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Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Konrad Adenauer

Mittwoch, 7. April 1954

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Freitag, 12. April 2024: Bellarmin an Mephisto

Mittwoch, 7.April 1954:

Regierungserklärung Adenauers zur Übertragung der Souveränität an die DDR durch die Sowjetunion

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer gab laut dpa zu der von der Sowjetunion vorgenommenen Übertragung der Souveränität an die Regierung der DDR vor dem Bundestag folgende Regierungserklärung ab:

»Die Regierung der Sowjetunion hat am 25. März erklärt, daß sie mit der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik die gleichen Beziehungen aufnehme wie mit anderen souveränen Staaten. Die DDR werde die Freiheit besitzen, nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten einschließlich der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden. Mit dieser Erklärung sucht die Sowjetregierung den Anschein zu erwecken, daß der von ihr besetzte Teil Deutschlands ein selbständiges, souveränen Staaten gleichgestelltes Staatswesen geworden sei. Die sowjetische Erklärung vermag jedoch nichts gegen die Tatsache, daß es nur einen deutschen Staat gibt, gegeben hat und geben wird- und daß es einzig und allein die Organe der Bundesrepublik Deutschland sind, die heute diesen niemals untergegangenen deutschen Staat vertreten. Daran ändert auch die schmerzliche Wirklichkeit nichts, daß die deutsche Staatsgewalt heute nicht einheitlich in allen Teilen Deutschlands ausgeübt werden kann.

In jenen Teilen Deutschlands, in denen heute das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt, konnten die Organe des deutschen Staates nach 1945 auf rechtmäßigem Wege – das heißt durch freie Wahlen, die den unverfälschten Willen des deutschen Volkes zum Ausdruck brachten – wiedergeschaffen werden. In allen Ländern der heutigen Bundesrepublik haben nach 1945 freie Wahlen stattgefunden, aus denen Volksvertretungen und verfassungsmäßig geordnete, verantwortliche Regierungen hervorgegangen sind. Vertreter der frei gewählten Landtage haben sich zu einer verfassunggebenden Versammlung zusammengefunden und haben im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eine freiheitlich-demokratische Verfassung geschaffen, die von den Volksvertretungen der Länder geprüft und angenommen worden ist.

In den Bundestagswahlen von 1949 und 1953 hat sich das deutsche Volk unmittelbar zu dieser neuen verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands bekannt. Schon 1949 bei einer Wahlbeteiligung von 78,5 Prozent erhielten die Kommunisten nur 1,5 von 25 Millionen Stimmen, also sechs Prozent. 1953 erhielten sie bei der sehr starken Wahlbeteiligung von 86,2 Prozent nur noch etwas über sechshunderttausend von 28 Millionen Stimmen, das heißt nur noch 2,2 Prozent.

Diese Zahlen beweisen, wie das deutsche Volk über ein kommunistisches Regime denkt, das nicht wagen kann, in der von ihm beherrschten Zone freie Wahlen abzuhalten, das die Länder mit ihren Volksvertretungen unter Bruch der eigenen Verfassung beseitigt hat und dessen »Volkskammer« die willenlose Unterwürfigkeit des Hitlerschen Reichstages noch überbietet – ein Regime, dessen einzig entscheidende Partei eine verhaßte Minderheit bildet und das sich am 17. Juni 1953 nur mit brutaler Anwendung von Waffengewalt gegen die Empörung und Verzweiflung der gesamten Bevölkerung am Ruder halten konnte.

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Archiv der Gegenwart. Bd. 2, S. 1126 ff.

Wie sich die Bilder gleichen: Der russische Imperialismus vor 70 Jahren

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Sonnabend, 24. Februar 2024: Serapion an Mephisto

23. Februar 1954: Aus dem Berliner Appell Adenauers an das ganze deutsche Volk zum Ergebnis der Viererkonferenz:

Die Lehre von Berlin besteht darin, daß die Sowjetunion zur Zeit jede Lockerung innerhalb ihres europäischen Machtbereichs für ein Risiko hält. Sie will ihre Truppen in Österreich behalten und ihre SED in Deutschland. Der österreichische Staatsvertrag, freie Wahlen in der Sowjetzone wären der Sowjetunion gleichbedeutend mit einer Minderung der eigenen Macht. Sie ist heute nicht gewillt, an irgendeinem Punkte in Europa mit ihrem Druck nachzulassen. Das ist eine Unnachgiebigkeit, die aus der inneren Unsicherheit stammt. Ich möchte feststellen, daß in Europa zur Zeit die sowjetische Politik ausschließlich von dem Gedanken beherrscht ist, den Status quo hinsichtlich der Besatzung, hinsichtlich der politischen Stellung aller unter ihrer Kontrolle befindlichen Gebiete aufrechtzuerhalten. Ihr Plan, und hierüber dürfte auch bei den größten Illusionisten keine Unklarheit mehr bestehen, zielt aber darauf auch ab, den Status quo zu gegebener Zeit zur Basis eines weiteren Übergreifens auf Westeuropa zu machen.

Archiv der Gegenwart, Bd. 2, S. 1101f.

Der gewöhnliche russische Imperialismus an einem einzigen Beispiel

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Samstag, 17. Juni 2023: Bellarmin an Mephisto

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Ungeheuerlich: Stell Dir das Ausmaß an geistiger Verflachung vor in Deutschland! Es ist nicht eine einzige Stimme zu hören von einem Politiker, einem Historiker, einem Politikwissenschaftler, einem Denkfabrikdenker, die anläßlich des siebzigsten Jahrestages des 17. Juni etwa einen Zusammenhang herstellte beispielsweise zwischen 1953, 1956, 1968, der Breshnew-Doktrin oder Transnistrien, Tschetschenien, Südossetien, Abchasien, der Ukraine…

etc. etc. etc.

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Donnerstag, 28 Mai 1953:

Der Ministerrat der DDR faßte laut ADN folgende Beschlüsse:

1. Erhöhung der Arbeitsnormen

Der Ministerrat beschloß, im Sinne der Ankündigung bei der Tagung des ZK der SED die Arbeitsnormen mit den Erfordernissen der Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Senkung der Selbstkosten in Übereinstimmung zu bringen und bis zum 30. Juni 1953 zunächst eine Erhöhung der für die Produktion entscheidenden Arbeitsnormen im Durchschnitt von mindestens 10 % sicherzustellen. Die zuständigen Ministerien und Staatssekretariate haben für jeden Betrieb Kennziffern für die Erhöhung der Arbeitsnormen festzulegen, die von den Werkleitungen für die Betriebsabteilungen des jeweiligen Werkes aufzuteilen sind. In Übereinstimmung mit den Zentralvorständen der entsprechenden Gewerkschaften haben die zuständigen Minister und Staatssekretäre sofort die allgemeine Überprüfung der Arbeitsnormen für die ihnen unterstehenden Betriebe anzuordnen. Die Betriebsleiter haben die Überprüfung der Arbeitsnormen in ihren Betrieben bis zum 3. Juni 1953 in Übereinstimmung mit den Betriebsgewerkschaftsleitungen zu veranlassen. Entsprechend den Ergebnissen der Überprüfung der Arbeitsnormen sind die neuen erhöhten Arbeitsnormen so festzusetzen, daß die festgelegten Kennziffern in jedem Betrieb mindestens erreicht werden. Im Rahmen der für die Erfüllung und Übererfüllung der erhöhten Arbeitsnormen notwendigen Maßnahmen ist in jeder Betriebsabteilung unter der aktiven Mitwirkung aller Arbeiter ein Plan technischer und organisatorischer Aufgaben aufzustellen. Dieser Plan muß sich vor allem auf die Verbesserung der Arbeitsorganisation, auf die Qualifizierung der Arbeiter, auf die Veränderung der technischen Bedingungen, auf die Beseitigung von Verlustzeiten und auf die verbesserte Instruktion durch Meister und Brigadiere erstrecken.

2. Wiederzuerkennung entzogener Lebensmittelkarten

Der Ministerrat beschloß die Bewilligung von Lebensmittelkarten ab 1. Juli 1953 an einen großen Teil derjenigen Personen, die nach der Verordnung vom 9. April 1953 vom Bezug der Lebensmittelkarten ausgeschlossen waren.

Archiv der Gegenwart. Bd. 1, S. 947 ff.

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Montag, 1. Juni 1953:

Das Präsidium des Ministerrates der DDR faßte laut Tägliche Rundschau folgenden Beschluß über die Reorganisation der Volkskontrolle:

»Mit der Bildung und Festigung der Ständigen Kommissionen der örtlichen Organe der Staatsgewalt und ihrer Aktivs, mit der Wahl Haus- und Straßenvertrauensleuten und der Schaffung der Einrichtung von freiwilligen Helfern der Volkspolizei sowie mit der Organisierung der gewerkschaftlichen Arbeiterkontrolle über Handel und Versorgung wurden die bisherigen Aufgaben der Volkskontrollausschüsse von diesen Organen der Werktätigen übernommen. Diese breitere Mitarbeit der werktätigen Massen bei der Kontrolle macht die Reorganisation der Volkskontrolle und die Einbeziehung der Mitglieder, der bisherigen Volkskontrollausschüsse in die neugeschaffenen Organe notwendig.« Mit der Durchführung der Reorganisation wurden die Rate der Bezirke und Kreise beauftragt.

Archiv der Gegenwart. Bd. 1, S. 949 ff.

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Mittwoch, 10. Juni 1953:

Das Presseamt beim Ministerpräsidenten der DDR veröffentlichte laut ADN folgendes Communiqué über eine Besprechung von Vertretern des Ministerrates, geführt vom Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, mit Vertretern der Evangelischen Landeskirchen in der DDR, geführt vom Bischof Otto Dibelius, Ratsvorsitzenden der EKD:

»Gegenstand der Besprechung war die Überprüfung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik. In der vom Geiste gegenseitiger Verständigung getragenen Verhandlung wurde für die Wiederherstellung eines normalen Zustandes zwischen Staat und Kirche weitgehende Übereinstimmung erzielt. Die einmütige Auffassung daß die Herbeiführung der Einheit unseres Vaterlandes und die Schaffung eines Friedensvertrages heute das dringendste Anliegen aller Deutschen ist erfordert die Überwindung der Gegensätze, die dieser Entwicklung entgegenstehen. Darum wurde staatlicherseits die Bereitwilligkeit erklärt, das kirchliche Eigenleben nach den Bestimmungen der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik zu gewährleisten. Die Vertreter der Kirche erklärten ihrerseits, auf verfassungswidrige Eingriffe und Einwirkungen in das wirtschaftliche und politische Leben zu verzichten. Auf der Grundlage dieser Übereinstimmung sind folgende Anordnungen getroffen

1. Es sind keinerlei weitere Maßnahmen gegen die sogenannte »Junge Gemeinde« und sonstige kirchliche Einrichtungen einzuleiten. Das Amt für Jugendfragen beim Stellvertreter des Ministerpräsidenten, W. Ulbricht, wird beauftragt, unter Teilnahme von Vertretern der Kirche, der ›Jungen Gemeinde‹ und der Freien Deutschen Jugend eine Klärung über alle strittigen Fragen in bezug auf die ›Junge Gemeinde‹ herbeizuführen.

2. Alle im Zusammenhang mit der Überprüfung der Oberschüler und der Diskussion über die Tätigkeit der Jungen Gemeinde aus den Oberschulen entfernten Schüler sind sofort wieder zum Unterricht zuzulassen. Es ist ihnen die Möglichkeit zu geben, die versäumten Prüfungen nachzuholen. Wegen Wiedereinstellung der aus dem gleichen Anlaß entlassenen Lehrer hat das Ministerium für Volksbildung eine sofortige Prüfung und Entscheidung durchzuführen.

3. Alle im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Evangelischen Studentengemeinde oder sonstigen Studentengemeinden ausgesprochenen Exmatrikulationen sind sofort vom Staatssekretäriat für Hochschulwesen zu überprüfen und bis zum 20. Juni 1953 zu entscheiden.

4. Das Ministerium für Volksbildung hat Richtlinien über die Abhaltung des Religionsunterrichtes in den Schulgebäuden sofort auszuarbeiten Die seit dem 1. Januar 1953 erfolgten Einschränkungen der Abhaltung des Religionsunterrichtes in den Schulgebäuden sind zu über prüfen und zu beseitigen.

5. Die beschlagnahmten Einrichtungen und Anstalten kirchlichen Charakters sind an die früheren Verwaltungen zurückzugeben. Das betrifft die Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg, die Neinstedter Anstalten in Neinstedt und das Altersheim Seyda Kreis Jessen-Elster. Das Schloß Mansfeld bleibt dagegen in der Verwaltung des Kombinats Mansfeld und dient als Kulturhaus und Erholungsheim für Bergarbeiter des Kombinats Mansfeld.

6. Wegen der Belegung und Verteilung der Ferienplätze in den kirchlichen Heimen an der Ostsee wird die Durchführung und Entscheidung dem Staatssekretäriat für Innere Angelegenheiten übertragen.

7. Die Urteile der Gerichte sind zu überprüfen und ungerechte Härten zu beseitigen.

8. Die Verordnung über die Anmeldepflicht von Veranstaltungen vom 29. März 1951 ist zu überprüfen und Härten sind auszugleichen.

9. Die staatlichen Zuschüsse an die Kirchen werden nach den vereinbarten Regeln zur Auszahlung gebracht.

Archiv der Gegenwart. Bd. 1, S. 955 ff.

