken wie die schon vor Dreh- bzw. Reportage-Beginn feststehende Kernaussage von Beiträgen, die Zentralisierung der Berichterstattung über sogenannte Newsrooms oder Newsdesks, zu großer Zeitdruck bei der Recherche, eine überwiegend an Einschaltquoten orientierte Programmgestaltung, Sparmaßnahmen der Sender am Programm und nicht zuletzt die Tatsache, dass zwei Drittel des redaktionellen Personals nur Zeitverträge haben oder gar komplett ohne Angestelltenverhältnis als sogenannte Freie arbeiten müssen. Letzteres führt zu Existenzängsten, die wiederum entsprechend „angepassten“ Journalismus begünstigen. Aufgrund der hohen personellen Fluktuation bleibt zudem oft keine Zeit für fachlichen Wissenstransfer.

Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht in den Redaktionen. Die Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Medien sind zwar formal unabhängig, meist gibt es auch Redaktionsausschüsse, die über die journalistische Unabhängigkeit wachen sollten. In der Praxis aber orientieren sich die öffentlich-rechtlichen Medien am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. Anderslautende Stimmen aus der Zivilgesellschaft schaffen es nur selten in den Debattenraum.

Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Interessensverflechtungen von Politik und Wirtschaft werden zu selten in tagesaktuellen Beiträgen aufgezeigt und erörtert. Alltägliche Recherchen bleiben im Kern oft oberflächlich.

Bei der Programmgestaltung dürfen Faktoren wie Einschaltquoten, die derzeit als allgegenwärtiges Argument für die dramatische Ausdünnung und populistische Ausrichtung der Kultur- und Bildungsangebote sorgen, keine Rolle spielen. Der öffentlich- rechtliche Rundfunk muss auch vermeintliche „Nischenbereiche“ abbilden und zu vermitteln versuchen – was seinem Bildungsauftrag entspräche, jedoch immer weniger stattfindet. Zudem darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht die strikt und gleichförmig durchformatierten Programme privater Sender zum (schlechten) Vorbild nehmen, wie dies aktuell weitestgehend der Fall ist. Dies gilt auch und vor allem in musikalischer Hinsicht für die ARD-Radioprogramme.

An der Auswahl der Mitglieder der Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte, der höchsten Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, sind die Beitragszahler nicht direkt beteiligt. Die Verwaltungsräte kontrollieren die Geschäftsführung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, doch wer kontrolliert die Verwaltungsräte?

Das heißt: es gibt keine Partizipation der Beitragszahler bei medienpolitischen, finanziellen und personellen Entscheidungen.

Auch die Programme werden größtenteils ohne Publikumsbeteiligung erstellt. Die meisten Programmbeschwerden von Beitragszahlern finden kaum Gehör und haben entsprechend wenig Einfluss auf die Berichterstattung und generelle Programmgestaltung. Sowohl das Publikum als auch die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden in der Regel nicht über die Reaktionen und Beschwerden zum Programm informiert.

Nur ein Teil der Inhalte der öffentlich-rechtlichen Medien ist im Internet abrufbar und meist nur für eine begrenzte Dauer. Diese Praxis widerspricht der Idee eines öffentlich- rechtlichen Rundfunks und dem Gedanken eines universellen Wissenszuwachses im Internet.

DER NEUE ÖFFENTLICH-RECHTLICHE RUNDFUNK VON MORGEN

Das Prinzip der Rundfunkbeitragszahlung wird beibehalten. Es sichert die Unabhängigkeit des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das heißt: öffentlich-rechtliche Anstalten werden von der Bevölkerung finanziert, aber auch kontrolliert.

Finanzflüsse sind transparent und öffentlich einsehbar. Dies gilt insbesondere für die Budgetverteilung zwischen einzelnen Ressorts, Redaktionen und der Verwaltung. Die Bezahlung aller Mitarbeiter, einschließlich Führungsposten bis hin zur Intendanz, ist transparent und einheitlich nach einem für alle geltenden Tarifvertrag geregelt. Die Berichte der Landesrechnungshöfe sind auf den Plattformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leicht auffindbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verzichtet auf Werbeeinnahmen aller Art, sodass Werbeverträge nicht zu Befangenheit in der Berichterstattung führen können.

Den Beitragszahlern gehört der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ihre mehrheitliche Einbindung in den Kontrollgremien ist daher selbstverständlich. Diese Arbeit wird angemessen honoriert. Sie schließt die Wahrnehmung eines weiteren Amts, welches Interessenkonflikte birgt, aus. Die repräsentative Zusammensetzung der Kontrollgremien könnte beispielsweise nach dem Vorbild der Besetzung von Bürgerräten erfolgen. Direkte Wahl, Rotationsprinzip oder Losverfahren sind Möglichkeiten, um die Gesellschaft repräsentativ abzubilden.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk fungiert als Vierte Säule der Demokratie. Im Auftrag der Bevölkerung übernimmt er wichtige Kontrollaufgaben gegenüber den Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative. Damit er diesen Auftrag erfüllen kann, ist seine Unabhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Lobbygruppen garantiert.

