A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Thomas de Maizière

Über sensationelle Entdeckungen. Und über Scheinheiligkeit.

 

27. Oktober 2019: Bellarmin an Mephisto

 

Hier in Deutschland ist was los! Das war eine Woche! Stell Dir vor, man hat plötzlich entdeckt, die Meinungsfreiheit wäre bedroht!

Ja! Hier bei uns!

Diese Woche!

Kaum zu glauben!

Das Herz pocht mir bis zum Halse, ich bin ganz aufgeregt.

Doch ich muß ruhig bleiben.

Wo fang ich an?

Am besten beherrscht, besonnen, gezügelt, gefaßt.

Vielleicht mit einem beliebigen Beispiel.

Kannst Du Dich an dieses Buch erinnern, „Animal triste“, das Du mir einst empfahlst? Das war doch gut! Richtig, das stammt von dieser Schriftstellerin, der Monika Maron. Die hat auch „Flugasche“ geschrieben und „Stille Zeile Sechs“ zum Beispiel oder jüngst „Munin oder Chaos im Kopf“, und sie hat 2004/05 die Frankfurter Poetik-Vorlesungen gehalten und hat den Deutschen Nationalpreis bekommen und den Lessing-Preis und ist Kleist-Preisträgerin.

Jedoch weiß ich nicht, ob Du weißt, die ist offensichtlich auf die schiefe Bahn geraten und wird seit einiger Zeit, seit einigen Jahren schon angegiftet von den bundesdeutschen Bigotten.

Richtig, den Korrektgläubigen.

2017 hatte sie zum Beispiel geschrieben in der NZZ:

Die Wahrheit ist, dass ich vor dem Islam wirklich Angst habe. Aber warum ist das krankhaft und nicht vernünftig? Die gleichen Zeitungen, die mir meine verachtenswerte Gesinnung attestieren, berichten täglich von blutrünstigen Verbrechen, die im Namen dieser Religion begangen werden, wobei sie natürlich betonen, dass das nicht an der Religion, sondern nur an deren Missbrauch liegt. Missbraucht wurde in der Menschengeschichte fast alles. Während für meine Kritiker der Missbrauch des Nationalen aber nur den Schluss zulässt, dass man den Nationalstaat abschaffen müsse, bleibt der missbrauchte Islam ganz ungeschoren.

Und Du erinnerst Dich an Uwe Tellkamp, der mit dem Bachmann-Preis und Uwe-Johnson-Preis und Deutschem Buchpreis und anderen Preisen geehrte, und an seinen preisgekrönten Roman „Der Turm“. Und nachdem voriges Jahr auf der Leipziger Buchmesse der Mann mit dem Durs Grünbein, beide eingeladen zu einem sogenannten Streitgespräch, aneinandergeraten war, weil der Uwe Tellkamp ebenfalls eine politische unkorrigierte Meinung vertreten haben soll, unmutmaßlich, da hatte die Monika Maron den trotzdem noch verteidigt! Im Deutschlandfunk Anfang April 2018:

Jeder weiß – und auch das kann man überall lesen und das wird niemand bestreiten -, dass der Islam sich auf der ganzen Welt radikalisiert. Und wir wissen auch, was an unseren Schulen passiert, dass auch da eine konservative oder auch aggressive islamische Tendenz sich durchsetzt. Und wir wissen, was in den Moscheen zum großen Teil gepredigt wird. Wenn mich das alles nicht irgendwie besorgt, oder wenn ich mir darüber keine Gedanken mache, dann finde ich das leichtfertig.

Das hat ja nichts damit zu tun, dass man, weiß ich, den Islam nun als Religion verteufelt. Der Islam hat einen politischen Anspruch. Der Islam kann sich überhaupt nur auch als weltliche Religion verstehen. Er ist nicht eine Religion wie alle anderen. Das wissen wir mittlerweile, oder können es wissen. Insofern, finde ich, haben wir allen Grund, uns darüber Gedanken zu machen.

Ich sehe, dass viele Leute – wir sind ja auch geschützt. Uwe Tellkamp ist geschützt, auch ich bin in gewisser Weise geschützt, weil wir haben einen öffentlichen Beruf und haben eine gewisse Bekanntheit. Das schützt uns auf der einen Seite, macht uns auch angreifbar auf der anderen.

Aber wir sind nicht so abhängig wie weiß ich nicht, Leute, na ja, die einfach nur irgendwo arbeiten oder Lehrer sind, von denen ich weiß, dass sie zum Teil nicht mehr reden sollen öffentlich über die Angelegenheiten in der Schule.

Und wenn Leute in abhängigen Arbeitsverhältnissen sind, dann haben sie vielleicht mehr Angst und sind ein bisschen weniger mutig. Das kann ich auch verstehen, auch wenn ich es nicht gut finde.

Ich erlebe das, ob beim Friseur oder sonst wo. Die Leute vergewissern sich erst mal, mit wem sie reden und ob Sie offen reden wollen oder nicht. Man kommt dafür nicht ins Gefängnis etwa, es droht einem auch keine schwere Strafe, aber es droht einem eine kleine oder größere Ächtung. Das haben die Leute oft genug erlebt und das erleben sie ja jetzt bei Uwe Tellkamp.

Was bedeutet denn das, wenn man zu einem Streitgespräch aufruft, dazu gehören zwei Kontrahenten, die unterschiedlicher Meinung sind, und am nächsten Tag steht der eine von beiden am Pranger? Was ist denn das für ein Streitgespräch, wenn ich das damit bezahle, dass mich am nächsten Tag alle möglichen Leute anspucken.

Man kann auch diskutieren. Aber dann muss man sagen, warum das nicht stimmt, was er gesagt hat. Ich kann nicht finden, was falsch war. Er hat gesagt, dass der Islam sich hier ziemlich ausbreitet, in unseren Alltag eindringt. Das stimmt. Nach meiner Ansicht stimmt das.

Er hat gesagt, dass die Grenzöffnung juristisch nicht einwandfrei war, dass es darüber Diskussionen gibt und auch Gutachten gibt. Da hat ihm Grünbein sogar zugestimmt. Dann muss man doch sagen, was ist an dem falsch, was Uwe Tellkamp gesagt hat, und nicht einfach sagen, der ist AfD und das haben wir schon bei Pegida gehört. Das ist doch keine Antwort!

Also das zu Deiner gefälligen Erinnerung. Als kleines winziges Beispielchen.

Mittwoch vor einer Woche war an der Hamburger Uni bei seiner Antrittsvorlesung über Makroökonomik der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke durch „Hau ab“-Brüllende am Reden gehindert worden. Zudem bombardierte man ihn mit vorbereiteten Wurfgeschossen aus Papierkugeln.

Ich stelle mir das vor als symbolisierte Steinigung.

Und er wurde sogar, wie es hieß, tätlich „angegangen“.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Man hinderte den Mann am Reden.

Er mußte die Vorlesung abbrechen.

Er mußte sich in Sicherheit bringen.

Weil er Mitbegründer der stärksten im Bundestag vertretenen Oppositionspartei gewesen ist.

Der „rassistischen“ AfD!

Mir fällt ein, wäre es da nicht doch humaner, den Lucke wegzusperren wegen „Staatsfeindlicher Hetze“?

Paragraph 106 StGB der DDR.

Es war nicht alles schlecht in der DDR!

Wenn er die weltoffenen, für Minderheitenrechte in den fernsten Ländern kämpfenden Guten und Gerechten derart aufregt?

Schutzhaft wär auch gut! Das ersparte außerdem die Verfahrenskosten.

Doch zurück zu jenem Mittwoch: Keine Meldung darüber in der Tagesschau.

Nun will ich zu dieser Woche kommen.

Diesen Montagabend wurde in Göttingen der ehemalige Bundesminister Thomas de Maizière von der „Antifaschistischen Linken“ an der Vorstellung seines Buches „Regieren“ gehindert. Die „Antifaschistische Linke“ hatte sich zusammengerottet und blockierte den Zugang des Alten Rathauses. Seinen Auftritt verhinderten die Antifaschisten, weil Thomas de Maizière eine „menschenverachtende Politik“ betrieben habe.

Am Mittwoch dann, am Mittwoch dann, fing auch der Lucke wieder an.

Der wollte erneut sprechen!

Wurde aber erneut attackiert.

Erfolgreich!