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Freitag, 12. Juni 1953:

1. Communiqué des Politbüros der SED über Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenshaltung und Stärkung der Rechtssicherheit.

Das Politbüro des ZK der SED veröffentlichte laut Tägliche Rundschau am 11. Juni folgendes Communiqué:

»Das Politbüro des Zentralkomitees der SED hat in seiner Sitzung vom 9. Juni 1953 beschlossen, der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik die Durchführung einer Reihe von Maßnahmen zu empfehlen, die der entschiedenen Verbesserung der Lebenshaltung aller Teile der Bevölkerung und der Stärkung der Rechtssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik dienen. Das Politbüro des ZK der SED ging davon aus, daß seitens der SED und der Regierung der DDR in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern begangen wurde, die ihren Ausdruck in Verordnungen und Anordnungen gefunden haben, wie z.B. Der Verordnung über die Neuregelung der Lebensmittelkartenversorgung, über die Übernahme devastierter landwirtschaftlicher Betriebe, in außerordentlichen Maßnahmen der Erfassung, in verschärften Methoden der Steuererhebung usw. Die Interessen solcher Bevölkerungsteile wie der Einzelbauern, der Einzelhändler, der Handwerker, der Intelligenz wurden vernachlässigt. Bei der Durchführung der erwähnten Verordnungen und Anordnungen sind außerdem ernste Fehler in den Bezirken, Kreisen und Orten begangen worden. Eine Folge war, daß zahlreiche Personen die Republik verlassen haben. Das Politbüro hat bei seinen Beschlüssen das große Ziel der Herstellung der Einheit Deutschlands im Auge, welches von beiden Seiten Maßnahmen erfordert, die die Annäherung der beiden Teile Deutschlands konkret erleichtern. Aus diesen Gründen hält das Politbüro des ZK der SED für nötig, daß in nächster Zeit im Zusammenhang mit Korrekturen des Plans der Schwerindustrie eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt werden, die die begangenen Fehler korrigieren und die Lebenshaltung der Arbeiter, Bauern, der Intelligenz, der Handwerker und der übrigen Schichten des Mittelstandes verbessern. Auf der Sitzung am 9. Juni hat das Politbüro Maßnahmen auf dem Gebiet des Handels und der Versorgung, auf landwirtschaftlichem Gebiet und auch hinsichtlich der Erleichterung des Verkehrs zwischen der DDR und Westdeutschland festgelegt. Um die Erzeugung von Waren des Massenbedarfs zu vergrößern die von kleinen und mittleren Privatbetrieben hergestellt werden, und um das Handelsnetz zu erweitern, wird vorgeschlagen, den Handwerkern, Einzel- und Großhändlern, privaten Industrie, Bau- und Verkehrsbetrieben in ausreichendem Umfange kurzfristige Kredite zu gewähren. Die Zwangsmaßnahmen zur Betreibung von Rückständen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die bis zum Ende des Jahres 1951 entstanden sind, sollen für Klein-, Mittel und Großbauern, Handwerker, Einzel- und Großhändler, private Industrie-, Bau und Verkehrsbetriebe, d.h. in der gesamten privaten Wirtschaft, ausgesetzt werden. Wenn Geschaftseigentümer, die in letzter Zeit ihre Geschäfte geschlossen oder abgegeben haben, den Wunsch äußern, diese wiederzueröffnen so ist diesem Wunsche unverzüglich Rechnung zu tragen. Außerdem soll die HO zur besseren Versorgung der Bevölkerung sofort Agenturverträge mit dem privaten Einzelhandel abschließen.

Das Politbüro schlägt ferner vor, daß die Verordnungen über die Übernahme devastierter landwirtschaftlicher Betriebe aufgehoben werden und die Einsetzung von Treuhändern wegen Nichterfüllung der Ablieferungspflichten oder wegen Steuerrückständen untersagt wird. Die Bauern, die im Zusammenhang mit Schwierigkeiten in der Weiterführung Ihrer Wirtschaft ihre Höfe verlassen haben und nach Westberlin oder nach Westdeutschland geflüchtet sind (Kleinbauern, Mittelbauern, Großbauern), sollen die Möglichkeit erhalten, auf ihre Bauernhöfe zurückzukehren. Ist das in Ausnahmefällen nicht möglich, so sollen sie vollwertigen Ersatz erhalten. Es soll ihnen mit Krediten und landwirtschaftlichem Inventar geholfen werden, ihre Bauernwirtschaften zu entwickeln. Strafen die wegen Nichterfüllung von Ablieferungsverpflichtungen oder Steuerverpflichtungen ausgesprochen wurden, sollen überprüft werden. Dabei wird vorgeschlagen, den Minister für Land- und Forstwirtschaft zu beauftragen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Interessen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gewahrt bleiben. Das Politbüro schlägt weiter vor, daß alle republikflüchtigen Personen, die in das Gebiet der DDR und den demokratischen Sektor von Berlin zurückkehren, das auf Grund der Verordnung vom 17. Juli 1952 zur Sicherung von Vermögenswerten beschlagnahmte Eigentum zurückerhalten. Ist in Einzelfallen die Rückgabe nicht möglich, so soll Ersatz geleistet werden. Zurückkehrenden Republikflüchtigen darf aus der Tatsache der Republikflucht keine Benachteiligung entstehen. Sie sollen durch die zuständigen Organe der Räte der Bezirke und Kreise entsprechend ihrer fachlichen Qualifikation wieder in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eingegliedert werden und ihre vollen Bürgerrechte erhalten. (Deutscher Personalausweis, Lebensmittelkarte usw.) Für die Rückkehrer sind Auskunftsstellen einzurichten, die ihnen in allen Fragen Rat und Auskunft erteilen. Das Politbüro ist ferner der Auffassung, daß die Frage der Aufenthaltsgenehmigungen für Westdeutsche und Westberliner sowie die Frage der Ausstellung von Interzonenpässen im Sinne der Erleichterung des Verkehrs zwischen Ost- und Westdeutschland neu geregelt werden müssen. Bei Antrag auf Ausstellung von Aufenthaltsgenehmigungen für Westdeutsche und Westberliner sind familiäre Gründe anzuerkennen, ebenso bei Anträgen auf Ausstellung von Interzonenpässen. Insbesondere ist Wissenschaftlern und Künstlern die Teilnahme an Tagungen in Westdeutschland zu ermöglichen, ebenso ist Künstlern aus Westdeutschland die Teilnahme an Tagungen in der DDR zu ermöglichen.

Das Politbüro schlägt ferner vor, daß alle im Zusammenhang mit der Überprüfung der Oberschüler und der Diskussion über die Tätigkeit der Jungen Gemeinde aus den Oberschulen entfernten Schüler sofort wieder zum Unterricht zuzulassen sind, und daß ihnen die Möglichkeit gegeben wird, die versäumten Prüfungen nachzuholen. Ebenso sollen die im Zusammenhang mit der Überprüfung der Oberschulen ausgesprochenen Kündigungen und Versetzungen von Lehrern rückgängig gemacht werden. Die in den letzten Monaten ausgesprochenen Exmatrikulationen an Hochschulen und Universitäten sollen sofort überprüft und bis zum 20. Juni 1953 entschieden werden. Bei Immatrikulationen an den Hochschulen und Universitäten dürfen befähigte Jugendliche aus den Mittelschichten nicht benachteilig werden. Ferner empfiehlt das Politbüro der Regierung der DDR, die Justizorgane zu beauftragen, diejenigen Verurteilten sofort zu entlassen, die nach dem Gesetz zum Schutz des Volkseigentums zu 1 bis 3 Jahren verurteilt worden sind, mit Ausnahme der Fälle, in denen schwere Folgen eintraten. Ebenso empfiehlt es, diejenigen Untersuchungshäftlinge sofort zu entlassen, gegen die ein Verfahren nach dem Gesetz zum Schutz des Volkseigentums anhängig gemacht wurde und bei denen keine höheren Strafen als die gesetzlichen Mindeststrafen von 1 bis 3 Jahren zu erwarten sind.

Das Politbüro hat schließlich beschlossen, der Regierung der DDR zu empfehlen, daß ab 1. Juli 1953 wieder an alle Bürger der DDR und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin Lebensmittelkarten entsprechend den gesetzlich festgelegten Tätigkeitsmerkmalen ausgegeben werden. Es wird weiter vorgeschlagen, die im April 1953 durchgeführten Preiserhöhungen für Marmelade, Kunsthonig und andere Süß- und Backwaren mit Wirkung vom 15. Juni 1953 rückgängig zu machen, die Fahrpreisermäßigung in Höhe von 50 Prozent ab 1. Juli 1953 bei Arbeiterrückfahrkarten auf alle berechtigten Personen ohne Rücksicht auf die Hohe ihres Einkommens auszudehnen, die Fahrpreisermäßigungen für Schüler und Lehrlinge und auch bestimmte Schichten der Arbeiter wiederherzustellen und auch die Fahrpreisermäßigungen für Schwerbeschädigte, Kleingärtner usw. sowie die Erstattung von Fahrgeld durch die Sozialversicherung beim Besuch bei Fachärzten wiedereinzuführen.«

2. Beschlüsse des Ministerrates der DDR über Maßnahmen zur Korrektur begangener Fehler und zur Verbesserung des Lebenshaltung

Der Ministerrat faßte laut ADN folgende Beschlüsse, die als Einleitung eines aus den gegenwärtigen Engpässen herausführenden Entwicklungsprozesses bezeichnet werden der Veränderungen des Fünfjahrplanes folgen sollen, welche eine weitere Verbesserung der Lebenshaltung ermöglichen würden:

»Die Beschränkungen für die Ausgabe von Lebensmittelkarten werden aufgehoben. Ab 1. Juli 1953 werden an alle Bürger der DDR und des demokratischen Sektors von Groß-Berlin wieder Lebensmittelkarten wie früher ausgegeben. Bei der Handelsorganisation (HO) werden die Preise für zuckerhaltige Erzeugnisse, wie Süßwaren, Dauerbackwaren, Feinbackwaren sowie Kunsthonig mit 10 Prozent Bienenhonig, auf den Stand zurückgeführt, der für diese Preise am 19. April 1953 gegeben war. Das gleiche gilt für den Preis für Marmelade aller Art, Kunsthonig und Fruchtsirup. Die Preisherabsetzung tritt mit dem 15. Juni 1953 in Kraft. In der gesamten Wirtschaft, bei Klein-, Mittel- und Großbauern Handwerkern, Einzel- und Großhändlern, privaten Industrie-, Bau- und Verkehrsbetrieben sind Zwangsmaßnahmen zur Beitreibung von Rückständen an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die aus der wirtschaftlichen Tätigkeit in der Zelt bis zum Ende des Jahres 1950 entstanden sind, auszusetzen. Handwerker, Einzel- und Großhändler, private Industrie-, Bau- und Verkehrsbetriebe erhalten auf Antrag ihre Betriebe zurück. Kurzfristige Kredite sind zu gewähren. Ab 1. Juli 1953 ist die Fahrpreisermäßigung in Höhe von 50 Prozent bei Arbeiterrückfahrkarten auf alle berechtigen Personen ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens auszudehnen. Darüber hinaus ist die bis zum 1. April 1953 gewährte Fahrpreisermäßigung für Schwerbeschädigte, Schüler, Studenten, Lehrlinge und Kleingärtner wieder einzuführen. Ebenso ist die bis zum 1. April 1953 gewährte Fahrpreisermäßigung für Sonntagsrückfahrkarten, Schichtarbeiterrückfahrkarten und Gesellschaftsfahrten ab 1. Juli 1953 wieder einzuführen. Härten bei der Sozialversicherung und der Sozialfürsorge werden beseitigt und die Leistungen werden auf den ursprünglichen Stand gebracht. Landwirtschaftliche Betriebe, deren Eigentümern auf Grund einer Verordnung vom 19. Februar 1953 die weitere Bewirtschaftung untersagt wurde, werden zurückgegeben.

