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Thalatta ! Thalatta !

Schlagwort-Archiv: Bertrand Russel

Von Empörung zu Empörung: Beschreibung eines Phänotyps

 

10. Juli 2020: Bellarmin an Mephisto

 

 

Wilhelm Busch (1832 – 1908):

 

Seine Meinung ist die rechte,

Wenn er spricht, müßt ihr verstummen,

Sonst erklärt er euch für Schlechte,

Oder nennt euch gar die Dummen.“

 

Oder verängstigt oder abgehängt oder modernisierungsskeptisch oder fremdenfeindlich oder islamfeindlich oder rassistisch…

Ich ergänze meine vorigen Ausführungen:

Ich weiß nicht, ob Du es mitbekamst, letzte Woche geschah wieder etwas Charakteristisches für unseren derzeitigen Journalismus!

Nachdem unser Innenminister Horst Seehofer geäußert hatte, er erwäge Strafanzeige zu stellen gegen das von ihm und den Medien als Autorin bezeichnete nichtbinäre Wesen Hengameh Yaghoobifarah, prompt fiel man geeint über den Mann her, er verginge sich gegen die Pressefreiheit!!

Und keiner sprach mehr über den Inhalt des nachträglich als Satire deklarierten Artikels des antirassistischen nichtbinären Wesens Hengameh Yaghoobifarah und seine Geisteswelt und die seiner Anhänger und Geldgeber für sein niveauloses Gewäsch.

Ich ergänze des weiteren:

Nach meiner Beobachtung handelt es sich bei nicht wenigen Menschen, wie der sich für Queerness, Feminismus und, in Deutschland gegenwärtig besonders hoch in Mode stehend bei geltungssüchtigen Trittbrettfahrerinnen, in Antirassismus sielenden Hengameh Yaghoobifarah weniger um einen politischen Typus als um einen psychologischen. Der sich je nach Zeitumständen manifestiert als Pharisäertum, katholische Inquisition, protestantische Bigotterie, doppelplusgutes Neusprech, kommunistische Parteilinie, sozialistisches Bewußtsein oder politische Korrektur.

Die Farbe ihrer Fahne ist sekundär.

Die Hauptsache ist das Psychogramm der Rechtgläubigkeit.

Sich manifestierend im sich hervortuenden Verurteilen.

Wenn Du Dir ihre sich ewig durch die Zeiten ziehenden quälenden Querelen vor Augen führst.

Seinerzeit wohl auch vielfach puritanisch strenggläubig schippernd über den Ozean und konzentriert sich ansiedelnd auf dem Gebiet der heutigen USA.

Drüben heute vehement kämpfend gegen die Pflicht zur Krankenversicherung und für die Freiheit des uneingeschränkten Waffenbesitzes.

Auf der einen Seite.

Und eben auf der anderen Seite für „Political Correctness“.

In Deutschland kämpfend für die wirklich wahrste rechtwinkligste Linksgläubigkeit.

In der Antifa.

Beispielsweise.

Denn man sieht ja klar seit Moses und Mohammed und Marx und Mao.

Die Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen!

Gegen die Ungläubigen!

Es ist ja so erhebend, zu bellen mit der Meute der Rechtgläubigen.

Im Rudel der Anständigen.

Ich bin am reinsten antirassistisch!

Ich bin der antifaschistischste!

Auf der richtigen Seite der Barrikade!

Dem „antifaschistischen Schutzwall“!

Es heißt nicht „Mauer“! Es heißt „antifaschistischer Schutzwall“!

Es heißt nicht „Russe“! Es heißt „Sowjetmensch“!

Sonst kein Abitur!

Gott ist ja auf unserer Seite!

Und für Kaiser Wilhelm!

Rechtgläubig, rechtgläubiger, am rechtgläubigsten!

Parteilich, parteilicher, am parteilichsten!

Parteilehrjahr.

Mit Abzeichen für gutes Wissen!

Sonst bist Du ein Fall für die Parteikontrollkommission!

Unterschieden hiervon ist natürlich der derzeit in den USA aus jüngst wieder gegebenen Anlässen wohlbegründete Kampf gegen den dort obwaltenden Rassismus.

Beispielsweise.

Oder der Aufstand der tapferen und von der sogenannten Europäischen Union und Deutschland schmählich im Stich gelassenen Helden in Hongkong.

Beispielsweise.

Unseren Typus aber erkennst Du leicht: Das sind die Leute, die, gekennzeichnet von Dauerempörung, permanent von Feind zu Feind eilen.

Von Feindbild zu Feindbild.

Sie sind es in Wahrheit, die immer einen Feind brauchen!

Schubladendenkend von Empörung zu Empörung!

Selbstverständlich kannst Du mit denen auch reden. Falls Du gleicher Gesinnung bist.

Sonst wird jedes Gespräch unerquicklich.

Denn sie hassen den Abweichler, den Revisionisten, den Ketzer.

Und der Witz ist: Dabei halten sie sich für tolerant!

Das Interesse oder gar das Vergnügen an einer anderen Meinung geht ihnen aber vollkommen ab. Gespräche enden so gut wie immer in ideologischen Ausrichtungsversuchen zur linkesten Rechtgläubigkeit.

Sie wissen gar nicht, was das ist: ein schönes freisinniges, sich gegenseitig befruchtendes Gespräch.

Ihr Hauptfeind ist gar nicht der Nazi.

Ihr Hauptfeind ist der Zweifler.

Den sie hassen.

Wenn er beispielsweise bezweifelt, daß eine Ungleichbehandlung von Ungleichem diskriminierend ist.

 

Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“

Bertrand Arthur William Russel (1872 – 1970)

 

 

Donnerstag, 9. Januar, Deutschlandradio:

Absage von Tellkamp-Lesung: Debatte um Meinungsfreiheit in Dresden

Der Förderverein Lingnerschloss hat in Dresden eine Veranstaltungsreihe der Zeitschrift „Tumult“ abgesagt, betroffen ist auch eine Lesung von Uwe Tellkamp. Der Intendant des Staatsschauspiels Dresden, Joachim Klement analysiert die darum rankende Debatte.

Der Verein Lingnerschloss in Dresden hat eine rechtskonservative Veranstaltungsreihe abgesagt, der Schriftsteller Uwe Tellkamp sollte zum Auftakt dort Auszüge aus seinem neuen Roman vorstellen. Veranstalter der Reihe war die Zeitschrift „Tumult“, die sich im rechten Bereich bewegt.

Tellkamp darf nicht lesen – das hat in Dresden für einen Neuaufguss einer im Grunde alten Debatte gesorgt. Denn Rechtskonservative sehen sich oft in der Opferrolle und betrachten den herrschenden Diskurs als linksgesteuert, in dem keine anderen Meinungen zulässig sind.

Der Schriftsteller Uwe Tellkamp befindet sich erneut im Zentrum einer Debatte um die Meinungsfreiheit.