Und ausgerechnet am selbigen Tage debattierte der Bundestag in einer wahrlich Aktuellen Stunde über Meinungsfreiheit. Der Antrag war gestellt worden von der FDP-Fraktion. Weil, wie man bei dieser Gelegenheit erfuhr, ihr Parteivorsitzender Christian Lindner ebenfalls am Reden verhindert worden war, und ebenfalls an der Hamburger Universität.

Man hatte eine Veranstaltung mit ihm untersagt.

Über die Bundestagsdebatte hatte der Deutschlandfunk nachrichtlich meldend berichtet unter der, wie ich finde, dem Thema unangemessenen Überschrift: „Bundestag über Meinungsfreiheit: Einige sprechen von Zensur und Gesinnungstotalitarismus, andere nennen es Erzählungen von Rechtsextremisten“:

Die meisten Parteienvertreter betonten, dass es darum grundsätzlich gut bestellt sei. Vertreter der AfD indes sprachen von Gesinnungstotalitarismus und einer Zensur, die durch Staat, Medien und Teilen der Gesellschaft durchgesetzt werde.
Dem hielt der CSU-Politiker Ullrich entgegen, das seien Erzählungen von Rechtsextremisten. Die SPD-Abgeordnete Hendricks fügte die (sic!) hinzu, die AfD erkläre auf diese Weise lediglich Kritik an ihren Haltungen zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit. Auch andere Abgeordnete betonten, es gebe kein Anrecht darauf, ohne Widerspruch zu bleiben.

Du hast richtig gelesen.

Das macht sprachlos.

Übrigens, der Vizepräsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Kubicki schrieb Freitag dieser Woche in der Welt: „Ich finde es allerdings erschreckend, wie häufig man in die wirklich unangenehme Situation kommt, die demokratischen Rechte der Rechtspopulisten verteidigen zu müssen.“

Zur Sache: „Die AfD erkläre auf diese Weise lediglich Kritik an ihren Haltungen zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit…“

Das ist derart perfide, unanständig, obszön, die Dinge verdrehend.

Jeder SED-Bonze hätte genauso reagiert.

Es ist erschreckend.

Also dem Lucke geschieht schon recht so, wie man den behandelt, der muß das bißchen Kritik schon ertragen. Es gibt kein Anrecht, ohne Widerspruch zu bleiben.

Sofern er von uns kommt, von den Anständigen.

Mit der richtigen Meinung!

Es ist noch nicht lange her, Ende August erst, daß die Bundesregierung auf eine Anfrage hin bekannt geben mußte, daß in mehr als Dreiviertel der von der Polizei im Bundesgebiet registrierten Fälle von Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung Politiker der AfD Opfer gewesen seien, Opfer „meist“ von Tätern „aus dem linken Spektrum“.

Selbst Schuld!

Folgerichtig keine Diskussion darüber in den Medien oder die kleinste Meldung in der Tagessschau.

Denn es gebe kein Anrecht darauf, ohne Widerspruch zu bleiben…

Ich bilde jetzt einen Ob-Satz:

Ob das auch gilt, wenn AfD-Anhänger demnächst Gregor Gysi tätlich „angingen“ oder die Parteimitglieder der Partei DIE LINKE Spießruten laufen ließen zum Tagungsgebäude ihres nächsten Parteitags?

Richtig, das geht ja nicht. Das wäre ja unmöglich.

Denn DIE LINKE, was hat denn die zu tun mit Populismus…

Also das alles am Mittwoch.

Kein Wort von der Bundestagsdebatte mit den „Erzählungen der Rechtsextremisten“ in der abendlichen Tagesschau. Sowas verwirrt ja die Leute bloß.

Erst am Freitag meldete man, nachdem der Bundespräsident etwas zur deutschen Meinungsfreiheit verlautbart habe, daß es wohl ein Problem gebe.

Aber das erspare ich Dir.

Auch die nichtexistente Frage nach einer Mitschuld der Medien an dem Problem…

Viel lieber möchte ich verweisen auf ein freitägliches Interview mit Christian Lindner im Dlf, bei dem mir schlecht wurde. Und das ging so:

Sandra Schulz: Zum Einstieg in unser Thema jetzt, da muss ich Ihnen ausnahmsweise mal mit einem Gesetzestext kommen: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, sagt Artikel fünf des Grundgesetzes über die Meinungsfreiheit, also das Grundrecht, das das Bundesverfassungsgericht als Grundlage jeder Freiheit überhaupt bezeichnet hat und immer wieder hochgehalten. Wie frei kann man in Deutschland seine Meinung sagen?

Die Diskussion darüber hat in den letzten Tagen wieder an Fahrt gewonnen. Die Fälle habe ich gerade schon zitiert und schon seit langem mischt auch die FDP, mischt FDP-Chef Christian Lindner in dieser Debatte um Meinungsfreiheit mächtig mit. Anfang der Woche hat er sich öffentlich darüber beschwert, dass ein geplanter Auftritt an der Uni Hamburg nicht stattfinden konnte, und unter anderem darüber können wir sprechen in den kommenden Minuten. Sie haben das ja scharf kritisiert, dass die Veranstaltung, zu der die Liberale Hochschulgruppe Sie eingeladen hat, nicht stattfinden konnte. Jetzt hat Wissenschaftssenatorin Fegebank geschrieben, Universitäten müssten nach ihrer Überzeugung neutral sein, dürften nicht die Bühne für Parteipolitik sein. Was ist daran falsch?

Christian Lindner: Daran ist nichts falsch, wenn das eine allgemein gültige Regel wäre. Man kann das diskutieren, ob die verfasste Studierendenschaft mit ihrem allgemeinpolitischen Mandat nicht auch Mandatsträger einladen darf oder nicht. Aber ich würde akzeptieren, wenn es eine allgemeingültige Regel ist. Ich fände gut, wenn Hochschulen nicht steril sind, wenn dort angehende Akademikerinnen und Akademiker auch den politischen Diskurs führen. Das wäre kein Problem. Im Fall Hamburg aber sehe ich als problematisch an, dass Veranstaltungen mit Sahra Wagenknecht oder mit dem Juso-Chef Kevin Kühnert stattfinden, die ausweislich der Plakate keinen wissenschaftlichen Charakter haben, dass aber meine Diskussion auf Einladung der Liberalen Hochschulgruppe untersagt wird. Daran sehe ich eine Ungleichbehandlung. Offensichtlich haben manche dort Probleme mit Meinungen, die nicht links der Mitte sind.

Schulz: Herr Lindner, das ist Ihre Schlussfolgerung. Jetzt argumentiert die Hamburger Uni ja mit unterschiedlichen Formaten. Aber inhaltlich stellen Sie ja den Zusammenhang vor allem zur Meinungsfreiheit her. Wenn das so ein dringliches Herzensbedürfnis für Sie ist, mit der Liberalen Hochschulgruppe in Hamburg zu diskutieren, warum muss das dann an der Hamburger Uni stattfinden?

Lindner: Ich mache solche Veranstaltungen ja dutzendfach. In den letzten Jahren war ich ganz regelmäßig an Hochschulen. Man kann bei YouTube die Mitschnitte der Veranstaltungen mitunter sehen. Ich bemühe mich da übrigens um eine gewisse Objektivität und Mäßigung, denn ansonsten würde man im gemischten Publikum auch auf Empörung stoßen, wenn man dort plumpe Parteipolitik machen wollte. Aber ich will noch mal kurz zurück, weil Sie sagen, die Uni argumentiert mit unterschiedlichen Formaten. Die Zuhörerinnen und Zuhörer können auf Twitter, auf meinem Account die Plakate der Veranstaltung von Frau Wagenknecht und Herrn Kühnert sehen, und das sind mitnichten wissenschaftliche Veranstaltungen. Darauf redet sich die Hochschulleitung raus. Ich behaupte, dort wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. Konkret werde ich in Hamburg eine Veranstaltung machen, jetzt außerhalb der Räume der Hochschule, aber das kann nicht Sinn und Zweck sein. Man muss diskutieren, dass hier unterschiedliche Maßstäbe angewandt worden sind.