Republikflüchtige Personen, die in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und den demokratischen Sektor von Berlin zurückkehren, erhalten ihr Eigentum zurück. Die Rückkehrer sind in ihre vollen Bürgerrechte einzusetzen und entsprechend ihrer Qualifikation in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben einzugliedern. Bauern, die im Zusammenhang mit Schwierigkeiten in der Weiterführung ihrer Wirtschaft ihre Höfe verlassen haben und republikflüchtig geworden sind, können auf ihre Höfe zurückkehren. Wenn in Ausnahmefällen die Rückgabe ihres landwirtschaftlichen Besitzes nicht möglich ist, so erhalten die vollwertigen Ersatz. Das Justizministerium und der Generalstaatsanwalt haben alle Verhaftungen, Strafverfahren und Urteile zur Beseitigung etwa vorliegender Härten sofort zu überprüfen. Der Ministerrat nahm zustimmend von den Vereinbarungen Kenntnis, die der Ministerpräsident mit den Vertretern der Kirche getroffen hat

3. Korrektur begangener Fehler gegenüber Groß- und Mittelbauern

Das Presseamt des Ministerpräsidenten gab laut ADN am 12. Juni bekannt:

»Die Regierung der DDR stellt fest, daß in letzter Zeit eine Reihe Fehler gegenüber Großbauern und sogar Mittelbauern begangen worden sind. Das hat seinen Ausdruck in einer Reihe von Verordnungen gefunden, zum Beispiel in den Verordnungen über devastierte Betriebe, über Kreditgewährung, in außerordentlichen Maßnahmen der Erfassung, in verschärften Methoden der Steuererhebung sowie in der Vernachlässigung der Einzelbauern durch die Maschinen- Traktoren Stationen. Bei der Durchführung dieser Verordnungen und Anordnungen sind ernste Fehler in den Bezirken, Kreisen und Orten begangen worden. Die Folge ist das Verlassen von Bauernhöfen durch ihre Besitzer. Die Regierung der DDR hat angeordnet, daß solche Verordnungen, die die Entwicklung der Bauernwirtschaften hindern, aufgehoben werden. In Übereinstimmung mit den Vorschlägen, die auf der gemeinsamen Konferenz der Vertreter der werktätigen Bauern, der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und der Maschinen Traktoren-Stationen und der Vertreter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands angeregt wurden, hat die Regierung folgendes veranlaßt:

1. Die Verordnung vom 19. Februar 1953 betreffend Übernahme devastierter Betriebe wird aufgehoben. Es wird untersagt, in landwirtschaftlichen Betrieben wegen Nichterfüllung der Ablieferungsverpflichtungen oder wegen Steuerrückständen Treuhänder einzusetzen. Die Bauern, die im Zusammenhang mit Schwierigkeiten in der Weiterführung ihrer Wirtschaft ihre Höfe verlassen haben und nach Westberlin oder Westdeutschland gefluchtet sind (Kleinbauern, Mittelbauern und Großbauern), können auf ihre Bauernhöfe zurückkehren. Wenn das in Ausnahmefällen nicht möglich ist, so erhalten sie vollwertigen Ersatz. Es wird ihnen mit Krediten und landwirtschaftlichem Inventar geholfen, ihre Wirtschaften welterzuführen.

2. Die Kreditrichtlinien der Deutschen Bauernbank vom 6. Dezember 1952 werden aufgehoben. Die Bauernbank ist ermächtigt, an alle Bauernwirtschaften kurzfristige Kredite zu gewähren, mit deren Hilfe die Entwicklung der Bauernwirtschaften möglich ist. Auf Antrag können sowohl werktätige Bauern wie Großbauern auch langfristige Kredite erhalten.

3. Die Erfassungsorgane und Steuerbehörden sind verpflichtet, die Ablieferung bzw. Steuererhebung so durchzuführen, daß die Weiterführung der betreffenden Wirtschaften gewährleistet ist. Strafen die im Zusammenhang mit der Nichterfüllung von Ablieferungsverpflichtungen oder Steuerverpflichtungen ausgesprochen wurden, sind von den Justizbehörden zu überprüfen.

4. Die Maschinen Traktoren Stationen werden verpflichtet, den Einzelbauern weitgehend Hilfe bei der Durchführung ihrer Arbeiten zu leisten. Den Maschinen Traktoren-Stationen wird untersagt, private Traktoren, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte in Anspruch zu nehmen. Der Minister für Land und Forstwirtschaft und der Staatssekretär für Erfassung und Aufkauf sind beauftragt, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Interessen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gewahrt werden.«

4. Kein Ausweiszwang mehr in Gaststätten und bei Dienstleistungen in Ostberlin

Die Abteilung Handel und Versorgung des Magistrats von Groß-Berlin teilte laut ADN mit:

»In Gaststätten, Hotels, Imbißstuben, Kiosken, im sonstigen und ambulanten Handel dürfen ab sofort Speisen und Getränke sowie Genußmittel zum sofortigen Verzehr ohne Vorlage des Deutschen Personalausweises, des Stammabschnittes der Lebensmittelkarte oder des Betriebsausweises für den Einkauf abgegeben werden (der Ausweiszwang war im Februar eingeführt worden, um die Westberliner von der Abgabe auszuschließen). Das dienstleistende Handwerk und Industriebetriebe dürfen ab sofort Auftragsleistungen aus der Bevölkerung ohne Vorlage des Deutschen Personalausweises, des Stammabschnittes der Lebensmittelkarte oder des Betriebsausweises für den Einkauf annehmen und ausführen.«

Archiv der Gegenwart. Bd. 1, S. 956 ff.

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Freitag, 19. Juni 1953:

1. Demonstrationen in Ostberlin gegen erhöhte Arbeitsnormen

Am 16. Juni fanden laut Neue Zeitung in Ostberlin Protestdemonstrationen der Arbeiterschaft gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 % statt, wobei gleichzeitig die Forderung nach freien geheimen Wahlen und nach einem Regimewechsel geäußert wurde.

Die Demonstrationen wurden durch die Arbeitsniederlegung der Bauarbeiter in der Stalinallee (Frankfurter Allee) ausgelöst, die in geschlossenen Zügen zum Stadtzentrum marschierten und andere Arbeiter, aber auch sonstige Passanten aufforderten, sich anzuschließen. Als sich vor dem früheren Reichsluftfahrtministerium die Massen stauten, zeigten sich der stellvertretende Ministerpräsident Heinrich Rau (SED) und Bergbauminister Fritz Selbmann (SED) am Fenster. Selbmann, der eine Ansprache hielt, wurde durch Rufe nach Ulbricht und Grotewohl unterbrochen. Auf seine Feststellung, daß er auch ein Arbeiter sei, wurde ihm erwidert: »Das hast Du aber vergessen!« In Sprechchören wurden freie Wahlen und der Rücktritt der Regierung gefordert, sowie die Generalstreikparole ausgegeben.

2. Rückgängigmachung der Arbeitsnormenerhöhung und Warnung vor feindlichen Provokateuren durch Politbüro

Das Politbüro des ZK der SED veröffentlichte laut ADN am 16. Juni folgende Erklärung:

1. Der Aufbau eines neuen Lebens und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter sowie der gesamten Bevölkerung sind einzig und allein auf der Grundlage der Erhöhung der Arbeitsproduktivität und der Steigerung der Produktion möglich. Nur die Verwirklichung der alten Losung unserer Partei ›Mehr produzieren – besser leben!‹ hat zur Wiederherstellung und zur schnellen Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR nach dem Kriege geführt. Dieser Weg war und bleibt der einzig richtige Weg. Deshalb ist das Politbüro der Auffassung, daß die Initiative der fortgeschrittensten Arbeiter, die freiwillig zur Erhöhung der Arbeitsnormen übergegangen sind, ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum Aufbau eines neuen Lebens ist, der dem gesamten Volk den Ausweg aus den bestehenden Schwierigkeiten weist. Das Politbüro ist dabei der Meinung, daß eine der wichtigsten Aufgaben der Betriebsleiter, der Partei und Gewerkschaftsorganisationen darin besteht, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Produktion zu ergreifen, damit in der nächsten Zeit der Lohn der Arbeiter, die ihre Normen erhöht haben, gesteigert werden kann.

2. Das Politbüro hält es zugleich für völlig falsch, die Erhöhung der Arbeitsnormen in den Betrieben der volkseigenen Industrie um 10 Prozent auf administrativem Wege durchzuführen. Die Erhöhung der Arbeitsnormen darf und kann nicht mit administrativen Methoden durchgeführt werden, sondern einzig und allein auf der Grundlage der Überzeugung und der Freiwilligkeit.

3. Es wird vorgeschlagen, die von den einzelnen Ministerien angeordnete obligatorische Erhöhung der Arbeitsnormen als unrichtig aufzuheben. Der Beschluß der Regierung vom 28. Mai 1953 ist gemeinsam mit den Gewerkschaften zu überprüfen. Das Politbüro fordert die Arbeiter auf, sich um die Partei und um die Regierung zusammenzuschließen und die feindlichen Provokateure zu entlarven, welche versuchen, Unstimmigkeiten und Verwirrung in die Reihen der Arbeiterklasse hineinzutragen.«

3. Demonstrationen verschärfen sich zu Kundgebung gegen Regime; Generalstreikparole teilweise befolgt; Ausnahmezustand durch Sowjet-Stadtkommandanten erklärt; Eingreifen Sowjetpanzer und Volkspolizei; Regierungsaufruf

Am 17. Juni entwickelten sich die Ereignisse in Ostberlin laut Neue Zeitung wie folgt: Die Arbeiter und Angestellten zahlreicher Betriebe befolgten die am Vorabend ausgegebene Generalstreikparole und erschienen nicht an ihren Arbeitsplätzen. Schon in den frühen Morgenstunden formierten sich Demonstrationszüge, die zum Stadtzentrum marschierten. Im Laufe des Vormittags mußten Straßen und U-Bahnen im Sowjetsektor ihren Verkehr einstellen, gleichzeitig wurde die von Ostberlin geleitete S-Bahn im gesamten Berliner Stadtgebiet stillgelegt. Gegen Mittag fielen vor dem Ostberliner Regierungsgebäude in der Leipziger Straße die ersten Schüsse sowjetischer Soldaten und Volkspolizisten. Nach 12 Uhr hatten sowjetische Truppen mit Hilfe von mindestens 20 Panzern vom Typ T 34 und zahlreichen Panzerspähwagen so wie anderen mit Maschinengewehren und Pakgeschützen bestückten vollbesetzten Mannschaftswagen begonnen, die Straßen um das Regierungsgebäude östlich des Potsdamer Platzes zu räumen. Hinter den Panzern, die gegen die Demonstranten anfuhren, marschierten in Schützenkette Volkspolizisten, die wiederholt mit Karabinern in die Menge schossen. Augenzeugen berichten, daß die sowjetischen Soldaten im allgemeinen, soweit man beobachten konnte bei ihrem angeordneten Vorgehen, in die Luft schossen. Die Demonstranten setzten trotzdem am Potsdamer Platz einen T 34 außer Gefecht, in dem sie Balken zwischen die Kettenglieder steckten und die Ketten brachen. Andere Demonstranten steckten Holzpfähle in die Rohre der Geschütze oder versuchten, große Steine zwischen die Ketten zu werfen. Zwei Jugendliche holten vom Brandenburger Tor die Rote Fahne herunter.

Der Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten, Generalmajor Dibrowa, über die Verhängung des Ausnahmezustandes der um 13 Uhr 30 verkündet und ständig wiederholt wurde, lautete: »Für die Herbeiführung einer besseren öffentlichen Ordnung im sowjetischen Sektor von Berlin wird befohlen:

1. Ab 13 Uhr des 17. Juni wird im sowjetischen Sektor von Berlin der Ausnahmezustand verhängt.

2. Alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und sonstige Menschenansammlungen über drei Personen werden auf Straßen und Plätzen wie auch in öffentlichen Gebäuden verboten.

3. Jeglicher Verkehr von Fußgängern und der Verkehr von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen wird von 21 Uhr abends bis 5 Uhr morgens verboten.

4. Diejenigen, die gegen dieses Verbot verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.«

Ministerpräsident Otto Grotewohl forderte in einer Regierungserklärung die Bevölkerung auf, die Maßnahmen zur sofortigen Wiederherstellung der Ordnung in der Stadt zu unterstützen und die Bedingung für eine normale und ruhige Arbeit in den Betrieben zu schaffen. Die Schuldigen an den Unruhen würden zur Verantwortung gezogen und streng bestraft werden. Die Unruhen, zu denen es gekommen sei, seien das Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus deutschen kapitalistischen Monopolen.

4. Ostberlin wird abgeriegelt; Westberliner von Sowjets standrechtlich erschossen; Kundgebungen auch in Magdeburg und anderen Städten

Am 18. Juni entwickelte sich die Lage wie folgt:

Sowjetische Truppen in mindestens Divisionsstärke sowie kasernierte Volkspolizei-Einheiten, die zum Teil aus der Zone herangeführt wurden, haben den östlichen Teil Berlins hermetisch abgeriegelt. An den Sektorengrenzen patrouillieren Panzer und feldmarschmäßig ausgerüstete Sowjetsoldaten und Volkspolizisten. Die Demonstrationen der Berliner Arbeiter haben inzwischen auch auf die Zone übergegriffen. Aus zahlreichen Gebieten, so aus Gera, Leipzig, Dessau, Dresden, Chemnitz und Stralsund, werden Arbeitsniederlegungen und Protestkundgebungen gemeldet. Interzonenreisende berichteten, daß in Magdeburg die Demonstranten das Gefängnis gestürmt und zahlreiche Gefangene befreit hätten. Die Zahl der Toten in Ostberlin wurde mit mindestens 16 angegeben; in den Westberliner Krankenhäusern liegen 200 Verwundete. Der sowjetische Militärkommandant Dibrowa gab bekannt, daß der Westberliner Bürger Willi Göttling zum Tode durch Erschießen verurteilt worden ist. Das Urteil sei vollstreckt. Gottling habe in ausländischem Auftrag gehandelt er sei einer der Provokateure der banditenhaften Ausschreitungen. Der stellvertretende Ministerpräsident der DDR Otto Nuschke, der am 17. Juni von Demonstranten in den Westsektor abgedrängt und auf das Polizeipräsidium gebracht worden war, wurde am 19. Juni in den Ostsektor entlassen.