Der Intendant des Staatsschauspiels Dresden, Joachim Klement, äußert Verständnis für die Absage – denn es sei eben nicht nur um eine Tellkamp-Lesung gegangen. Sondern um eine Reihe von Veranstaltungen, bei der unter anderem auch ein Historiker habe auftreten sollen, der die deutsche Flüchtlingspolitik als „Staatsstreich“ abgetan und kirchliche Würdenträger und Medien als „Lügner“ bezeichnet habe, die „Widersacher der Meinungsfreiheit“ seien. Da sei man im Umfeld von Verschwörungstheorien und rechtsradikaler Propaganda, betont er.

 

Mittwoch, 8. Juli, Deutschlandfunk:

Ein offener Brief macht aktuell in den USA und darüber hinaus die Runde. Ein Brief, der gleich zu Beginn anerkennt, dass gerade eine sehr wichtige Diskussion über Rassismus geführt wird, Demonstrationen für Gerechtigkeit stattfinden und überfällige Reformen erfolgen müssen. Dieser Brief geht vor allem mit dem Aber weiter: Der Diskussion mangele es an Toleranz, Kritik werde nicht zugelassen, abweichende Meinungen würden verschmäht und klein gemacht.

Unterzeichnet wurde er von rund 150 bekannten Schriftstellern und Schriftstellerinnen wie Margret Atwood oder J.K. Rowling, von Journalisten und Journalistinnen und Intellektuellen – vor allem aus den USA. Einer davon ist Yascha Mounk, Politikwissenschaftler, Autor und Professor an der Johns Hopkins University.

„Gegen die Kultur eines echten Meinungsaustauschs“

So seien der beste Beweis für die kritisierte Einengung von Meinungen die Reaktionen auf den Brief selbst, sagt Yascha Mounk. Innerhalb von nur wenigen Stunden sei versucht worden, einen Unterzeichner beruflich zu schädigen. „Das illustriert das Problem, um das es uns in diesem Brief geht besser, als alles, was davor passiert ist.“

 

Mittwoch, 8. Juli, Deutschlandfunk:

Dutzende Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler sorgen sich in einem offenen Brief um den freien Austausch von Informationen und Ideen. Das Klima sei tatsächlich rauer und bornierter geworden, sagte Regula Venske, Präsidentin des Deutschen PEN, im Dlf. Dabei benötige man die offene Diskussion.

„Ich denke, dass wir dieses Problem hier auch haben“, sagte die Autorin Regula Venske im Deutschlandfunk. Die Vorsitzende des Deutschen PEN-Zentrums reagierte damit auf einen offenen Brief von rund 150 Kolleginnen und Kollegen aus dem englischsprachigen Raum. Unterzeichnet hatten ihn namhafte Autorinnen und Autoren – unter ihnen Margaret Atwood, Louis Begley, Jeffrey Eugenides, Noam Chomsky, Joanne K. Rowling, Gloria Steinem, Francis Fukuyama und der in New York lebende deutsch-österreichische Schriftsteller Daniel Kehlmann.

Ideologische Konformität

Sie alle bekennen sich zu den notwendigen aktuellen Debatten etwa über Rassismus, Geschlechtergerechtigkeit, Kolonialismus, LGBTQ-Themen, beschreiben aber innerhalb dieser Diskussionen auch, dass sich moralische Vorgaben und der Drang nach politischer Eindeutigkeit verstärkt habe. Toleranz, so die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, werde zugunsten ideologischer Konformität geschwächt. Der freie Austausch von Informationen und Gedanken, die Grundfesten einer liberalen Gesellschaft, würden eingeengt; konkret wird von Zensur gesprochen.

Ambivalenzen aushalten

Diese Entwicklung sei auch in Deutschland festzustellen, so Regula Venske im Deutschlandfunk. Es gehe in Richtung Selbstzensur, weil man zum Beispiel Angst vor einem Shitstorm in den Sozialen Medien habe. „Da kann man, glaube ich, schon sagen, dass bestimmte Milieus, zu denen ich mich selber durchaus auch rechnen muss, vielleich vor lauter Angst, als rassistisch zu gelten, sich auch manche Kritik oder manche kritische Auseinandersetzung verboten haben.“ Solche Denkverbote, so die Autorin weiter, nützten letztlich aber nur denjenigen, die tatsächlich rassistisch damit umgingen.

Ambivalenzen müsse man aushalten. Natürlich möchte man Verletzungen vermeiden. Aber, so Venske: „Wenn man Aufklärung betreibt, dann muss man mal die Gefühle des Klerus oder der Politiker oder aber der Männer oder aber der Frauen oder wer auch immer gerade sozusagen auf dem Prüfstand steht – deren Gefühle wird man mal verletzten müssen.“ Man brauche eine breite Mitte, in der vieles diskutiert werden kann, „ohne dass man immer gleich dem anderen etwas Schreckliches unterstellt“.

 

Ein Gespenst geht um in Deutschland

 

8. Februar 2020: Bellarmin an Mephisto

 

Jetzt haben wie die Ärsche zu Offizieren gemacht, jetzt glauben die Ärsche, sie sind es auch…“ hieß es sprichwörtlich in den Internationalen Brigaden während des spanischen Bürgerkrieges.

Da hat man der mit der NSDAP gleichgesetzten und als „antisemitisch“ etikettierten stärksten Oppositionspartei des deutschen Bundestages aber ein verdammt scharfes Schwert in die Hand gedrückt in dieser Woche der Dümmlichkeiten. Damit wird es ihr hinfort leicht sein, in allen Stadt-, Kreis- und Landesparlamenten jeden ihr nicht passenden Politiker zu Fall zu bringen, in dem sie arithmetisch erkennbar in wahlentscheidenden Situationen für ihn stimmt. Zum Beispiel in Thüringen Bodo Ramelow bei der nächsten Wahl zum Ministerpräsidenten, wenn CDU und FDP sich enthielten.

 

Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.“

Bertrand Russel (1872 – 1970)

 

Achtung! Das ist gefährlich!

 

14. September 2019: Bellarmin an Mephisto

 

Es ist etwas faul im Staate Deutschlands!

Am Tage danach lautete in der Märkischen Oderzeitung der frohnaturige Kommentar zum Ausgang der Landtagswahl in Brandenburg:

Das nennt man Schlussspurt: Die SPD holt in Brandenburg gewaltig auf, hat am Ende in der Wählergunst die Nase vorn. Damit verhindert sie, dass die Mark das erste Bundesland ist, in dem seit dem Zweiten Weltkrieg, dessen Beginns vor 80 Jahren just am gestrigen Wahltag gedacht wurde, eine von Rechtsextremen geführte und durchwanderte Partei stärkste Kraft wurde. Die SPD verhindert einen Skandal. Das ist das wichtigste Ergebnis der Landtagswahl.“

Nein. Das ist nicht das wichtigste Ergebnis der Landtagswahl.

