A N A B A S I S

Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Unwort

Das rituelle Unwort-Getue

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Sonnabend, 18. Januar 2025: Bellarmin an Mephisto

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Dienstag, 14. Januar 2025, MÜNCHNER MERKUR:

Zum Glück brauchen die meisten Bürger keinen Rat von der Unwort-Jury, wie sie zu sprechen haben. Und wollen auch keinen. Das Wort ‚biodeutsch‘ ist so klar verhetzend, mit Arier-Anklang, dass es keinerlei Belehrungen von selbsternannten Sprachräten braucht, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Was allerdings auch auffällt: Es ist nun das siebte Jahr in Folge, in dem die Jury emsig Begriffe aus den Bereichen Migration und Klima verunwortet. Was dabei ärgerlicher ist als das rituelle Unwort-Getue: Das wirkt wie der Versuch, unangenehme reale Probleme durch Debatten über die Wortwahl wegzudrücken.

 

Wohin politisch korrigierte Scheinheiligkeit führt

Sonntag, 5. November 2023: Der Ritter vom heiligen Geist an Mephisto

Die üblichen Verdächtigen der Richtigdenker mit der stets aktuellen vorzeigekorrekten Empörungshaltung „aller Anständigen“ sind seit einem knappen Monat aufgeschreckt infolge des Antisemitismus auf bundesdeutschen Straßen und rufen nun tapfer auf zum Antiantisemitismus.

Welch schöner Zug…

Auch die Medien trommeln plötzlich, als würde die von ihr permanent als antisemitisch etikettierte AfD nun durch die Straßen marschieren.

Aber war da nicht was?

Das Leben ist hart für die, welche im Deutschland des 21. Jahrhunderts zu den Erinnerungsbegabten zählen:

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schuster, rät jüdischen Bürgern, in bestimmten Gegenden keine Kippa zu tragen. Er sagte im RBB Hörfunk, sie sollten sich zwar nicht aus Angst verstecken. Die Frage sei aber, ob es angesichts zunehmender antisemitischer Straftaten sinnvoll sei, sich in Wohnvierteln mit einem hohen muslimischen Anteil als Jude zu erkennen zu geben.

Das war, vor mehr als acht Jahren, eine Nachricht, nämlich am Donnerstag, dem 26. Februar 2015. Auf den Tag genau einen Monat nach dem siebzigsten Jahrestag der Befreiung der Lager Auschwitz und Birkenau durch sowjetrussische Truppen. Welcher ermahnend in bewegender Weise gedacht worden war. Von der besonderen deutschen Verantwortung war auch damals schon die Rede. Und kurz zuvor auch hatten deutsche Politiker und Medienvertreter vereint mutig im Chore getönt: „Wir sind alle Charlie!“

Nach den Morden an den Journalisten des französischen Satiremagazins…

Und was geschah nach dem besorgten Ratschlag des Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland?

Da schwiegen die politisch korrigierten Vöglein im öffentlich-rechtlichen Medienwalde…

Welche Journalisten haben denn davor und danach in welchen Print- und Onlinemedien oder auf welchen Sendern über welche der „bestimmten“ Wohnviertel „mit einem hohen muslimischen Anteil“ von antisemitischen Straftaten berichtet?

Welche Zahlen wurden genannt, damit man sich ein realistisches Bild hätte machen können über die Zunahme jener Straftaten und über ihre Dynamik?

Und über das Umfeld der Täter!

Um was für Straftaten handelte es sich eigentlich?

Wo befinden sich die „bestimmten“ Wohnviertel, in denen es gefährlich ist für jüdische Mitbürger? Wäre es nicht die Pflicht, sie beim Namen zu nennen?

Sollten und sollen Kippaträger erst irgendwo anrufen müssen, um sich zu erkundigen?

Wie werden die Täter von den Medien eingeordnet? Zählen sie diese zum sogenannten friedlichen Islam oder zum sogenannten islamistischen Islam?

Oder gelten sie gar als „integrierte Muslime“?

Ein neues Problem, urplötzlich aus heiterstem integriertem deutschem Himmel?

Kann es sein, daß das Problem in Wahrheit nicht neu war?

Und ist?

Wenn ja, welchen Grund hatte es, daß man davon erst aus dem Munde eines Betroffenen hörte?

Ist das nicht beschämend?

Wurde nicht im Jahr zuvor von mohammedanischer Seite „Juden ins Gas!“ auf deutschen Straßen gebrüllt? Wie haben denn unsere, auf ihren Pressekodex stolzen Medien und gerade den hundertsten Geburtstag Rudolf Augsteins („Sagen, was ist!“) zelebrierend in der Folge sich darum gekümmert und was über den Leifsteil, also die Lebensart jenes antisemitischen Mobs in Erfahrung gebracht?

Und wie hat denn nun die Staatsanwaltschaft reagiert?

Wieviele Täter wurden denn haftbar gemacht?

Keine Meldung…

Keine Meldung ist auch eine Meldung!

Wäre das nicht mindestens, mindestens, mindestens eine abendfüllende Sendung wert im Lande der besonderen Verantwortung?

Und zwar vor Mitternacht?

Zur Preimteim?

Es gab und gibt doch nicht etwa eine Tabuisierung des mohammedanischen Antisemitismus in unseren Medien?

Und all die üblichen emsig fürs korrekte Jendern kämpfenden Kerlchen und KerlInnenchen, wo waren die permanent Empörten?