5. Verhaftungen und standrechtliche Erschießungen in der Sowjetzone.

Am 19. Juni wurde u.a. gemeldet:

Infolge der Ausdehnung der Demonstrationen und Unruhen auf die Sowjetzone wurde laut Neue Zeitung der Ausnahmezustand auf die gesamte Sowjetzone ausgedehnt. In verschiedenen Orten seien insgesamt 17 Personen standrechtlich erschossen worden. Gleichzeitig habe eine Verhaftungswelle eingesetzt. Demonstrationen und Unruhen seien auch aus Magdeburg, Leipzig, dem sächsischen Urangebiet, den Leunawerken bei Merseburg, dem Bunawerk sowie in Zschopau, Dresden und Görlitz gemeldet werden. Laut Die Welt seien die eingeleiteten Massenverhaftungen streikender Arbeiter auf sowjetische Anordnung hin gestoppt und zum Teil wieder rückgängig gemacht worden.

6. Regierungserklärung Adenauer zu den Ereignissen in Berlin

Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer gab laut Bulletin am 17. Juni vor dem Bundestag folgende Regierungserklärung zu den Ereignissen in Berlin ab:

»Die Ereignisse in Berlin haben in der deutschen Öffentlichkeit und darüber hinaus in der Welt starken Widerhall gefunden. Die Bundesregierung erklärt zu den Vorgängen: Wie auch die Demonstrationen der Ostberliner Arbeiter in ihren Anfängen beurteilt werden mögen, sie sind zu einer großen Bekundung des Freiheitswillens des deutschen Volkes in der Sowjetzone und Berlin geworden. Die Bundesregierung empfindet mit den Männern und Frauen, die heute in Berlin Befreiung von Unterdrückung und Not verlangen. Wir versichern ihnen, daß wir in innerster Verbundenheit zu ihnen stehen. Wir hoffen daß sie sich nicht durch Provokationen zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen, die ihr Leben und die Freiheit gefährden könnten. Eine wirkliche Änderung des Lebens der Deutschen in der Sowjetzone und in Berlin kann nur durch die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit erreicht werden. Der Weg hierzu ist, wie der Bundestag in seinem Beschluß vom 10. Juni erneut bekräftigt hat. Die Bundesregierung wird nach diesen Grundsätzen handeln und sich darüber hinaus bemühen, daß bald wirksame Erleichterungen im Interzonenverkehr und in der Verbindung zwischen Berlin und der Bundesrepublik verwirklicht werden, die der wiedererstehenden Einheit den Weg bahnen. Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung der Ereignisse mit größter Aufmerksamkeit; sie steht mit den Vertretern der Westmächte in ständiger enger Verbindung. In dieser bedeutsamen Stunde wollen wir alle ohne Unterschied politischer Auffassungen für das große gemeinsame Ziel zusammenstehen.«

7. Zwei Erklärungen der DDR-Regierung zu den Berliner Ereignissen

Die Agentur TASS veröffentlichte am 18. Juni folgende Mitteilung unter dem Titel »Zusammenbruch des Abenteuers ausländischer Sendlinge in Berlin«:

Gestern fanden in einigen Betrieben des demokratischen Sektors Berlins Verzögerungsaktionen statt, insbesondere unter den Bauarbeitern. Als Anlaß zur Einstellung der Arbeit diente die in den letzten Tagen in einigen Unternehmungen durchgeführte zehnprozentige Erhöhung der Arbeitsnormen, die jedoch von der Regierung der DDR am 16. Juni rückgängig gemacht wurde. Die Erhöhung der Normen war aber nur ein Vorwand für die Provokateure aus der Menge der ausländischen Agenten, die sich in Westberlin eingenistet haben, um Verzögerungsaktionen in den Betrieben und Ausschreitungen in den Straßen Berlins zu organisieren. Im Zusammenhang damit hat die Regierung der DDR am 17. Juni mittags eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt: ,Auf die Maßnahmen der Regierung der DDR zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung haben faschistische und andere reaktionäre Elemente Westberlins mit Provokationen und ernsten Ruhestörungen im demokratischen Sektor Berlins geantwortet. Diese Provokationen sollen die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands erschweren. Der Vorwand für die Arbeitsniederlegung der Bauarbeiter in Berlin ist infolge des gestrigen Beschlusses in der Normenfrage hinfällig geworden. Die vorgekommenen Unruhen sind das Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus den deutschen kapitalistischen Monopolen. Diese Kräfte sind mit den demokratischen Behörden der Deutschen Demokratischen Republik, die eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung durchführen, nicht zufrieden. Die Regierung fordert die Bevölkerung auf:

1. Das Maßnahmen zur unverzüglichen Wiederherstellung der Ordnung in der Stadt zu unterstützen und Verhältnisse für die normale und ruhige Arbeit in den Unternehmungen zu schaffen.

2. Die Schuldigen an den Unruhen werden zur Rechenschaft gezogen und streng bestraft. Arbeiter und alle ehrlichen Bürger werden aufgefordert, die Provokateure festzunehmen und sie den Staatsorganen auszuliefern.

3. Es ist unerläßlich, daß Arbeiter und die technische Intelligenz in Zusammenarbeit mit den Staatsorganen selbst die nötigen Maßnahmen zur Herstellung des normalen Arbeitsganges ergreifen.’

Diese Erklärung der Regierung der DDR an die Bevölkerung ist vom Ministerpräsidenten Otto Grotewohl unterzeichnet. Am Abend des gleichen Tages veröffentlichte die Regierung der DDR eine Erklärung über den Zusammenbruch des Abenteuers ausländischer Söldlinge in Berlin. In dieser Erklärung heißt es: ,Währenddem die Regierung der DDR alle ihre Bemühungen darauf richtet, mittels Durchführung neuer wichtiger Maßnahmen eine Verbesserung der materiellen Lage der Bevölkerung zu erreichen, und ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft lenkt, versuchten käufliche Elemente, Agenten ausländischer Staaten und ihre Helfershelfer aus den Kreisen deutscher Monopolisten, die Regierungsmaßnahmen zu torpedieren. Es ist festgestellt worden, daß die Streiks, die gestern in einigen Betrieben stattgefunden haben, und auch die provokatorischen Ausschreitungen einzelner Gruppen faschistischer Agenten in den Straßen des demokratischen Sektors Berlins nach einem einheitlichen, in Westberlin ausgearbeiteten und im gegebenen Moment durchzuführenden Plan sich abspielten. Die Ausschreitungen endeten mit einem völligen Zusammenbruch des unternommenen Abenteuers, da sie auf den Widerstand des Großteils der Bevölkerung und der Staatsorgane gestoßen sind. In den Unternehmungen wird die normale Arbeit wiederhergestellt. In den Straßen wird die Ordnung aufrechterhalten. Es werden keine Ausschreitungen von Provokateuren und verbrecherischen Elementen geduldet. Zusammengebrochen sind die niederträchtigen Versuche ausländischer Agenten, die Durchführung wichtiger Regierungsmaßnahmen zu stören, welche auf eine Besserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung gerichtet sind. Zusammengebrochen sind die Versuche, Verwirrung zu stiften, um neue Hindernisse auf dem Wege zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu schaffen. Die Regierung der DDR wird entschiedene Maßnahmen treffen, damit die Urheber der Unruhen streng bestraft werden. Provokateure dürfen nicht auf Gnade rechnen!’«

8. Zwei Stellungnahmen der Westalliierten Kommandatur und sowjetische Antwort

Die alliierte Kommandatur in Berlin veröffentlichte laut AFP am 17. Juni folgendes Communiqué:

Die französischen, britischen und amerikanischen Stadtkommandanten sind am Mittwochvormittag mit den Westberliner Stadtbehörden zusammengekommen. Sie prüften gemeinsam die Lage. Die Kommandanten und die Berliner Behörden waren sich einig über die Notwendigkeit, in den Westsektoren Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie nahmen Kenntnis von gewissen Behauptungen, nach welchen die Demonstrationen im Sowjetsektor von Westberliner Agenten angezettelt worden seien. Derartige Behauptungen können Anlaß geben zu ernsthaften Mißverständnissen hinsichtlich des Ursprungs der erwähnten Demonstrationen. Die französischen, britischen und amerikanischen Kommandanten erklären deutlich daß weder die alliierten Behörden noch die Westberliner Behörden derartige Manifestationen mittelbar oder unmittelbar hervorriefen oder begünstigten.«

Die alliierte Kommandatur in Berlin übermittelte laut UP am 19. Juni der Sowjetkommandatur folgendes Schreiben:

Im Namen der Alliierten Hochkommissionen und der drei Kommandanten der westlichen Sektoren Berlins habe ich die Ehre, Ihnen unseren Standpunkt zur augenblicklichen Lage darzulegen. Wir sind der Ansicht, daß bereits zu viel Blut geflossen ist und daß die normale Lebensweise wiederhergestellt werden sollte. Wir fordern Sie auf, keine weiteren Hinrichtungen im Gefolge der Urteile der Militärgerichte vorzunehmen und den Sowjettruppen und der Volkspolizei den Gebrauch von Feuerwaffen zu verbieten. Wir wünschen, daß in Berlin so rasch wie möglich wieder freier Verkehr geschaffen wird, damit die Bevölkerung normale Lebensmittelzufuhren empfangen kann. Jede Haltung, die dem Geiste dieser Forderungen widersprechen würde, könnte nur zu einer Verschlechterung der Lage führen, die wir, zweifellos in voller Übereinstimmung mit Ihnen, wieder auf den normalen Stand zurückgebracht sehen wollen.«

Der sowjetische Militärkommandant von Berlin General Dibrowa wies in einer Note vom 20. Juni den Protest der westlichen Stadtkommandanten zurück. In der Note wird ausgeführt, daß die sowjetischen Besatzungsbehörden nicht abseits stehen konnten, da Westberliner Agenten Unruhen in der russischen Zone angestiftet hätten. Die angeordneten Maßnahmen einschließlich der Proklamierung des Ausnahmezustandes, seien eine absolute Notwendigkeit gewesen, um den Brandstiftungen und anderen Ausschreitungen eine Ende zu bereiten. Die Westkommandanten hatten die Ereignisse im Widerspruch mit den Tatsachen beurteilt. Der Protest der Westkommandanten müsse daher mangels jeder Begründung zurückgewiesen werden. Es sei beobachtet worden, daß die aus Westberlin entsandten Agitatoren mit Waffen, Rundfunksendern und Instruktionen ausgerüstet waren. Die Ausschreitungen seien von Westberliner Provokateuren und faschistischen Agenten durchgeführt worden. Der Protest der Westkommandanten könne daher nur als schwacher Versuch angesehen werden, sich der Verantwortlichkeit für kriminelle Akte bezahlter Kriegstreiber zu entziehen. Diese Agitatoren würden vor Gericht gestellt und streng bestraft werden. Als Beweis für die Anstiftung von Agenten aus Westberlin werden Dokumente über ein Geständnis eines verhafteten Westberliners Werner Kalkovski beigelegt, der Instruktionen erhalten habe, die Menge zu Plünderungen und Brandlegungen anzustiften. Die Sowjetbehörden hatten Agenten dieser Art nicht freie Hand lassen können. General Debrova erklärt abschließend, daß er kein Hindernis für die Wiederaufnahme der Verbindungen zwischen Ost- und Westberlin sehe, jedoch unter der Bedingung, daß die drei Westkommandanten notwendige Schritte zur Sicherstellung unternehmen, daß die Entsendung von Provokateuren und anderer krimineller Elemente nach Ostberlin aufhören.

Archiv der Gegenwart. Bd. 1, S. 958 ff.

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Parallelgeschichte ODER Wie sich die Bilder gleichen ODER Selbstverständlich wiederholt sich Geschichte ODER Die Russen wie immer

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Samstag, 1. April 2023: Bellarmin an Mephisto

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Laut seines Bulletins verabschiedete der Deutsche Bundestag am Donnerstag, dem 19. März 1953, in dritter Lesung den Deutschlandvertrag und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft.

In seiner Regierungserklärung sagte Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer u. a.:

Wenn schon im Jahre 1952 der Abschluß der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die Fortsetzung der Europapolitik der Bundesrepublik notwendig war, so ist sie seit der Übernahme der Präsidentschaft durch Eisenhower und seit dem Tode Stalins noch notwendiger geworden. Sie ist auch deshalb noch notwendiger geworden, damit die Bundesrepublik endlich aus dieser unmöglichen Lage herauskommt, in der sie sich zur Zeit befindet: Wir stehen noch immer unter Besatzungsrecht mit all den Konsequenzen, die ein Besatzungsrecht mit sich bringt. Auch wenn die Westalliierten von den ihnen zustehenden Rechten zur Zeit einen zurückhaltenden Gebrauch machen, immerhin sie machen noch Gebrauch davon. Wir haben noch immer Industriebeschränkungen, wir haben noch immer die Tatsache daß die oberste Gewalt in der Bundesrepublik in den Händen der Besatzungsmächte liegt. Noch immer sind wir Objekt in der auswärtigen Politik.

Von der Größe der Gefahr, in der wir schweben, geben folgende Ziffern eine sehr nüchterne und eine sehr klare Vorstellung Rund 140 sowjetrussische Divisionen, 70 Divisionen in den Satellitenstaaten, 6 ostdeutsche Divisionen in der Sowjetzone, stehen an unseren Grenzen oder in zweiter Linie hinter diesen Grenzdivisionen. Alle diese Divisionen sind nunmehr mit den besten und modernsten Waffen ausgerüstet. Wir Deutsche haben selbst nichts aber auch gar nichts, was unser Land schützen könnte. Wir sind auf den guten Willen der Westalliierten angewiesen, wir haben keine vertraglichen Rechte diesen gegenüber. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, wie ungeheuer stark die Labilität der gesamten politischen Lage auf der Erde infolge der zwischen Ost und West eingetretenen Spannungen ist, dann glaube ich, kann nur jeder Deutsche den einen Wunsch haben: Solange, bis Sowjetrußland einsieht, daß es trotz all seiner militärischen Macht nichts ausrichten kann, können wir nicht in Ruhe und Sicherheit leben, wir müssen vielmehr fürchten für unsere Freiheit und für alles, was uns teuer ist, und darum alles tun, den nötigen Schutz und die nötige Sicherheit zu erhalten.