Das wichtigste Ergebnis ist indessen tatsächlich ein Skandal: Es ist ein Skandal, daß die Medien heute nicht einmal mehr in der Lage sind, den Skandal zu erkennen! Der zum Beispiel darin liegt, daß es einer von den Medien bei uns in Deutschland skrupellos, zudem ohne jede der sonst gegenwärtig so beliebt grassierenden Mutmaßlichkeiten, nahezu flächendeckend mit Nazis gleichgesetzten Partei gelingt, in zwei Bundesländern bundesrepublikanisch nie gekannte zweistellige Zuwächse zu erreichen und damit in beiden Parlamenten zweitstärkste Kraft zu werden!

Sowohl wenn die Gleichsetzung gelogen wäre, als auch wenn sie stimmte!

Das ist doch ein Skandal ersten Ranges, oder?

Gewählt von Menschen, die von denselben Medien totalitär, nämlich wie vom Reichspromi gleichgeschaltet, nunmehr schon seit Jahren als abstiegsverängstigte, modernisierungsskeptische, fremdenfeindliche, islamophobe, rassistische Abgehängte, also als nicht ganz richtig im Kopf seiend, verunglimpft werden.

Ebenfalls ohne jemals das geringste Mutmaßlich.

Gewählt von einem Viertel der Wahlberechtigten trotz der von „Sudel-Edes“, trotz der von Karl Eduard von Schnitzlers „Schwarzem Kanal“ kopierten und jetzt erwiesenermaßen zum zweiten Mal und vorhersehbar kontraproduktiven Propagandamethoden aus der Rumpelkammer des Fernsehfunks der Deutschen Demokratischen Republik.

Glaubte man allerdings der gegenwärtigen Berichterstattung bundesdeutscher Medien, wäre also selber nicht ganz richtig im Kopf, dann gewönne man den Eindruck, als könne es gar nicht sein und gäbe es nicht einen einzigen Menschen, der für die mit 23 und 27 Prozent gewählte Partei aus Vernunftgründen stimmte.

Allenfalls wird ihnen zugebilligt: aus Protest!

Nein, 23 bis 27 Prozent der Wähler in Brandenburg und Sachsen werden als geschichtsvergessene Idioten dargestellt.

Und ihnen damit die Mündigkeit abgesprochen.

Weil 23 bis 27 Prozent der Wahlberechtigten ja nicht wie die Toleranten anständig, sondern weil sie nicht richtig, also falsch denken.

Das ist gefährlich!

Und ein Skandal ist auch, daß man in diesem Lande überhaupt nicht mehr in der Lage zu sein scheint, annähernd differenziert, geschweige denn sachlich objektiv über Dinge zu berichten, die nicht in das Weltbild der Guten und Gerechten passen.

Selbst die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen werden, soweit ich sah mit Ausnahme der Bild-Zeitung, tendenziös dargestellt. Die Wahlergebnisse erscheinen nicht wie einst, und wie üblich unter demokratischen Verhältnissen, in der Reihenfolge der erzielten Prozentpunkte, sondern die 23,5-Prozentpartei wird aufgelistet in Brandenburg hinter der 4,3-Prozentpartei, und in Sachsen folgt die ebenfalls zweitstärkste Kraft im Parlament mit ihren 27,8 Prozent hinter der 4,4-Prozentpartei.

Und seit Jahren wird diese Partei nachrichtlich(!) als einzige(!) Partei bei jeder Namensnennung per attributiver Etikettierung diffamiert!

Was an und für sich schon eine Ungeheuerlichkeit ist und nicht das Geringste zu tun hat mit objektiver Berichterstattung und dem selbstgefällig von den selbsternannten Anständigen im Munde geführten: Freiheit wäre immer die Freiheit der Andersdenkenden.

O nein!

Vielmehr wird von den Medien, jetzt schon mehr oder minder unverhohlen, die zweitstärkste Partei in den Parlamenten Brandenburgs und Sachsens und die größte Oppositionspartei des Bundestages gleichgesetzt mit der NSDAP! So beispielsweise in der 21-Uhr-15-Heute-Sendung des ZDF am letzten Sonntag.

Das ist gefährlich!

Donnerstag, 22. August 2019, Deutschlandfunk:

In den vergangenen Monaten hat es in Deutschland durchschnittlich zehn Gewaltattacken pro Monat auf Politiker gegeben.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervorgeht, registrierte die Polizei von April bis Juni insgesamt 31 Fälle von Körperverletzung oder gefährlicher Körperverletzung. Die Gewalt habe sich vor allem gegen Politiker der AfD gerichtet. Sie seien in 24 Fällen betroffen gewesen. Die mutmaßlichen Täter kamen laut Polizeistatistik meist aus dem linken Spektrum.

Gemeint ist natürlich: Die Täter kamen laut Polizeistatistik meist aus dem linken Spektrum.

Sonntag, 1. September 2019, Deutschlandfunk:

Das „Zentrum für politische Schönheit“ darf nach eigenen Angaben nicht mit einem ausrangierten Panzer vor dem Dresdner Landtag demonstrieren.

Die Stadt habe einen entsprechenden Bescheid per Mail verschickt, erklärte der Leiter der Aktivisten, Philipp Ruch. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, dass die Verwendung des Kampfpanzers als Kundgebungsmittel untersagt werde. Die Stadt als zuständige Versammlungsbehörde war nicht zu erreichen.

Die Aktivisten hatten geplant, mit einem Panzer ohne funktionsfähige Waffen vor dem Dresdner Landtag auffahren zu wollen, um der AfD symbolisch den Krieg zu erklären.

Die Extremisten, Pardon, die „Aktivisten“ meinen natürlich: …um der AfD den Krieg zu erklären.

 

Wenn die Welt erlöst werden soll, müssen die Menschen edel sein, ohne Grausamkeit, voller Glauben und für die Wahrheit empfänglich, Begeisterung für große Ziele fühlen, ohne die zu hassen, die ihnen darin Widerstand leisten.“

Bertrand Russel (1872 – 1970)

 

Mephisto an Bellarmin

Der aus seinem Amt scheidende langjährige Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), hat letzten Sonntag im Deutschlandfunk ein Interview gegeben. Hier setze ich, als Hetzer im Zinksarg, für Dich einen Auszug her:

 …

Heinemann: Wenn Sie ein Beispiel herausnehmen sollten, wie hat sich Neukölln in Ihrer Amtszeit verändert, was ist das Herausragende, was Ihnen sofort einfällt?

Buschkowsky: Es gibt da nicht nur ein Beispiel. Es gibt einen Satz, der es beschreibt: Das Neukölln des Jahres 2015 hat mit dem Neukölln des Jahres 1960/1970 nichts zu tun!

Heinemann: Was hat sich geändert?