Die geistig Eingeengten, unsere heinischen Atta Trolle?

Die mutigen Charlies?

Wo unserere omnikompetenten berufsempörten Rufer der Anständigen?

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberstes Gebot der Presse“, so der erste Grundsatz im bundesrepublikanischen Pressekodex.

Noch ein schöner Zug…

Dennoch ertönten schon damals seit einiger Zeit „Lügenpresse“-Rufe derart laut, daß man sich veranlaßt fühlte, jenes Wort als Unwort zu etikettieren!

Alle Anständigen waren sich einig: Nein diese tumben, von Haß und Vorurteilen und Abstiegsängsten geplagten und von Kriminellen mit Stammtischparolen aufgehetzten Irregeleiteten aber auch! Also wirklich!

Heiko Maas, damals in diesem Lande zuständig für die Gerechtigkeit, also dem ziemlichen Gegenteil von Pauschalisierung, konnte leider wieder nicht an sich halten und hatte unverzüglich nach der grauenhaften Ermordung von Journalisten und Juden und einer Polizistin in Paris vor einer Instrumentalisierung des Verbrechens seitens der Pegida-Demonstranten gewarnt und am Folgetag der die Welt aufwühlenden Trauerkundgebungen in Frankreich dem Deutschlandfunk ein Interview geschenkt, im unschuldigen Morgengrauen des 12. Januar 2015:

Deutschlandfunk: Wir müssen, Herr Maas, noch über Pegida sprechen, auch weil es einfach immer wieder Freude macht, mit Ihnen darüber zu sprechen, Sie dazu zu hören.

Maas: Mir macht es aber gar keine Freude, über die reden zu müssen, ganz ehrlich gesagt.

Deutschlandfunk: Ja, ich verstehe das in der Sache. Trotzdem sind Sie – und das hören wir dann gerne – ein Freund klarer Worte. Pegida demonstriert in Dresden heute mit Trauerflor, obwohl Sie aufgerufen haben, die ganze Demonstration sein zu lassen. Was geben Sie den Demonstranten mit auf den Weg?

Maas: Ihr seid alle Heuchler! Denn ehrlich gesagt: Wenn die gleichen Leute, die vor einer Woche die Presse als Lügenpresse beschimpft haben, sich heute einen Trauerflor um den Arm legen, dann ist das an Heuchelei wirklich nicht mehr zu überbieten. Denen kann man wirklich nur sagen: Bleibt besser Zuhause.

Deutschlandfunk: Der Bundesjustizminister, Heiko Maas, Sozialdemokrat, heute früh im Deutschlandfunk. Herr Maas, danke fürs Gespräch.

Maas: Danke auch.

Damit nun keine Zweifel aufkommen, der’s ehrlich meinende Mann fürs Grobe ist gelernter Jurist und hat 1993 sein Studium mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen und 1996 das Zweite Staatsexamen bestanden.

Ich versuche es aufzudröseln, ohne seine Aussagen unzulässig zu simplifizieren.

Wenn ich es richtig sehe, sagte unser Justizminister („Justiz“ zu lat. iustitia = Gerechtigkeit, Recht):

1.) Anläßlich der wöchentlichen Demonstration ihrer allgemein bestätigten Angstempfindung vor einer in ihren Augen von der Presse tabuisierten Islamisierung hatten in der Vorwoche Demonstranten jene Presse als „Lügenpresse“ tituliert. Ich glaube, diese Prämisse können wir als wahr, als Beschreibung dessen, „was ist“, voraussetzen.

2.) Dieselbigen (unser Jurist verwechselt hier die Gleichen mit denselben) wollten und könnten aber sich nun, eine Woche nach der Ermordung französischer Journalisten, Juden und Polizisten durch Mohammedaner, also sogenannte Islamisten, Trauerflor für die Ermordeten anlegen.

Daraus die Konklusion:

Wenn sie das täten, dann handelte es sich um eine nicht zu überbietende Heuchelei (damit implizierend die vorweggenommene Beschuldigung: „Ihr seid alle Heuchler!“).

Ganz ehrlich ehrlich gesagt.

Von unserem seinerzeit amtlich nicht zu überbietenden Gerechten!

Aber warum könnten dieselben Leute, die Angst vor einer Islamisierung ihrer Welt („wie in Berlin-Kreuzberg oder im Ruhrgebiet“) hatten, nicht erschüttert, entsetzt und traurig sein, wenn sich auf den sogenannten Islam berufende Mörder, vor denen sich die Demonstranten erwiesenermaßen ängstigen, ängstebestätigend Menschen umbringen?

Mit seiner Schlußweise mühte sich unser vor Instrumentalisierung(!) warnender Minister für Gerechtigkeit gewohntermaßen scharfmacherisch, und im Deutschlandfunk wie inszeniert wirkend, den Demonstranten Heuchelei zu unterstellen. Und das bekommt seinen perfiden Sinn, wenn wir aus dem niederem Volke der ministeriellen Vorverurteilung folgen. Denn dies bedeutete, und nun schließen wir mal, und zwar im Umkehrschluß, während die Demonstranten Trauer trügen, freuten sie sich über die Mordtaten in Frankreich.

Also über das, wovor sie sich nach allgemein anerkannter Aussage ängstigen.