Schulz: Die Diskussion läuft ja jetzt. Da wird die Hamburger Uni sicherlich auch noch Argumente liefern. Aber ich wollte jetzt noch mal genauer verstehen. Sie haben das ja wie gesagt zitiert als Fall, als Gefahr für die Einschränkung der Meinungsfreiheit, obwohl Sie ja jederzeit die Möglichkeit haben, jetzt hier im Interview. Direkt nachdem Sie von der Absage erfahren haben, haben Sie das Journalisten mitgeteilt. Sie haben es auf Social Media geteilt. Sie können jeden Tag viel ins Internet schreiben. Inwiefern ist da jetzt Ihr Recht in Gefahr, sich in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, wie es in Artikel fünf heißt?

Stellt sie sich doof oder ist sie doof? Man kann es kaum glauben! Er hat ihr das gerade eindeutig an (s)einem Beispiel bewiesen, wie linke Meinungsäußerungen hofiert und vermeintlich nichtlinke, also falsche, herausselektiert werden! Kann oder will sie nicht abstrahieren? Hat unsere Journalistin Wahrnehmungsstörungen?

Lindner: Wir haben in Deutschland, wenn wir auch von meinem konkreten Fall etwas abstrahieren, natürlich das formal garantierte Recht der Meinungsfreiheit.

Schulz: Und das ist in Gefahr?

Lindner: Das formal garantierte Recht ist nicht in Gefahr. Die Frage ist, die praktische Nutzung dieses Rechts, wie steht es darum. Und schaut man in aktuelle Untersuchungen etwa von Allensbach oder auch in die jüngste Shell-Jugendstudie, so sagen die Menschen in Deutschland mehrheitlich, dass sie das Gefühl haben, zu bestimmten Themen könne man seine Meinung nicht mehr frei äußern. Da kann es nicht um das formale Recht gehen. Das ist im Grundgesetz garantiert. Aber offensichtlich haben Menschen das Gefühl, wenn sie sich äußern in bestimmter Weise, gibt es eine Form von sozialer Sanktion, möglicherweise in Form eines Shitstorms. Im Fall von Herrn Lucke und Herrn de Maiziére hat man gesehen: Dort gab es sogar harten Protest. Dort sind Meinungen, die nicht als akzeptabel eingeschätzt worden sind, von den Gegnern niedergebrüllt worden.

Schulz: Das ist ja auch viel kritisiert worden. Das konnten die an dieser Stelle nicht tun. Herr Lucke war inzwischen in einer Talkshow, Herr de Maiziére hat im Bundestag offen gesprochen.

Es sei viel kritisiert worden? Hast Du was mitbekommen in den öffentlich rechtlichen Medien? Und kein Wort über die offensichtliche Gewalt!  Stattdessen: Wer irgendwo kritisiert, also tätlich „angegangen“ wird, könne ja wohl woanders hingehen!

Empörend!

Wo leben wir inzwischen?

Jetzt möchte ich noch mal genau sein. Sie zitieren diese Allensbach-Studie und sagen, die Leute hätten gesagt, sie könnten ihre Meinung nicht frei sagen. Was die Leute gesagt haben, ungefähr die 60 Prozent, die jetzt immer zitiert werden; die sagen, man müsse sehr aufpassen, zu welchen Themen man sich wie äußert. Es gäbe viele ungeschriebene Gesetze, was da jetzt akzeptabel ist. Was ist denn daran schlecht, wenn bei rassistischen Äußerungen, bei sexistischen Äußerungen, bei antisemitischen Äußerungen die Sensibilität inzwischen höher ist?

Lindner: Frau Schulz, es ist ganz interessant, wie Sie es jetzt auffassen, weil Sie natürlich sofort den Diskursraum jetzt verengen und auf einen Punkt kommen. Selbstverständlich sind rassistische Äußerungen, sexistische Äußerungen nicht akzeptabel. Aber die Frage ist ja, ob möglicherweise eine kritische Position zum Thema der konkreten Migrationspolitik, ob man die sofort in einen Zusammenhang mit Rassismus stellen muss. Ich erlebe beispielsweise, dass Menschen bei genau diesen Themen sich am liebsten gar nicht mehr öffentlich äußern wollen, weil sie das Gefühl haben, sofort in einen bestimmten Zusammenhang gerückt zu werden.

Schulz: Können Sie denn ein Beispiel nennen, wo es wirklich einem Akteur, einem Sprecher nicht möglich war, seine Meinung zu äußern?

Es ist kaum zum Aushalten, dieses Beispiel des Niedergangs des deutschen Journalismus! Kurt Tucholsky, Sebastian Haffner, es war einmal!

Denn man darf ja nicht zwei Sachverhalte verwechseln. Einmal: Jemand sagt was, erntet darauf Kritik. Oder jemand hat gar nicht erst die Möglichkeit, was zu sagen, weil er staatliche Repressionen fürchtet. Können Sie da einen Sachverhalt schildern, in dem wirklich jemand von vornherein mundtot ist?

Lindner: Das war ja nicht mein Punkt.

Schulz: So habe ich Sie verstanden.

!!!

Lindner: Nee! Ich habe ja vor ungefähr zwei Minuten gesagt, dass das formale Recht der Meinungsäußerung in Deutschland selbstverständlich nicht rein rechtlich eingeschränkt ist, sondern dass es eher das Gefühl ist, es gibt eine soziale Sanktion, wenn man sich in bestimmter Hinsicht äußert. Wenn 60 Prozent der Menschen sagen, man müsse sehr genau aufpassen – in der Shell-Jugendstudie wird bewusst auch das Thema Migration beispielsweise genannt –, dann scheint das für die Menschen eine Alltagserfahrung zu sein. Man hat das Gefühl, man kann bestimmte Dinge nicht offen äußern.

Schulz: Was ist diese soziale Sanktion, von der Sie sprechen?

Lindner: Die deutete sich in Ihrer Frage eben an. Wenn man sich sexistisch oder rassistisch äußert, was ist schlecht daran, Kritik zu bekommen? Da ist nichts an Kritik falsch, aber die Frage ist, ob nicht möglicherweise der Diskursraum bei bestimmten Fragen eingeschränkt ist. Ich will nicht von anderen sprechen, sondern gerne von mir. Ich erlebe sehr oft in politischen Debatten, auch im Deutschen Bundestag – ich lasse mich davon nicht einschüchtern, meine Kolleginnen und Kollegen auch nicht –, dass man in einen bestimmten Zusammenhang gerückt wird. Ganz schnell heißt es dann vom politischen Mitbewerber, jetzt bezogen auf die FDP, dieses oder jenes, das sei ja eine AfD-Politik. Unser Spitzenkandidat in Thüringen, Herr Kemmerich, äußert sich in einer Fernsehdiskussion kritisch zur aktuellen Politik der Bundesregierung in Flüchtlingsfragen. Prompt wird seine Hauswand beschmiert und es heißt, er sei AfD-Sympathisant. Ich glaube, das sind die Extrempunkte eines verengten Debattenraums.

Schulz: Aber ist dieser Vergleich mit der AfD nicht mit der Meinungsfreiheit gedeckt?

Hilfe !!!

Dagegen können Sie sich doch sofort im Diskurs wieder wehren.

Lindner: Frau Schulz, wir schon. Wir lassen uns ja nicht einschüchtern. Wir sind ja politische Auseinandersetzung gewohnt. Und es ist auch legitim, wenn der politische Gegner einen hart angreift. Das ist hier nicht mein Problem.

Schulz: Wer lässt sich denn einschüchtern?

Sancta Simplicitas!

Lindner: Offensichtlich die 60 Prozent in Umfragen, die sagen, man könne in bestimmten Dingen nicht einfach so sprechen, sondern müsse sehr genau überlegen. Das ist ja auch verkappt. Sehr genau überlegen bedeutet, man kann es nicht so sagen, wie man es meint. Ein Extrempunkt ist natürlich, wenn eine Hauswand beschmiert wird. Da geht es nicht nur um Sachbeschädigung. Ich glaube, das ist wirklich Demokratiebeschädigung. Aber mir geht es darum: Der Diskursraum ist eingeschränkt, und um an den Ausgangspunkt des Gespräches zurückzukommen: Ich lese sehr viel von Kolleginnen und Kollegen, von vielen Journalisten, die berichten, was an Hochschulen passiert und wie an Hochschulen in besonderer Weise der Diskursraum eingeschränkt wird, weil sehr schnell sehr oft damit argumentiert wird, eine bestimmte Äußerung, eine bestimmte Position sei beispielsweise sexistisch.