Buschkowsky: Es ist eine völlig andere Stadt geworden, mit einem völlig anderen öffentlichen Design. Die Menschen sind andere geworden. Die Bevölkerungsstruktur hat sich völlig verändert. Wir sind heute eine Einwandererstadt. Zwei Drittel der Kinder, die jährlich unsere Schulen verlassen, sind Kinder von Einwanderern. Es ist eine völlig neue Lebenswelt in diese Stadt gekommen – der Islam als neue Religion, mit einem völlig anderen Wertegerüst, als ich es kenne, als ich aufgewachsen bin hier. Und die Menschen haben eine andere Kleidung, als sie in Mitteleuropa üblich ist. Wenn sie hier aus dem Fenster schauen, dann sehen sie plötzlich traditionell gekleidete Frauen und Männer, die Sie normalerweise in ihrem Gedankengerüst niemals nach Mitteleuropa versetzen würden. Also das ist alles etwas völlig anderes, als das alte Arbeiterquartier. Neukölln ist ja nie der Ort der Schönen und Reichen gewesen, sondern hier wohnten und wohnen zum Teil noch handfeste Menschen mit klaren Vorstellungen, was man tut und was man nicht tut und was man seinen Kindern beizubringen hat. Also: „Wenn du was haben willst, dann musst du was dafür tun.“ „Wenn du in der Straßenbahn oder im Autobus sitzt und ein älterer Mensch kommt rein, dann stehst du gefälligst auf.“ „Warum denn? Ich will auch sitzen!“ – „Weil es sich so gehört!“ Das sind Dinge, die ich heute nur noch schwer wiederfinde.

Heinemann: Das haben Sie beschrieben unter anderem in Ihren beiden Bestsellern – Ihr Thema: die Integration. Was kann man in Neukölln lernen über gelungene oder gescheiterte Integration?

Buschkowsky: Man muss ja damit beginnen, sich zu bekennen: Ja, wir sind ein Einwanderungsland! Das wird ja von vielen Politikern der ersten Liga heute immer noch bestritten.

Heinemann: Es sind nur noch wenige.

Buschkowsky: Ja, aber Unverbesserliche gibt es immer. Und wir sind sogar gezwungen, ein Einwanderungsland zu bleiben.

Heinemann: Sie sagen doch: „So wie bisher, geht Einwanderung nicht weiter!“

Buschkowsky: Ja, natürlich sage ich das. Ich sage ja erst mal nur: Wir sind ein Einwanderungsland; wir müssen eins bleiben, weil unsere Geburtenfaulheit dafür gesorgt hat, dass unsere Gesellschaft sich nicht mehr aus sich selbstständig regenerieren kann. So, und dann ist eben halt die Frage, dass die, die neu ins Land kommen, dass die in das Land kommen und Teil des Landes und der Lebensregeln werden wollen und nicht ihr eigenes Ding machen.

Heinemann: Sie beschreiben auf hunderten Seiten, dass genau das nicht klappt – warum nicht?

Buschkowsky: Da ist der Punkt, das nenne ich Integration. Nicht irgendwo ankommen, irgendwo Teil zu werden und zu sagen: ‚Ja, ich bin in euer Land gekommen, um mit euch zusammen zu leben‘, sondern dass wir Erscheinungsformen haben: ‚Wir sind in dieses Land gekommen, aber wir machen weiter wie zu Hause‘, obwohl die Leute zu Hause nicht vor lauter Wohlstand weggelaufen sind, sondern weil das Leben für sie unwirtlich war. Und da sage ich: Das geht nicht!

Heinemann: Was ist da schief gegangen?

Buschkowsky: Der Bösewicht heißt „Ignoranz“ – einfach zu sagen: ‚Tja, das ruckelt sich schon von alleine und wir gucken mal. Je länger die Leute hier sind, desto besser integrieren die sich selbst.‘ Da hat übrigens der erste Ausländerbeauftragte, Heinz Kühn, 1979 schon gesagt: ‚Das ist ein Irrweg. Ihr müsst gucken, dass ihr die Kinder aus den bildungsfernen Familien, dass ihr die ausbildet, dass ihr ihnen in der Schule etwas beibringt, was man in einer modernen Leistungsgesellschaft haben muss: nämlich Kompetenzen – Wissenskompetenzen und soziale Kompetenzen‘. Aber es hat keiner hingehört. Dann gab es eine Süssmuth-Kommission 2000/2001, die hat gesagt: ‚Wir müssen weg von der Zufallseinwanderung, wir brauchen eine Konzeption!‘ ‚Nein‘, haben wieder andere gesagt, ‚wir sind kein Einwanderungsland, dann brauchen wir auch keine Konzeption.‘ Und so sind ganze Generationen entstanden von jungen Leuten, die für sich in dieser Gesellschaft, für sich überhaupt keine Perspektive sehen, die die Grundrechenarten nicht beherrschen, die keinen Satz in deutscher Sprache mit vernünftigem Anfang und Ende bilden können. So, und die transferieren wir bis heute nahtlos aus der Schule ins Jobcenter. Jetzt sagen viele: ‚Na, hören Sie doch auf, alles schwarzzumalen. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele, viele, viele gelungene Integrationskarrieren.‘ Na klar, gibt es die, aber wenn sie die Verkehrssicherheit einer Kreuzung untersuchen sollen, zählen Sie da die Autos, die unfallfrei rübergefahren sind oder werten Sie das Unfallgeschehen aus? Ich sage Ihnen, dass wir durchaus ein Riesenproblem haben, was im Wesentlich auch gespeist wird durch eine andere Werteordnung.

Heinemann: Aber wie heißt genau das Problem? Wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen, dann ist es doch gleichgültig, ob sie die Scharia oder das Privatfernsehprogramm vergöttern. Das heißt, ist das Problem nicht ein soziales? Haben wir nicht ein Unterschichtenproblem – egal, was für ein kultureller Hintergrund dahinter steht?

Buschkowsky: Also, ich weiß nicht, was die Vier-Frauen-Ehe mit einem Sozialproblem zu tun hat. Ich weiß nicht, was eine unterschiedliche Wertstellung weiblicher und männlicher Lebewesen mit einer sozialen Problemstellung zu tun hat. Wir haben hier Fahrschulen nur mit weiblichen Fahrlehrerinnen, weil eine Frau nicht mit einem Mann alleine in einem Auto sitzen darf. Was hat das bitte alles mit sozialem Status zu tun? Wir haben es hier schon mit einer anderen Werteordnung zu tun. Wir haben es auch mit einer Religion zu tun, die Menschen auffordert, sich in einem bestimmten Verhalten zu üben, und dieses Verhalten steht zur westlichen Welt in einem Spannungsverhältnis. Und wer eben sagt: ‚Mit dieser Gesellschaft will ich gar nichts zu tun haben, die ist mir zu sündig, die ist mir zu verdorben‘, aber gleichzeitig der Auffassung ist, dass diese Gesellschaft meinen Lebensstandard sicherzustellen hat und zwar in der Art, wie ich mir das vorstelle, da sage ich immer: Dieser Mensch sollte einfach mal überlegen, ob er wirklich an der richtigen Stelle aus dem Zug gestiegen ist.

Heinemann: Sie kritisieren, dass in Neukölln arabisch-stämmige junge Männer etwa die Hälfte aller Straftaten begehen – das haben Sie geschrieben in Ihrem Buch – und gleichzeitig kritisieren Sie die Justiz, der Staat, die Justiz sei zu nachgiebig. Ist das Hilflosigkeit oder falsch verstandene Toleranz?