Vermittels seines angestrengten Syllogismus bezichtigte unser einstiger Justizminister (SPD) die Demonstranten, weil sie die deutsche Presse mit dem sogenannten Unwort „Lügenpresse“ belegten, einverständlich zu stehen auf Seiten der Mörder französischer Journalisten, Juden und Polizisten…

Unwidersprochen, ja nahezu bejubelnd ermuntert, im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk!

Wir waren damals schon weit gekommen in unserem Lande mit der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit.

Ich bin nicht ganz allein mit meiner Interpretation der Logik des Rechthabers. Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden, ebenfalls im Deutschlandfunk:

Deutschlandfunk: Heute Abend wieder werden wohl Tausende Menschen auf die Straßen gehen, um gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes zu demonstrieren, vor allem in Dresden bei der Kundgebung der Pegida. Herr Patzelt, Sie beobachten die Pegida seit Langem intensiv. Was bedeuten die Anschläge in Paris für die Proteste?

Patzelt: Viele, die heute Abend dabei sein werden, werden das Gefühl haben und auch äußern, schaut her, das, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben, ist nicht einfach die Ausgeburt einer kranken Fantasie, sondern es gibt eine reale Gefährdung unserer freiheitlichen Ordnung durch radikale Islamisten, was kritisiert ihr uns also, wenn wir doch nichts anderes sagen als das, was wir jetzt in Paris vor aller Augen vorgefunden haben. Wir – so würden die Differenzierteren unter ihnen das Argument weiterführen -, wir tun doch nichts anderes, als davor zu warnen, dass eine andere Religion uns vorschreiben will, wie wir über Religion, über öffentliche Positionen nachdenken und schreiben und wie wir unsere freiheitliche Gesellschaft ausgestalten.

Und:

Deutschlandfunk: Trauerflor wollen die Pegida-Demonstranten heute Abend tragen. Justizminister Heiko Maas nennt das heuchlerisch. Wie nennen Sie das?

Patzelt: Na ja, man muss schon die Logik sehr strapazieren, wenn man aus dem Tragen von Trauerflor heute Abend Heuchelei schließen will. Es kritisieren Pegida-Demonstranten zwar auf das Heftigste und inzwischen mehr und mehr sehr ungerecht die Presse als Lügenpresse, aber daraus folgt doch nicht, dass man sich offen oder klammheimlich darüber freut, dass Journalisten ermordet werden. Da muss man schon die Logik sehr verbiegen, um aus der Tatsache, dass man selbst einen Konflikt mit der Presse hat, die Gutheißung von abscheulichen Morden abzuleiten.

Und:

Deutschlandfunk: Das heißt, Sie haben Verständnis für die Demonstranten der Pegida, wenn sie heute Abend Trauerflor zeigen, denjenigen gegenüber, die sie bisher als Lügenpresse bezeichnet haben?

Patzelt: Ein jeder mitfühlende Mensch kann, wenn so viele Menschen, bloß weil sie ihren Beruf sachgerecht ausüben, ermordet werden, bloß Empathie, Mitgefühl und Betroffenheit zeigen, und natürlich ist es eine angemessene Verhaltensweise. Und noch einmal: Bloß weil sich Pegida-Teilnehmer von der Presse übel behandelt gefühlt haben, mehr und mehr sich zu Unrecht behandelt fühlen, bloß daraus folgt doch nicht, dass man sich klammheimlich oder offen darüber freut, wenn Journalisten ermordet werden. Und ich müsste mich sehr wundern, wenn ich heute nennenswert viele Pegidisten vorfände auf der Straße, die sagen, das ist diesen Journalisten recht geschehen, lasst es uns in Deutschland auch so versuchen. Das sind hier, scheint mir, Feindbilder, die unser Justizminister kultiviert.

Und:

Der Punkt ist doch eher der, dass in die von Pegida an den Tag gebrachten Besorgnisse von manchen über eine Umprägung unserer Kultur durch eine Einschränkung von Presse und Kritikfreiheit, dass diese Besorgnisse durch den Pariser Anschlag neue Bestätigung gefunden haben, und es braucht wahrhaft absonderliche Lust, Feindbilder zu kultivieren, um sozusagen die Thermometer für die Temperatur verantwortlich zu machen.

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Sonntag, 5. November 2023, Deutschlandfunk im typischen Gestus des Gegenwartsjournalismus (an den Anfang und Mittelpunkt einer Nachricht werden als Denkvorgabe Sprechblasen richtig denkender Politiker gestellt, das Geschehen an sich und vor allem die womöglich unbequemen Fakten werden somit weitgehend marginalisiert oder sogar vollständig ausgeblendet):

„Nahostkrieg: Wüst verurteilt islamistische Sympathiebekundungen bei Demos als nicht hinnehmbar

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst hat die jüngsten islamistischen Sympathiebekundungen bei pro-palästinensischen Demonstrationen scharf verurteilt.

Es seien Grenzen überschritten worden, teilte der CDU-Politiker mit. Es sei völlig inakzeptabel, dass islamistische Extremisten auf den Straßen in Deutschland für ihre Ziele würben. Das werde man nicht hinnehmen. Bundesjustizminister Buschmann sagte der „Bild am Sonntag“, für schnelle Strafverfahren müsse man die Identitäten von Verdächtigen feststellen und Beweismittel sichern.