Schulz: Ich habe es immer noch nicht verstanden. Wodurch wird der Diskursraum eingeschränkt? Durch Kritik, die ja, wie Sie mir gerade schon gesagt haben, auch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Also, noch mal ganz langsam, anderes Beispiel:

Nehmen wir mal an, Frau Schulz, Sie lebten in der Deutschen Demokratischen Republik, in der die Presse- und Meinungsfreiheit ebenfalls formal garantiert war, und versuchten während einer Wahlveranstaltung einen nicht nach den „Prinzipien des demokratischen Zentralismus“ staatlich vorgegebenen Kandidaten, also einen frei wählbaren Kandidaten, auf die Wahlliste setzen zu lassen, dann wäre garantiert irgend ein Bonze, es könnte auch eine Bonzin gewesen sein, der die das wäre aufgesprungen, hätte sie gemustert, nach ihrem Namen gefragt und in vollem Einverständnis im Sinne der von Ihnen, Frau Schulz, propagierten Meinungsfreiheit zu Ihnen, Frau Schulz, verurteilend gefragt:

„Sie wollen hier in unserem Arbeiter- und Bauernstaat doch wohl nicht die bürgerliche Demokratie einführen? Mit Gegenkandidaten, Wahlkämpfen und Wahlschlachten und so weiter?

Wie bei den Bonner Ultras und dem Kriegsbrandstifter Brandt aus der Frontstadt?“

Sie wären also sofort in die Ecke von „Revanchisten“ in der Beärrdee gerückt worden. Die Oberländer, Strauß und Globkes, die die Oder-Neiße-Friedensgrenze nicht anerkennen mochten. Und damit wäre es erledigt gewesen mit ihrem Vorschlag eines Gegenkandidaten. Außer daß Sie sehr wahrscheinlich noch namentlich registriert worden wären und sich gewundert hätten, daß womöglich Ihre nächste Ferienreise in das begehrte FDGB-Erholungsheim „Völkerfreundschaft“ auf der Insel Hiddensee nicht genehmigt worden wäre, Frau Schulz, wegen Überfüllung.

Im günstigsten Fall.

Und dann hätten Sie sich das bei der nächsten Gelegenheit vermutlich überlegt mit Ihrem Vorschlag eines Gegenkandidaten.

Und es ging hier, damit Sie es verstehen, um Ihre Meinungsfreiheit, Frau Schulz. Haben Sie das nun verstanden?

Nein?

Wo genau ist das Problem?

Lindner: Ich kann mich nur wiederholen. Das Problem, das viele Leute empfinden, ausweislich der Umfragen, ist: Man äußert bestimmte Positionen und Meinungen und ist sofort konfrontiert mit harten Sanktionen, beispielsweise dadurch, dass man in einen Zusammenhang gerückt wird mit der AfD, mit Rassismus, mit Sexismus, um Ihre beiden Worte aufzunehmen, obwohl es eigentlich eine Äußerung ist, von der die Menschen sagen, das müsste noch in der legitimen Bandbreite geäußerter Meinungen sein.

Schulz: Es ist jetzt immer noch sehr im Abstrakten, was Sie schildern. Wenn das jetzt in der öffentlichen Debatte immer in einem Atemzug genannt wird, einmal diese Verwechslung, Kritik an einem Debattenbeitrag wird umgemünzt in eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, in ein das darf man ja nicht sagen – das ist ja das, was in der Tat die AfD auch ganz stark macht. Die spricht von einer Meinungsdiktatur zum Beispiel. Wenn die Meinungsfreiheit konsequent schlecht geredet wird, ist das nicht auch eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, und könnte nicht auch das einer der Gründe sein, warum die Leute in Umfragen sagen, wir können uns nicht frei äußern?

Lindner: Das könnte sein, aber das kann nicht dazu führen, dass man diese Probleme nicht diskutiert, sondern ganz im Gegenteil. Ich glaube, alleine die Debatte darüber ist für viele schon ein wichtiges Signal, dass eine öffentliche Sensibilität dafür wächst. Die Bandbreite der Meinungen muss größer sein.

Schulz: Die Debatte führen wir jetzt ja auch.

Lindner: Frau Schulz, genau! Das ist ja auch wichtig. Ich hätte sie gerne auch mit Frau Fegebank bei Ihnen geführt. Das müssen die Zuhörerinnen und Zuhörer auch wissen. Ursprünglich sollte es ein Streitgespräch mit Frau Fegebank geben. Die wollte sich dem nicht stellen.

Schulz: Die hat aus terminlichen Gründen abgesagt.

etc. pp.

Armer Christian Lindner!

Und arme Sandra Schulz! Was hätte sie für Karriere machen können in der DDR!

Beim Sender „Stimme der DDR“!

Und nun ahnst Du, warum die Menschen sich heutzutage über die sogenannten Eliten aufregen und voller Grausen abwenden von den Medien!

 

Die Redefreiheit wird unter Verweis auf die Political Correctness eingeschränkt, wenn ein selbst ernannter demokratischer Mainstream darüber befindet, was diskutiert werden darf und was nicht. Meinungsfreiheit sichert nur, wer sie konsequent anwendet, das heißt: andere, womöglich sogar abwegige Meinungen auszuhalten, mit ihnen fair umzugehen und in einem sachorientierten, produktiven Streit zu treten.“

Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestages

 

13.11.15 Mephisto an Bellarmin

Donnerstag, 22. Oktober, STUTTGARTER ZEITUNG:

Das größte Abschiebehindernis bleibt falsch verstandenes Gutmenschentum. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet dem ersten linken Ministerpräsidenten der Republik nichts dringender erschien, als einen Verzicht auf Abschiebungen im Winter anzuordnen. Inzwischen hat auch ihn die Realität eingeholt. Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht darum, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen. Rechtstreue hat nicht nur dann zu gelten, wenn es um grundgesetzlich garantierte Asylansprüche geht. Sie ist auch einzuhalten, wenn die unabweisbare Pflicht zur Ausreise besteht.

Freitag, 23. Oktober, LE FIGARO:

Keine Regierung in Europa hat von ihren Bürgern eine Vollmacht bekommen, um Hunderttausende Migranten ohne jede Kontrolle aufzunehmen. Alle Länder verstärken die Überwachung der Grenzen und die Ausweisung illegaler Einwanderer. Sogar ‚Mutti Merkel‘ will 200.000 abgewiesene Asylbewerber mit Militärflugzeugen abschieben lassen. Der Mythos des rettenden Hafens Europa fällt in sich zusammen.

Freitag, 23. Oktober, SVENSKA DAGBLADET:

In diesem Jahr werden wohl 160.000 Menschen in Schweden Asyl beantragen. Das sind doppelt so viele, wie die Behörde noch im Juli angegeben hatte. Die Kosten der Flüchtlingskrise dürften sich in den kommenden vier Jahren auf ungefähr 130 Milliarden Kronen summieren. So viel gibt die Regierung normalerweise in einer ganzen Legislaturperiode an Investitionen aus.

Freitag, 23. Oktober, JYLLANDS-POSTEN:

Nun ist Schweden also von der Realität eingeholt worden. Die selbst ernannte humanitäre Großmacht streckt die Waffen. Die Ausländerpolitik soll verschärft werden, weil das Land überrannt wird. Es ist ein unsanftes Erwachen in der Wirklichkeit.

Montag, 26. Oktober, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Längst ist die anfängliche Gelassenheit der Bevölkerung angesichts des unaufhörlich wachsenden Zustroms von Migranten in tiefe Besorgnis umgeschlagen. Inzwischen warnen sogar Sicherheitsbehörden vor Merkels Politik, weil diese zu Instabilität führe und zur Abkehr der Bürger vom Verfassungsstaat. Merkels verfehlte Flüchtlingspolitik isoliert Deutschland in Europa. Der Widerstand gegen feste Verteilungsquoten von Migranten ist auch deshalb so groß, weil die Nachbarn vor allem ein Problem für Berlin sehen, da sich die meisten Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen fühlen.