Buschkowsky: Dem zugrunde liegt ein falscher Begriff von Integration. Weil ich glaube, Integration heißt nicht, Aufgabe der Lebensregeln der Gesellschaft auf dem Altar der Beliebigkeit.

Heinemann: Wo tut er das?

Buschkowsky: Zum Bespiel in den Fällen zu sagen: Wenn Sie drei, vier Ehefrauen haben wollen, das gehört zur kulturellen Identität. Zur kulturellen Identität gehört auch, dass der Patriarch in der Familie als Herrscher über Leben und Tod Gewalt anwendet. Rabatte in Strafprozessen – Dutzende von Beispielen. Das berühmte „Frankfurter Urteil“, dass die Scheidungsklage einer Frau ablehnt, weil ihr Mann sie immer verdrischt, mit der Begründung: Dort, wo der Mann her kommt, ist das allgemeine Übung. Die Frau ist das Eigentum des Mannes. Er hat kein Unrechtsbewusstsein. Scheidungsbegehren abgelehnt. Ich glaube nicht, dass so ein Urteil heute nochmal möglich ist, weil es führte ja damals zu einem Aufschrei. Aber es gibt viele, viele Stellen, wo wir sagen: ‚Ach, mein Gott, nun lass sie doch, ist doch nicht so schlimm.‘ Das halte ich eben für falsch. Ich glaube schon, dass insbesondere die Wertstellung einzelner Menschen, die Ächtung der Gewalt, die Gleichheit der Geschlechter, dass das unverhandelbar ist. Und deswegen glaube ich, dass hier die Gesellschaft etwas unmissverständlicher sein dürfte, sein müsste, um klar zu machen: Du bis hier herzlich willkommen, wir möchten auch, dass du ein Teil von uns bist und deswegen hätten wir gerne, dass du dich unserer Art und Weise, wie wir leben, anschließt.

Heinemann: Gilt Ihre Kritik auch für das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das ja entschieden hat oder eine Entscheidung veröffentlicht hat in diesem Monat, dass ein Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an Schulen nicht pauschal gelten darf?

Buschkowsky: Also bei diesem Thema muss ich aufpassen, dass mir die Formulierungen nicht entgleisen. Ich beginne mal mit dem Guten. In einem hat das Urteil recht: Ich kann nicht Kruzifixe an die Wand hängen und gleichzeitig das Kopftuch verbieten – das geht nicht. Es muss uns auch schon jede Religion gleichviel wert sein. Das ist das Eine. Dann hört aber mein Verständnis auf. Die, die dieses Urteil gefällt haben, haben keine Ahnung – null -, wie es in Gebieten, in Stadtlagen wie Neukölln zugeht oder in Mannheim oder in Kiel-Gaarden oder in Hamburg-Veddel oder in Duisburg oder in Dortmund oder wo immer Sie auch wollen, weil es ist die falsche Botschaft. Es ist die völlig falsche Botschaft, weil es wird hier weiter geprägt die alt überlieferte Form: Die Frau hat zu gehorchen, sie hat rein und devot zu sein und sie ist das Eigentum ihres Mannes. Und die Botschaft ist: Oma trägt Kopftuch, die Tanten tragen Kopftuch, Mutter trägt Kopftuch und die Lehrerin trägt es auch. Der soziale Druck im Wohngebiet auf die säkularen, auf die liberalen Muslime nimmt immens zu. Und die haben nur eine Entscheidungsalternative, wegziehen oder mit den Wölfen zu heulen. Und was das Gericht da gemacht hat, es hat eine Säule unserer Gesellschaft ohne Not geschleift: Staatliches Handeln hat wertneutral zu sein! Dieser Grundsatz ist aufgegeben worden. Das Gericht hat gesagt: Die Wertneutralität staatlichen Handelns übt keine normative Funktion aus, sondern ist eher eine offene Haltung. Können Sie mir das mal erklären? Ich verstehe es nicht. Ich kleiner, dummer Neuköllner verstehe es nicht, was Wertneutralität für eine offene Haltung ist. Ich empfehle jedem, wenn er ein bisschen seine Kontenance wahren will und wieder Kraft schöpfen will, das Minderheitenvotum der Richter zu lesen. Also ich habe noch nie in so barschen und deutlichen Worten gelesen, wie einige Verfassungsrichter ihre Mehrheitskollegen abwatschen. Dieses Urteil ist ein weiteres Einknicken vor, ich sage mal, denen, die wie Lautsprecher durch das Land gehen und immer einfordern, dass sie benachteiligt sind, dass sie Opfer sind. Ich sage Ihnen aber mal eines: Für mich ist ein Einwanderer und seine Kinder, das sind keine Patienten, das sind Staatsbürger, wie alle anderen auch, und sie haben sich auch, wie alle anderen auch, zu benehmen. Unsere Lebensregeln gelten für alle.

Heinemann: Sie sind in der Integrationsfrage ja ähnlich mit Ihrer eigenen Partei überkreuz. Sie haben sich gerade in der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit Generalsekretärin Fahimi gestritten, der sie „Einwandererkitsch“ vorwerfen. Was heißt das?

Buschkowsky: Wenn Sie das ganze Interview gelesen haben, fanden Sie, dass Frau Fahimi mir sehr viel Substanz entgegenzuhalten hatte? Ich fand das nicht. Ich fand, dass sie eigentlich zu allentscheidenden Fragen mir ausgewichen ist oder mit dem charmanten Halbsatz geantwortet hat: „Da hast du Recht, Heinz.“

Heinemann: Ist das typisch für die SPD?

Buschkowsky: Ich glaube, ja. Die weiß nämlich gar nicht, wo sie hin will.

Heinemann: Warum nicht?

Buschkowsky: Weil es innerhalb der SPD halt auch ein Sammelsurium an Grundüberzeugungen gibt. Es gibt weite Teile der SPD, die nenne man Basis. Wenn ich dort auftrete und spreche, verlasse ich immer von Wohlgefühl getragen den Saal. Es gibt andere Bereich der SPD, das ist meist so die verfasste Funktionärsschaft, da gibt es schon so ein klammheimliches Denken: ‚Ach, der schon wieder – nur ein toter Buschkowsky ist ein guter Buschkowsky!‘

Heinemann: Geht das so weit?

Buschkowsky: Also, ich meine, die Bandbreite bei Buschkowsky ist wirklich: Zum einen wurde ich verglichen mit dem norwegischen Massenmörder Breivik und zum anderen hat man mir den Gustav-Heinemann-(Bürger)Preis angeklebt. Die SPD weiß eigentlich nicht ganz genau: Was machen wir mit dem nun eigentlich? Das geht aber meinem Vorsitzenden Sigmar Gabriel genauso. Der ist nach Dresden gefahren und hat mit PEGIDA diskutiert. Ich fand das klasse, aber was ist über ihm ausgekübelt worden; Boah ey, hat der abgekriegt. Aber der Mann hat doch recht. Die Menschen demonstrieren dort, weil sie Angst haben, und die Aufgabe der Politik ist es, den Menschen die Angst zu nehmen und nicht darüber nachzudenken, wie ich sie ganz schnell mundtot mache, indem ich sie als Schande bezeichne oder Ähnliches.