Drehtür-Effekte zwischen Politik und dem neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind dank mehrjähriger Sperrfristen ausgeschlossen; professionelle Distanz ist jederzeit gewährleistet. Jegliche Art von Interessenskonflikt wird angegeben, wie es auch in wissenschaftlichen Arbeiten üblich ist. Das Führungspersonal ist verpflichtet, jährlich einen öffentlichen Transparenzbericht vorzulegen. Führungspositionen müssen öffentlich ausgeschrieben sowie nach einem transparenten Auswahlverfahren besetzt werden und sind zeitlich limitiert. Eine Vertragsverlängerung ist nur nach Abstimmung durch die direkt unterstellten Mitarbeiter möglich.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt. Die Politik hat keinen Einfluss auf Inhalte. Es wird neutral, multiperspektivisch und zensurfrei im Rahmen des Grundgesetzes berichtet.

Dazu gehört die Verpflichtung, vermeintliche Wahrheiten immer wieder zu überprüfen. Für die Berichterstattung bedeutet dies ergebnisoffene und unvoreingenommene Recherche sowie die Präsentation unterschiedlicher Sichtweisen und möglicher Interpretationen.

Das Publikum hat einen Anspruch darauf, sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzen und selbstständig eine Meinung bilden zu können, anstatt eine „eingeordnete“ Sicht präsentiert zu bekommen.

Meldungen von Nachrichtenagenturen werden soweit möglich nicht ungeprüft übernommen. Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt seine Verantwortung wahr, Ereignisse jenseits von Agenturmeldungen zu recherchieren und darüber zu berichten.

Fairness und respektvoller Umgang im Miteinander stehen im Fokus unseres Handelns, sowohl innerhalb der Funkhäuser als auch mit unserem Publikum. Die Journalisten des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks benutzen kein Framing und verwenden keine abwertenden Formulierungen.

Petitionen und Programmbeschwerden seitens der Gebührenzahler werden vom neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst genommen. Eine Ombudsstelle entscheidet über deren Einordung, Umsetzung und Veröffentlichung. Inhaltliche Korrekturen der Berichterstattung werden an derselben Stelle kommuniziert wie die fehlerhafte Nachricht im Programm.

Zur Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Vielfalt gehört Lokaljournalismus als wesentliches Fundament des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch Themen aus dünn besiedelten Regionen, die vermeintlich nur von lokaler Relevanz sind oder Minderheiten betreffen, müssen sich im Programm spiegeln. Die Entscheidung, auch aus Gegenden fernab von Ballungsgebieten oder Metropolen zu berichten, muss von journalistischem Anspruch geleitet sein und darf sich nicht dem Kostendruck beugen.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt seinem Auftrag in gleichem Maße auch in Sachen Bildung und Kultur nach. Bildung und Kultur haben substanziellen Anteil am Programmangebot und werden angemessen budgetiert und personell ausgestattet.

Kultur in ihrer breiten Vielfalt ist ein wichtiger Baustein und Ausdruck der demokratischen Gesellschaft. Diese Vielfalt gilt es umfangreich zu präsentieren und dokumentieren. Das betrifft alle Disziplinen wie Musik, Literatur, Theater, Bildende Künste und andere. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den aktiven Förderaspekt gelegt, beispielsweise durch eigene Produktionen sowie die Unterstützung von regionalen Künstlern.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk setzt mit eigenen Klangkörpern wie Orchestern, Big Bands und Chören Akzente im kulturellen Leben und engagiert sich im Bereich der Radiokunst Hörspiel.

Die Archive des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind frei zugänglich. Sie sind wesentliche Wissens- und Identitätsspeicher unserer Gesellschaft und somit von großer kultureller und historischer Bedeutung mit immenser Strahlkraft. Aus den Archiven, die er kontinuierlich in breitem Umfange erweitern sollte, kann der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk anhaltend schöpfen und sich und die Gesellschaft damit der Relevanz von Kultur und Bildung versichern.

Die Inhalte der Archive und Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind dauerhaft abrufbar. Die bereits gesendeten Beiträge und Produktionen stehen zeitlich unbegrenzt zur Verfügung. So kann jederzeit auf das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft zurückgegriffen werden. Dies ist für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt über eine von Rundfunkbeiträgen finanzierte, nicht kommerzielle Internetplattform für Kommunikation und Austausch. Diese verwendet offene Algorithmen und handelt nicht mit Nutzerdaten. Er setzt in diesem Raum ein Gegengewicht zu den kommerziellen Anbietern, weil ein zensurfreier, gewaltfreier Austausch zu den Kernaufgaben des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört.

Qualitätsjournalismus braucht eine solide Basis. Im neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten überwiegend fest angestellte Journalisten, damit sie weitestgehend frei von ökonomischen und strukturellen Zwängen sind. Dadurch sind sie unabhängig und ausschließlich dem Pressekodex verpflichtet. Für Recherche steht ausreichend Zeit zur Verfügung. Die individuelle Verantwortung des Redakteurs bzw. Reporters muss gewährleistet sein und nicht zentralistisch von einem Newsroom oder Newsdesk übernommen werden.

Journalistische Autonomie ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung journalistischer Qualität und Meinungsvielfalt. Deshalb wird die Weisungs-Ungebundenheit redaktioneller Tätigkeit im Hinblick auf Themenauswahl, Themengestaltung und Mitteleinsatz nicht nur in Redaktionsstatuten, sondern auch in den Landespressegesetzen und Rundfunk-Staatsverträgen festgeschrieben.