Mittwoch, 28. Oktober, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Die Auseinandersetzung um die Zukunft Deutschlands endet aber meist damit, dass zum Schweigen verurteilt wird, wer nicht alles gutheißt, was Deutschland zu einem Einwanderungsland macht. Vieles von dem, was seit Beginn der Flüchtlingskrise in Deutschland gesagt und getan wird, lässt sich nur damit erklären, dass es gar nicht um die Flüchtlingsfrage geht, sondern darum, sich gegen ‚rechts‘ abzugrenzen. Was dabei herauskommt, sind nicht Handlungsfähigkeit, sondern Fatalismus, Trotzreaktionen und überschießende Moral. So aber wird Radikalismus nicht bekämpft, sondern erst geschaffen.

Donnerstag, 29. Oktober, NEPSZABADSAG:

Der ungarische Außenminister Szijjarto ließ sich diese Steilvorlage aus Österreich nicht entgehen und forderte die europäischen Politiker umgehend dazu auf, ihre heuchlerische Rhetorik einzustellen. Es gibt keine kurzfristige Lösung, jede Maßnahme dient bloß der jeweiligen Eigendarstellung der Regierung. Die Zahl der Menschen, die über den Balkan nach Deutschland kommen, steigt beständig, unabhängig davon, wer was behauptet. Während Russland Syrien bombardiert und damit seit Beginn des Monats weitere 120.000 Syrer heimatlos gemacht hat, flüchten sich die Europäer in vorgetäuschte nationalstaatliche Maßnahmen.

Donnerstag, 29. Oktober, DIE PRESSE:

Österreich versucht, die Verantwortung an beide Seiten abzugeben – an Deutschland und an Slowenien. Das mag realpolitisch durchaus richtig sein, nur sollte man sich dann nicht unbedingt als Humanitätsweltmeister feiern. Wir sollten uns als das sehen, was wir sind: Schlawiner. Dennoch werden wir auch über Zäune – oder wie immer man das dann nennt – reden müssen. Denn hier wären wir wieder bei der Frage des Vertrauens. Ein Staat, der keine Grenzen mehr kennt, der unkontrolliert Massen an Menschen passieren lässt, auch wenn diese nach Deutschland weiterziehen, wird das Vertrauen seiner Staatsbürger verlieren.

Donnerstag, 29. Oktober, LE FIGARO:

Merkel hat die Türen Europas für die Misere der ganzen Welt geöffnet. Sie kann es noch richten, aber dazu müsste sie alles in Europa ändern. Es bräuchte einen ehrlichen Diskurs über die Aufnahmekapazitäten. Außerdem müsste es einen großzügigeren Hilfsplan für die betroffenen Länder geben und illegale Migranten sollten konsequent abgeschoben werden. Die Zeit läuft Europa davon.

Donnerstag, 29. Oktober, SME:

Auch wenn Merkel zurückrudert und erste restriktive Signale aussendet, wächst die Spannung in Deutschland ins Unerträgliche. Auch Deutschland ist nicht unbegrenzt belastbar, und kann einfach nicht so viele Menschen in kurzer Zeit aufnehmen. Und darauf zu vertrauen, dass es gelingt, den Flüchtlingsstrom zu verlangsamen und gleichzeitig die Asylsuchenden in Europa umzusiedeln, kommt dem Warten auf ein Wunder gleich. Flüchtlingsquoten funktionieren in dieser Situation schlichtweg nicht.

Dienstag, 3. November, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Transitzonen wären ein Weg, um Abschiebungen nicht nur auf dem Papier zu beschleunigen. Will das die SPD nicht? Die Transitzonen wären schließlich buchstäblich ein Wink mit dem Zaunpfahl, um der EU und den Herkunftsländern, deren Bewohner sich ins gelobte Land aufmachen, zu zeigen, dass Deutschland nicht naiv zur Einwanderung einlädt, sondern begrenzen, steuern und auch ausladen kann. Will das die SPD nicht? Doch, SPD-Landräte und SPD-Bürgermeister wollen das sehr wohl.

Freitag, 6. November, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Schon jetzt sind so viele Flüchtlinge angekommen, dass es Ende des Jahres sicherlich weit mehr als eine Million sein werden. Nur bis Februar 2016 sei dann mehr als eine halbe Million im Anmarsch, schätzt das UNO-Flüchtlingswerk. Die EU-Kommission sagt bis 2017 eine Zahl von drei Millionen Flüchtlingen voraus. Das Ziel des neuen Asylpakets unterscheidet sich nicht von dem des ersten, das erst diese Woche in Kraft getreten ist. Es ist der Versuch, die Kontrolle über diese Zahlen zu gewinnen.

Freitag, 6. November, MÜNCHNER MERKUR:

Deutschland sendet ein Signälchen. Migranten mit geringer Bleibeperspektive sollen in neuen Aufnahmeeinrichtungen einem beschleunigten Asylverfahren unterworfen werden. Merkel-Land löst sich in Tippelschritten von dem, was unsere Nachbarn naserümpfend deutsche Einladungspolitik nennen. Ob das wohl die dringend erhoffte Entlastung bringt?

Freitag, 6. November, BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN:

Es wird noch Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, bis Deutschland sich so organisiert hat, dass jeder Flüchtling tatsächlich registriert wird. Fürs erste ist die Einigung von gestern deshalb nur der Versuch, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen und dem Recht wieder zu seiner Geltung zu verhelfen. Dieser Versuch kann gelingen – oder missglücken. Noch regiert in der Asylpolitik das Chaos.

Freitag, 6. November, RHEINPFALZ:

Aufnahmezentren können zwar Ordnung in das Verfahren der Aufnahme von Asylsuchenden bringen – spürbar begrenzt wird der Zustrom wohl nicht. Das Merkelsche Konzept des offenen, zugewandten Umgangs mit den Flüchtlingen kann nur funktionieren, wenn es in eine EU-weite Gesamtstrategie eingebettet ist. Die aber gibt es nicht, wird es so schnell auch nicht geben. Stattdessen herrscht eine Politik des nationalen Rette-sich-wer-kann.

Samstag, 7. November, NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

Länder-Abgeordnete bestellen die deutsche Regierungschefin ein, damit sie Rechenschaft über ihr Tun ablegt – wann hat es das bereits einmal gegeben? So verweist die vermeintliche Formalie auf eine Entwicklung von immenser Relevanz, die die Bundesrepublik erst seit Merkels Kanzlerschaft kennt. Ob Euro-Rettung oder Auslandseinsätze, Flüchtlingskrise oder, wie in diesem Fall, die radikale Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke: Merkel hat die Mittel, mit weitreichenden Weichenstellungen aus dem Handgelenk heraus die Geschicke des Landes derart zu prägen. In der Nutzung ihrer Macht stößt Merkel damit in überaus bedenklicher Weise an Grenzen der Legitimität. Sie testet aus, wie weit sie gehen kann. Der Demokratie schadet das stark.

Montag, 9. November, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

Der Vorstoß ist in der Sache richtig – genauso wird es kommen. Es ist bezeichnend, dass dem Innenminister vor allem vorgeworfen wurde, Absprachen nicht eingehalten zu haben. Das ist koalitionstechnisch ein nachvollziehbarer Vorwurf. In der Sache jedoch hat de Maiziere klargestellt: ‚Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch, wir können nicht noch ein Vielfaches an Familienmitgliedern aufnehmen.‘ Genau das ist eins der Signale, die die Deutschen jetzt ebenso brauchen wie die Flüchtlinge und ihre Herkunftsländer. Es ist nicht einmal die schiere Zahl, die Deutschland zu schaffen macht. Das Problem ist die fehlende Kontrolle des Zustroms. Wer ist wirklich Syrer? Oder darf die Frage gar nicht mehr gestellt werden?

Montag, 9. November, HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG:

Viele übersehen: De Maizières Mission liegt nicht darin, die schwarz-rote Koalition zusammenzuhalten. Dafür sind andere zuständig, die Kanzlerin vorneweg. De Maizière muss ein anderes Bündnis pflegen: das zwischen seinem Ministerium und der Polizei. Die Öffentlichkeit bekommt nichts davon mit, aber auch in Sicherheitskreisen gibt es derzeit viele, die sich an die Stirn tippen – nicht weil de Maizière ihnen zu scharf, sondern weil er ihnen noch zu moderat erscheint. Wer wie die Linkspartei den Rücktritt de Maizières verlangt, hat das BMI und dessen besonderen Geist nicht verstanden. Würde man de Maizière diese Woche entlassen, würde nächste Woche sein Nachfolger auf den gleichen Kurs gehen.