Bei mehreren Kundgebungen – unter anderem in Essen – hatten Teilnehmer am Freitag islamistische Fahnen und Gesten gezeigt. Auch einschlägige Ausrufe waren zu hören gewesen. Die Polizei prüft mögliche Gesetzesverstöße. In Hamburg durchsuchte die Polizei die Räumlichkeiten von Mitgliedern des islamistischen Netzwerks „Muslim Interaktiv“, die für eine verbotene Demonstration im Stadtteil St. Georg mobilisiert hatten. Auch gestern gab es in vielen Städten pro-palästinensische Kundgebungen. Die größten mit mehreren tausend Teilnehmern gab es in Düsseldorf und Berlin. Mehrere Strafermittlungsverfahren etwa wegen Volksverhetzung wurden eingeleitet.“

Danke auch für den von unserem bundesdeutschen Qualitätsjournalismus öffentlich-rechtlicher Medien nachrichtlich als wichtig weiterzugebend eingestuften Tipp, daß man Beweismittel sichern müsse…

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Die BILD AM SONNTAG denselben Sachverhalt kommentierend:

„Tausende Islamisten ziehen mit ihren Flaggen durch die Essener Innenstadt, demonstrieren ihre Macht, brüllen ihre Parolen. Allenfalls am Rande fordern sie ‚Free Palestine‘, ihnen geht es um etwas Größeres: die Errichtung eines weltweiten Kalifats, eines streng religiösen Reiches also, wie es die Terrormiliz ‚Islamischer Staat‘ zwischen 2014 und 2019 in Syrien und Irak verwirklichte. Verstörende Bilder auch in Berlin, Hamburg, Dortmund und anderen Städten. Überall trumpfen Juden-Hasser auf, als gehöre ihnen die Straße. Der Hamas-Krieg hat das zutage gebracht, wovor liberale Muslime wie Ahmad Mansour, Seyran Ates und viele andere seit Jahren warnen: In Deutschland leben Zehntausende, wahrscheinlich eher Hunderttausende Radikale, die unsere freie Gesellschaft nicht nur ablehnen, sondern umstürzen wollen. Aber statt Mahnern wie Mansour zuzuhören, wurden diese bestenfalls ignoriert, schlimmstenfalls als rassistisch und ‚islamophob‘ verunglimpft. Jetzt sehen wir das Ergebnis des langen Wegschauens.“

Über Unwörter

 

15. Februar 2020: Bellarmin an Mephisto

 

Nach dem Ausgang der aktuellen Thüringer Ministerpräsidentenwahl hasteten wutschäumende Leute vor die Zentrale der Freien Demokratischen Partei, bewaffnet mit dem Schild

„NO FOR RIGHT POWERS“.

Tatsächlich!

Demonstranten in Deutschland!

Vermutlich, Pardon, mutmaßlich wollten der dortigen Landessprache ohnmächtige Angelsachsen damit ihren Unmut bekunden in Thüringen wie seinerzeit mit dem Schild

„NO MORE GROKO“

in Berlin und verzichteten deshalb darauf, möglichst viele Thüringer und Thüringerinnen oder gar die reit Pauers zu erreichen mit ihrer Botschaft. Denn andernfalls den Schildträgern sprachliche Arroganz vorzuwerfen, verbietet mir die politikäl Korrektneß.

Als Unwort des vergangenen Jahres wurde „Klimahysterie“ geautet, wie immer in hehrer politischer Absicht von linkswinklig blickenden Richtigdenkern. Die nicht gänzlich unbekannte Schriftstellerin Julia Zeh ( „Adler und Engel“, „Unterleuten“) indessen kritisierte, daß die Jury durch diese Auswahl sich in einer politisch kontroversen Diskussion mit der Bewertung einer Haltung auf eine Seite stelle. Es gibt noch weitere Stimmen, die meinen, daß die Unwort-Auswahl stets politisch einseitig erfolge. Wäre es da nicht angebracht, sich doch endlich einmal der eigentlich naheliegendsten Idee zuzuwenden bei der Auswahl eines Unwortes, nämlich das Gewicht zu legen auf die um sich greifende Verhunzung, Verarmung und Verflachung unserer reichen Sprache, die eventuell auch strukturell wohlbegründet einst als die Sprache der Dichter und Denker galt?

Und die, zusammen mit dem Griechischen, sowohl von Hegel als auch von Heidegger für die überhaupt einzige philosophietaugliche Sprache gehalten wurde?

Hier schicke ich Dir meine alternative Auswahl der schlimmsten Unwörter des vergangenen Jahres:

Auf Platz 5 hat es der inflationäre Gebrauch der Wörter „Transparenz“ und „transparent“ geschafft, die gegenwärtig in kontextlicher Verwendung so gut wie immer durch „Klarheit“ und „klar“ ersetzt werden können. Wenn man, statt bildungssprachlich zu protzen, sich einfach, verständlich und transparent ausdrücken wollte…

Unwort Platz 4:

„Emotion“ für „Gefühl“ oder für unbenannt bleibende Gefühle wie „Trauer“, „Abscheu“, „Liebe“, „Haß“ und „Bitternis“. Oder gar „Zärtlichkeit“! Vielleicht haben die Deutschen, wie schon vor dem Wort „Geschlecht“, nun auch Angst bekommen vor Wörtern wie „Zärtlichkeit“… Lieber fühlen sie gar nichts mehr, Gefühle und selbst das himmlische Wort „fühlen“ sind komplett abgeschafft in Deutschland, es bleiben nur noch Emotionen.

Unwort Platz 3, natürlich:

„Whistleblower“.