Ein Angriff auf die Mitglieder der EVG in Europa und damit auch auf die Bundesrepublik löst die Beratungs- und Hilfeverpflichtungen aus dem Nordatlantikpakt ebenso aus, wie ein Angriff auf ein Mitglied des Nordatlantikpakts die Beistandsverpflichtung der Mitglieder der EVG wirksam werden.

Wenn wir die Verträge und die Weltlage betrachten, so ist folgendes ganz sicher: Wir sind bedroht. Wir sind Objekt der Außenpolitik anderer, wir können uns nicht wehren, wir haben keinen Anspruch auf Schutz. Das wird sich nach der Ratifizierung der Verträge grundlegend und schnell ändern. Wir werden uns dann zusammen mit den übrigen Teilen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und den NATO-Streitkräften selbst verteidigen können. Wir werden gesichert und einbezogen in die größte Verteidigungsorganisation, die die Menschheit bisher geschaffen hat. Wir legen durch die Ratifizierung dieser Verträge als freies Volk die Grundlage für eine politische und wirtschaftliche Einigung Europas und retten damit Europa vor dem drohenden Zerfall und Untergang.

Wir würden es jederzeit begrüßen, wenn die drei Westalliierten zu aussichtsreichen und guten Verhandlungen mit Sowjetrußland kommen würden. Zu Verhandlungen, an denen wir als freies Land teilzunehmen berechtigt sein müßten. Aber es gibt keinen anderen Weg, zu Verhandlungen mit Sowjetrußland zu kommen, es gibt keinen anderen Weg zur Wiedervereinigung in Freiheit zu kommen, als den, den Westen so stark zu machen wie möglich. Die Bewohner der Sowjetzone, die Flüchtlinge, die tagtäglich herüberkommen, stehen alle auf diesem gleichen Standpunkt. Als ich zuletzt in Berlin war, haben mir immer wieder Männer und Frauen aus der Sowjetzone, die zur Grünen Woche nach Berlin gekommen waren, zugerufen: Kanzler, bleibe hart!.

Wir müssen in Europa loskommen von dem Denken im nationalstaatlichen Begriff. Durch den letzten Krieg, durch die Entwicklung der Waffentechnik und der Technik überhaupt sind ganz andere und neue Verhältnisse in der Welt geschaffen worden. Es gibt zwei Weltstaaten, das sind die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland. Es gibt das britische Commonwealth. Dann kommen die westeuropäischen Länder, zu denen wir gehören, Länder, die durch die Krise wirtschaftlich und machtmäßig verarmt sind so daß sie jedes für sich allein nicht in der Lage sind, ihren Angehörigen die Freiheit und einen menschenwürdigen Lebensstandard zu gewährleisten. Diese westeuropäischen Länder sind nicht mehr in der Lage, sich jedes allein für sich zu schützen, sie sind nicht mehr in der Lage, jedes für sich allein europäische Kultur zu retten. Alle diese Ziele, die uns doch allen gemeinsam sind, können nur dann erreicht werden, wenn die westeuropäischen Länder sich zusammen schließen, politisch, wirtschaftlich und auch kulturell, und wenn sie vor allem auch weitere kriegerische Auseinandersetzungen unter sich selbst unmöglich machen. Und alles das bezwecken diese Verträge, die man über die gegenwärtige Zeitlage hinaus betrachten muß als ein sehr wesentliches Glied in der Weiterentwicklung zu Europa hin. Nur diese Politik wird es den europäischen Völkern ermöglichen, den Frieden zu schützen, Europa wieder aufzubauen, die europäische Kultur zu retten und Europa wieder zu einem maßgebenden Faktor in der Weltpolitik und in der Weltwirtschaft zu machen. Ich bitte Sie alle, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.

Am Freitag, dem 20. März 1953 veröffentlichten die sogenannte Volkskammer und die Länderkammer der „Deutschen Demokratischen Republik“ unter Bezugnahme auf die Ratifizierung der Verträge durch den Bonner Bundestag eine gemeinsame Erklärung, in der es u.a. heißt:

Die Volkskammer und die Länderkammer der DDR erklären: Für das deutsche Volk sind die Schandverträge von Bonn und Paris null und nichtig! Die Kriegsverträge von Bonn und Paris verstoßen gegen Recht und Gesetz. Das deutsche Volk ist in dieser ernsten Stunde zu einem heiligen Gelöbnis aufgerufen: Durch den gemeinsamen Kampf aller deutschen Patrioten muß die Durchführung der Kriegsverträge von Bonn und Paris verhindert werden. Nachdem Adenauer den Weg vom Separatisten zum Verräter an ganz Deutschland gegangen ist, nachdem das Adenauer-Regime dazu übergeht, Westdeutschland in das Vorfeld des amerikanischen Krieges zu verwandeln gebietet die nationale Pflicht und Ehre jedem Deutschen, am Kampf zum Sturz dieses Regimes des nationalen Verrats teilzunehmen. Es gilt durch den Sturz des Adenauer-Regimes den Weg für die Herrschaft der patriotischen Kräfte in Westdeutschland frei zu machen.

Archiv der Gegenwart, Band 1, Seiten 908ff.

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Mit dem Beitritt Finnlands erweitert die Allianz ihr strategisches Operationsgebiet entlang einer mehr als 1.000 Kilometer langen Grenze zu Russland. Das ist kein feindlicher Akt, sondern das Gebot der Stunde. All jenen, denen schon die Osterweiterung der NATO ein Dorn im Auge war und ist, sei gesagt: Nicht ohne Grund haben so viele Staaten des ehemaligen Ostblocks ihr Heil in der EU und der NATO gesucht.

Samstag, 1. April 2023, NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG

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Die Ausnahme und die Regel

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Samstag, 3. September 2022: Serapion an Mephisto

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Es ist mittlerweile schon einige Jahre her, da wurde in Deutschland selbst von seriösen Medien vermeldet, im internationalen Maßstab habe man eine Umfrage veranstaltet in zahlreichen Ländern über die Frage nach der Beliebtheit der Völker in den Augen der anderen. Und als Ergebnis wurde nun regelrecht frohgemut verkündet, wir, die Deutschen, stünden in der Liste ganz weit oben, ich weiß nicht mehr auf welchem Platz. Gut möglich, daß es sogar der erste war. Auffällig rasant folgte darauf jedoch ein erschrockenes Schweigen, und nie mehr war von jener Hitliste der Völkerbeliebtheit die Rede, kein öffentliches Nachdenken, keinerlei Begründungsversuche, kein Kommentar. Denn urplötzlich muß den verantwortlichen Nachrichtenredakteuren wohl nachträglich die simple Tatsache in ihr Bewußtsein gedrungen sein, daß es bei solcherlei Wahl auch einen Letztplazierten gegeben haben müsse. Und ich glaube mich zu erinnern, bei meiner nachmaligen Recherche auf dem letzten Platz in der Beliebtheit aller anderen Völker dort die Russen gefunden zu haben…

Was ich sagen wollte, daß am 24. Februar insbesondere deutsche Politiker reihenweise aus allen Wolken fielen, war schon enorm erstaunlich.

Denn in Wahrheit ist Rußland und russisches Gebaren unschwer vorausberechenbar. Schon allein aufgrund der beständigen Verwechslung von Quantität mit Qualität: Alles was groß ist und glitzert und glänzt ist gut.

Pompös, pompöser, am pompösesten!

Bis hin zur Idiotie!

Nämlich: Wenn Rußland, diese Mischung aus Wodka, Lüge und Tand, ein großes Land ist, ist Rußland ein gutes Land.

Je größer desto guter.

Bolschoi-Theater und Staatszirkus!

Das schlimmste Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts ist für den aktuell in Rußland herrschenden Auftraggeber von Auftragsmorden die Auflösung der großen ruhmredigen „Sowjetunion“. Und nicht etwa der von Hitlerdeutschland industriell betriebene Massenmord und die in deutschem Namen auch am russischen Volk verübten Verbrechen.

Konrad Adenauer und Kurt Schumacher hatten recht, statt von „Sowjetunion“ unbeirrbar zu sprechen von „Sowjetrußland“.

„Sowjetunion“ hieß ja das verlogene Hüllwort für „russisches Imperium“. Dessen Größe vornehmlich basierte auf Lüge und Heimtücke russischer Politik, seit Iwan der Schreckliche seine berüchtigten Opritschniki „russische Erde sammeln“ ließ.

Verlogenheit: Da fallen mir neben dem Hitler-Stalin-Pakt ein die Potemkinschen Dörfer als treffendstes Sinnbild für Rußland.

Auch beispielsweise unter der unendlichen Anzahl an Lügen über die Jahrhunderte die musterhaft russischen Lüge von Jalta, auf der Grundlage des allgemeinen und geheimen Wahlrechts freie Wahlen in allen von Hitlerdeutschland befreiten Gebieten abhalten zu lassen laut alliierter „Erklärung über das befreite Europa“.

Auf der Grundlage jener Lüge ganz Osteuropa von den Russen unterjocht wurde.

Mit russischer Brutalität, mit Heimtücke, Mord und Totschlag.

Woraus man im Zusammenhang mit den russischen Panzern 1953 in Berlin, mit den russischen Panzern 1956 in Ungarn, mit den russischen Panzern 1968 in Prag, mit der Breschnew-Doktrin, mit dem russischen Einmarsch in Afghanistan und im Zusammenhang mit Transnistrien, Tschetschenien, Südossetien, Abchasien, der Ukraine und der Krim und der vom Westen bis heute noch nicht begriffenen Sperrung des Asowschen Meeres doch wertvolle Kenntnisse hätte ableiten können und fürderhin ableiten sollte.

Für die Gegenwart und für die Zukunft.

Und auch der Kampf gegen die dem Russentum von jeher gefährlich erscheinende Lebensart der Westler, der Kampf gegen die Europäisierung Rußlands, ist kein neuer Zug. Rußlands Imperialismus und sein Krieg gegen den Westen, der dauert schon Jahrhunderte!

Doch heute bekriegt der russische Imperialismus expansiv auch die gesamte westliche Zivilisation als solche. Weil man sie für dekadent, schädlich und mit ihrem Hang zum Ideal der Gedankenfreiheit bedrohlich und demgegenüber das Russentum für gesund und überlegen hält.

Rußland als chauvinistisch gegen westliche Kultureinflüsse kämpfender Staat ist semifaschistisch ausgerichtet auf die Entindividualisierung seiner letztendlich als leibeigen betrachteten Bürger.

Rußland kämpft gegen das Individuum!

Darum laßt endlich die Illusionen fahren und wartet nicht auf bessere Zeiten!

Nicht der gegenwärtig in Rußland herrschende Auftraggeber von Auftragsmorden ist die Ausnahme!

Die regelbestätigende Ausnahme war der heute zu Grabe getragene Michail Gorbatschow.

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Die Russen muss man mit der Knute oder mit dem Glauben nehmen.“

Alexander Zipko, ehemaliger Vertrauter Gorbatschows, zitiert im aktuellen DER SPIEGEL

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Die Irrer, die uns führen

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8. April 2022: Mephisto an Serapion

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Da gibt es den Matthias Platzeck (SPD, Partei des Gasverkäufers).

All die Jahre jedes Mal, wenn ich den Durchblicker also die gängige russische Propaganda widerkäuen hörte, erinnerte mich das an die Menschen, die man in der „Deutschen Demokratischen Republik“ zu einem Auslandsstudium in die ruhmredige „Sowjetunion“ „delegiert“ hatte. Zu „sowjetischen“ Zeiten war man in Rußland sehr interessiert, Studenten aus bestimmten Ländern zu holen, vor allem aus den ehemaligen Kolonien Afrikas und aus den russisch besetzten Ländern Osteuropas. In der „Deutschen Demokratischen Republik“ konnten Schüler eine Prüfung absolvieren, und nach deren Bestehen und natürlich bei Erfüllung gewisser nichtfachlicher Voraussetzungen ging es ab.

Nach ihren Studienerfolgen erlebte man in der ostdeutschen Arbeitswelt dann die Rückkehrer…

Meist nur männliche Exemplare, allerdings nicht selten mit russischem Ehegespons. Dieses meist mit phantastischen, russisch-bombastischen Berufsbezeichnungen. Für die sich keine Entsprechung fand im Rest der Welt. Aber wenigstens klangen sie ehrfurchteinflößend in den Ohren schlichterer Gemüter. Wie als würde der Giftmörder Wladimir Wladimirowitsch gerade durch fünfzehn Meter hohe Türen schreiten. Bis sich nach etlichem Geziere mit beleidigt hochgeschobener Unterlippe herausstellte, daß es sich bei den studierten Berufen doch eigentlich um eher irdische Arbeiten und Tätigkeitsfelder handelte.

Im Bereich einer Chemielaborantin etwa.