Dienstag, 10. November, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

In diesem Jahr kommen mehr als eine Millionen Asylbewerber. Diese dürfen weitgehend unbeschränkt ihre Familien nachholen. Die Kommunen sind an der Grenze ihrer Kapazitäten. Angesichts dieser Lage muss eine Debatte erlaubt sein, für welche Flüchtlinge der Nachzug zumindest vorerst ausgesetzt werden kann.

Dienstag, 10. November, THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG:

Thomas de Maizière hat recht: Die Begrenzung des Familiennachzugs syrischer Flüchtlinge wäre nicht unmenschlich, sondern angesichts überforderter Kommunen und Helfer sowie vielfältig ungeklärter Integrationsfragen verantwortungsvolles Regierungshandeln.

Dienstag, 10. November, JYLLANDS-POSTEN:

Als Dänemarks Integrationsministerin Inger Støjberg Flüchtlinge per Annonce in ausländischen Zeitungen davor warnte, nach Dänemark zu kommen, wurde das als etwas Ungeheuerliches dargestellt. Gleiches gilt für die von der Regierung durchgesetzten Verschärfungen in der Asylpolitik, zum Beispiel bei der Familienzusammenführung. Doch nun folgen große Teile Europas dem dänischen Beispiel. In Deutschland steht Angela Merkel mit ihrer ‚Wir schaffen das‘-Haltung massiv unter Druck. Dort sollen syrische Flüchtlinge jetzt nicht mehr unmittelbar ein Recht auf Familennachzug bekommen. Leistungen werden gekürzt, die Abschiebepraxis verschärft.

Halt also ein Dein Lamento und beruhige Dich – Plan B ist in Arbeit! Und wenn Du es nicht gemerkt hast spätestens diese Woche, kann ich Dir nicht helfen.

Zwar orakeln manche Medien und die üblichen Verdächtigen der Linken, Grünen und Sozialdemokraten tatsächlich, ob es sich um eine Regierungskrise handele, ob der Graben zwischen Kanzlerin und Innenminister je wieder wird überwunden werden können, und ob der Ungnade, in der de Maizière hinfort bei ihr stünde. Und, tatsächlich, ob sie ihn derzeit nur deshalb nicht entlasse, weil sie es sich nicht erlauben könne.

Diese Blindheit ist schwer zu fassen!

Wobei ich unterstelle, daß es sich bei der ihrerseits durchsichtigen, also typisch spdämlichen Ignoranz und kläfferischen Entrüstung in nicht unerheblichem Maß um Heuchelei handelt. Von der Schmidt-Schnauze zum Fahimi-Stegner-Geschwätz – das ist erkennbar kein Aufstieg.

Denn ganz gewiß gibt es weder einen Graben noch die geringste Ungnade, und zwischen ihr und ihm paßt kein Blatt nicht. Denn im Gegenteil, der Innenminister ist der Kanzlerin treuer Vasall und Retter. Noch hilft er ihr, gesichtswahrend zurückzufinden zu ihrer einstigen Stärke. Die sich einmal darauf gründete, den Energiesatz begriffen zu haben und anzuwenden: Nichts entsteht aus dem Nichts. Zum Beispiel wußte sie im Unterschied zu vielen europäischen Politikern und Griechen, daß jeder Euro Verschuldung wird irgendwann von irgendwem bezahlt werden müssen, selbst wenn die Schuldverschreibung phantastischerweise Eurobond hieße.

Wenn sie nun kurzzeitig einmal einen Aussetzer, pardon, einen Bläckaut hatte und dachte, im Gegensatz zum Rest der Welt verfüge Deutschland über eine unbegrenzte Zahl an Turnhallen, so sollte man es angesichts ihrer sonstigen Verdienste und Vorzüge, beispielsweise gegenüber ihrem Vorgänger oder dessen Parteigenossen und derzeitigen Kanzlerprätendenten, nachsehen. Besitzt sie doch neben ihrem Geheimwissen um den Erhaltungssatz, und dies ebenfalls im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen aus der Politikerriege, bewiesenermaßen und unbestreitbar eine zweite schöne Eigenschaft, die da nämlich heißt Lernfähigkeit. Und da hat es spätestens seit den Vorbereitungsgesprächen für den letzten Koalitionsgipfel, seit dem Tête-à-tête mit Horst Seehofer, da hat es spätestens bei ihr geschnackelt. Welches Schnackeln euphorische Schübe auslöste beim sonst eher doch beherrscht wirkenden Horst. Und welches Schnackeln ihr sicher um so leichter fiel, da der diesjährige Friedensnobelpreis, o! welch Glück für Deutschland, nun anderweitig vergeben worden war. Hosianna! Hosianna!

Zurück zu Plan B, zumindest eines Teilbereichs. Vorgestern im Deutschlandfunk:

Christoph Heinemann: Koalitionsalltag: „Ja“ sagt der Bundesinnenminister am Freitag gegenüber dem Deutschlandfunk. „Nein“ zwei Tage später der Kanzleramtsminister in unserem Sender als Bote der Kanzlerin. „Doch“ meinte gestern die Spitze der Regierungspartei CDU, deren Vorsitzende Angela Merkel heißt. „Wir möchten, dass der Nachzug von Familienangehörigen der vielen Menschen, die gegenwärtig nach Deutschland kommen, begrenzt wird.“ „Nein“ sagt dazu die SPD.

Am Telefon ist Michael Frieser, der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Tag!

Michael Frieser: Ich grüße Sie aus Berlin.

Heinemann: Herr Frieser, befindet sich im Regierungscockpit noch eine Pilotin?

Frieser: Aber selbstverständlich. Die Diskussion, die im Augenblick läuft, muss man auch rhetorisch etwas abrüsten. Die Parteivorsitzenden haben sich ja genau auf diese Frage schon verständigt, nämlich auch den Familiennachzug zu begrenzen, und die Äußerungen vom Bundesinnenminister gehen natürlich an dieser Stelle in die vollkommen richtige Richtung.

Heinemann: Aber das hat die Kanzlerin offenbar nicht mitbekommen.

Frieser: Die entscheidende Frage ist, wann ich zu welchem Zeitpunkt diesen Schritt gehe. Sie selbst hat ja an dem Papier auch zusammen mit Horst Seehofer als CDU-Vorsitzende mitgewirkt. Ganz überraschend ist übrigens auch diese Botschaft nicht an die SPD, denn vollkommen klar ist: Alle wissen ja, dass wir ein Verfahren gewählt haben, das mehr oder minder aus verwaltungstechnischer Überforderung einen sogenannten Vollschutz für die Flüchtlinge gewährt hat und damit der Nachzug quasi inbegriffen war, und eigentlich hätte den Flüchtlingen ja nur ein subsidiärer Schutz zugestanden, bei dem man selbstverständlich auch den Nachzug begrenzen kann.

Heinemann: Warum twittert der Regierungssprecher dauernd, ‚Es bleibt alles beim alten‘?

Frieser: Es bleibt alles beim alten, weil das nämlich dieser Plan war. Aber der Plan war ja bereits, auch darin war ein Bestandteil, eben auch sich über den Familiennachzug Gedanken zu machen. Insofern geht es nicht darum, Familien auseinanderzureißen, sondern es geht in erster Linie vor allem darum, dass wir auch ein Signal aussenden, weil es um Signale nun mal geht, vor allem in dieser Flüchtlingsdebatte zu sagen, wer hier herkommt, auf eine gewisse Dauer hier bleibt, aber doch auch nur sinnvollerweise, bis sich die Zustände in seinem eigenen Land geklärt haben, da wäre ein durchgeführter, für alle einfach pauschal vorhandener Familiennachzug sicherlich das falsche Signal. Also zurück zum richtigen Verfahren, zurück zum rechtsstaatlichen Verfahren, und dann wird sich die Frage des Familiennachzuges auch klären. Aber wir können nicht automatisch einfach jedem einen Familiennachzug gewährleisten.

Heinemann: Herr Frieser, das habe ich jetzt nicht verstanden. Sie haben gerade gesagt, es geht nicht darum, Familien auseinanderzureißen. Aber doch genau darum geht es doch in dem Vorstoß der Union.