Da freut sich aber die Kassiererin im Supermarkt, wenn man ihr nach einem harten Arbeitstag am Feierabend enthüllt, daß wieder jemand gewisselblot hat, ich wisselbloe, du wisselblost, er, sie, es wisselblot, wir wisselbloen, ihr wisselblot, sie wisselbloen.

Informanten gab es schon immer, und jeden journalistischen Wisselbloa-Sager, gleich welchen Djendas, sollte man in Berufsunfähigkeitsrente schicken!

Platz 2:

Natürlich wieder „fake“ für „fälschen“, „frisieren“, „türken“, „täuschen“, „tricksen“, „schwindeln“, „lügen“…

Ich fäke Njus, du fäkst Njus, er, sie, es fäkt Njus, wir fäken Njus, ihr fäkt Njus, sie fäken Njus, Idioten fäken Njus.

Und auf Platz 1 kannst Du unverändert leif erleben:

„Wir schalten jetzt leif nach Berlin!“

Keine Gnade mehr mit journalistischen Leifschaltern!

 

Ihr bösen Teutschen, man sollt euch peutschen, daß ihr die Muttersprach so wenig acht. Ihr lieben Herren, das heißt nicht mehren, die Sprach verkehren und zerstören.“

Johann Michael Moscherosch (1601 – 1669)

 

Die Sprache wird immer unverständlicher

 

21.1.18 Bellarmin an Mephisto

Anfang Dezember hatte die sogenannte Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Jamaika-Aus“ tatsächlich zum sogenannten Wort des Jahres gekürt. Wenn diese occasionelle, oder vielleicht deutlicher, wenn einen diese temporäre Bildung journalistischer Originalität auch nicht unbedingt vom Hocker riß, gegenüber eines seiner Wortdesjahres-Vorgänger besaß „Jamaika-Aus“ immerhin den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß man das Monstrum zum Zeitpunkt seiner Verkündung schon einmal vernommen hatte. Aber offenbar nur aufgrund eben gerade der mangelnden sprachlichen Originalität der Berufskollegen seines Schöpfers: Zum fraglichen Zeitpunkt hämmerten es die Medien im Gleichschritt, also alternativfrei, der hilflos ausgelieferten Öffentlichkeit ein.

Dennoch wage ich die Prognose: Das bemühte Wort des Jahres 2017 wird wohl kaum dauerhaft in den Wortschatz der ehemaligen Sprache der Dichter und Denker sickern.

Wie man erfahren konnte, sei auf Platz zwei einer Anwartschaft für das sogenannte Wort des Jahres wahrhaftig der verlogene Begriff „Ehe für alle“ gelandet!

Das ist uns also erspart geblieben.

Und wir hoffen, daß uns, entgegen der fragwürdigen und anläßlich des spdämlichen Überfalls im Bundestag kritisch nicht hinterfragten Argumentation für diesen offensichtlichen Euphemismus zur Durchsetzung des unbeschränkten Adoptionsrechtes homosexueller Paare, wenigstens die mohammedanische Vielehe und die inzestuöse Ehe, die ja als logische Folge jener flachköpfigen Begründungen ihre Gleichberechtigung ebenso einklagen dürften, unserem Lande erspart bleiben.

Ehe für alle“ – womit wir natürlicherweise der Sache nach anlangen beim „Unwort des Jahres 2017“.

Dessen Verkündung ich angesichts seiner Vorgänger begreiflicherweise wieder mit Bangen harrte.

Und die kam.

Das Unwort des Jahres 2017 wäre „alternative Fakten“, verkündete bei uns in Deutschland die Darmstädter Jury.

Der Ausdruck stehe für den Versuch, Falschbehauptungen in der öffentlichen Debatte salonfähig zu machen. Eine Beraterin von US-Präsident Trump hatte die Formulierung verwendet. Die Sprachwissenschaftler rügten zudem den Begriff ‚Shuttleservice‘ im Zusammenhang mit der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer sowie das Wort ‚Genderwahn‘“, vermeldete man beflissen.

Shuttleservice“, also „Fährdienst“, ist deshalb ein hilfreicher Begriff, weil er als schmerzhaft Wahrheit enthüllendes Wort ein grelles Schlaglicht wirft auf unhaltbare Zustände vor der libyschen Küste, die allerdings in Deutschland weitgehend ausgeblendet immerhin vor italienischen Gerichten eine juristische Aufarbeitung finden. Und zwar nicht „im Zusammenhang mit der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer“ sondern im Zusammenhang einer Zusammenarbeit mit Verbrecherbanden übelster Sorte, nämlich sogenannten Schleppern.

Bei „Genderwahn“ handelt es sich ebenfalls um eine durch und durch akzeptable, weil diskussionsanregende Wortschöpfung, sofern man nicht dem politischen Korrekturwahn unterliegt. Mark Lilla, Professor für Ideengeschichte in New York an der Columbia University wird im SPIEGEL vom 13.1. als „Prophet der amerikanischen Linken“ zitiert mit einem Satz aus seinem „meistgelesenen Gastkommentar des Jahres“ in der NEW YORK TIMES:

Wenn man als linksliberales Establishment aufhöre, die weiße Unterschicht zu verachten, sie nicht mehr als Rednecks oder Deplorables beschimpfe und ein bißchen weniger über die LGBTQ-Community (Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und Queer) redete, würden vielleicht die Menschen jenseits der liberalen Küstenstädte wieder zuhören.