Die ehemaligen Auslandsstudenten aber waren inzwischen zu unabdingbaren „Sowjetunion“-Apologeten mutiert. Man konnte nur staunen. Am besten schweigend, denn jedes, selbst das kleinste kritische Wort über „unsere sowjetischen Freunde“ und das „ruhmreiche Sowjetland“ war sinnlos. Ganz zu schweigen von einer kritischen Durchleuchtung russischer Gigantomanie, also russischer Kultur, Geschichte oder Politik. Die abseitigsten Abseitigkeiten fanden ihre Versteher.

Und vor allem ihre vehementen Verteidiger.

Alles „Sowjetische“ war gut und richtig, also heilig.

Wie Gottvater Wladimir Iljitsch Lenin.

Diese Großhirnamputierten wurden dann bevorzugt bei Gehaltssteigerungen und Karrieresprüngen und fanden sich bald wieder in gewissen strategisch nicht unwichtigen Funktionen und Schaltstellen ihrer jeweiligen Branchen und Länder.

Und wirkten dort in ewiger Dankbarkeit und Begeisterung!

In Ostdeutschland natürlich auch nach dem Fall des antifaschistischen Schutzwalls.

Bis heute…

Im Osten, damals noch konkurrenzlos, vornehmlich in der Partei Der Spalter.

Daß der Aufbau Fünfter Kolonnen zur Einflußnahme und zur Beherrschung anderer Länder das A und O russischer Auslandspolitik, also Unterwerfungsstrategie ist, gilt gewiß nicht erst seit Lenin und Stalin und der KOMINTERN und der KOMINFORM.

Apropos Fünfte Kolonne.

Da wäre, zum Beispiel, die Manuela Schwesig (SPD, Partei des Gasverkäufers).

Im SPIEGEL Nr. 4 anno 2021 findest Du auf Seite 66 ein idyllisches Foto: Da stehen in trauter Runde, hier sogar physisch maskiert, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Schwesig mit ihrem Gemahl zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des staatlich gelenkten russischen Konzerns Rosneft. Selbiger Gasmann Händchen haltend mit seiner jüngsten Lebensabschnittspartnerin.

Alle in Ausgehgarderobe.

Das Bild sei aufgenommen am 12. September 2020 während des Usedomer Musikfestivals.

Wozu DER SPIEGEL schrieb (und aus irgend einem Grund unter dem seltsamen Titel „Russisches U-Boot“):

Glaubt man dem von der Staatskanzlei dementierten Flurfunk in Schweriner Ministerien, wurde am Rande des Konzerts vorbereitet, was inzwischen in Berlin und anderswo zu Unruhe und Empörung führt: die Gründung der angeblich am Gemeinwohl orientierten „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“. Eine Organisation, die Schwesig ohne vorherige Beratung in den zuständigen Landtagsausschüssen per Kabinettsbeschluss auf den Weg brachte.

Und

Während die Staatskanzlei jede Beteiligung Schröders zurückweist, will sich der Altkanzler auf Anfrage nicht äußern.

Und

Die Nord Stream 2 AG, ein Anhängsel des russischen Energieriesen Gazprom, hat zugesagt, 20 Millionen Euro zum Stiftungsvermögen beizutragen, die Landesregierung will 200000 Euro dazugeben. Allem Anschein nach, so erzählt man sich in Schwerin, seien auch Struktur und Satzung made in Moskau.

In der Stiftung können die Russen weitreichend mitbestimmen. In der Satzung heißt es, „der erste sachverständige Geschäftsführer wird auf Vorschlag der Nord Stream 2 AG vom Stiftungsrat für drei Jahre berufen und gegebenenfalls abberufen“. Die „Geschäftsgrundsätze“ des Stiftungs-Unternehmens seien „im Benehmen mit der Nord Stream 2 AG“ zu gestalten. Via Nord Stream 2 hat Gazprom außerdem zwei Sitze im Kuratorium, dem Beratungsgremium der Stiftung.

Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF verweigerten jegliche Zusammenarbeit mit der Stiftung. Die Deutsche Umwelthilfe kündigte eine Klage an. In dieser Woche erklärte die FridaysforFuture-Aktivistin Theresia Crone den Rücktritt als Vorsitzende des von Schwesig initiierten Rats für Umwelt und Nachhaltigkeit. Es ist eine symbolische Distanzierung, aber eine, die Schwesig politisch schadet. Crone sagt: „Eine Klimaschutzstiftung, die klimaschädliche Infrastruktur schaffen soll, kann ich in keinster Art und Weise mittragen oder legitimieren.“

Ach ja, und hier fällt mir noch ein bei der offensichtlichen Verwendung von Steuergeldern für Nord Stream 2 zum Beispiel der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Partei des Gasverkäufers). Der noch in diesem, gerade einmal einem Vierteljahr jungen 2022 auf offener Bühne in Paris der staunenden Welt, ohne zu blinzeln, in ihr Gesicht log, bei Nord Stream 2 handele es sich um ein rein privatwirtschaftliches Projekt!

Was?

Hat sich halt geirrt, unser Bundeskanzler Olaf Scholz?

Aus der Partei des Gasverkäufers?

Hätten wir eine Presse wie früher, hätte die ihn und seine Genossen aus der Partei des Gasverkäufers allerdings mit der doch naheliegendsten aller naheliegenden Fragen konfrontieren können: Wie kann, obwohl doch die ganze Welt schon besser Bescheid wußte, es zu solch grandiosem Irrtum all der das ehemalige Land der Dichter und Denker Regierenden kommen?

Wie zum Beispiel, mein Gott Walter, bei Frank-Walter Steinmeier (SPD, Partei des Gasverkäufers)?

Jenem unermüdliche Warner des Westens vor „lautem Säbelrasseln“.

Vor inzwischen mehr als sieben Jahren, am 3. August 2014, hatte ich Dir geschrieben:

Im übrigen aber bin ich der Meinung, daß seit Beginn der russischen Anmutungen gegen die Ukraine der Publikumsliebling Frank-Walter Steinmeier mit seiner gut gemeinten, also schlechten Außenpolitik kontinuierlich und jeweils vorhersagbar scheiterte. Aus Gründen der Inadäquatheit. Das bezieht sich nicht nur auf die unsägliche Zeit, während der er im Vierundzwanzigstunden-Rhythmus den Westen (!) davor warnte, der russischen Seite wehzutun. Und es vergrößert sich wieder die Gefahr, daß er Putin und Lawrow doch noch auf ihren russischen Leim latscht und in der Ostukraine die transnistrieschen Zustände verewigt werden wie auch in Südossetien und Abchasien, wo Russen auf einem Fünftel georgischen Territoriums die geraubten Gebiete mit dem Ausbau von Grenzbefestigungen und mit provokativen Militärübungen absichern und gegen jedes Völkerrecht den georgischen Luftraum drohend mit ihren Kampfjets durchpfeifen.

Der Konflikt sei nicht mit militärischen Mitteln zu lösen, lautet das Mantra deutscher Außenpolitik, dessen Verabsolutierung jeglicher Aggression die Landesgrenzen öffnen würde.

Und ihr zum Siege verhülfe wie Hitler das Münchner Abkommen.

Wie Vergangenheit und Gegenwart aber lehren, gibt es auch Konflikte, die allen Hoffens und Wünschens zum Trotz sich nicht unmilitärisch lösen lassen.

Solange man im Westen nicht begreift, daß der Kreml unter dem gestirnten Himmel immer nach anderen Regeln spielt als nach denen der aristotelischen Logik und des kantschen Moralprinzips, wird man, wie gehabt, alle paar Jahre staunend aus den Wolken plumpsen. Wie so oft schon die deutsche Wirtschaft in ihrem unermüdlichen Bemühen um den ach so vielversprechenden russischen Markt. Da kommt mir nicht nur das Heulen und Zähneklappern anläßlich des Röhrenembargos in den Sinn. Schon mit bescheidenen Geschichtskenntnissen kann man tatsächlich zu treffenderen Entwicklungsprognosen gelangen als mit Eliteabschlüssen in Wirtschaftswissenschaften! Jüngst, im März, E.on-Chef Johannes Theyssen auf die Frage, ob er nach der Verschärfung der Ukraine-Krise Angst habe um seine Investitionen. Antwort: „Nein, dazu gibt es keinen Anlaß.“

Rußland ist kein Partner, und das hätte man ohne viel Mühe im voraus wissen können und wissen müssen.

Zurück zum Speziellen: Wäre es nicht endlich an der Zeit, die sogenannten Separatisten als camouflierte Söldner Rußlands zu klassifizieren? (In Donezk mußten die „Aufständischen“, deren Uhren übrigens Moskauer Zeit statt mitteleuropäische Zeit anzeigen, sich bei der Besetzung der Stadt von deren Einwohnern den Weg zum zentralen Lenin-Platz erklären lassen.) Wenn die Antwort lautet JA, darf man diese Soldateska nicht, wie von Rußland gefordert aus irgend einem Grund (aber mit welchem Recht?), zu gleichberechtigten Verhandlungspartnern aufwerten und ihr womöglich nach russischer Interessenlage noch Zugeständnisse hinsichtlich der Verfassungsstruktur des Landes zubilligen. Rußland hat in ukrainischen Verfassungsfragen nicht mit am Tisch zu sitzen. Auch nicht indirekt.

Wenn es also kein Volksaufstand armer unterdrückter Russen ist, könnte man dann nicht umgekehrt schlußfolgern, daß es eher seitens der Ukraine sich um einen Befreiungskampf handelt?

Unsere ausgewogenen öffentlich-rechtlichen Medien haben es nicht einmal fertig gebracht, unempört über das angebliche „Verbot der russischen Sprache“ zu berichten. Natürlich sollte in der Ukraine nicht die russische Sprache verboten, sondern Russisch als zweite Amtssprache abgeschafft werden, und zwar als eine der ersten Gesetzeshandlungen der neuen, endlich Handlungsfähigkeit gewinnenden Regierung. Allein wenn ich diese Tatsache hörte, würde ich sie, ungeachtet ihrer politischen Klugheit oder Unklugheit oder politischen Korrektheit, als eklatanten Hinweis auf einen Unabhängigkeitskampf, als Bestandteil eines Befreiungsversuchs von langjähriger Bevormundung werten. Statt, wie von russischer Propaganda gewünscht, als Knechtung einer Minderheit. Die Abschaffung dieser zweiten Amtssprache war ihnen ja nicht aus Jux und Tollerei so wichtig!

Und war der Sturm auf die Bastille politisch korrekt?

Gravitätisch warnt der Außenminister vor einem neuen kalten Krieg. Bitte um Kenntnisnahme: Rußland führt heißen Krieg! Und der wird nicht enden durch appellierendes Abwarten auf Vernunfteinkehr. Sondern eher durch Etablierung der Russen in Neurußland, wie der vormalige Leiter des „Zentrums für konservative Forschung“ an der Staatlichen Moskauer Universität, der einflußreiche Alexander Dukin, die Ostukraine (mindestens!) bezeichnet. Etablierung der Russen vielleicht sogar mittels der durch Sergej Lawrow geforderten russischen Friedenstruppen, unter Absegnung des Westens und getarnt als OSZE-Friedensmission. Oder durch direkte Intervention russischer Truppen zum Schutz der unterdrückten russischen Bevölkerung.

Oder indem es der schwachen Ukraine gelingt, ihre russische Grenze freizukämpfen.

Nun, reichlich sieben unsägliche Jahre später, nach dem erneuten Überfall Rußlands auf eines seiner unglücklichen Nachbarländer am 24. Februar 2022, sah sich, wozu ihn freilich der ukrainische Botschafter erst in den Hintern hatte treten müssen, unser auf Selbstvorschlag wiedergewählter Bundespräsident am Montag, dem 4. April 2022, also am Tag 39 der russischen Invasion, veranlaßt zu behaupten: „Ich leide sehr mit den Menschen in der Ukraine mit. Nach Anfang 2014 hat kein anderes Land meine Arbeit so geprägt.“

Fast möchte man Schreikrämpfe kriegen: „Leider!“

Leider die Arbeit eines notorisch Inkompetenten!

Eines in brandtscher Ostpolitk Dilettierenden.

Statt eines Adenauers.

Denn, jetzt halte Dich wirklich fest, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, Steinmeier, hier:

Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Rußland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben.“!

Abgesehen von einer Art Pluralis Majestatis in einer individuellen Entschuldigung, dann der Gipfel: „…an die Rußland nicht mehr geglaubt hat…“!!!

Tut der nur so oder ist der so doof?

Der Mann hat immer noch nichts begriffen!

Der Mann und nicht „Wir“ ist in Deutschland hauptverantwortlich für das Ergebnis seiner Fehler!

Er hat, mindestens in geschichtsvergessener Ignoranz, maßgeblich nicht nur sein Land in eine miserable Abhängigkeit von einem faschistischen Aggressor getrieben!

Und damit Deutschland eklatant geschadet!

Der Mann hat sich, außer zum gravitätischen Setzen rhetorischer Redepausen, bei denen man allerdings davonlaufen möchte, als unfähig erwiesen!

Was für große Worte macht heut mancher Mann und lindert damit keine Not“, hatte in Anlehnung an einen Text von Bob Dylan Marlene Dietrich einst gesungen.

Im morgigen gedruckten SPIEGEL läßt der besungene Mann sich tatsächlich zitieren mit dem Satz: „Wir müssen jetzt natürlich genau aufarbeiten, wo wir Fehler gemacht haben.“

natürlich

genau

arbeiten

auf

wo

Mein Gott Walter!