Frieser: Entschuldigen Sie mal! Das was die Familien auseinanderreißt, ist der Bürgerkrieg in Syrien. Es kann aber doch, wie wir das mittlerweile auch zum Beispiel bei den Freunden in Schweden sehen, nicht dazu kommen, dass man tatsächlich beispielsweise Minderjährige vorausschickt, ganz bewusst, weil man weiß, dass man darüber dann den Familiennachzug wirklich erzwingen kann. Diese Frage: Es muss zurück zu einem rechtsstaatlichen Verfahren: Wir müssen eine ordnungsgemäße einzelne, persönliche Prüfung stattfinden lassen, um zu sagen, ist hier subsidiärer Schutz oder ist hier voller Flüchtlingsschutz angebracht, und das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Familiennachzug. Und darin besteht mit der Union eigentlich auch kein Zweifel.

Heinemann: Wobei ja gegenwärtig nicht nur Kinder kommen, sondern vor allen Dingen auch junge Männer. Der eine oder andere ist verheiratet. Und jeder weiß: Über Kinder, über die Kita, über die Schule entwickeln sich sehr viele Kontakte. Das wissen alle Eltern. Sind Familien nicht gerade sehr wichtig für die Integration, also das Folgeziel?

Frieser: Aber selbstverständlich! Das ist doch ohne jegliche Form von Frage. Nur das darf doch am Ende nicht heißen, dass wir im Augenblick bei einer Diskussion, wo es auch massiv darum geht, einen Zuzug nach Deutschland wirklich definitiv zu begrenzen, dass wir einfach sagen, aus verwaltungstechnischer Überforderung kriegt jeder automatisch einen Flüchtlingsstatus, der ihm eigentlich nicht zukommt und bei dem auch ein Familiennachzug inbegriffen ist. Noch mal, ich bleibe dabei. Darf ich das ganz kurz sagen? Die meisten von den Flüchtlingen kommen doch nicht aus einem direkten Bürgerkriegsland, sondern sie kommen aus selbstverständlich schwierigen Situationen, aber es besteht dort keine direkte Bedrohung auch für die Familien. Und wenn ich weiß, dass diejenigen wieder zurückkehren sollen, gibt es aus unserer Sichtweise in vielen Fällen der Familiennachzug einfach keinen Sinn.

Heinemann: Nun sind allerdings gerade die Syrer Leidtragende eben eines Bürgerkrieges, genau dessen, was Sie gerade ja abgelehnt haben. Glauben Sie, dass alleinstehende junge Männer, deren Frauen und Kinder anderswo leben, leichter zu Bürgern werden?

Frieser: Diese Frage intendiert natürlich bereits in Ihrer Fragestellung, dass das eine schwierige Frage sein kann. Ich gehe doch nicht davon aus, dass wir bei all denjenigen, bei denen wir wirklich sagen müssen, wir wollen und sie wollen vielleicht selber auch tatsächlich wieder in ihre Länder zurückkehren, um dort auch bei einem Wiederaufbau mitzuwirken, dass wir dort die Frage des Familiennachzugs zur wesentlichen machen. Noch mal: Die wesentliche Frage ist eine Begrenzung auch des Zustroms. Und derer, die tatsächlich auf Dauer da bleiben, bei denen wird sich auch im Verfahren regeln, dass es sich um einen Familiennachzug handeln wird. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Das wird nur insgesamt auch mit der Familie gehen. Das bedeutet aber nicht, dass bei der Gesamtzahl, die im Augenblick nach Deutschland zuströmt, der Familiennachzug quasi automatisch mitgehen kann.

Heinemann: Herr Frieser, Ihr SPD-Kollege Christian Flisek sprach heute Früh von einer Demontage der Kanzlerin innerhalb ihrer eigenen Partei. Kann man dem widersprechen?

Frieser: Ja, dem kann man sogar sehr deutlich widersprechen.

Heinemann: Auch mit Argumenten?

Frieser: Es geht darum, dass wir einen Plan haben, bei dem natürlich auch die Frage der Diskussion um den Familiennachzug ein ganz wesentlicher Punkt ist. Das wird am Ende auch die SPD einsehen müssen, wie es bisher auch schon immer der Fall war. Sie macht sich da einen etwas schlanken Fuß. Sie muss selber mit einem Vorschlag kommen, wie wir die Frage des Zuzugs begrenzen können, und das hat nichts mit der Demontage der Kanzlerin zu tun, wenn wir einfach wissen, dass eine Million Flüchtlinge im Land am Ende des Tages 3,5 oder vier Millionen tatsächlich durch Familiennachzug bedeuten würden. Das bedeutet, wir müssen den Einzelfall unterscheiden können. Familiennachzug nur dort, wo er tatsächlich angebracht ist.

 

„Politiker und Journalisten teilen das traurige Schicksal, daß sie oft heute schon über Dinge reden, die sie erst morgen ganz verstehen.“

(Helmut Schmidt 1918 – 2015)

 

Mephisto an Bellarmin

Gestern vor 70 Jahren, nämlich am 17. September 1945, wurde von der britischen Militärregierung den Deutschen befohlen, in Friedland, auf einem ehemaligen Versuchsgelände der Universität Göttingen, ein Auffanglager einzurichten mit einer Kapazität für 1.000 Vertriebene. Während der folgenden vier Jahre bis Ende 1949 werden von den in die westlichen Besatzungszonen strömenden über 7 Millionen Vertriebenen offiziell rund 800.000 Personen jenes Lager durchlaufen, an manchen Tagen bis zu 12.000.

Gewiß, bei den damaligen Vertriebenen handelte es sich um Menschen aus europäischem Kulturkreis. Und es stimmt die Beobachtung, wie Du sie neulich mir vor Augen führtest, wohin heute die Menschen nicht fliehen. Doch wird kaum erörtert, wovor die meist muslimischen (Aus-)wanderer letztendlich in Wahrheit kommen und wohin sie wahrhaft gehen. Sie fliehen aus einer Welt zerfallender muslimischer Staaten, aus einer mittelalterlich anmutenden muslimischen Zivilisation mörderischster muslimischer Glaubenskriege, aus einer durch westliche Technik hochgerüsteten archaisch muslimischen Gesellschaft, die sich unendlich kreisend in zum Teil muslimisch-religiös kaschierten Stammesfehden zerfleischt. In der Menschen ausgepeitscht, gesteinigt, gepfählt oder anderweitig zu Tode gefoltert werden. In der als Held und Märtyrer gilt und in westlichen Medien unbekümmert als „Kämpfer“ tituliert wird, wer friedliche Menschen als Geiseln nimmt, wer ahnungslose Unbeteiligte, wer Frauen und Kinder durch Bomben zerfetzt, wer hunderte lernender Mädchen entführt, vergewaltigt, versklavt. Wer unschuldige Kinder als Soldaten und Killer abrichtet. Wer einem Mädchen ins Gesicht schießt…

In Nigeria sind heute 1,4 Millionen Kinder auf der Flucht vor Boko Haram.

Wozu die Imame schweigen.

Nein, trotz aller Fehler und Dummheiten, es ist ein Irrglaube, daran dem Westen die Schuld oder auch nur eine Mitschuld zu geben! Die westliche Appeasement-Politik gegenüber Hitler war ein schlimmer Fehler, aber deswegen war der Westen nicht schuld an den deutschen Verbrechen!

Doch jenes letztendlich und im Grunde bis auf die Knochen arbeitsscheue muslimische Gesindel, diese unfähigen Idioten haben es nun soweit gebracht, daß Millionen verzweifelter Menschen selbst vermittels lebensbedrohlichster Flucht ihr Heil suchen bei den eigentlich mit Stumpf und Stiel auszurottenden Ungläubigen in deren moralisch völlig verkommenen Welt. In welcher, obwohl die Imame brüllen, der selbsternannte Prophet karikiert werden darf samt angeheirateter reicher Witwe Chadidscha einschließlich Nebenfrauen und Lieblingsfrau Aiischa. In der die Scharia nichts gilt. In der Zwangsverheiratung bestraft wird und seit einiger Zeit auch „Ehrenmord“. In der Mädchen und Jungen in derselben Turnhalle Sportunterricht haben, im selben Schwimmbecken planschen und zusammen auf Klassenfahrten gehen. In der Frauen unverschleiert über die Straße laufen, sogar mit unbedeckten Beinen, und, dies vielleicht das Schlimmste für jenen muslimischen Abschaum, sich ihre Männer selbst aussuchen. Sie fliehen in eine Gesellschaft, in der sogar Schwule singen dürfen!