Und:

Vielen Wählern sei nicht zu vermitteln, warum Transsexuelle auf die Toilette ihrer Wahl gehen sollten.

In dem Artikel ging es übrigens um die Ursachen für die Präsidentschaft eines Typs wie die Donald Trumps…

Aber „Jender“ an sich ist natürlich ein Unwort im Deutschen.

Wenn man über ein Minimum an Sprachempfinden verfügte.

Doch nun sind es also die „alternative Fakten“… Ein durchaus zu kritisierender, aber vielleicht auch eher im Sinne Heines oder Tucholskys zu verlachender und so der befreienden Kraft der Lächerlichkeit auszusetzender Begriff. Der im übrigen anläßlich des Momentums seiner Kreation hochintelligenterweise von Kellyanne Conway im Hinblick auf den nachweislich der Lüge überführten, pardon, über den Njus fäkenden Sean Spicer sogar ironisierend gemeint gewesen sein könnte.

Und im deutschen Sprachgebrauch von anderen Unwörtern wahrlich weit übertroffen wird!

Wenn man bei einer Unwortvergabe statt der die Jury mit Blindheit schlagenden einseitig linkslastigen, also unwissenschaftlichen Empörungshaltung auch einmal die Pflege unserer schönen Sprache und ihres überreichen Wortschatzes in sein Blickfeld rückte.

Angesichts all des Fäknjus-Gefasels unserer Journalisten.

Lügen, so wurde die Verdrehung der Tatsachen früher genannt“, schrieb das BADISCHE TAGBLATT im Hinblick auf die diesjährige Unwortvergabe, womit wir ganz vortrefflich auch den idiotischen Gebrauch von „Fäknjus“ charkterisiert finden.

Ich fäke Njus, du fäkst Njus, er, sie es fäkt Njus, wir fäken Njus, ihr fäkt Njus, sie fäken Njus und sie haben Njus gefäkt.

Himmel-, Arsch- und Wolkenbruch, wer hat diese tauben Versager bloß mit ihrem Amt bestallt?

Jender“ steht auf Platz 3 meiner Favoriten an Unwörtern aus dem Jahr 2017.

Auf Platz 2 kommen die unsäglichen „Fäknjus“.

Und, Tätärätä!, auf Platz 1 steht wieder unschlagbar und in 99,99999999999… Prozent der Fälle völlig überflüssig und im Restfall leicht im Deutschen ersetzbar verwendete „leif“.

 

 

Das Problem mit dem Unwort des Jahres ist, dass die Jury mit der Auszeichnung das Gegenteil ihres Anliegens bewirkt. … Die ‚alternativen Fakten‘ erhalten so eine Bedeutung, die sie nicht verdienen. Wörter mit dem Präfix „un-“ sind nur selten positiv. Auch das Unwort bringt die Welt nicht weiter. So ist es vor allem eines: unsinnig.

FLENSBURGER TAGEBLATT am 17.1.

 

Denn tatsächlich hatte die Formulierung entlarvenden Charakter. Sie legte frühzeitig offen, dass nicht nur Donald Trump, sondern auch sein Stab willentlich gegen Grundregeln des rationalen Diskurses und der Redlichkeit verstoßen.

Von „Alternativen Fakten“ zu sprechen, war insofern eine vernichtende intellektuelle Selbstbezichtigung – weshalb der Begriff auch kaum Verteidiger gefunden hat. Allein die rechtspopulistischen „Breitbart News“ bemühten sich um Rechtfertigung, indem sie „Alternative Fakten“ als neuen Ausdruck für die je persönliche Perspektive auf ein Ereignis definieren wollten. Das aber war viel zu durchsichtig, um flächendeckend zu verfangen.

Gewiss, es mag vereinzelt geistig anspruchslose Menschen geben, denen „Alternative Fakten“ als tolle Alternative zum herkömmlichen Fakten-Begriff erscheinen. Und der konventionelle Begriff ‚Faktum‘ hat auch durchaus gewisse Unschärfen. Doch er erweist sich als so stabil, dass die Variante „Alternative Fakten“ mühelos als das miserable Flötenspiel von Rattenfängern zu erkennen bleibt.

‚Alternative Fakten‘ mag also auf dem Papier ein übles Unwort sein, in der Realität hat es nach kurzer Aufregung zumindest in Deutschland wenig Schaden angerichtet. Eigentlich hat es keine Auszeichnung verdient.

Arno Orzessek am 16.1. im Deutschlandfunk

 

13.1.17 Bellarmin an Mephisto

 

Über Unklugheit

Wie ich vorurteilsvoll vorhersehend von der gutmenschlichen Art des Ergebnisses her es befürchtete, wurde von der anheischigen Jury das Wort „Volksverräter“ zum Unwort des Jahres 2016 gekürt. Vermutlich in der Illusion, hinfortige Verwender als unbefugt in dieselbe Ecke zu rücken mit dem Hinweis auf schlimme Leute, die es einst im Munde führten, und somit seinen aktuellen Gebrauch totzuschlagen.

Wo kämen wir aber hin, was bliebe von unserer Sprache, wenn wir jedes Wort aus dem Sprachschatz verbannten, das einst demagogisch verwendet wurde?

Freilich kann man den aktuellen Gebrauch des Wortes kritisieren, falls man anderer Meinung ist und gute Gründe besitzt, aber kaum das Wort damit totschlagen.