Outsourcing ist kontraproduktiv. Es verhindert öffentliche Kontrolle und fördert Lohndumping. Die Produktion von Programminhalten, die Bereitstellung von Produktionstechnik und -personal sowie die Bearbeitung von Publikumsrückmeldungen erfolgen deshalb durch die Sender.

Der neue (wie auch der jetzige!) öffentlich-rechtliche Rundfunk steht nicht in Konkurrenz zu den privaten Medien. Daher wird die vorrangige Bewertung nach Einschaltquoten bzw. Zugriffszahlen abgeschafft.

Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum. Zu dessen Eckpfeilern gehört die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die Abbildung von Meinungsvielfalt sowie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

ERSTUNTERZEICHNER DES MANIFESTS

  • Christoph Abée | Designer, Dozent, Komponist, Musiker

  • Dr. Michael Andrick | Philosoph und Autor

  • Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes | Mathematiker und Methodenwissenschaftler

  • Patrik Baab | Publizist, ehem. Redakteur beim NDR

  • Isabelle Barth | Schauspielerin, Sprecherin und Künstlerin

  • Bastian Barucker | Autor & Wildnispädagoge

  • Prof. Kerstin Behnke | Dirigentin

  • Frederic Belli | Soloposaunist SWR Symphonieorchester

  • Volker Birk | Software-Architekt und Aktivist für Bürgerrechte

  • Georg Blank | Kameramann, WDR

  • Tom Bohn | Autor, Regisseur, Veranstalter

  • Julia Braun | ehemalige feste Freie – ARD-Redakteurin / Kinderfernsehen

  • Volker Bräutigam | Journalist und langjähriger Mitarbeiter des NDR (ARD-Tagesschau und NDR-Hauptabteilung Kultur)

  • Philine Conrad | Schauspielerin

  • Michael Denhoff | Komponist & Cellist

  • Dorian Dragoi | Bildgestalter, BR

  • Sabine Erbler | Cutterin beim WDR

  • Franz Esser | München, Musik-Kabarettist

  • Dr. Petra Fischer | bis 2022 rbb

  • Silvia Fischer | Szenenbildnerin und ehemalige Radiomoderatorin

  • Jens Fischer Rodrian | Musiker, Lyriker, freier Publizist

  • Lisa Fitz | Kabarettistin, Schauspielerin

  • Jürgen Fliege | ARD Talkshow Moderator i.R.

  • Anja Franke | Schauspielerin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

  • Romanus Fuhrmann | Schauspieler und Sprecher

  • Prof. Dr. Ulrike Guérot | Politikwissenschaftlerin und Publizistin

  • Gabriele Gysi | Schauspielerin und Regisseurin

  • Andreas Halbach | Freier Mitarbeiter ZDF

  • Reinhart Hammerschmidt | Freischaffender Musiker im Bereich Neue Musik und Improvisation

  • Anny Hartmann | Diplom-Vokswirtin und politische Kabarettistin

  • Silke Hasselmann | Deutschlandradio, Landeskorrespondentin für MV

  • Andrea Haubold | Orchestermusikerin Berlin

  • Carlo Himmel | Schauspieler

  • Beate Himmelstoß | ehem. Sprecherin beim BR

  • Bianca Höltje | Pädagogin, Beraterin von Schulgründungsinitiativen

  • Henry Hübchen | Schauspieler

  • Claudia Jakobshagen | Schauspielerin, Sprecherin, RBB

  • Luc Jochimsen | ehemalige Chefredakteurin hr-Fernsehen

  • Käthe Jowanowitsch | freie Journalistin, Deutschlandfunk und WDR

  • Kristof Kannegießer | Kameramann und Autor, RBB

  • Corinna Kirchhoff | Schauspielerin

  • Carlo Kitzlinger | Schauspieler, Lufthansa Captain AD

  • Friedhelm Klinkhammer | ehem. GPR-Vorsitzender im NDR

  • Astrid Kohrs | Schauspielerin

  • Dieter Korbely | Beirat „Wir sind Medien“ und Medienkritiker

  • PD Dr. Axel Bernd Kunze | Erziehungswissenschaftler

  • Dr. Norbert Lamm | Virologe & Molekulargenetiker

  • Barbara Leitner | über 25 Jahre freie Hörfunkautorin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, jetzt Coach und Kommunikationstrainiern (GFK in KiTa und Schule)

  • Ulrich Lipka | Radiosprecher DLF Kultur

  • Thorolf Lipp | Vorstand Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.

  • Prof. Dr. Johannes Ludwig | Professor u.a. für Investigativen Journalismus

  • Prof. Dr. Christoph Lütge | TU München, ehem. Mitglied des Bayerischen Ethikrats

  • Doreen Luther | Technikerin im Hörfunkbetrieb, rbb

  • Henrike Madest | ehemalige freie Mitarbeiterin WDR

  • Almut Masuth | Musikerin und Agentin

  • Uli Masuth | Kabarettist, Komponist, Klavierist

  • Prof. Dr. rer. nat. Jörg Matysik | Chemiker, Universität Leipzig

  • Prof. Dr. Michael Meyen | Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der LMU

  • Bettina Minutillo | ehemalige Redakteurin bei Printmedien

  • Prof. Dr. Klaus Morawetz | Dresden

  • Renée Morloc | Opernsängerin

  • Annekatrin Mücke | Freie Journalistin beim rbb

  • Jürgen Müller | Rechtsanwalt, Kinderrechte Jetzt e. V., Wir-Gemeinsam-Bündnis

  • Maren Müller | Vorsitzende Ständige Publikumskonferenz

  • Alessandro Nania Pacino | Schauspieler

  • Dr. Cornelia Nenz | ehemalige Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates

  • Franz Neumeyer | Coach, Initiative Bildungswandel

  • Jeana Paraschiva | Schauspielerin und Regisseurin

  • Harring Petersen | ehemaliger Produktions-Ingenieur im LFH SH, NDR

  • Richard Petersen | Ingenieur im LFH SH, NDR, seit 2022 Rentner

  • Christoph Poppen | Dirigent, ehem. Chefdirigent Deutsche Radiophilharmonie, ehem. Leiter ARD-Musikwettbewerb

  • Christine Prayon | Kabarettistin (lange Zeit heute-show, ZDF)

  • Manuel Rabbe | Creative Director

  • Michy Reincke | Musiker

  • Martina Reitmann | stellv. Solo-Hornistin der Deutschen Radio Philharmonie, SR

  • Alexa Rodrian | Lyrikerin, Musikerin und freie Autorin

  • Martin Ruthenberg | ehemaliger Sprecher und Moderator des SWR

  • Michael Sailer | Blogger

  • Arnd Schimkat | Schauspieler

  • Bettina Schmidt | ehemalige Redakteurin DLF-Kultur

  • Eva Schmidt | Radio München

  • Kathrin Schmidt | Schriftstellerin, Deutscher Buchpreis 2009

  • Michael Schmidt | ehem. Redakteur des NDR MV, Mitglied des NDR-Rundfunkrates

  • Andrea Schömmel | Aufnahmeleiterin, SWR Baden-Baden

  • Prof. DDr. Christian Schubert | Psychoneuroimmunologe, Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Innsbruck

  • Christina Schütz | Musikerin

  • Dr. Harald Schwaetzer | Philosophisches Seminar, Stuttgart

  • Dr. Thomas A. Seidel | Vorstandsvorsitzender des Bonhoeffer-Haus e.V.

  • Ole Skambraks | ehemaliger freier Mitarbeiter und Redakteur des MDR, WDR und SWR

  • Markus Stockhausen | Musiker, Seminarleiter

  • Tim Strecker | Kameramann & Oberbeleuchter

  • Dr.-Ing. Beate Strehlitz | Beirat Wir sind Medien und Medienkritiker

  • Alina Teodorescu | freischaffende Filmemacherin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

  • Walter van Rossum | ehemaliger WDR-Autor, Medienkritiker und Investigativjournalist

  • Harald von Herget | Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

  • Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach | CHS-Institute

  • Raphaël Walter | Cellist

  • Andrea Walz | Tontechnikerin, SWR Stuttgart

  • Peter Welchering | Wissenschaftsjournalist

  • Hans-Eckardt Wenzel | Sänger, Musiker, Autor, Komponist

  • Tina Zimmermann | Bildende Künstlerin

sowie 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deren Unterschriften bei Rechtsanwalt Dr. Harald von Herget ( (vonherget.ch) ) hinterlegt sind.

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Der Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden Werner J. Patzelt am 21. Januar 2015 unter dem Titel „Edel sei der Volkswille“ im Mittwochfeuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEn ZEITUNG:

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Wirklich gute Gründe haben uns in Deutschland dazu veranlasst, solchen Denk-, Rede- und Handlungsweisen möglichst keinen Raum zu überlassen, die mit altem oder neuem Nazitum zusammenhängen könnten. Das macht alles Sprechen und Tun verdächtig, das nicht links oder mittig ist, sondern von rechts daherkommt. Und die Macht zu deuten, was rechts wäre, haben wir denen überlassen, die sich links oder mittig geben. Was einmal als ‚rechts von der Mitte‘ gilt, sehen wir schon in Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Faschismus abrutschen. Der aber war und bleibt schlecht. Zweifellos verdient er nichts als Ausgrenzung und Bekämpfung. Gut ist hingegen, wer – und was – den Faschismus bekämpft. So entstand ein gefühlt klarer Kanon dessen, was an Betrachtungsweisen, Begriffen, Sprachformeln und Argumenten in Deutschland ‚geht‘ oder eben ’nicht geht‘. Wer sich daran hält, darf am öffentlichen Diskurs teilnehmen. Wer sich gegen diesen Kanon vergeht, ist auszugrenzen – und sei es als ein ‚Latenznazi‘, der einfach nicht weiß, was er wirklich ist.

Besonders einflussreiche Schiedsrichter öffentlicher Diskurse sind Journalisten. Tatsächlich haben, ausweislich einschlägiger Studien, Journalisten eine im Durchschnitt linkere Einstellung als die Bevölkerung. Politiker wiederum tun gut daran, sich im Konfliktfall der Schiedsrichterrolle von Journalisten zu unterwerfen. Und an der ist unter den wünschenswerten Bedingungen von Pressefreiheit auch gar nicht zu rütteln. Die Folge: Seit die Achtundsechziger ihren ‚Marsch durch die Institutionen‘ vollendet haben, sind sowohl der öffentliche Diskurs als auch das von ihm geprägte Parteiensystem im Vergleich zu dem nach links gerückt, was sich demoskopisch als reale Meinungsverteilung der Bevölkerung ermitteln lässt. Tatsächlich sind die Wortführer öffentlicher Meinung immer wieder entsetzt darüber, wie große Anteile rechten Denkens die Demoskopen regelmäßig im Volk entdecken. Für normal hält man derlei natürlich nicht, sondern ist enttäuscht, dass im realen Meinen eben doch nicht verschwindet, was man so umsichtig aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt hat. Anscheinend bleibt selbst strikte Diskurshygiene ohne umfassende Erziehungswirkung. Und was ursprünglich an zivilisierenden Geboten politischer Korrektheit durchaus nicht repressiv gemeint war, nimmt dann eben doch diese Rolle an, sobald sich diskursivem Erzogenwerden verweigert, wer in die Öffentlichkeit geht.