Frag mich!

Es ist nicht zu fassen!

Im selben Interview, O-Ton steinmeiernd:

Ich zähle mich zu denjenigen, die ein politisches Leben lang dafür gearbeitet haben, dass der Krieg nie mehr nach Europa zurückkehrt. Das ist nicht gelungen. Waren deshalb die Ziele falsch? War es falsch, dafür zu arbeiten? Das ist die Debatte, die ich, die wir jetzt führen müssen.“

Tapferes Kerlchen!

Ob die Ziele falsch waren, ob es falsch war, dafür zu arbeiten, das ist „natürlich“ „genau“ die Debatte, um die es „jetzt“ nicht geht! Sondern es geht darum, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, unseren Bundespräsidenten beim Amt für Arbeit, Pardon, bei der Agentur für Arbeit anzumelden als „Kunde“ für einen Umschulungslehrgang im Fach „Nebelkerzenanzünder“.

Und ihn nach erfolgreicher Absolvierung umgehend in die Ukraine an die Front zu expedieren: Das könnte die Russen nachhaltig verwirren!

Wir werden von Irrern regiert!

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„…das wäre der Welt Ende, wenn man euch gehorchte.“

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843)

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Einige nützliche Reminiszenzen über das Thema Geschichte wiederhole sich nicht

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11. Februar 2022: Bellarmin an Mephisto

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Nachdem die Bolschwisten die Macht in Rußland an sich gerissen hatten, kam es immerhin am 18. Januar 1918 des gregorianischen Kalenders zu einer ersten Sitzung der noch frei gewählten Verfassunggebenden Versammlung, die Kandidatenliste ihrer Vertreter war nämlich vor der sogenannten Oktoberrevolution aufgestellt worden. Was zur Folge hatte, daß die selbsternannten „Mehrheitler“, die sogenannte Bolschewiki, in dem Gremium nur über ein Viertel des Stimmenanteils verfügte, während die von ihnen als Menschewiki abqualifizierten „Minderheitler“ auf einen mehr als doppelt so hohen Stimmenanteil von 62 Prozent kamen.

Und zusammen mit dem bürgerlichen Lager also über eine demokratische Mehrheit von 75 Prozent.

Und diese Versammlung wagte es, gegen die von den Bolschewisten, also den Kommunisten, ergriffenen „revolutionären Maßnahmen“ zu stimmen!

Und ebenso stimmte sie gegen eine von den „Mehrheitlern“ vorgelegte „Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“!

Na aber!

Nach der russischen Exegese des Marxismus folgte nun die russische Exegese abendländischer Demokratie.

Prompt verließen die Bolschewisten nach ihrer Abstimmungsniederlage die Verfassunggebende Versammlung.

Und jagten sie einen Tag später auseinander.

Und eine Woche später wurde die „Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik“, die RSFSR, proklamiert.

Welche aus einer Föderation nationaler Sowjetrepubliken bestünde.

Worauf keinen Monat später, nämlich am 16. Februar 1918, unvorhergesehen Litauen seine Unabhängigkeit von „Sowjetrußland“ proklamierte.

Und worauf acht Tage danach, nämlich am 24. Februar 1918, unvorhergesehen Estland seine Unabhängigkeit von „Sowjetrußland“ proklamierte.

Letzte Woche Dienstag vor exakt 70 Jahren war es Freitag, nämlich Freitag, der 8. Februar 1952. 1952 fühlte sich Bundeskanzler Adenauer veranlaßt auszuführen während einer Bonner Bundestagsdebatte:

Der Ausgangspunkt für das ganze Geschehen der letzten Jahre seien die Expansionspolitik und die Aggressionspolitik Sowjetrußlands. … Das Vorgehen wie Sowjetrußland seit 1945 Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Albanien und schließlich auch die Sowjetzone unterjocht habe, sei immer nach demselben Plan erfolgt. Das Ziel der sowjetrussischen Politik in bezug auf die Bundesrepublik gehe darauf hin, dieses Land zu neutralisieren. … Wenn es Sowjetrußland gelänge etwa mit der Neutralisierung Deutschland in seine Hand zu bekommen, so würde dies Sklaverei und Ausbeutung und Vernichtung dessen bedeuten, was dem deutschen Volk das Leben lebenswert mache.

(Originalzitat aus: Archiv der Gegenwart)

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Donnerstag, 10. Februar 2022, FINANCIAL TIMES:

Aber obwohl die Nato-Verbündeten das Recht eines jeden Landes verteidigen, sich frei für eine Mitgliedschaft zu entscheiden, ist klar, dass einige Regierungen in Westeuropa es lieber sähen, wenn die Ukraine nicht beitreten würde. Eine Übereinkunft zwischen der Nato, Russland und der Ukraine über die ukrainische Neutralität wäre eine Anerkennung dieser Tatsache und kein Zeichen einer nicht hinnehmbaren Schwäche des Westens.

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Adenauer und seine Spießgesellen

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3. Oktober 2021: Serapion an Mephisto

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Vor 70 Jahren, am 27. September 1951 verlas Bundeskanzler Adenauer im Bundestag eine Regierungserklärung. Sie behandelte eine Wiederherstellung der deutschen Einheit. Alle vertretenen Parteien stimmten ihr zu, außer einer, und die hieß allerdings PDS, nein, KPD:

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Das oberste Ziel der Politik der Bundesregierung ist und bleibt die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Diese Einheit muß aus der freien Entscheidung des gesamten deutschen Volkes kommen. Die Bundesregierung hat deshalb wiederholt, zuletzt in ihrer Erklärung vom 9. März 1951 die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung vorgeschlagen. Dabei hat sie gleichzeitig die unerläßlichen Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen festgelegt. Auf alle diese Vorschläge der Bundesregierung ist eine Antwort der sowjetischen Besatzungsmacht nicht erfolgt. Die Behörden der Sowjetzone haben sie zurückgewiesen.

Nunmehr hat Herr Grotewohl am 15. September vor der Volkskammer Erklärungen abgegeben, die sich den Vorschlägen der Bundesregierung zu nähern scheinen. Die Bundesregierung hat diese Erklärungen aufmerksam geprüft. Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin haben sofort freie Wahlen für ganz Berlin vorgeschlagen, die leider abgelehnt worden sind. Herr Grotewohl beharrt auf Beratungen über gesamtdeutsche Wahlen. Was bedeuten Beratungen mit Kommunisten? Die Welt weiß aus vielfachen bitteren Erfahrungen, daß Repräsentanten des Kommunismus, wenn sie von Beratungen sprechen, entweder Diktat oder endlose Verzögerungen wollen. Anders wäre es, wenn wir es mit frei gewählten Vertretern der Bevölkerung der Sowjetzone zu tun hätten. Mit ihnen könnten wir uns sofort einigen. Um nichts unversucht zu lassen, wird die Bundesregierung eine Wahlordnung für freie gesamtdeutsche Wahlen vorlegen. Diese Wahlordnung wird im wesentlichen folgende Grundsätze enthüllen:

1. Das Gebiet der Wahl bildet einen einheitlichen Wahlkreis, jede Partei reicht einen Wahlvorschlag für das gesamte Wahlgebiet ein.

2. Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.

3. Alle Beschränkungen im Personenverkehr zwischen den Besatzungszonen einschließlich Groß-Berlin werden spätestens drei Monate vor der Wahl aufgehoben.

4. Jedem ordnungsgemäß vorgeschlagenen Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung wird bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung im gesamten Wahlgebiet die unbedingte persönliche Freiheit gewährleistet. Er darf weder verhaftet, vorläufig festgenommen, noch gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder in seiner Bewegungsfreiheit behindert werden. Ihm ist der zur Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.

5. Niemand darf vor, während und nach der Wahl wegen seiner politischen Haltung verhaftet, vorläufig festgenommen, gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus seinem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder benachteiligt werden.

6. Öffentliche Versammlungen der Parteien, die einen ordnungsgemäßen Wahlvorschlag eingereicht haben, und ihrer Bewerber sind uneingeschränkt zugelassen und unter öffentlichen Schutz zu stellen.

7. Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, die in einem deutschen Lande erscheinen, und der Empfang von Rundfunksendungen dürfen im ganzen Wahlgebiet nicht behindert werden.

8. Das Wahlgeheimnis wird gewährleistet.

9. Die Wahlzettel und ihre Umschläge sind für alle Wahlberechtigten gleich und dürfen mit keinen Merkmalen versehen sein, die die Person des Wählers erkennen lassen. Die Kennzeichnung des Wahlzettels durch den Wähler erfolgt in einem der Beobachtung durch andere Personen entzogenen Teil des Wahllokals. Vor den Augen des Wahlvorstandes legt der Wähler seinen Wahlzettel in einem Umschlag in die Wahlurne.

10. Ein Verzicht auf diese Vorschriften ist unzulässig. Jeder Verstoß macht den gesamten Wahlakt des Stimmbezirks ungültig.

11. Die Auszählung der Stimmen findet öffentlich durch den aus Vertretern verschiedener Parteien gebildeten Wahlvorstand statt. 12. Vorbereitung und Durchführung der Wahl stehen unter internationalem Schutz und internationaler Kontrolle.

13. Der Schutz ist in allen Teilen des Wahlgebietes gleichmäßig internationalen Kontrollorganen anvertraut. Die deutschen Behörden haben den Weisungen dieser Kontrollorgane Folge zu leisten.

14. Die Kontrollorgane gewährleisten die aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Rechte und Freiheiten der Bevölkerung. Jeder Deutsche hat das Recht, die Kontrollorgane anzurufen. Die Bundesregierung wird diese Wahlordnung nach Annahme durch den Deutschen Bundestag den Vereinten Nationen, den vier Besatzungsmächten und den sowjetzonalen Behörden zur Stellungnahme zuleiten. Sie wird dabei vorschlagen, daß die internationalen Kontrollorgane von Vertretern neutraler Mächte gebildet werden. Echte freie Wahlen sind aber nur möglich, wenn in der Sowjetzone tatsächliche Voraussetzungen für einen freien Ausdruck des Volkswillens gegeben sind. Bis heute sind die gesamten Verhältnisse in der Sowjetzone von jenem Zustand der Freiheit weit entfernt. Noch heute leiden Zehntausende unschuldiger Häftlinge in Zuchthäusern und Gefängnissen. Die Hunderte von Flüchtlingen, die unter Aufgabe von Hab und Gut täglich die Zonengrenze nach Westen überschreiten und in der Bundesrepublik Zuflucht suchen, sind ein erschütternder Beweis für die Rechtlosigkeit und die Unfreiheit in der Sowjetzone. Diese Menschen treibt die quälende Unsicherheit, die Angst vor dem Staatssicherheitsdienst, der Volkspolizei, dem Konzentrationslager und der Zwangsarbeit.

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Bereits zwei Tage später druckte das sowjetrussisch dirigierte Propagandablatt in der „Deutschen Demokratischen Republik“, die „Tägliche Rundschau“, nicht etwa den Text der Regierungserklärung als Diskussionsgrundlage einer freien Willensbildung, sondern natürlich eine typisch deutsche demokratische Antwort:

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Mit dieser faktischen Ablehnung der beiden Vorschläge der Volkskammer haben Adenauer und seine Spießgesellen einen hinterhältigen Vorschlag verbunden, der den Eindruck hervorrufen soll, daß auch sie für ein geeintes Deutschland sind. Aber schon ein flüchtiger Blick auf die Bedingungen, von denen die Durchführung von Wahlen abhängig gemacht wird, läßt erkennen, daß es sich hier nur um ein Manöver handelt, mit dem man die Massen betrügen möchte.

In der Resolution des Bundestages ist ferner vorgesehen, daß vor der Durchführung von Wahlen eine ›internationale neutrale Kommission unter der Kontrolle der Organisation der Vereinten Nationen‹ zu schaffen ist, die in der sowjetischen Zone sowohl wie in Westdeutschland untersuchen soll, wieweit die dortigen Verhältnisse die Durchführung freier Wahlen möglich machen. Diese Vorschläge sollen nach ihrer Annahme durch den Bundestag an die Organisation der Vereinten Nationen, an die vier Besatzungsmächte und an die Regierung der DDR weitergeleitet werden. Damit wird die Frage gesamtdeutscher Wahlen faktisch der Entscheidung und dem Ermessen der Westmächte überlassen. Dabei weiß alle Welt, daß die Hauptaufgabe der Westmächte, aus der sie kein Hehl machen, nicht die Vereinigung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage ist, sondern im Gegenteil, die Einbeziehung Westdeutschlands in den aggressiven Nordatlantikblock, um einen Aggressionskrieg gegen die Sowjetunion und die volksdemokratischen Länder zu entfesseln.

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Quelle:

Archiv der Gegenwart. Deutschland 1949 bis 1999, Band 1, S. 565 ff.