Denn falls die „Volksverräter“-Rufenden tatsächlich das wären, als das sie die „Volksverräter“-Rufer Verurteilenden darzustellen sich anstrengen, werden die eher nicht schuldbewußt auf solche Verdammung durch elitäre Verurteiler reagieren und ihr „Volksverräter“-Rufen leise weinend beenden.

Sondern sich bestärkt sehen.

Demnach ist auch die diesjährige Unwort-Abstempelung nur der erneute Beweis, daß man unter den selbsternannten Anständigen sich wieder gegenseitig schulterklopfend entzückt per Selbstbefriedigung.

Anstatt, aus der Trump-Wahl tatsächlich Lehren ziehend, etwas beizutragen zur bitter nötigen Stärkung abendländischer Demokratie.

Allerdings scheint zum sachlichen Kritisieren es heutzutage jenen Guten und Gerechten und Bescheidwissenden neben einem gewissen Esprit offenbar an stichhaltigen Argumenten zu fehlen. Weshalb man sachliche Diskussionen fürchtet und glaubt, das Problem unbeirrt mit denselben Methoden lösen zu können, die bereits die AfD zu einer zweistelligen Prozentpartei heranmästeten. Nämlich mittels Totschlagargument durch Ausgrenzung, Verdammung und Verunglimpfung.

Durch Absprechen der Diskursfähigkeit.

Anstatt den Rufern mit Verstand und journalistischer Professionalität und völlig unhysterisch den Wind aus den aufgeblasenen Backen zu nehmen. In Zeiten des Kalten Krieges, als Journalisten noch Format haben und der deutschen Sprache mächtig sein mußten, um Diskussionen selbst mit marxistischen Dialektikern bestehen zu können, hätte man damals wohl im sonntäglichen „Frühschoppen“ eine Diskussionsrunde einberufen über das Thema: „Sind unsere Volksvertreter Volksverräter?“

Beispielsweise.

These und Antithese sind doch das Mittel der Problemlösung!

Für Menschen reinen Gewissens ist Erörterung jedweden Vorwurfs noch immer die beste Waffe! Selbst gegen die vermeintlich lügnerische Behauptung, gewisse Politiker hätten das Volk verraten.

Eine Hilfe bei der Annäherung an die Wahrheit wäre auch die vorverurteilungsfreie Analyse der Frage: Wie kommen die Rufenden auf so etwas Abwegiges?

Das alles wird da natürlich schwierig, beispielsweise für Politiker der SPD, wenn diese heute frisch, fröhlich und frei Positionen vertreten, die sie vor zwei Jahren oder sogar nur vor einem Jahr den Volksverräter-Behauptern zu vertreten vorwarfen… Und sie deswegen als populistische Stammtischräsonnierer etikettierten.

War das vor zwei Jahren noch oder vor kurzem erst ein Geschimpfe und Gezeter!

Und nun gibt man den einst Beschimpften im Nachhinein recht. Ohne sich zu bedanken.

So peinlich schnell kann heutzutage, was schwarz war, weiß werden und vox populi rechtbehalten.

Und beschimpftes Stammtischgerede Politik werden.

Ich bin übrigens trotz allem und so manchem nicht der Meinung, daß unsere Politiker den Generalverdacht, Volksverräter zu sein, verdienen. Jedoch in dem Ruf zu stehen, Helden der Klugheit oder Ritter von Geist zu sein, ebenfalls nicht. Welcher Ruf ja auch nicht für einen einzigen von ihnen irgendwo ertönt auf deutschen Straßen. So wie seinerzeit sympathiebekundend „Wil-ly! Wil-ly! Wil-ly!“ Für Willy Brandt, den gewisse Kreise des Verrats am deutschen Volke bezichtigt hatten wegen seiner friedensichernden Ostpolitik und der Anerkennung bestehender Grenzen.

Doch zurück zur unseren selbsternannten Sprachrichtern. Wenn man sich belehrend mit erhobenem Zeigefinger anmaßt, recht eigentlich menschenverurteilend Unwörter zu definieren, sollte man nicht wenigstens im Luther-Jahr dem Volk aufmerksamer aufs Maul und sogar aufs Ohr schauen, selbst wo es vermeintlich irrte in den Ohren der vermeintlich Besserwissenden?

Und sich dabei weise auf das Sprachliche beschränken?

Wenn das Volk also (doch, doch, das ist das Volk!), wenn das Volk, oder meinethalben, wenn es aus dem Volk beispielsweise „Lügenpresse“ brüllen würde statt „Fäknjuspresse“, würde mir das auffallen und mich als Sprachwissenschaftler in erster Linie philologisch statt politologisch interessieren. Und ich würde mich fragen, was deutsche Journalisten und deutsche Politiker ohne Not treibt, in deutschen Medien für das deutsche Publikum und deutsche Abgehängte plötzlich von Wisselbloan und Fäknjus zu schwadronieren statt von Informanten und Fälschungen. Und von leif zugeschaltet statt von zugeschaltet, und von leif erlebt statt von erlebt.