Solcher Rückzug tatsächlichen Meinens oder Sprechens ins Nichtöffentliche löst aber keinerlei Spannungen. Vielmehr unterbleibt dann gerade das, was doch ein entscheidender Vorteil repräsentativer Demokratie ist. Der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel, in den Gründungsjahren unseres Landes sehr einflussreich, nannte ihn einst die ‚Veredelung des empirisch vorfindbaren Volkswillens‘. Sie besteht darin, dass im öffentlichen Diskurs Publizisten und Politiker in rationale, unanstößige, diskursiv anschlussfähige Sprache überführen, was sich an Denkweisen oder Interessensbekundungen an den Stammtischen und auf den Internetseiten der Nation ausdrückt, und zwar mit oft ganz unzulänglichen, ja primitiven Mitteln, die ihrerseits manch hetzerische Dynamik entfalten. Unterbleibt dann eine ‚Veredelung‘ des so Vorgebrachten, wie sie gerade Publizisten und Intellektuelle leisten könnten, so wird den von ihren Eliten alleingelassenen einfachen Leuten bald eine akzeptable Sprache fehlen, in der sie ihre Sicht und ihre Anliegen unanstößig ausdrücken könnten. Auf diese Weise entsteht im rechten Bereich des politischen Meinungsspektrums eine Repräsentationslücke. …

Tatsächlich haben wir es so weit gebracht, dass es für Leute, die sich rechts der Mitte artikulieren wollen, in unseren Talkshows nur noch die Rolle des Krokodils im Kasperltheater gibt: Man akzeptiert sie dafür, zum Gaudium der Wohlmeinenden verprügelt zu werden – teils mit der Klatsche ethischer Empörung, teils mit dem Rohrstock der Satire. Solche Krokodile müssen weg. Solche Feinde zu bekämpfen ist aber nicht nur wichtig, sondern auch gut und schön. Wie weiland edle Ritter auf âventiure bekämpfen die Anständigen nun mit hohem Mut Mischpoke, Mob und Ratten. In Dresden reinigt man nach deren Auftritt sogar die von ihnen ‚beschmutzten‘ Straßen und Plätze. So folgt der Kommunikationshygiene zwar nicht Klassen- oder Rassenhygiene, sehr wohl aber die Massenhygiene.

Und kann derlei Ausgrenzung überhaupt gut ausgehen? Lässt sich wohl dauerhaft jene Repräsentationslücke verriegeln, die gewiss in guter Absicht herbeigeführt wurde, unter der nun aber vielerlei unterdrücktes Empfinden, Wollen und Denken nach Ausdruck drängt? Anscheinend drängt das Magma unrepräsentierten Volksempfindens und unveredelten Volkswillens allenthalben in Deutschland nach oben. Freilich lagert sich darüber im Westen jene feste Kruste, welche erfahrungsbewährtes Systemvertrauen, jahrzehntelang problemlose Sozialstaatlichkeit und der institutionenbesetzende Aufstieg der Achtundsechziger geschaffen haben. Also dringt nur mittelbar und in kleinen Geysiren nach oben, was unterschwellig auch da brodelt. Doch anders verhält es sich im Osten, wo seit der Wiedervereinigung demoskopische Umfragen zeigen, um wie viel dünner dort das Deckgebirge repräsentativer Demokratie ist. In Dresden kamen bloß einige besondere Umstände zusammen – und ließen einen Vulkan ausbrechen.

Falls diese Diagnose stimmt, wird im Umgang mit Pegida der traditionelle Therapieversuch nicht viel fruchten. Er besteht darin, die Unanständigen einfach zu verscheuchen, idealerweise durch einen ‚Aufstand der Anständigen‘. Das Deckgebirge unserer politischen Deutungskultur wird im Generationswechsel weg von den Achtundsechzigern porös, während jene tektonischen Geschiebekräfte zunehmen, die der Wandel unseres Landes zu einer multikulturellen Einwanderergesellschaft aufbaut. Unterdrücken wird sich solcher Vulkanismus auf Dauer nicht lassen.

Richtiger wäre es deshalb, auf die Bauprinzipien unserer pluralistischen, repräsentativen Demokratie zu vertrauen. Ihnen folgend, würde man jene Schwierigkeiten und Interessen ernst nehmen, die Pegida zu thematisieren versucht: die Repräsentationslücke, die Sorge um den Fortbestand vertrauter Kultur, die Zukunftsangst vieler Bürger einer Einwanderungsgesellschaft ohne klare Einwanderungs- und Integrationspolitik. Die Einrichtungen unserer Zivilgesellschaft müssten Foren organisieren, auf denen Pegidisten und No-Pegidianer sich darüber streiten können, was in unserem Land zu tun oder zu lassen wäre. Und die Bundestagsparteien hätten Positionspapiere für oder gegen ein ‚Bundeseinwanderungs- und Integrationsgesetz‘ vorzulegen, damit eine öffentliche Debatte über den ganzen Fächer der Gestaltungsaufgaben unseres Einwanderungslandes zustande käme.