Heinemann: Sie haben in dem Zusammenhang in Ihrem Buch gesprochen von dem „Gehässigkeitsfaktor“ und von dem „Schweigegebot“ in Deutschland. Wie haben Sie das erlebt?

Buschkowsky: Na ja, immer wenn sie irgendwas sagen, wo sie hinterher schieben können: ‚Wissen Sie, das können Sie alles selbst feststellen. Gehen Sie einfach mit offenen Augen und offenen Ohren durch die Welt, dann werden Sie das sehen‘. Also gerade das, was Sie vorhin angesprochen haben: ‚Arabische junge Männer haben bei mir hier einen Anteil von neun Prozent an der Bevölkerung, sie stehen aber für 50 Prozent aller Straftaten‘. So, das ist schon wieder rassistisch. Weil ich habe gesagt „arabische junge Männer“. Ich hätte eigentlich korrekt sagen müssen: Es gibt bei uns junge Männer, die reziprok oder sonst wie zu ihrem Bevölkerungsanteil Straftaten begehen. Sie hätten zwar nicht gewusst, worüber ich rede, aber es wäre politisch korrekt gewesen. Ich mache Ihnen ein weiteres Beispiel. Schüler in den Schulen, die andere verdreschen, ihnen auf den Kopf treten, die die Lehrer bespucken, also früher waren das Rowdys oder Krawalltypen, heute nennen wir sie „verhaltensoriginelle Schüler“. Da weiß auch keiner mehr, was ist. Jemand, der im Sozialtransfer steht, der ist im Jobcenter plötzlich ein Kunde und der hat nicht massive Vermittlungshemmnisse, sondern der hat eine komplexe Profillage. Also unsere Sprache wird so verballhornt, dass sie eigentlich die wahren Dinge verdeckt. Also darüber sollte mal einer promovieren. Also teilweise hat das richtig komödiantische Züge. Wenn sie jetzt sagen – und bei mir ist das so – im statistischen Durchschnitt sind muslimische Eltern weiter von einem normalem Verhältnis zum Bildungserwerb ihrer Kinder entfernt als zum Beispiel polnische Eltern oder asiatische, also Sie, da kriegen sie richtig ausgekübelt. Und wenn sie zum Beispiel sagen: Ich erwarte von jedem Einwanderer als Bringschuld, dass er die Bereitschaft zur Integration mitbringt, dann sind sie ein deutschtümelnder alter Mann. Wenn sie sagen: Also es gibt bestimmte Teile des Islam, die sind eigentlich mit einer modernen Welt nicht kompatibel, das ist ein klarer Beweis dafür, dass sie islamophob sind. So gibt es Dinge, wo sie beigebracht kriegen: ‚Du redest über Sachen, wie man nicht reden sollte, mein Lieber. Und wenn du das nicht sein lässt, dann müssen wir dich ein bisschen ächten. Hast du verstanden!‘ Und so wurden es immer weniger, die gewagt haben, den Kopf aus der Masse herauszuheben, weil keiner hat Lust zum Gegenstand von „Management by Champignon“ zu werden: Wer den Kopf rausstreckt, kriegt ihn abgehauen! Und denken Sie mal nach, wie viele Namen fallen Ihnen noch ein von Menschen, die über gesellschaftliche Fehlentwicklungen reden, so dass man es versteht, so, wie sie es sehen? Weil ich sage immer wieder: Wissen Sie – wenn mir vorgehalten wird, das hat was mit Hybris zu tun: Neukölln ist überall -, ich sage: Wissen Sie, das ist die Botschaft an die Leute, die im Sessel sitzen und sagen: ‚Gell Mama, gut, dass wir da nicht leben.‘ Und ich sage: ‚Hey, nimm mal den Hintern hoch, geh mal in das Nachbarwohnviertel in deiner eigenen Stadt, da wirst du eventuell das gleiche Milieu treffen, wie ich es beschreibe.‘ Weil es ist auch so, quer durch die Bundesrepublik, von Norden bis Süden. Ich habe Hunderte von Vorträgen in Deutschland gehalten und was meinen Sie, wie oft ich den Satz gehört habe: ‚Alles, was Sie erzählen, das ist ja, als ob Sie hier bei uns leben würden.‘ Und ich bin einmal von einer Staatskanzlei eingeladen worden zu einem Vortrag und dann habe ich vor dem Mittagessen gefragt: ‚Sagen Sie mal, ich werde doch mit Sicherheit nichts erzählen, was Sie nicht wissen. Können Sie mir mal beantworten, warum Sie mich aus Berlin, mehrere hundert Kilometer einfliegen, damit ich das hier vortrage?‘ Da war die Antwort: ‚Das ist ganz einfach, weil sich das hier keiner zu sagen traut, was Sie sagen.‘

Das Unwort par excellence, das Hüllwort für Hüllwörter, das Metahüllwort, definiert mein elektrisches DEUTSCHES UNIVERSALWÖRTERBUCH aus dem Verlagshaus DUDEN als: „Political Correctness, die; – – (engl. political correctness, eigtl. = politische Korrektheit): von einer bestimmten (linken, liberalen) Öffentlichkeit als richtig eingestufte Gesinnung, die dazu führt, dass bestimmte Wörter, Handlungen o. Ä. vermieden werden, die als diskriminierend od. pejorativ empfunden werden könnten„.

Da sollten alle Alarmschrillen glocken! Von einer bestimmten(!) Öffentlichkeit(!)… als richtig(!) eingestuft(!)… Gesinnung(!!)… vermieden werden… hätte, könnte(!), würde…

Das heißt, die Gesinnung einer elitären Gruppe gerechter Linksgläubiger (in jedem Krieg steht Gott ja auf Seiten der Gerechten… folglich auf unserer Seite!), also die infolge Linksgläubigkeit gerechte Gesinnung einer sich Kompetenz anmaßenden „Öffentlichkeit“ „führt“ dazu, daß „vermieden“ werde… also man zensuriert, schreibt vor, diktiert dem dummen, pardon, dem bildungsfernen Volk zwangsläufig Ersetzungen des aus konjunktionalen Erwägungen Vermiedenen. Euphemismus statt Pejorativ. Jobcenter statt Arbeitslosenzentrum.

Schöne neue Welt. „Vermeintliche Probleme der Kommunen“ statt „Probleme“. „Gefühlte Bedrohung“ durch Kriminalität statt „Bedrohung“. „Möglicher Sozialmissbrauch“ durch Zuwanderer aus EU-Staaten statt „Sozialmißbrauch“. Und Unpassendes lasse man in den Nachrichten am besten gleich ganz weg! Zum Beispiel über Ausländerkriminalität. Oder über Bewilligungszahlen von Asylanträgen von Antragsstellern bestimmter Herkunftsländer. Oder sogar Zahlen rechtsextremer Gewalttaten, differenziert nach Bundesländern. Damit die Leute nicht auf unrichtige Gedanken kommen.