Auf den Tag genau 70 Jahre nach jenem denkwürdigen britischen Befehl, an den gestern keiner mehr dachte, trat Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurück. Die oppositionellen Grünen und natürlich die TAZ vermuten zufälligerweise unüberlegt, das wäre ein Bauernopfer des Innenministers. Schmidt, der nachweisbar seit langem für die Anpassung der Kapazitäten und Möglichkeiten seines Amtes an die erwartbare Zukunft gekämpft hatte. Die Grünen, die getreu ihrer politisch korrekten Migrationsromantik vor einem Jahr noch ihren einzigen bundesrepublikanischen Ministerpräsidenten beschimpften, weil er der praktikablen Bearbeitung von Asylanträgen der Antragsteller aus Staaten mit einer Zulassungsquote im Promillebereich zustimmte.

Noch vor einem Jahr wurde, wenn überhaupt, in ehernen Wendungen nur von „vermeintlichen“ Problemen der Kommunen im Hinblick auf Zuwanderer gesprochen. In der politisch korrigierten Optik hatte es keine Probleme mit Zuwanderern geben dürfen. Als wären simple Tatsachenfeststellungen fremdenfeindlich. Das Pech war, daß aus den betroffenen Kommunen ausgerechnet Politiker der SPD um Hilfe riefen. Bis dann plötzlich und fast heimlich still und leise frische Gesetze und finanzielle Sonderhilfen auf den Weg gebracht werden konnten. Im August vor einem Jahr. Noch im Januar dieses Jahres wurden Kommunen verdächtigt, weil sie die lächerlichen und vorhersehbar falschen Flüchtlingszahlprognosen der Bundesregierung anzweifelten, sie täten dies aus Jux und Tollerei, um vom Bund zusätzliche Gelder zur Aufbesserung der Stadtkasse zu erpressen. Von Jammerei ging die Rede!

Nein, Schmidt ist kein Bauernopfer de Maizières, eher soll de Maizière zum Sündenbock gemacht werden der Opposition. Nach meinem Eindruck hat Schmidt, als hochversierter Kenner des Kommenden, sich nur intelligenterweise vollkommen selbst aus der Schußlinie gerettet.

Gestern also, am 17. September 2015, im Deutschlandfunk:

Christoph Heinemann: Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einem Plan, um Bewerber, deren Asylantrag abgelehnt wurde, schneller abschieben zu können. Über Einzelheiten berichten Zeitungen. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise soll der Termin der Abschiebung künftig nicht angekündigt werden, um der Gefahr des Untertauchens vorzugreifen. Außerdem soll die Höchstdauer für eine Aussetzung der Abschiebung durch die Länder halbiert werden von sechs auf drei Monate. Unterdessen wählen die Menschen, die nicht mehr über Ungarn in den europäischen Norden gelangen können, den Weg über Kroatien.
Unterdessen ist – wir haben es in den Nachrichten gehört – am Vormittag der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, von seinem Amt zurückgetreten. – Am Telefon ist Hans-Peter Uhl, langjähriger CSU-Innenpolitiker, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Tag.

Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott, Herr Heinemann.

Heinemann: Herr Uhl, beginnen wir mit dem Rücktritt. Hat der Richtige das Handtuch geworfen?

Uhl: Nein. Herr Schmidt hat das Bestmögliche getan. Sein Nachfolger wird auch das Bestmögliche tun. Aber unser Asylrecht, das Asylverfahrensrecht ist nicht geeignet, einen Zustrom von einer Million Menschen in einem Jahr zu bewältigen. Unser Asylverfahrensrecht ist so angelegt, dass der Asylantragsteller ins Verfahren kommen muss, und es ist geeignet, durch Missbrauch zu Verzögerungen zu führen, und bei einer Million Menschen, die nur ein Interesse haben, hier bleiben zu können, die sind natürlich geneigt, mit ihren Anwälten das Verfahren zu verschleppen. Das heißt, eine Million neue Verfahren können nicht bewältigt werden.

Heinemann: Das wissen wir nicht erst seit gestern. Wer hätte gehen sollen?

Uhl: Es geht nicht um Personalrochaden; es geht um das System. Wenn die Grenzen geöffnet werden und unkontrolliert Tausende von Menschen ins Land hereingelassen werden, kann die Behörde, die dieses dann nach allen Regeln des Rechtsstaates bewältigen muss in einem Asylverfahrensrecht mit Klagemöglichkeiten, nichts mehr bewältigen. Egal ob der Präsident des BAMF Schmidt, Müller oder Schulze heißt. So geht’s nicht.

Heinemann: Zusammengefasst: Hans-Peter Uhl kritisiert Angela Merkel.

Uhl: Ich habe von Anfang an kritisiert, bei einer sich abzeichnenden Völkerwanderung den Völkern zuzurufen, wir schaffen das. Wir schaffen es natürlich nicht, Völker dieser Welt in einer Größenordnung von Hunderttausenden innerhalb von wenigen Monaten aufzunehmen.

Heinemann: „Länder halten de Maizière für planlos“, titelt heute die „Süddeutsche Zeitung“. Sie auch? – Ja oder nein?

Uhl: Nein! Wenn Völker sich in Bewegung setzen, kann es keinen Plan geben. Da gibt es nur eins: Zurück zu dem, was wir verabredet haben. Das heißt, die Grenzkontrollen. Die EU-Außengrenzen müssen wieder ernsthaft kontrolliert werden, und das ist ja derzeit gar nicht mehr gewollt.

Heinemann: Herr Uhl, geredet wird zurzeit viel. Beim letzten Flüchtlingsgipfel 2014 wurde bereits beschlossen, dass schneller über Asylanträge entschieden werden sollte, genau das, was Sie eben gesagt haben. Passiert ist nichts. Schläft diese Bundesregierung?

Uhl: Die schläft nicht. Nur in unserem Asylsystem gibt es nur begrenzte Möglichkeiten der Beschleunigung. Das werden Sie in den nächsten Monaten sehen. Die kleinen Detailmaßnahmen verfahrenstechnischer Art, die wird man machen können, aber wenn es um eine Million Verfahren geht, stoßen Sie schnell an Ihre Grenzen. Sie können auch eine Behörde wie das BAMF nicht innerhalb von wenigen Monaten um tausend und nächstes Jahr noch mal um tausend Fachbeamte, Spezialisten erweitern. Das geht nicht!

Heinemann: BAMF ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das kurz zur Erklärung.

Uhl: Ja.

Heinemann: Sie haben gesagt, das System ist schlecht. Bei uns dauert es etwa 5,3 Monate, bis über einen Antrag entschieden wurde. Die Schweiz schafft das in zwei Wochen.

Uhl: Ja. Die hat auch ein völlig anderes Recht als wir. Wir haben das subjektiv einklagbare Recht auf Asyl. Das heißt, jeder hat in seinem individuellen Einzelfall das Recht, vor Gericht zu gehen, und dieses muss im Einzelfall bearbeitet werden. Das geht in allen anderen Ländern anders.

Heinemann: Schauen wir uns die politischen Folgen an. Grummeln, Schimpfen, Distanzieren – die „Bild“-Zeitung führt heute die Herrschaften Schäuble, Seehofer und Kauder an. Rückt die Union von der Kanzlerin ab? Sie ja auch.

Uhl: Mir geht es nicht um Abrücken. Mir geht es um die Ordnung meiner Gedanken und die Hoffnung, dass auch die Führung ihre Gedanken ordnet. Noch einmal: Man kann bei einer sich abzeichnenden Völkerwanderung – zum Beispiel in Griechenland sind noch zwei Millionen Menschen jetzt schon aufhältig, die nur eins im Kopf haben, nach Deutschland zu kommen. In diesem Fall müssen wir wieder zu Grenzkontrollen kommen.

Heinemann: Sind wir ja schon wieder.

Uhl: Unter großem Lamento werden Dinge jetzt nachgeholt, die man ernsthaft schon hätte früher betreiben müssen. Wir können nicht die ganze Welt herein lassen und glauben, mit unserem Asylverfahrensrecht könnten wir das meistern.

Heinemann: Profitiert Deutschland von Ungarns harter Linie?

Uhl: Nein! Wir haben das Problem, dass Ungarn nach außen eine harte Linie vertritt, zuvor aber Hunderttausende durchgewunken hat und Österreich hat mitgemacht und bei uns sind sie gelandet.