Der gemeinsame Nenner all dessen ist Kommunikation. Die entsteht zwischen Freund und Feind aber nicht von selbst. Man kann sie aber organisieren. Und man muss sie auch herbeiführen, wenn man das Wohl unseres Landes im Sinn hat.

Legitimität entsteht nämlich nur durch Kommunikation und erhält sich anders auch nicht. Auszugrenzen hat nur dann Sinn, wenn es um Extremisten geht, also um die Gegner einer freiheitlichen demokratischen Ordnung. Mit Andersdenkenden sollte man hingegen ins Gespräch kommen – voll guten Willens, höflich und ohne Arroganz. Die steht jenen sogar besonders schlecht, die dem einfachen Volk tatsächlich an Bildung oder Reichtum überlegen sind.“

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Hans Sarkowicz u. a.: „Jahrhundertstimmen“:

Der Rundfunk in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR stand unter strenger Aufsicht. Gesendet wurde nur das, was politische Funktionäre wünschten oder erlaubten. An eine objektive Berichterstattung war nicht zu denken, schon gar nicht an eine kritische Bewertung der Bodenreform. Denn die Versorgungslage hatte sich durch sie nicht wesentlich verbessert.

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Verschroben bis verlogen

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Samstag 15. April 2023: Bellarmin an Mephisto

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Was waren das für Zeiten im schönen Kalten Krieg! Als noch das „Lager des Friedens“ existierte, wie die östliche Propaganda die „Volksdemokratien“, die Volksvolksherrschaften eigenlobte, und das kommunistische Herrschaftsgebiet von der Elbe bis Kamtschatka und vom Nordpolarmeer bis zum Südchinesischen Meer meinte. Was konnte man da im Westen herumwühlen mittels der Fünften Kolonnen Moskaus samt ihrer nützlichen IdiotenInnen und außen.

Auch Margot Käßmann soll dieses Jahr auf einem Ostermarsch gesprochen haben.

Jene Art von Friedensliebe der Nützlichen hat ja Tradition.

In Westdeutschland und in anderen Ländern Westeuropas wurden Ostermärsche und am Jahrestag des Ausbruchs des zweiten Weltkrieges Antikriegsdemonstrationen durchgeführt. Die Volksbewegung gegen die Atomrüstung verstärkt sich, denn die Menschen verstehen, welche große Gefahr ihnen droht. Eine Ausnahme bilden die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie. Sie sprechen zwar über Frieden, aber in der Praxis unterstützen sie die Forderungen der westdeutschen Militaristen auf Beteiligung an einer multilateralen Atomrüstung der NATO. Sie sprechen von weltweiter internationaler Abrüstung, sind aber gegen den Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland, gegen einen Rüstungsstopp und gegen die Abrüstung in beiden deutschen Staaten“, tönte am Dienstag, dem 6. Oktober 1964, am Vorabend des „Republikgeburtstags“ der Deutschen Demokratischen Republik ihr Staatsratsvorsitzender, der SED-Genosse Walter Ulbricht.

Und am Montag, dem 4. April 1983, schrieb die Tageszeitung „Neues Deutschland“, das „Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (das Blatt erklärt unter geringfügiger Namensänderung noch heute den unbeirrbar Ohnehin-Bescheidwissern die Welt):

Unüberhörbar brachten sie [die Ostermarschierer] die Besorgnis der Völker über die akute Bedrohung des Friedens zum Ausdruck, die der von den USA betriebene Kurs der Hochrüstung, der Konfrontation, der Verschärfung der internationalen Spannungen und der harschen Verweigerung gegenüber jedem konstruktiven und realistischen Vorschlag der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder verursacht.“

Aus irgend einem Grund waren nämlich die Länder mit volksvolksherrschaftlicher Führung unter der Führung Sowjetrußlands schon immer für die Ostermärsche.

Für Ostermärsche in den nicht volksvolksherrschaftlich und nicht russisch regierten Ländern.

Was merkwürdig seltsam den unbeirrbaren Bescheidwissern aber bisher noch nie auffiel…

Da marschieren sie heutzutage denn also hinter Transparenten her wie

Frieden mit Russland und China!

Stoppt den Wirtschaftskrieg

Nord Stream 2 und

Druschba-Trasse in Betrieb!

DKP

Statt zu rufen: RUSSEN RAUS !

und:

RUSSEN RAUS AUS DER UKRAINE !

Am Mittwoch, dem 16. März 2022, erklärte der langjährige Organisator der Ostermärsche Willi van Ooyen in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG jenseits historischer Erfahrung tatsächlich „Mehr Waffen beenden keinen Krieg“! Statt zu schießen sollten die Ukrainer die Russen mit zivilem Widerstand vertreiben!

Ach, ist das wieder klug, na, sagen wir milde: gesprochen!

Wenn die Ukrainer doch bloß endlich mal hören wollten, was ihnen ein klugsprechender Bescheidwisser aus Deutschland so alles rät.