Früher, in Zeiten, in welchen unsere Journalisten noch über Geschichtskenntnisse verfügten und ein wenig deutsch sprechen und mitunter sogar schreiben konnten, hieß Political Correctness, um nur einige Stationen zu nennen, in kontinuierlicher Praxis Pharisäertum, Bigotterie, doppelplusgutes Neusprech oder Parteilinie. Osten erglüht, China ist jung, rote Sonne grüßt Mao Tse Tung. In der Deutschen Demokratischen Republik, was ja auch ein schönes Wort war für „Sowjetische Besatzungszone“, hieß die politische Korrektur „sozialistisches Bewußtsein“. Wenn man also „Russe“ sagte statt „Sowjetmensch“, wurde man tadelnd zurechtgewiesen, tatsächlich, mit „Mensch, was haben Sie denn für ein sozialistisches Bewußtsein!?“ Günstigstenfalls.

Seltsamerweise jedoch hat es sich jüngst gerade wieder herausgestellt, daß es besser ist, auch skrupellos das wahrzunehmen, was die Augen zeigen, und Russen immer Russen zu nennen.

Indessen, wenn ich mich weiter erinnere, in der DDR gab es noch nicht einmal „vermeintliche Probleme“. Versorgungsprobleme „unserer“ „volkseigenen“ Betriebe? Das waren doch alles „RIAS-Enten“, um den Sozialismus zu diskriminieren. Lügenmärchen des Rundfunks im amerikanischen Sektor. Hinter dem antifaschistischen Schutzwall.

Eine Ausnahme bildete allerdings das Wohnungsproblem. Da es im Staat der unmöglichen Begrenztheiten keine Kasernen mehr gab, sondern höchstens „Objekte“ für „unsere“ „bewaffneten Organe“, existierten natürlich auch keine Mietskasernen mehr. Dafür schöne neue „Wohnobjekte“ in gepriesener Plattenbauweise. Bevorzugt natürlich für „Werktätige“, die nicht RIAS hörten und nicht von „Russen“, „Mietskaserne“ oder „Mauer“ sprachen. Die kriegten, da es Zimmer und demzufolge „Anderthalbzimmerwohnungen“ nicht mehr gab, eine schicke Zweiraumwohnung zugewiesen von der „Kommunalen Wohnraumlenkung“(!)… Freilich erst nach einer gewissen Wartezeit. Anfang der siebziger Jahre erklärte man den Wohnungssuchenden aber freudestrahlend: „Das Wohnungsproblem wird bis 1990 gelöst!“

Ein schönes Beispiel dafür, daß linke Rechtgläubige recht behalten!

Zurück zum derzeitigen Mehltau für Gehirne und die inquisitorische Steilvorlage für die elektrische Lynchjustiz beißender Rudel selbstgerechter Nichtdenker gegen Andersdenkende. Anständige Leute müssen Knigge nicht gelesen haben, um zu wissen, daß man Menschen nicht im Gang umknickt. Anständige Leute benötigten bis ins neue Jahrtausend hinein keine politische Korrektur. Und Nazis sind Nazis und halten sich sowieso nicht an Korrekturen einer „bestimmten Öffentlichkeit“. Der WAHRIG der neunziger Jahre kennt keine „Political Correctness“, wohl aber „Politikaster“. (Das sind zum Beispiel die, die heutzutage am virtuellen Stammtisch des Internets sich über vermeinliches Stammtischgerede nichtvirtueller Nichtanonymi aufregen.) Die Vorgabe eines politisch korrigierten Sagens und Meinens ist also günstigstenfalls sinnlos. Jedoch welch erhebendes Gefühl, wie tut das gut, aus einem Rudel linker Rechtgläubiger blökend und bellend seine Anständigkeit präsentierend einen Unkorrekten zur Strecke zu bringen! Wie sollte man denn auch nicht recht haben, wenn außer einem Gedankenverbrecher alle derselben Meinung sind?

In Zeiten, als es noch Dumme gab auf Erden, soll der Bildungsnäheren vielleicht noch nicht gänzlich unbekannte Nobelpreisträger Bertrand Russel gesagt haben: „Es ist der Jammer dieser Welt, daß die Weisen sich ihrer Sache immer so sicher und die Dummen so voller Zweifel sind.“ Da ich faul bin, zitierte ich lieber aus dem Gedächtnis, und es kann sein, daß ich in dem Zitat die Reihenfolge der Weisen und Dummen vertauscht habe. Aber man kann ja nicht alles im Kopf behalten, und woran sollte man die richtige Reihenfolge auch so leicht erkennen können? Der Satz ist heut eh unkorrekt. Man kann nur hoffen, daß künftigen Geschlechtern, pardon, Gendern, das Wort „Dumme“ erspart bleibe und sie sowas Barbarisches gar nicht mehr kennen und sie empfindsame bildungsferne Seelen fürderhin mit dummen, pardon, mit bildungsfernen Wörtern nicht mehr belästigen können.

Ich halte PEGIDA für eine direkte Folge politischer Korrektur. Der Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Dresden und dortige Inhaber des Lehrstuhls für politische Systeme und Systemvergleich, Werner J. Patzelt, schrieb am 21. Januar unter dem Titel „Edel sei der Volkswille“ im Mittwochfeuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

 …

Wirklich gute Gründe haben uns in Deutschland dazu veranlasst, solchen Denk-, Rede- und Handlungsweisen möglichst keinen Raum zu überlassen, die mit altem oder neuem Nazitum zusammenhängen könnten. Das macht alles Sprechen und Tun verdächtig, das nicht links oder mittig ist, sondern von rechts daherkommt. Und die Macht zu deuten, was rechts wäre, haben wir denen überlassen, die sich links oder mittig geben. Was einmal als „rechts von der Mitte“ gilt, sehen wir schon in Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Faschismus abrutschen. Der aber war und bleibt schlecht. Zweifellos verdient er nichts als Ausgrenzung und Bekämpfung. Gut ist hingegen, wer – und was – den Faschismus bekämpft. So entstand ein gefühlt klarer Kanon dessen, was an Betrachtungsweisen, Begriffen, Sprachformeln und Argumenten in Deutschland „geht“ oder eben „nicht geht“. Wer sich daran hält, darf am öffentlichen Diskurs teilnehmen. Wer sich gegen diesen Kanon vergeht, ist auszugrenzen – und sei es als ein „Latenznazi“, der einfach nicht weiß, was er wirklich ist.