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Kanonenfutter für einen Angriffskrieg

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13. August 2021: Bellarmin an Mephisto

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Am heutigen Tage vor 60 Jahren, einem Sonntag, wurde in Berlin der „antifaschistische Schutzwall“ errichtet, zunächst aus Stacheldraht. Doch sehr lehrreich ist zu wissen auch, was am heutigen Tage vor 70 Jahren in Berlin geschah. Seit dem 5. August 1951 tobte in Ostberlin ein monumentaler Propagandarummel, die sogenannten „III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“. Und exakt am selben Tag zehn Jahre vor dem Mauerbau, also am 13. August 1951, verlautbarte man dort voller sozialistischer Freude:

Laut Agentur TASS wurde von 4.145.839 jungen Deutschen eine Grußbotschaft an Generalissimus Stalin unterzeichnet, die folgenden Wortlaut hat:

„Teurer Josef Wissarionowitsch Stalin! Millionen junge Deutsche, von denen sich über eine Million vor den Augen der friedliebenden Jugend der Welt zum Treffen der jungen Friedenskämpfer Deutschlands gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Jahre 1951 in Berlin versammelt haben, entbieten Ihnen, dem großen Führer des weltumspannenden Friedenslagers, heiße Grüße. Anläßlich des ersten Jahrestages des Eintreffens Ihres wegweisenden Telegramms, in dem Sie der deutschen Jugend die große Aufgabe stellten, aktive Erbauer des einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschland zu sein, hat die Freie Deutsche Jugend in Vorbereitung der Dritten Weltfestspiele der Jugend und Studenten für den Frieden ein Aufgebot zu Ehren des großen Stalin begonnen. Im Verlauf dieses Aufgebots haben Millionen junge Deutsche durch erhöhte Anstrengungen im Kampf um den Frieden ihre tiefe Liebe zu Ihnen, teurer Josef Wissarionowitsch Stalin, und damit zur großen sozialistischen Sowjetunion zum Ausdruck gebracht. Wir können Ihnen heute berichten, daß im Rahmen des Aufgebots das Ihren Namen trägt, 390.583 Jungen und Mädchen der Freien Deutschen Jugend und den Organisationen der jungen Pioniere beigetreten sind, so daß die Freie Deutsche Jugend und die jungen Pioniere heute in ihren Reihen 3.591.884 Jungen und Mädchen vereinigen. 1.056.998 Jugendliche haben im Rahmen des Aufgebots Ihr bedeutendes Werk ‚Über die Grundlagen des Leninismus‘ studiert und sich dadurch entscheidende Kenntnisse für ihren Kampf um den Frieden und die Errichtung eines einheitlichen, demokratischen Deutschland erarbeitet. In 121.882 Agitationsgruppen und 802.514 Einsätzen haben die Mitglieder der Freien Deutschen Jugend ihr erlerntes Wissen in der Praxis angewandt und dazu beigetragen, die Bevölkerung über die große Gefahr aufzuklären, die dem deutschen Volk durch die von den amerikanischen und deutschen Imperialisten betriebene Remilitarisierung Westdeutschlands droht. Die Jugend der volkseigenen Industrie und Landwirtschaft in der DDR erreichte durch die Anwendung der Arbeitsmethoden ihrer großen Vorbilder, der sowjetischen Produktionsneuerer, 6.209.195 Tage Planvorsprung und leistete damit im Rahmen des Aufgebots einen großen Beitrag für die Erfüllung des ersten Fünfjahrplans. Die Jugend Westdeutschlands führt Seite an Seite mit allen fortschrittlichen Kräften in Westdeutschland einen mutigen Kampf zur Verteidigung des Friedens gegen den amerikanischen Imperialismus und den wiedererstandenen deutschen Imperialismus. Ungeachtet des terroristischen Verbots der Freien Deutschen Jugend durch die revanchelüsterne Regierung der deutschen Imperialisten in Bonn gibt die fortschrittliche Jugend im Westen Deutschlands allen jungen Deutschen das Beispiel und Vorbild, wie der Kampf gegen die Absichten der McCloy, Adenauer und Schumacher geführt werden muß, die darauf abzielen, die deutsche Jugend als Kanonenfutter für einen Angriffskrieg gegen die friedliebenden Völker zu mißbrauchen. Der Ernst der Lage, der durch den Einmarsch der amerikanischen und englischen Interventionstruppen in Westdeutschland und die frechen Remilitarisierungsmaßnahmen der imperialistischen Kräfte geschaffen wurde, verpflichtet uns, noch stärkere Anstrengungen zu machen und die Kräfte zu vervielfachen, um die Kriegsgefahr zu bannen und den Frieden zu sichern. Deshalb geloben wir Ihnen am heutigen Tage, niemals nachzulassen im Kampf um den Frieden. Dabei leuchtet uns das Banner der stolzen Sowjetunion stets voran. Dabei sind wir uns des Vertrauens des großen Stalin gewiß, der uns lehrt, wie man entschlossen für die Sache des Volkes kämpft und siegt. Wir versprechen Ihnen, teurer Josef Wissarionowitsch Stalin, daß wir unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Vorhut des deutschen Volkes, unter Führung unseres geliebten Präsidenten Wilhelm Pieck bereit sind, den Frieden bis zum äußersten zu verteidigen. Dabei wird uns Ihr Telegramm auch in Zukunft Verpflichtung und Richtschnur unseres Handelns sein. Es lebe die unbesiegbare sozialistische Sowjetunion, die den Völkern im Kampf um den Frieden voranschreitet! Es lebe die feste Freundschaft zwischen dem deutschen Volk und dem Sowjetvolk! Lang lebe unser weiser Lehrmeister und Führer, unserer bester Freund, der große Stalin!“

Wohingegen ebenfalls am nämlichen Tage, dem 13. August 1951, das US-State Department eine Stellungnahme veröffentlichte zu den Weltjugend-Festspielen in Ostberlin, in der es laut Reuter hieß:

Obgleich die kulturellen Aspekte der Festspiele nachdrücklich hervorgehoben wurden, ist der Zweck des gigantischen Treffens eindeutig politischer Natur. Der Massen-Friedensmarsch vom Sonntag sollte den Eindruck vermitteln, daß der Kommunismus den Frieden symbolisiere und daß die vereinigte Kraft und der Idealismus der Weltjugend hinter ihm stehe. Die Veranstalter der Festspiele, die Freie Deutsche Jugend und ihre Jungpioniere, stellen die einzige Jugendorganisation dar, welche in Ostdeutschland zugelassen ist. Der von den Regisseuren der Festspiele hervorgerufene Eindruck, diese Veranstaltung finde in ganz Berlin statt, ist falsch. Nicht nur beschränken sich die Festspiele auf den Sowjetsektor, sondern die Sowjetbehörden haben auch die Grenzpatrouillen weitgehend verstärkt, um die Besucher davon abzuhalten, in das freie Westberlin hinüberzuströmen. Vollkommen falsch ist die Behauptung der Ostzonen-Propaganda, die ausländischen Delegationen repräsentierten die Weltjugend. Von den Delegationen aus kommunistisch beherrschten Ländern abgesehen, vertreten die ausländischen Besucher nur verhältnismäßig kleine kommunistische Organisationen in den freien Ländern. Die Knaben und Mädchen, welche der Freien deutschen Jugend angehören, verfügen sozusagen über alles, was auf die Jugend wirkt ausgenommen über die Freiheit, über Entscheidungen zu treffen und aus ihren eigenen Fehlern zu lernen. Ihr Leben ist so geschäftig und erregend daß es zweifelhaft erscheint, ob sich die große Mehrheit überhaupt bewußt ist daß ihr diese besondere Art von Freiheit fehlt.

Und noch ein drittes Beispiel von Verlautbarungen desselben Tages zehn Jahre vor dem Bau der Berliner Mauer:

Der regierende Bürgermeister von Westberlin, Ernst Reuter, erklärte laut Die Welt in einer Rundfunkansprache, daß die kommunistischen Weltjugend- Festspiele zu einem Erfolg für die freie Welt geworden seien. Trotz aller Absperrmaßnahmen der Volkspolizei hatten bisher mindestens 250.000 Mitglieder der FDJ die Berliner Westsektoren besucht. Man möge diese jungen Menschen davon überzeugen daß die Deutschen, die vom sowjetischen Joch frei sind bereit und willens seien, die deutsche Einheit wiederherzustellen. Man müsse den jugendlichen Besuchern auch zeigen daß die freie Welt viel stärker ist, als man drüben ahne und als man es gelegentlich in kleinmütigen Stunden glaube.

Während der Weltfestspiele der „friedliebenden Jugend“, am 11. August 1951, ward laut Tägliche Rundschau vom Präsidium der „Nationalen Front des demokratischen Deutschland“ in der „DDR“ eine außerordentliche Pressekonferenz veranstaltet, in der durch den Vorsitzenden des Präsidiums, Dr. Erich Correns, ein vom Nationalrat der Nationalen Front herausgegebenes „Weißbuch über die amerikanisch-englische Interventionspolitik in Westdeutschland und das Wiedererstehen des deutschen Imperialismus“ vorgelegt und erläutert wurde.

Jenes Weißbuch gliederte sich in folgende sechs Kapitel:

1. Um den Krieg vorzubereiten, wurde Deutschland gespalten.

2. Der kriegslüsterne deutsche Imperialismus – Hauptverbündeter des amerikanischen Imperialismus.

3. Wirtschaftspotential und Kriegswirtschaft Westdeutschlands.

4. Der Bonner Westzonenstaat – made in USA.

5. Westdeutschland als Rekrutierungsgebiet, Truppenübungsplatz und Aufmarschgelände des amerikanischen Krieges.

6. Das deutsche Volk kämpft für seine nationale Einheit und gegen den Krieg.

Correns sagte dazu u.a.: „Im militärischen Plan der amerikanischen Atombombenstrategen ist Westdeutschland eine erstrangige Bedeutung zugedacht. Es ist Rekrutierungsgebiet, Truppenübungsplatz und Aufmarschgelände des amerikanischen Krieges. Außer dem bedeutenden kriegswirtschaftlichen Potential Westdeutschland ist es vor allem sein Menschenreservoir, das die Wallstreetstrategen in den Dienst ihrer militärischen Operationspläne gegen die Sowjetunion, die Deutsche Demokratische Republik und die volksdemokratischen Länder stellen sollen. …“

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Sämtliche Angaben und Zitate aus Archiv der Gegenwart Bd. 1, S. 537 ff.

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11. Oktober 1950, heute vor 70 Jahren

 

11. Oktober 2020: Sehmann an Mephisto

 

Die drei westlichen Hochkommissare haben laut Neue Zeitung in drei gleichlautenden Schreiben an den Chef der sowjetischen Kontrollkommission General Wassilij Tschuikow Protest gegen die für den 15. Oktober angesetzten Wahlen im sowjetischen Besatzungsgebiet eingelegt. Den Protestschreiben lag eine Abschrift eines Briefes des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer an den vorsitzenden Hochkommissar bei.

In den Schreiben der Hochkommissare wird auf das Schreiben der drei Hochkommissare der Westmächte vom 25. Mai verwiesen, auf das keine Antwort eingelangt sei. Zu dem beiliegenden Schreiben Adenauers wird bemerkt, daß die Bundesregierung als eine vom Volk freigewählte Regierung berechtigt sei, im Namen Deutschlands zu sprechen. Es wird ferner auf das Deutschlandscommuniqué der New Yorker Außenminister-Konferenz vom 19. September 1950 verwiesen und bemerkt, daß Wahlen auf Grund einer Einheitsliste nicht demokratisch sind. Es heißt sodann:

Das Verfahren für die Durchführung dieser Wahlen steht im krassen Gegensatz zu den traditionellen Voraussetzungen für freie demokratische Wahlen. Aus diesem Grund können weder meine Regierung noch die Bundesrepublik, noch das deutsche Volk anerkennen, daß diese Wahlen dem ostdeutschen Regime rechtliche Sanktionierung verleihen, oder Ansprüche auf die Vertretung derjenigen Deutschen, die zur Zeit in Ostdeutschland leben, gewähren. Infolge des großen Interesses, welches die Öffentlichkeit am Inhalt dieser Mitteilung gezeigt hat, werde ich, nach dem sie Ihnen zugegangen ist der Presse eine Abschrift zur Verfügung stellen.“

In dem beiliegenden Brief des Bundeskanzlers wird auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. September Bezug genommen und betont, daß zur Wiederherstellung der politischen und verwaltungsmäßigen Einheit Deutschlands die Einberufung einer verfassungsgebunden Deutschen Nationalversammlung unerläßliche Voraussetzung ist. Für solche Wahlen sollten die vier Besatzungsmächte ein Wahlgesetz erlassen, die Wahlen sollten sich unter der Kontrolle von Kommissionen aus Vertretern der vier Besatzungsmächte oder der UNO zusammensetzen. Aufgabe der Nationalversammlung wäre die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung. Voraussetzung für die Durchführung deutscher Wahlen bilde die Garantie der persönlichen und politischen Bewegungs- und Betätigungsfreiheit in allen Zonen, insbesondere: Betätigungsfreiheit für alle Parteien in ganz Deutschland und Verzicht aller Besatzungsmächte, die Bildung und Betätigung politischer Parteien zu beeinflussen. Die persönliche Sicherheit und der Schutz vor wirtschaftlichen Benachteiligungen aller für politische Parteien tätigen Personen müsse von allen Besatzungsmächten und deutschen Behörden vor und nach der Wahl gewährleistet sein. Zulassung und Vertriebsfreiheit für alle Zeitungen in ganz Deutschland. Freiheit des Personenverkehrs innerhalb ganz Deutschlands und Fortfall des Interzonenpasses sei erforderlich.

 

Archiv der Gegenwart. Deutschland 1949 bis 1999, Bd. 1, S. 380 ff., Siegler Verlag GmbH, Sankt Augustin, 2000