Schau her, schau her,

so wär‘ die Welt, wenn Frieden wär‚“,

gab es einmal im Rahmen der staatlich organisierten „Singebewegung“ Ende der sechziger Jahre ein Lied in der Deutschen Demokratischen Republik, geträllert von Reiner Schöne und musiziert vom Klaus Lenz-Sextett.

Damals herrschte exakt russischer Friede.

Abgesichert gegen die imperialistischen Kriegstreiber in der Beärrdee und der Nato durch einen antifaschistischen Schutzwall.

Das war die Zeit, über deren damalige bescheidwissende Durchblicker im DER SPIEGEL 15/23 S. 22 zu lesen stand:

Offiziere des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit hatten im Februar 1968 ein Herz für Rudi Dutschke und den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Als die linksradikalen Rebellen in West-Berlin eine große „Vietnamkonferenz“ organisierten, sorgten Stasileute dafür, dass aus Westdeutschland anreisende Gäste in den Genuss einer Vorzugsbehandlung kamen. Dies geht aus Stasiakten im Bundesarchiv hervor. Die linken Studenten hatten das Treffen als internationale Solidaritätsdemonstration für die Vietnamesen organisiert, die gegen die Invasion von US-Truppen kämpften. Über 2000 Linksradikale trafen am 17. Februar 1968 in einem Konvoi am Grenzkontrollpunkt Marienborn ein, um über die Transitautobahn von der Bundesrepublik nach West-Berlin weiterzufahren. Die üblichen Autobahn- und Visagebühren entfielen, eine Zollkontrolle brauchte es auch nicht. Nur ihre Pässe mussten sie vorzeigen. Nach einem Bericht eines Majors der „Hauptabteilung Passkontrolle und Fahndung“ der Stasi wurden insgesamt 179 Pkw und 49 Busse mit 2667 Personen gezählt, die zum Protest in die Mauerstadt fuhren. In einem Report an den stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Generalleutnant Bruno Beater, heißt es auch: „Die Teilnehmer der Konferenz waren aufgeschlossen, sprachen unsere Mitarbeiter mit Genossen an.“

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Aus der pazifistisch-religiösen Bewegung, die 1960 antrat, um Strom und Bäche des Kalten Krieges vom Eis zu befreien, ist eine KP-gesteuerte Medienschau geworden…

Montag, 4. April 1983, Die Welt

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6.11.15 Bellarmin an Mephisto

„Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt“, zitierte ich Dir vorigen Monat Napoleon (=> Wäschewechsel), um heute zu ergänzen: Vom Lächerlichen zum Grotesken ist es nur ein halber. Die Bundeskanzlerin unterliegt einer gefährlichen Täuschung in ihrer einzigen Hingabe an die Hoffnung auf eine gesamteuropäische Lösung der zum „Flüchtlingsproblem“ verniedlichten vorderasiatischen Völkerwanderung hinweg über mindestens sieben Staatsgrenzen von als sicher geltenden Aufnahmeländern nach Deutschland. Sie scheint sich an diese Hoffnung zu klammern wie an einen rettenden Strohhalm und versucht nach außen den Eindruck zu erwecken, als sei jene Vertröstung der Eingeborenen ihr Deutschlandrettungsplan.

Indessen gehen wir wahrscheinlich kaum fehl, wenn wir uns der vielleicht nicht gänzlich abwegigen Annahme hingeben, daß die Staatschefin am 4. September in der Sache vollkommen planfrei und unbedacht jeglicher Konsequenz agierte beim einseitigen Außerkraftsetzen des Dublin-Verfahrens. Was jedenfalls allgemein so bemängelt wurde aus ihrer Umgebung, aus Regierungskreisen sowie in den Ländern und Kommunen. Wie der SPIEGEL vermeldet, klagt auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes deswegen der Düsseldorfer Anwalt Clemens Antweiler vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Auswärtige Amt um Herausgabe der Information, auf welcher Grundlage die Entscheidung getroffen wurde, sich über das geltende Recht hinwegzusetzen.

Eine Entscheidung, die, wie die Kanzlerin anschließend den betroffenen aber ungefragten Einwohnern verkündete, Deutschland verändern werde. Wie ich vernahm, soll man mit vorauseilender Rücksicht vor den kulturellen Verhaltensmustern der einwandernden (Aus-)wanderer an verschiedenen Orten schon dazu übergegangen sein, den traditionellen Martinsumzug umzubenennen in Laternenumzug. Das macht uns Deutschen keiner nach.

Wenn wir deshalb die eingangs erwähnte Strohhalmhoffnung als Plan A der Kanzlerin setzen, sollten wir angesichts der Wichtigkeit doch auch die berechtigte Frage aufwerfen nach dem von jedem verantwortungsvollen Politiker erwartbaren Plan B.

Was passiert denn nun, im Falle sich keine gesamteuropäische Lösung herbeiführen ließe?

Skepsis ist erste Bürgerpflicht!

Denn wir erinnern uns. Das (Un-)Wort dieses Jahres heißt Quotenregelung. Nur nach elendem Gezerre hatte man sich geeinigt, 40.000 Asylantragsteller zu verteilen über die Europäische Union der angemahnten Werte. Mit dem Ergebnis: Von den 40.000 war nach der Einigung nicht ein einziger „verteilt“ worden!

Aus Gründen, die man nicht hinterfragt, also nicht wahrhaben will.

Gewissermaßen natürlich war dann das neuerliche Unvermögen, eine Einigung herbeizuführen über die Verteilung der von der UNHCR geforderten 200.000 (Aus-)wanderer in den Staaten der angestrengten Wertegemeinschaft. Ebenso konnte für 160.000 (Aus-)wanderer keine verbindliche Quotenreglung vereinbart werden. Im September bemühte man dann zum ersten Mal das Mittel der Mehrheitsentscheidung. Erst als Drohung, verzweifelt schließlich als Ultima Ratio. Worauf unsere an Oberflächlichkeit kaum zu überbietenden Medien verkündeten, in Brüssel wäre endlich die Quote beschlossen. Deutschland werde 26 Prozent dieser Flüchtlinge aufnehmen, was „unter dem Strich“ eine Entlastung darstelle…

Das Wichtigste, nämlich daß jene Quotenregelung unverbindlich blieb, wird bis heute von unseren Medien so gut wie nicht wahrgenommen, geschweige denn erörtert in seinen naheliegenden und leicht vorhersehbaren und inzwischen auch eingetretenen Folgen.

Denn unverdrossen wurde am 9. Oktober mit Tschingderassabum und Brüsseler Spitzen-Aufgebot der Umsetzungsbeginn jener Quoten verkündet und 19 Eriträer aus Italien nach Schweden verfrachtet.

In Worten: Neunzehn.

Unterdessen ist, wie bestellt, von Verbindlichkeit die Rede nicht mehr, und zwar unisono auf allen Kanälen unserer nichtgleichgeschalteten Medien. Und offenbar schien auch nicht einem einzigen Journalisten unserer ob des vorjährigen Unwortes mit beleidigter Unterlippe herumlaufenden Medien die Frage einzufallen, warum denn nur 19 Umverteilungen von 160.000. Verfügt man nicht über genug Flugraum? Und warum ausgerechnet nach Schweden statt nach Tschechien?

Ist die Frage abwegig oder politisch unkorrekt?

Diesen Mittwoch der nächste Akt des Wolltemalundkonntenicht. Dem staunenden Publikum wird erneut der nunmehrige Beginn der Umsetzung jener septemberiellen Quotenregelung verkündet. Mit Pomp und Gloria und Martin Schulz. Und mit griechischem Dauerlächler Alexis Tsipras. Diesmal handelt es sich immerhin um 40 Prozent, pardon, um 40 Personen, die als „Kontingentflüchtlinge“ nach Luxemburg geflogen wurden. In der Berichterstattung bezog man sich auf die Vereinbarung vom September, erwähnte auch ab und an, daß dieserhalb inzwischen 90 Personen nach Skandinavien geflogen worden seien, wobei manche Berichterstatter von 80 Personen sprachen.

80 oder 90, noch nicht einmal sechs Zehntel eines Promilles von 160.000, das ist ja wohl egal. Das Wort „Quote“ jedenfalls schiebt man wie auf Kommando beiseite. Man spricht ausschließlich von „Kontingent“. Ein schönes Wort. „Quote“ – das riecht so nach Berechnung und 26 Prozent und nach Verbindlichkeit…

Und wieder werden die essentiellen Fragen ausgeklammert, geschweige denn erörtert. Kein Journalist fragt, warum nur 40 von 160.000, warum nach Luxemburg statt nach Ungarn, Bulgarien, Frankreich oder Großbritannien. Im Gegenteil, die Apotheose lieferte die Zwanzig-Uhr-Tagesschau. Dort verkündete die Berichterstatterin Susi Sorglos (Name geändert): „Dieser Flug ist eine kleine Erfolgsgeschichte!“

Voilà, damit sind wir in der Berichterstattung unserer öffentlich-rechtlicher Medien endgültig angelangt auf dem Niveau der Aktuellen Kamera des Adlershofer Fernsehfunks aus Ost-Berlin. Nämlich auf dem Niveau der unverhohlenen Volksverarschung.

Da wir also über die Gründe für das Ausklammern der essentiellen Frage seitens der professionellen Fragesteller nur mutmaßen können, mutmaße ich einmal kühn, es handele sich um das typische Nichtwahrhabenwollen eines Nichtseinkönnens, das nicht sein dürfe, und folgere, die angestrebte Problemlösung über eine verbindliche europäische Quotenregelung war, ist und wird ein Schlag ins Wasser. Und bei dem von Kanzlerin und diversen gedächtnisfreien Politikern gepriesenen Plan A handelt es sich um eine ebensolche Schimäre wie etwa die Abmachung von Maastricht, den Euro-Stabilitätspakt, die Verschuldungsobergrenze, das Dublin-Verfahren oder die gemeinsame europäische Außenpolitik.

Nicht zur reden von den gemeinsamen Werten.

Deutsche Politiker jammern vorwurfsvoll, und dabei vor allem auf osteuropäische Staaten blickend, die Europäische Union sei doch keine Zugewinngemeinschaft, sondern eine Wertegemeinschaft.

Sie verleugnen also das, was an der Europäische Union funktionierend war, und beschwören das, was die Europäische Union sogar dem gutwilligsten Gutmenschen erkennbar nicht ist.

Nicht nur die Briten schütteln den Kopf über die deutsche Romantik!

Denn besser als eine nicht funktionierende Wertegemeinschaft ist die bewährte Zugewinngemeinschaft allemal.

Sie hat den Kalten Krieg gewonnen!

 

„Beim Himmel! der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.“

(Friedrich Hölderlin 1770 – 1843)