Besonders einflussreiche Schiedsrichter öffentlicher Diskurse sind Journalisten. Tatsächlich haben, ausweislich einschlägiger Studien, Journalisten eine im Durchschnitt linkere Einstellung als die Bevölkerung. Politiker wiederum tun gut daran, sich im Konfliktfall der Schiedsrichterrolle von Journalisten zu unterwerfen. Und an der ist unter den wünschenswerten Bedingungen von Pressefreiheit auch gar nicht zu rütteln. Die Folge: Seit die Achtundsechziger ihren „Marsch durch die Institutionen“ vollendet haben, sind sowohl der öffentliche Diskurs als auch das von ihm geprägte Parteiensystem im Vergleich zu dem nach links gerückt, was sich demoskopisch als reale Meinungsverteilung der Bevölkerung ermitteln lässt. Tatsächlich sind die Wortführer öffentlicher Meinung immer wieder entsetzt darüber, wie große Anteile rechten Denkens die Demoskopen regelmäßig im Volk entdecken. Für normal hält man derlei natürlich nicht, sondern ist enttäuscht, dass im realen Meinen eben doch nicht verschwindet, was man so umsichtig aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt hat. Anscheinend bleibt selbst strikte Diskurshygiene ohne umfassende Erziehungswirkung. Und was ursprünglich an zivilisierenden Geboten politischer Korrektheit durchaus nicht repressiv gemeint war, nimmt dann eben doch diese Rolle an, sobald sich diskursivem Erzogenwerden verweigert, wer in die Öffentlichkeit geht.

Solcher Rückzug tatsächlichen Meinens oder Sprechens ins Nichtöffentliche löst aber keinerlei Spannungen. Vielmehr unterbleibt dann gerade das, was doch ein entscheidender Vorteil repräsentativer Demokratie ist. Der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel, in den Gründungsjahren unseres Landes sehr einflussreich, nannte ihn einst die „Veredelung des empirisch vorfindbaren Volkswillens“. Sie besteht darin, dass im öffentlichen Diskurs Publizisten und Politiker in rationale, unanstößige, diskursiv anschlussfähige Sprache überführen, was sich an Denkweisen oder Interessensbekundungen an den Stammtischen und auf den Internetseiten der Nation ausdrückt, und zwar mit oft ganz unzulänglichen, ja primitiven Mitteln, die ihrerseits manch hetzerische Dynamik entfalten. Unterbleibt dann eine „Veredelung“ des so Vorgebrachten, wie sie gerade Publizisten und Intellektuelle leisten könnten, so wird den von ihren Eliten alleingelassenen einfachen Leuten bald eine akzeptable Sprache fehlen, in der sie ihre Sicht und ihre Anliegen unanstößig ausdrücken könnten. Auf diese Weise entsteht im rechten Bereich des politischen Meinungsspektrums eine Repräsentationslücke. Erst mit der AfD entstand eine Partei, die immerhin verspricht, vom Grundkonsens unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus diese Repräsentationslücke rechts der Union zu füllen.

Tatsächlich haben wir es so weit gebracht, dass es für Leute, die sich rechts der Mitte artikulieren wollen, in unseren Talkshows nur noch die Rolle des Krokodils im Kasperltheater gibt: Man akzeptiert sie dafür, zum Gaudium der Wohlmeinenden verprügelt zu werden – teils mit der Klatsche ethischer Empörung, teils mit dem Rohrstock der Satire. Solche Krokodile müssen weg. Solche Feinde zu bekämpfen ist aber nicht nur wichtig, sondern auch gut und schön. Wie weiland edle Ritter auf âventiure bekämpfen die Anständigen nun mit hohem Mut Mischpoke, Mob und Ratten. In Dresden reinigt man nach deren Auftritt sogar die von ihnen „beschmutzten“ Straßen und Plätze. So folgt der Kommunikationshygiene zwar nicht Klassen- oder Rassenhygiene, sehr wohl aber die Massenhygiene.

Und kann derlei Ausgrenzung überhaupt gut ausgehen? Lässt sich wohl dauerhaft jene Repräsentationslücke verriegeln, die gewiss in guter Absicht herbeigeführt wurde, unter der nun aber vielerlei unterdrücktes Empfinden, Wollen und Denken nach Ausdruck drängt? Anscheinend drängt das Magma unrepräsentierten Volksempfindens und unveredelten Volkswillens allenthalben in Deutschland nach oben. Freilich lagert sich darüber im Westen jene feste Kruste, welche erfahrungsbewährtes Systemvertrauen, jahrzehntelang problemlose Sozialstaatlichkeit und der institutionenbesetzende Aufstieg der Achtundsechziger geschaffen haben. Also dringt nur mittelbar und in kleinen Geysiren nach oben, was unterschwellig auch da brodelt. Doch anders verhält es sich im Osten, wo seit der Wiedervereinigung demoskopische Umfragen zeigen, um wie viel dünner dort das Deckgebirge repräsentativer Demokratie ist. In Dresden kamen bloß einige besondere Umstände zusammen – und ließen einen Vulkan ausbrechen.

Falls diese Diagnose stimmt, wird im Umgang mit Pegida der traditionelle Therapieversuch nicht viel fruchten. Er besteht darin, die Unanständigen einfach zu verscheuchen, idealerweise durch einen „Aufstand der Anständigen“. Das Deckgebirge unserer politischen Deutungskultur wird im Generationswechsel weg von den Achtundsechzigern porös, während jene tektonischen Geschiebekräfte zunehmen, die der Wandel unseres Landes zu einer multikulturellen Einwanderergesellschaft aufbaut. Unterdrücken wird sich solcher Vulkanismus auf Dauer nicht lassen.

Richtiger wäre es deshalb, auf die Bauprinzipien unserer pluralistischen, repräsentativen Demokratie zu vertrauen. Ihnen folgend, würde man jene Schwierigkeiten und Interessen ernst nehmen, die Pegida zu thematisieren versucht: die Repräsentationslücke, die Sorge um den Fortbestand vertrauter Kultur, die Zukunftsangst vieler Bürger einer Einwanderungsgesellschaft ohne klare Einwanderungs- und Integrationspolitik. Die Einrichtungen unserer Zivilgesellschaft müssten Foren organisieren, auf denen Pegidisten und No-Pegidianer sich darüber streiten können, was in unserem Land zu tun oder zu lassen wäre. Und die Bundestagsparteien hätten Positionspapiere für oder gegen ein „Bundeseinwanderungs- und Integrationsgesetz“ vorzulegen, damit eine öffentliche Debatte über den ganzen Fächer der Gestaltungsaufgaben unseres Einwanderungslandes zustande käme.

Der gemeinsame Nenner all dessen ist Kommunikation. Die entsteht zwischen Freund und Feind aber nicht von selbst. Man kann sie aber organisieren. Und man muss sie auch herbeiführen, wenn man das Wohl unseres Landes im Sinn hat.

Legitimität entsteht nämlich nur durch Kommunikation und erhält sich anders auch nicht. Auszugrenzen hat nur dann Sinn, wenn es um Extremisten geht, also um die Gegner einer freiheitlichen demokratischen Ordnung. Mit Andersdenkenden sollte man hingegen ins Gespräch kommen – voll guten Willens, höflich und ohne Arroganz. Die steht jenen sogar besonders schlecht, die dem einfachen Volk tatsächlich an Bildung oder Reichtum überlegen sind.