Denn Sprache dem Volk, insbesondere den neuentdeckten Abgehängten, verständlich zu machen und sprachlichen Schwachsinn zu bekämpfen, wäre erstrangige Aufgabe einer klugen Sprachjury. Statt sich anzumaßen, einem aus irgend einem Grunde erregten Volk seine Wortwahl vorschreiben zu können, also lieber einzuwirken auf die vorgeblich Sprachbewußten und ihren verantwortlichen Umgang mit Wörtern und Begriffen, also auf Journalisten, Lehrer, Moderatoren, Politiker und andere Schauspieler. Dahingehend für eine dem Volk verständliche und es keinesfalls ausschließende Landessprache Sorge zu tragen und gute deutsche Wörter nicht unnötig durch fremdsprachliche samt ihren fremdsprachlichen Flexionen, wie „gefäkt“ für „gefälscht“, zu ersetzen und damit der Verständlichkeit des den „Abgehängten“ zu vermittelnden Weltgeschehens zu schaden.

Welches Unterfangen auch der Eingliederung nützte der mühsam deutsch lernenden Einwanderer, pardon, der deutsch lernenden Migranten…

„Deutsch“ kommt übrigens von „volksgemäß“.

Lüge – welch deutliches Wort anstelle von „Fäknjus“.

Das Unwort des Jahres 2016 heißt „Fäknjus“!

 

„Was mich am politischen Betrieb in der Bundesrepublik am meisten niederdrückt, ist die Verarmung der Sprache.“

Rudolf Augstein (1923 – 2002)

 

15.1.16 Mephisto an Bellarmin

Sollte man ein derart schönes und klares Wort wie „Idiot“ oder „Trottel“ zum Unwort stempeln, weil es bisweilen, vielleicht sogar häufig, ungerechtfertigterweise verwendet werden könnte? Zugegebenermaßen ist „Idiot“, wie ein Nachschlagen ergäbe, ein von griechisch „idiotes“ und lateinisch „idiota“, „idiotes“ herrührendes Wort und seit dem 16. Jahrhundert deutsch im Sinne als „Laie“, „Stümper“, „gewöhnlicher Mensch“ verwendet, durch seinen seit dem 19. Jahrhundert im heutigen Sinn alleinig pejorativ gewandelten Gebrauch eventuell etwas verblaßt, jedenfalls nicht mehr ganz frisch oder gar originell wirkend. Ähnlich wird „Trottel“, von „trotteln“, „trott“ vielleicht mit den Vorläufern aus italienisch „trotto“, „trottare“ und französisch „trot“, „trotter“, „trottoir“ und zur germanischen Wortgruppe „treten“ gehörig, im Gebrauch seit dem 19. Jahrhundert pejorativ verwendet. Der Wortgebrauch wandelt sich wohl häufiger pejorativ, als umgekehrt vom dummen August zum Augustus. Doch warum sollte man deshalb das Wort an sich verdammen? Zumal wenn es eine neue Bedeutungsnuance definierte, also einen bisher unbemerkten und deshalb noch unbedachten Wirklichkeitsbereich erschlösse?

Die beiden Gremien, die sich mit Wort und Unwort im deutschen Sprachgebrauch befassen, beginnen mir zusehends bizarr zu werden mit ihren Küren. Das Wort „Groko“ zum Beispiel vernahm ich, obwohl mein jährlicher Wortkonsum vielleicht nicht zu den geringsten zählt, tatsächlich zum ersten Mal, als es von der Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache ausposaunt wurde als angebliches „Wort des Jahres“.

So ließ mich das im letzten Jahr von der Jury bestimmte Unwort „Lügenpresse“ für das folgende Jahr schon wieder Schlimmes befürchten. Besonders weil sich, verläßlicher Umfragen zufolge, weit mehr als die Hälfte der Eingeborenen durch die Medien unseres Landes nicht wahrheitsgemäß unterrichtet fühlt über Geschehnisse und Stimmungen bei uns und in den übrigen vier Ecken der Welt. Und infolge einer inquisitorischen Wortverdammung dieses Problem ja keineswegs aus der Welt geschafft wurde, wenngleich eine Unworterklärung in den Augen der Jury gewiß ein Totschlagargument darstellt. Doch im Gegenteil, was sollten die Menschen denn nun machen, die nicht in der Lage sind, einen allgemein empfundenen Sachverhalt eigenständig prägnant zu artikulieren? Jene Kunst beherrschen ja noch nicht einmal unsere gegenwärtigen, demnach bildungsferneren Politiker mit ihrem stereotypen „inakzeptabel“.

„Inakzeptabel“ für „Scheißkackmistarschlochverdammtnochmal!“

Beispielsweise.

Zwar hatte ich die Hoffnung längst aufgegeben, noch einmal „leif zu erleben“, daß man sich des Wortes „leif“ und seines in deutschen Medien zu 99.999999999999999999999999999999999999 prozentigen überflüssigen Gebrauchs einmal annehmen würde, aber dennoch mir einen Funken Hoffnung bewahrt in meinem naiven Herzen, daß es wenigstens solche Dinger wie „Wisselbloa“, „Fäk“ und „fäken“, „Heip“, „Fläschmopp“, „Poost“ und „poosten“ und ähnliche einmal erwischen könnte.

Nicht zu reden von „Nohgohärea“ für „verbotene Zone“…

Vergebens.

Das Unwort des Jahres 2015 heißt also „Political Correctness“, pardon, es heißt „Gutmensch“.

 

„’Gutmensch‘ zum Unwort zu küren, entspringt einem frappierenden Mangel an Reflexion und Kritikfähigkeit genau derer, die damit gemeint sind.“

(Mittwoch, 13. Januar 2016 NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG)